Was haben Jay Z, Mike Tyson und Norah Jones gemeinsam? Sie alle sind im New Yorker Stadtteil Brooklyn aufgewachsen. Genauer: In Bedford-Stuyvesant, einem Stadtteil, der eine erstaunliche Wandlung hinter sich hat. Das New York Magazine hat im Interactive „One Block“ Bed-Stuy porträtiert – und zeigt, dass sich nicht jeder Gentrifizierungsprozess durchsetzen muss. Könnte sich der Berliner Stadtteil Neukölln ähnlich entwickeln?
Zwischen Patchen Avenue und dem Malcolm X Boulevard liegt ein Abschnitt der MacDonough Street – eine Straße, die den Stadtteil besonders gut repräsentiert. Nicht immer sah es hier so idyllisch aus wie auf den Bildern, die man seit ein paar Jahren mit Brooklyn assoziiert. Seit den Fünfzigern wohnen in Bed-Stuy vorrangig Afroamerikaner, jahrelang gehörte hier Straßenkriminalität zum Alltag. Bed-Stuy war ein sozialer Brennpunkt, eine rough hood.
Nun ist die Gegend, von der Touristenführer früher abrieten, zum idealen Ort geworden, um das „neue New York“ zu erkunden. Hier wohnen nun hippe New Yorker in renovierten Brownstones, zweistöckigen Reihenhäusern aus Sandstein. An vielen Ecken finden sich Bioläden und Cafés. Es ist familienfreundlich und sauber. Die Immobilienpreise stiegen in den vergangenen Jahren rasant – und sie sind der primäre Grund dafür, dass sich die Nachbarschaft gewandelt hat.
So könnte sich auch der Berliner Stadtteil Neukölln entwickeln. Die Voraussetzungen sind ähnlich. Auch Neukölln hat problematische Kieze, die in erster Linie migrantisch geprägt sind. Die Kriminalität ist noch immer hoch, neben Raub und Einbrüchen gibt es sehr viele Drogendelikte.
Und genau, wie in den vergangenen Jahren Bewohner Manhattans nach Brooklyn kamen, zogen Berliner, die sich den Prenzlauer Berg nicht mehr leisten konnten, in die Gegend zwischen Landwehrkanal, Hermannplatz und Sonnenallee. Dorthin, wo die Altbauten so zögerlich saniert wurden wie vor circa 15 Jahren die Brooklyner Brownstones. Noch tummeln sich junge Touristen in den Kiezen rund um die Reuter- und Schillerstraße, aber schon bald könnten durch steigende Mieten und Immobilienpreise Ausgehkieze zu familiengeprägten Wohngegenden werden. Und, so die Sorge vieler Berliner, Alteingesessene und finanziell schwache Familien mit Migrationshintergrund in andere Stadt- oder Ortsteile verdrängt werden.
Bed-Stuy macht es schließlich vor: Hier kostete ein Brownstone, laut der Auswertung des New York Magazine, 1975 im Durchschnitt 80.000 Dollar. Heute ist es das Zehnfache. Am Berliner Maybachufer wiederum stiegen die Mieten in den letzten sechs Jahren bereits um 72% Prozent, wie eine interaktive Grafik der Berliner Morgenpost zeigt. Und ein Quadratmeter Eigentumswohnung kostete im letzten Jahr rund 2.600 Euro – ein Anstieg von 12,7% gegenüber 2012, und der höchste in ganz Berlin.
Doch eine Entwicklung in Bedford-Stuyvesant ist untypisch für Brooklyn, und sie könnte auch die Zukunft von Neukölln voraussagen: Viele Alteinwohner sind trotz erhöhter Mietpreise geblieben. Sie ließen sich nicht vertreiben, sondern passten sich an die Gentrifizierung an. Einige, die wegzogen, kehrten nach Jahren wieder nach Bed-Stuy zurück – und investierten sogleich in Häuser. Sie kauften sich ihren Stadtteil quasi zurück. Noch immer ist daher der Anteil von weißen Anwohnern sehr niedrig, er liegt bei etwa zehn Prozent. Möge also Neukölln es Bed-Stuy nachmachen und… einfach Neukölln bleiben.
- Neukölln, da freu ick mir: Döner, Dorfidyll und Hinterhöfe. Der Berliner Problembezirk wird neu entdeckt.
- An der Grenze zwischen Weiß und Schwarz und Wohlstand und Armut: Ein Brooklyn-Erfahrungsbericht aus dem ZEIT-Archiv (1969)
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