Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat am Montag die rechtsextreme Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF) verboten. Mehr als 175 Polizisten stürmten am frühen Morgen zeitgleich 20 Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe. Auch bei einem Neonazi in Berlin gab es eine Durchsuchung. Bei der Razzia stellten die Ermittler kistenweise Beweismaterial sicher, darunter Hakenkreuzfahnen, Propagandamaterial, Messer, Schlagstöcke und Festplatten. Die FKTF waren mit rund 50 Personen eine der wichtigsten Neonazigruppierungen in Brandenburg.
Am Mittag sagte Woidke bei einer Pressekonferenz, dass die FKTF sich eindeutig gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik gerichtet hätten. Die Gruppe habe sich offen zum Nationalsozialismus bekannt, eine rassistische Grundhaltung vertreten und antisemitische Propaganda verbreitet. „Die ‚Freien Kräfte Teltow-Fläming’ propagierten einen völkischen Kollektivismus im Sinne des Nationalsozialismus des Dritten Reichs und machten die demokratische Staatsform verächtlich“, sagte Woidke.
Viele der Vereinsmitglieder hätten Straftaten begangen, die zumeist „im direkten Zusammenhang mit der Vereinszugehörigkeit“ standen. „Beides war für den Rechtsstaat nicht länger hinnehmbar“, betonte Woidke. Das erlassene Vereinsverbot bezieht sich auch auf die „Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisation“. Mindestens ein Mitglied der FKTF war unter anderem an einem Brandanschlag auf das „Haus der Demokratie“ einer Initiative gegen Rechts in Zossen beteiligt. Der geständige 24-Jährige, der auch NPD-Mitglied sein soll, muss sich demnächst vor Gericht verantworten.
Woidke bezeichnete das Verbot der Gruppe als wichtiges Signal an die rechte Szene. Nirgendwo im Land dürfte es Spielraum für Neonazipropaganda und Fremdenhass geben. Die Behörden würden auch in Zukunft alle Möglichkeiten des Rechtsstaates konsequent ausschöpfen. Woidke rief die Zivilgesellschaft in Brandenburg dazu auf, weiterhin wachsam gegenüber rechtsextremen Entwicklungen zu bleiben. „Wer sich dabei engagiert, wird in Polizei und Justiz sowie der Brandenburger Landespolitik auch in Zukunft gute Partner haben, die für verlässlichen Rückhalt sorgen.“
„Es war längst überfällig, dass die Behörden reagieren“, sagte Christoph Schulze vom Verein Opferperspektive, der Opfer rechter Gewalt unterstützt. „Die Neonazis in der Region hatten lange Zeit das Gefühl tun und lassen zu können was sie wollen.“ Ein staatliches Durchgreifen sei dringend notwendig gewesen. Schulze befürchtet aber, dass die Rechten einfach unter anderen Namen weitermachen werden. Schon jetzt gebe es bestehende Nebenstrukturen wie die „Nationalen Sozialisten Zossen“ oder das „Infoportal Teltow-Fläming“. Auch sei es möglich, dass die Rechtsextremen einfach zur NPD gehen. „Seit dem gescheiterten Verbotsverfahren ist die NPD zu einem sicheren Hafen für gewaltbereite Neonazis geworden“, sagte Schulze.
Das Verbot der FKTF ist in Brandenburg bereits das sechste gegen eine rechtsextreme Organisation. Zuletzt hatte sich die Brandenburger Nazitruppe „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ nach einer Razzia und einem bevorstehenden Verbot im Sommer vergangenen Jahres überraschend selbst aufgelöst. Erstmalig war Jahr 1995 war mit der „Direkten Aktion/ Mitteldeutschland (JF)“ eine rechtsextreme Vereinigung in dem Bundesland verboten worden, zuletzt im 2006 der „Schutzbund Deutschland“.
Übersicht zu verbotenen Neonazi-Organisationen in Deutschland:
1992: “Nationalistische Front”, “Deutsche Alternative”, “Deutsche Kameradschaft Wilhelmshaven” (Niedersachsen),”Nationale Offensive”
1993: “Nationaler Block” (Bayern), “Heimattreue Vereinigung Deutschlands” (Baden-Württemberg), “Freundeskreis Freiheit für Deutschland” (Nordrhein-Westfalen)
1994: “Wiking Jugend”
1995: “Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei” (FAP), “Nationale Liste Hamburg” (Hamburg), “Direkte Aktion/Mitteldeutschland” (Brandenburg)
1996: “Skinheads Allgäu” (Bayern)
1997: “Kameradschaft Oberhavel” (Brandenburg)
1998: “Heide-Heim” Hamburg und Buchholz
2000: “Hamburger Sturm”, “Blood and Honour” sowie die Jugendorganisation “White Youth”
2001: “Skinhead Sächsische Schweiz” (SSS) (Sachsen)
2004: “Fränkische Aktionsfront” (Bayern)
2005: “Kameradschaft Tor”, “Mädelgruppe”, “Berliner Alternative Süd-Ost” (Berlin), “Kameradschaft Hauptvolk” inklusive Untergliederung, “Sturm 27″ (Brandenburg), “ANSDAPO” (Brandenburg)
2006: “Schutzbund Deutschland” (Brandenburg)
2007: “Sturm 34″ (Sachsen)
2008: “Collegium Humanum”, “Bauernhilfe e.V.”, “Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten (VRBHV)”
2009: Frontbann 24 (Berlin)
2009: “Heimattreue Deutsche Jugend”
2011: “Freie Kräfte Teltow-Fläming” (Brandenburg)