Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Über die Karriere eines Nazi-Totschlägers von heute

 

Seit der Wiedervereinigung sind 149 Menschen von Nazis ermordet worden. Der 18. März 1992 wurde dem Kapitän Gustav Schneeclaus zum Verhängnis, ein Gedenkstein am Buxtehuder Busbahnhof erinnert noch an das Opfer: Heute genau vor achtzehn Jahren schlugen ihn zwei Neonazis hier brutal zusammen, weil er gesagt hatte: „Hitler war der größte Verbrecher.“ Drei Tage später erlag der 53-jährige Kapitän seinen schweren Verletzungen. Die Nazis Stefan Silar und Stephan Kronbügel wurden nur zu sechs bzw. achteinhalb Jahren Gefängnis wegen Totschlags verurteilt. Den beiden blieb damit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes aus niederen Beweggründen erspart.

Heute Abend ab 18 Uhr wollen mehrere Initiativen vor Ort an Gustav Schneeclaus erinnern. Zudem wollen sie auch auf den Mörder Stefan Silar aufmerksam machen, der inzwischen zu einer rechten Szenegröße herangewachsen ist, seit 2005 nahe Tostedt (Niedersachsen) den Nazi-Laden „Streetwear Tostedt“ betreibt und mit der Nazi-Gruppe „Gladiator Germania“ den Landkreis terrorisiert.

Zu Stefan Silars Aktivitäten nach seiner Freilassung schreibt die Seite „AK Schneeclaus“, die zum heutigen 18. Jahrestages des Mordes an Gustav Schneeclaus mobilisiert:

Blood & Honour sowie Combat 18 Pinneberg

Nachdem Silar im Gefängnis anscheinend einige Kontakte geknüpft hatte, übernahm er direkt nach der Haftentlassung im 2000 verbotenen Rechtsrocknetzwerk „Blood & Honour” die Leitung für die „Sektion Nordmark”. Er organisierte als „Sektionsleiter” Rechtsrockkonzerte und sorgte mit dem „Saalschutz Nordmark”, welcher aus dem Verbot des „Blood & Honour”-Netzwerkes hervorging, für die Sicherheit der Konzerte, unter anderem auch für die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe”. Im Jahr 2006 versuchte der „Saalschutz Nordmark” unter Leitung von Silar einen Angriff auf einen anwesenden Journalisten.

Zuvor wurde Silar 2005 jedoch im „Combat 18 Pinneberg” Prozess mitangeklagt, weil die Gruppe der Planung und Durchführung von gewalttätigen und terroristischen Aktionen beschuldigt war. „Combat-18“ hatte von „szenetreuen“ Rechtsrockversänden Schutzgeld erpresst und Neonazis, die die Entwicklung nach dem „Blood & Honour“ Verbot kritisierten, abgestraft und verprügelt. Durch die Verknüpfung des „Saalschutz Nordmark” hatte auch Silar einen solchen Auftrag übernommen um einen Kritiker „zurück auf Linie zu bringen”. Der Kritiker wurde auf einem Rechtsrockkonzert von Silar verprügelt, was zu seiner Mitanklage führte. Kurz vor einer großen Razzia gegen die Combat 18 Pinneberg” Gruppe, warnte Silar den späteren Hauptangeklagten Clemens Otto vor, nachdem er vom Staatsschutz erfahren hatte, dass die Gruppe unter Beobachtung stand.

Neonaziszene Tostedt

Ebenfalls 2005 eröffnete Stefan Silar seinen Neonaziladen „Streetwear Tostedt” im Tostedter Ortsteil Todtglüsingen. Dort verkauft er von Rechtsrock CDs, über Waffen wie Quarzsandhandschuhe und Pfefferspray alles, darunter auch die Nazimarken „Thor Steinar” und „Eric & Sons”. Der Laden dient als Anlaufpunkt für Interessierte, wo sie Tipps zu „nationalen” Informationen erhalten, sowie als Szenetreff für die Naziszene von Tostedt und den umliegenden Dörfern. Des Weiteren ist der verurteilte Totschläger auch Betreiber des Internetversandhandels „Nordic Flame”, welcher das gleiche Sortiment wie der Onlineshop von „Streetwear Tostedt” bietet.

Neben seinen Aktivitäten in der lokalen Naziszene steht Silar auch über Tostedt und Norddeutschland hinaus in gutem Kontakt zu anderen Neonazis. Er ist regelmäßiges Mitglied beim „Stammtisch Nord”, einem Vernetzungstreffen für die „Freien Kräfte” und „Nationalen Sozialisten” aus dem norddeutschen Raum. Darüber hinaus pflegt er gute Kontakte zur NPD und wird oft auf Landesparteitagen und anderen Veranstaltungen als Teilnehmer gesichtet. Zudem steht er in enger Verbindung mit dem NPD-Bundestagskandidaten Sebastian Stöber, einer Schlüsselfigur in der Tostedter Naziszene, welcher zeitgleich auch Anführer der Kameradschaft „Gladiator Germania” ist. Noch heute finden in Tostedt interne Schulungen statt, bei welchen die große Nachwuchsszene von Kadern wie Silar und Stöber gezielt aufgebaut wird.

Als am 1. Mai AntifaschistInnen eine Spontandemonstration gegen den Naziladen in Todtglüsingen initiierten, tauchten innerhalb kürzester Zeit einige in der Nähe feiernde Nazis auf, durchbrachen die Polizeisperre und griffen die Demonstration mit Flaschen an. Silar drohte unter anderem einem Journalisten mit den Worten: „Du mit der Kamera bist der nächste…”

Die Tostedter Neonaziszene arbeitet auf eine „National befreite Zone“ Tostedt hin, dabei gilt brutale Gewalt als akzeptiertes „politisches Mittel“. Schwere Verletzungen der politischen GegnerInnen werden billigend in Kauf genommen. Das hat in den Neunziger Jahre mit Bothe angefangen und wird jetzt von Silar und Stöber der neuen Generation als „Politik“ verkauft. Die jungen Neonazis setzten diese Tradition mit zahlreichen Übergriffen und Einschüchterungsversuchen fort. Zum Beispiel waren Tostedter Neonazis an einem Angriff auf ein Jugendzentrum in Delmenhorst maßgeblich beteiligt. Mehrmals wurde ein Mehrfamilienhaus in Wistedt von Ihnen angegriffen und beschädigt, des Weiteren wurde die Polizeistation in Tostedt mit Steinen angegriffen.

Kein Vergeben und kein Vergessen

Die Gedenkveranstaltung findet heute um 18:00 Uhr am Buxtehuder Busbahnhof statt. Direkt anschließend wird um19:00 Uhr ein Vortrag von André Aden (Recherche Nord) zur Neonaziszene in Tostedt und Stefan Silars Rolle in dieser Szene im Kulturforum zu hören sein.

Wer mit der Bahn aus Hamburg kommt, fährt am besten zusammen mit vielen anderen zusammen um 17:21 mit der S-Bahn nach Buxtehude aus Hamburg-Harburg ab. Es soll anschließend als geschlossener Zug zum Busbahnhof gegangen werden.

Veranstalter:
Antifaschistischer Arbeitskreis Gedenken an Gustav Schneeclaus
Kulturforum am Hafen e.V.
VVN-BdA Kreisvereinigung Stade

Gut, dass die Initiatoren diesen brutalen Mord erneut ans Licht der Öffentlichkeit holen. Wünschenswert wäre dies auch bei den vielen anderen Nazi-Morden der vergangenen Jahre.

Es ist notwendig, der Öffentlichkeit kontinuierlich vor Augen zu halten, was organisierter Neonazismus bedeutet: Menschenverachtender Terror und Mord gegen alle, die nicht in das braune Weltbild passen.