Um in Ruhe das neue ALBUM „Mutual Friends“ des Duos Boy zu hören, schließen die weiblichen Mitglieder unserer Redaktion sich in ihren Büros ein. Songs, so schön, dass keine Störung geduldet wird
Als der Rapper Casper in diesem Sommer seine Platte „XOXO“ veröffentlicht hat, ist ein Fall eingetreten, der Seltenheitswert im deutschen Pop hat. Einerseits entwickelte sich das Album zum Massenhit und erreichte Platz eins der deutschen Charts, andererseits wurde „XOXO“ auch noch von diversen Kritikern in den Feuilletons gelobt. Nun kann man Casper und seinen cineastischen Larger-than-life-Rap am Samstag, 10. September im Konzert erleben, er spielt dann um 20 Uhr beim Berlin Festival auf dem stillgelegten Tempelhofer Flughafen.
Für uns hat Casper vor kurzem geträumt, und zwar im ZEITmagazin 32/11, es ging dabei neben seiner Kindheit in der ostwestfälischen Provinz auch um seine Verlustängste. In einem Albtraum, der ihn immer wieder heimholt, sieht er diese symbolisch eingewoben. Casper erzählte uns: „Bis heute kann ich mir nicht erklären, warum ich so oft davon träume, dass mir die Zähne ausfallen. Ich wache dann morgens auf und muss in meinem Mund fühlen, ob da nicht doch eine Lücke ist. Am plausibelsten erscheint mir, dass diese Art von Träumen etwas mit Verlustängsten zu tun haben. Das würde bei mir passen.“
Dass Casper so freimütig seine Befindlichkeiten preisgibt, ist auch ein typisches Merkmal seiner autobiografischen Songs. Er rappt über zerbrochene Freundschaften, über die Wunden seiner Kindheit und über die Monotonie des Alltags. Schön daran ist, dass er trotz aller Melancholie immer dem Leben zugewandt, immer optimistisch bleibt. Casper ist ein Mutmacher, und deshalb darf man sich auf seinen Auftritt auf dem Berlin Festival zurecht freuen.
Dabei ist sein Konzert nicht der einzige Höhepunkt des Open-Airs, das am 9. und 10. September stattfindet. Mit Suede und Primal Scream geben gleich zwei Britpop-Legenden der 90er Jahre mit Spannung erwartete Comeback-Konzerte. Die Beginner um Jan Delay wollen beweisen, dass HipHop aus Hamburg immer noch mitreißen kann. Public Enemy hingegen müssen gar nichts mehr beweisen – sie sind als Gralshüter des amerikanischen Rap ohnehin über alle Zweifel erhaben. Wenn die Eastcoast-Rapper in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Bühne betreten, wird mit Sicherheit auch Casper im Publikum stehen. Philipp Wurm
Der Pianist Jools Holland hat in der BBC die Show „Later“. Mithilfe einiger seiner Gäste entstand dieses ALBUM. Mit dabei: Ina Müller und Herbert Grönemeyer
„Leg dich neben mich!“ heißt die aktuelle Kollektion der Premiumlinie von KILIAN KERNER. Der eröffnet heute am 20. August um 13:00 Uhr seinen ersten Flagship-Store. Gefeiert wird das ganze Wochenende auf 350 qm in den Hackeschen Höfen in Berlin. Gut ist daran vor allem, dass Mads Langer als Live Music Act auftritt. Alle die sich mit daneben legen möchten, sind eingeladen
Wer Tango für Tanzmusik hält, mit der gelangweilte Pärchen abgeklungene Leidenschaften wiederbeleben, der kann sich von dieser CD-Sammlung belehren und begeistern lassen. Darauf ist alles zu hören, was der Tango als reiner Hörgenuss zu bieten hat: kratzige Klassiker aus den 20er und 30er Jahren ebenso wie eine neuere Tango-Avantgarde mit der Anmutung von Kammermusik; Legenden wie Astor Piazzolla und Künstler wie María Graña. Schwülstig? War gestern!
MADAME CARVEN schneiderte in den Sechzigern rasante Stewardessen-uniformen. Heute entwirft Guillaume Henry für das Haus Kleidung, für die Frauen morden würden
Im vergangenen Jahr erschien bereits das Album „The Suburbs“ von Arcade Fire – trotzdem braucht man die Special Edition, denn sie enthält den KURZFILM „Scenes from the suburbs“ des Regisseurs Spike Jonze
Wer die Krautrock-Band Popol Vuh hört, muss sich auf allerhand Sonderbarkeiten gefasst machen. Die Alben tragen rätselhafte Titel wie „Affenstunde“ oder „In den Gärten Pharaos“, und die Musik selbst, eingespielt mit Moog-Synthesizern und exotischen Percussions, klingt wie die Vertonung eines surrealen Traums. Das Doppelalbum „Popol Vuh – Revisited & Remixed“ erinnert nun mit einem Best-of und einer Remix-CD an die legendäre Band aus München. Vor genau zehn Jahren haben sich Popol Vuh aufgelöst, nachdem ihr Gründer Florian Fricke an einem Schlaganfall gestorben war. Wir haben einen Experten gefragt, warum Popol Vuh, die ihre größte Zeit in den 70er Jahren hatten und in erster Linie Instrumental-Stücke verfassten, heutzutage noch interessant sind: Jan St. Werner vom rheinischen Elektronik-Duo Mouse On Mars ist nicht nur ein großer Fan. Er hat für „Popol Vuh – Revisited & Remixed“ auch ein Remix des Popol-Vuh-Stücks „Through Pain To Heaven“ aufgenommen, zusammen mit Mouse On Mars. Er befindet sich übrigens in guter Gesellschaft: Musiker wie Peter Kruder oder Thomas Fehlmann (The Orb), bekannt für ihre Stilsicherheit, sind auf der Platte ebenfalls mit Remixen vertreten.
ZEITmagazin: Auf dem neuen Album verneigen sich bedeutende elektronische Musiker vor Popol Vuh. Warum so viel Ehre? Jan St. Werner: Popol Vuh haben sich sehr verdient gemacht für die deutsche Nachkriegskultur. Es war doch wahnsinnig schrecklich, was man damals sonst so hörte, Sänger wie Peter Alexander oder Heinz Erhardt etwa. Krautrock-Projekte wie Popol Vuh – oder auch Can und Amon Düül – haben dagegen Freiheit und Anarchie in die Musik gebracht. Davon ging eine unglaubliche Kraft aus. Zudem haben sich Popol Vuh wohltuend vom Dogmatismus abgehoben, der in den 60er und 70er Jahren in der elektronischen Avantgarde an den akademischen Institutionen herrschte. Ein Komponist wie Karl-Heinz Stockhausen besaß ja eine sehr große Ernsthaftigkeit.
ZEITmagazin: Popol Vuh sind bekannt für ihre Zusammenarbeit mit Werner Herzog – Filme wie „Aguirre“ oder „Fitzcarraldo“ belieferten sie mit Soundtracks. Warum haben Band und Regisseur so gut harmoniert? Werner: Sowohl die Filme von Werner Herzog als auch die Stücke von Popol Vuh haben mit klassischer Narration nicht viel zu tun. Manche Popol-Vuh-Stücke sind ja nicht mehr als ein zehnminütiges Intro. Und Werner Herzog wiederum nimmt sich sehr viel Zeit für Details, hat eine unglaubliche Geduld, um eine künstlerische Idee zu entfalten. Hinzu kommt, dass beide das gleiche Lebensthema haben: Sie wollen zeigen, dass es der menschliche Wahnsinn ist, der alles zusammenhält.
ZEITmagazin: Wann bist du das erste Mal mit der Musik von Popol Vuh in Berührung gekommen? Werner: Ich müsste 15, 16 Jahre alt gewesen sein. Damals, Mitte der 80er Jahre, habe ich nach Musik geforscht, die mir neue Räume eröffnete. Dazu zählten neben den Talking Heads, Brian Eno oder Industrial-Bands eben auch Popol Vuh.
ZEITmagazin: Gibt es Beispiele in der aktuellen Popmusik, in denen du den Geist von Popol Vuh oder anderen Krautrockern wiederfindest? Werner: Es gibt einige Musiker aus den USA, die womöglich eine ähnliche Freiheit wie Popol Vuh ausleben – Sänger aus der Freak-Folk-Szene etwa oder Bands wie Animal Collective. Musiker, die es sich leisten, zu experimentieren. Auch bei Stücken von Pop-Projekten wie LCD Soundsystem denke ich manchmal: Ist das nicht ein Remix von Can?
ZEITmagazin: Auf der Remix-CD sind Mouse On Mars mit einem Remix von „Through Pain to Heaven“ vertreten, einem Stück aus Herzogs „Nosferatu“. Warum ausgerechnet dieses Stück? Werner: Das war reine Willkür, einen speziellen Grund gab es nicht. Das Stück bietet einfach genug Material. Als wir Popol Vuhs Werk durchstöberten, haben wir es entdeckt. Eine gewisse Schizophrenie war allerdings schon im Spiel. Einerseits hatten wir großen Respekt vor dem Stück. Andererseits mussten wir diesen Respekt überwinden, um das Stück als Klangmaterial für unseren Remix wahrnehmen zu können. Glücklicherweise ist uns das gelungen.