Von Andreas Jungherr, David J. Knepper und Harald Schoen
In Wahlkämpfen geht es für Parteien und Kandidaten auch darum, ihre Inhalte und Positionen zu politischen Themen auch solchen Bürgern nahezubringen, die sich nicht gezielt parteipolitischen Informationsangeboten aussetzen wollen. Ein Weg, dieses Ziel zu erreichen, besteht darin, Inhalte im Informationsraum möglichst gut sichtbar zu präsentieren. Damit das gelingen kann, gilt es für Parteien, ihre Internetseiten so zu programmieren und inhaltlich zu gestalten, dass sie für Suchmaschinen wie Google leicht verständlich sind. Warum ist das wichtig? Suchmaschinen, und besonders Google, sind entscheidende Treiber der Besucherzahlen von Webseiten. Auch in Zeiten in denen Besucher zunehmend auf Sozialen Netzwerkplattformen auf Webseiten und neue Inhalte im Internet aufmerksam werden, ist Google noch immer der wichtigste Weg, auf dem Internetnutzer auf Webseiten stoßen. Gerade in dem Jahr einer Bundestagswahl ist es also für Parteien entscheidend, prominent in den Google-Ergebnisseiten zu politisch relevanten Suchbegriffen (z.B. „Bundestagswahl“, „Wahlkampf“ oder „Energiewende“) aufzutauchen.
Bereits 2011 haben wir die Sichtbarkeit der Internetseiten politischer Parteien anlässlich der Landtagswahlkämpfe in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern untersucht (http://sichtbarkeitsreport.de). Unser Fazit damals war, dass die Parteien bei populären Suchanfragen auf Google kaum sichtbar waren und nur dann in Trefferlisten prominent erschienen, wenn Nutzer nach Parteinamen oder den Namen von Spitzenkandidaten suchten. Dagegen blieben Parteien bei allgemeinen Suchanfragen (z.B. „Wahlkampf“) oder politischen Themen praktisch unsichtbar. Gilt dieser Befund wenige Monate vor der Bundestagswahl 2013 noch immer, oder haben die Parteien im Bund ihre Internetangebote wahlkampffit gemacht? Die hier in der Folge dargestellten Ergebnisse basieren auf Daten des SEO-Tool Xovi und wurden am 12. Mai 2013 erhoben.
Sichtbarkeit von Parteiwebseiten zu politischen Suchbegriffen
Sucht man nach dem Begriff „Bundestagswahl“ auf Google, so stößt man auf den ersten Plätzen der Ergebnisseiten auf Wikipedia und Webseiten von Behörden und Medien. Auf Platz 30, und damit erst auf der dritten Google-Ergebnisseite, findet sich die erste Seite einer Partei, der Piratenpartei. Einige Plätze weiter hinten finden sich Seiten einiger Landesverbände der SPD und der Grünen. Internetangebote der CDU oder der FDP sucht man unter den ersten 120 Treffern vergeblich. Dieses relative Desinteresse der Parteien an dem Suchbegriff „Bundestagswahl“ wird von Internetnutzern nicht geteilt. Das Google Keyword-Tool schätzt gegenwärtig, dass monatlich 8.100 mal nach diesem Begriff gesucht wird.
Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die populären Treffer zu dem Begriff „Energiewende“ untersucht. Auch hier finden sich unter den ersten Treffern Wikipedia und Webseiten von Behörden und Medien. Zusätzlich sind Webseiten von Firmen und NGOs sehr präsent, die offensichtlich stark daran interessiert sind, ihre Sicht auf die Energiewende und das weitere Vorgehen in diesem Politikfeld vorzustellen. Die einzige Bundespartei, der es mit ihrer Webseite gelingt, unter den 95 populärsten Treffern aufgeführt zu werden, ist Bündnis 90/Die Grünen, deren Seite man zum Zeitpunkt der Datenerhebung auf Platz 53 der Ergebnisliste findet. Andere Parteien sucht man vergeblich. Auch dieser Begriff ist laut Google für Nutzer interessant. Für „Energiewende“ schätzt das Google Keyword-Tool 18.100 monatliche Anfragen.
Die Entwicklung der Sichtbarkeit von Parteiwebseiten im Vergleich
Diese wenigen exemplarischen Befunde zeigen, dass die Bundesparteien mit ihren Internetseiten bisher nicht besonders erfolgreich versuchen, im Informationsraum Internet mit ihren Informationsangeboten sichtbar zu werden. Dies zeigt auch ein Blick auf den „Online Value Index“ (OVI) der Firma Xovi. Dieser Index erfasst die die Sichtbarkeit von Webseiten in Google-Ergebnissen. Entscheidend für hohe OVI-Werte sind die Gesamtzahl der Stichworte, zu denen eine Webseite geführt wird, und die relative Bedeutung dieser Stichworte im Suchverhalten von Google-Nutzern. Vordere Plätze in den Ergebnislisten zu häufig mit Google gesuchten Begriffen führen also zu einem höheren OVI-Wert.
Betrachtet man die Entwicklung der Indexwerte für die Webseiten der Bundesparteien im Jahr 2013, so zeichnen sich einige klare Muster ab (siehe Abbildung). Die meisten Parteien bleiben über den Jahresverlauf in ihrer Sichtbarkeit relativ stabil. Das gilt zum Beispiel für die Webseiten der Piraten, der Linken, der Grünen und der FDP. Die Webseite der SPD zeigt hingegen einen deutlichen Aufwärtstrend, der darauf hindeutet, dass die SPD mit ihrem Internetangebot im Jahresverlauf zunehmend sichtbarer geworden ist. Die Webseite der CDU erlebte hingegen zwei schwere Einbrüche in ihrer Sichtbarkeit, so dass sich ihr Indexwert seit Jahresbeginn praktisch halbiert hat. Damit ist die CDU die einzige Partei, die laut OVI seit Beginn des Jahres deutlich an Sichtbarkeit eingebüßt hat. Der Einbruch in der jüngsten Vergangenheit fällt zeitlich direkt mit dem Relaunch der CDU-Webseite für den kommenden Wahlkampf zusammen. Hier getroffene Entscheidungen in Bezug auf Design, Struktur und Programmierung sowie begleitende technische Maßnahmen beim Relaunch der Internetseite scheinen sich also unmittelbar negativ auf die Sichtbarkeit der Website bei der Google-Suche ausgewirkt zu haben.
Die unterschiedlichen Entwicklungen von SPD- und CDU-Webseiten deuten auf Gründe für Unterschiede in der Sichtbarkeit hin. Die SPD setzt mit ihrer Webseite gezielt auf textliche Inhalte, die häufig aktualisiert werden und die aktuelle Bezüge zur Tagespolitik und politischen Akteuren aufweisen. Die Partei veröffentlicht so nicht nur ihre Pressemitteilungen, sondern bietet weiterführende und vertiefende Informationen zu politischen Themen. Dieser redaktionelle Aufwand wird mit einer stetig steigenden Sichtbarkeit auf Google belohnt. Die CDU hingegen setzt deutlich stärker auf die Darstellung von audio-visuellen Inhalten und veröffentlicht eher kurze Texte. Allein der Vergleich der Startseiten der beiden Internetangebote zeigt diese unterschiedliche Schwerpunktsetzung. Die stetig sinkende Sichtbarkeit von cdu.de steht hiermit (neben weiteren technischen Ursachen) wahrscheinlich in Zusammenhang.
Parteiwebseiten sind quasi unsichtbar in Google-Ergebnislisten
Trotz dieser Unterschiede in der Sichtbarkeit der Parteien sollte man nicht vergessen, dass alle Parteien im Vergleich zu anderen politisch relevanten Webseiten quasi unsichtbar bleiben. Zum Vergleich: im März 2013 erreichte die Webseite der Piratenpartei den höchsten Indexwert für eine Webseite politischer Parteien in der von uns betrachteten Zeitspanne. Dieser Wert lag bei 35,3. Er liegt deutlich niedriger als der aktuelle Index-Wert von Spiegel Online, der 10.092,3 beträgt. Wenn es also Unterschiede in der Sichtbarkeit der Internetangebote politischer Parteien gibt, so dürfen diese nicht den Blick darauf verstellen, dass die Webseiten aller Parteien im Vergleich zu anderen politischen Angebote im Netz in den Ergebnislisten von Google praktisch unsichtbar sind.
Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Parteien in Deutschland weiterhin im Informationsraum Internet wenig sichtbar sind. Um auf Internetangebote von Parteien zu stoßen, müssen interessierte Nutzer nach Parteinamen oder den Namen von Spitzenkandidaten suchen. Suchanfragen zu politisch relevanten Stichworten, die nicht direkt mit Partei- oder Kandidatennamen verbunden sind (z.B. „Bundestagswahl“ oder „Energiewende“), führen über Google hingegen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu den Webseiten politischer Parteien. Damit verschenken deutsche Parteien eine wichtige unterstützende Funktion des Internets im Wahlkampf. Einige der Ergebnisse deuten darauf hin, dass Parteien mit Entscheidungen hinsichtlich Konzept, technischer Gestaltung, Design und redaktioneller Betreuung der Webseiten die Sichtbarkeit ihrer Webseiten beeinflussen können. Bis zur heißen Phase des Wahlkampfs haben die Kampagnenmacher der Parteien noch ein wenig Zeit, dieses Potential zu nutzen. Damit ist nicht gesagt, dass sie die Möglichkeiten nutzen werden. Ob und wie sie es tun, dürfte unter anderem davon abhängen, wie ernst die Verantwortlichen die Sichtbarkeit ihrer Webseiten im Internet nehmen.
Literatur:
Andreas Jungherr, David J. Ludwigs und Harald Schoen. 2011. Sichtbarkeitsreport: Wie sichtbar sind die Webseiten von politischen Parteien für Suchmaschinen? http://sichtbarkeitsreport.de
Andreas Jungherr und Harald Schoen. 2013. Das Internet in Wahlkämpfen: Konzepte, Wirkungen und Kampagnenfunktionen. Wiesbaden: Springer VS. http://www.springer.com/springer+vs/politikwissenschaft/book/978-3-658-01011-9
Die Autoren:
Andreas Jungherr ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Soziologie der Universität Bamberg (http://andreasjungherr.net). Dort forscht er über die Rolle des Internets in der politischen Kommunikation. Zusammen mit Harald Schoen ist er Autor des Buches Das Internet in Wahlkämpfen: Konzepte, Wirkungen und Kampagnenfunktionen.
David J. Knepper ist Geschäftsführer der Agentur NEOLOX (www.neolox.de) für Beratung und Entwicklung digitaler Kommunikation
Prof. Dr. Harald Schoen lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bamberg.