Wir bestens informierte Zeitgeistexperten wissen natürlich, dass Geschichte nicht linear verläuft, sondern immer ein paar Haken schlägt. Irgendwie fehlt es der Menschheit wohl doch an Erfindungsreichtum. Die einzige, ein wenig traurige Konstante der Popkultur ist deshalb, dass in regelmäßigen Zyklen das Alte in neuem Outfit wieder auftaucht. Kreisläufe und Schleifen hin oder her: Da sich die Mehrheit der Weltbevölkerung auf ein lineares Zeitmodell geeinigt hat, bietet es sich an, historische Abläufe auf einem Strahl von links nach rechts abzubilden.
Sie mögen Popmusik, haben bis zu 90 Minuten übrig und wollen sich so richtig verzeitstrahlen lassen? Dann bitte!
Die Datenanalysten von Polygraph.cool (ja, das ist mal eine top Top-Level-Domain!) haben die amerikanischen Top-Five-Single-Charts seit 1958 ausgewertet und alle Songs in einen 90-minütigen Wechselstrom aus Musik eingespeist. How Music Evolved nennen sie ihr neustes Projekt.
Man kann punktuell nach einzelnen Interpreten suchen und findet dann ihre Hitsingles samt Erscheinungsjahr. Aber man kann eben auch die gesamte Geschichte der US-amerikanischen Popmusik linear ablaufen lassen und hören, wie sie vom R’n’B ganz alter Schule zum R’n’B unserer Tage hochgezüchtet wurde. Zwischendrin passiert auch noch ein bisschen Schmusepop, Britpop, Disco, Rock, Hip-Hop. Während die Zeit fortschreitet, läuft jeweils die aktuelle Nummer eins der Charts. Mal wechseln die Songs innerhalb weniger Tage, mal halten sich ein paar Nervensägen wochenlang an der Spitze. Selbstverständlich geschieht das alles im Zeitraffer: Ein Monat dauert in der interaktiven Grafik zehn Sekunden, 525 Monate sind im Angebot, ergibt eine Gesamtspiellänge von knapp 90 Minuten.
Ein Klanglineal, ideal, um Zirkelschlüsse in der Geschichte zu entdecken.