Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Emotionen mit der Mörtelkelle

 

Die Rockband Enter Shikari rührt eine dicke Suppe aus ihren erfolgreichen Alben zusammen. Dem echten Hardcore-Fan ist „Common Dreads“ wohl etwas zu fleischhaltig.

Cover

 
Enter Shikari – Juggernauts
 
Von dem Album: Common Dreads Warner Music 2009

You need to upgrade your Flash Player

Echte Hardcore-Fans finden die britische Band Enter Shikari ungefähr so klasse, wie Metal-Fans die Scorpions. Echte Hardcore-Fans ziehen authentisches Grunzen dem hysterischen Gesang von Rou Reynolds vor, blutige Nasen und Ströme von Schweiß schätzen sie höher als postergerechtes Auftreten. Ihnen sind karge Gitarrenattacken lieber als das bunte Keyboardgewirbel von Enter Shikari. Dass die Band aus England kommt und von ihrem Debütalbum Take To The Skies 250.000 Exemplare verkaufte, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Dabei ließen sie es auf ihrem Debüt recht ordentlich knallen. Ihre bezaubernden Melodien versenkten sie tief in schäumende Synthesizermeere. Gitarrenbefeuerte Trommel-U-Boote durchpferchten die Trübnis – am Abschussrohr kreischte Rou Reynolds sich Torpedos aus dem Leib. Und die saßen: Singles wie Anything Can Happen Within The Next Half Hour… und Mothership drangen tief in den britischen Mainstream ein, dudelten im Frühfunk und der Indiedisco und standen stapelweise im Musiksupermarkt. Post-Hardcore wird diese Musik neuerdings genannt, wohl um die Widersprüche nicht zu groß werden zu lassen.

Die britische Poptrendzeitung NME kürte Enter Shikari nach Erscheinen ihrer ersten beiden Singles als New Noise 2007, zu einer der Rockbands, die nach Einschätzung der Redaktion bald großen Erfolg haben würden. So richtig sie damit lagen, in den NME gehört eine richtig harte Band natürlich auch nicht. Im Mutterland des Hardcore, den USA, erschien Take To The Skies mit einem halben Jahr Verzögerung und war mäßig erfolgreich.

Auf ihrem zweiten Album Common Dreads unternehmen Enter Shikari Verpöntes. Es ist eine kaum kaschierte Kopie von Take To The Skies, bis ins Detail. Wieder eröffnet ein sphärisches Instrumentalstück die Platte. Wieder klingt das folgende Stück, als hiebe Dave Stewart von den Eurythmics in die Tasten, wieder sitzt der Hit auf Nummer 4 – damals Anything Can Happen Within The Next Half Hour…, nun eben Juggernauts. Und so weiter.

Enter Shikari rühren genau die Suppe an, die sich in den vergangenen zwei Jahren so gut verkaufte, sie variieren kaum eine Zutat, zitieren sich immer wieder selbst. Allein im Mittelteil der Platte legen sie mit Zzzonked und Havoc A und B ein paar flotte und unerwartete Dubsteps hin, manch hymnischen Chorgesang ersetzen nun südenglische Raps – The Streets lassen grüßen. Ansonsten wird überall genauso dick aufgetragen, wie zuvor. Jedes Instrument versucht das andere zu übertönen, Emotionen werden mit der Mörtelkelle dosiert.

Ja, das ist eine fette Suppe, die Enter Shikari zu Löffeln geben, schmackhaft und in ihrer Zusammensetzung immer noch einzigartig. Dem echten Hardcore-Fan wird sie wiederum viel zu fleischhaltig sein. So staunt man schließlich über zwei Dinge: Wie kann eine Band so dreist sein und trotzdem nicht scheitern? Und wieso hört man sich diese eigentlich furchtbar anstrengende Platte immer wieder an?

„Common Dreads“ von Enter Shikari ist auf CD bei Warner Music erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ROCK
Billy Talent: „Billy Talent III“ (Warner 2009)
Mono: „Hymn To The Immortal Wind“ (Cargo 2009)
Magma: „Mekanik Kommandoh“ (Harmonia Mundi 2009)
Marilyn Manson: „The High End of Low“ (Universal 2009)
Monks: „Black Monk Time“ (Universal 1966/2009)
Jarvis Cocker: „Further Complications“ (Rough Trade 2009)
Faust: „C’est Com… Com… Compliqué“ (Bureau B/Indigo 2009)
Peter Doherty: „Grace/Wastelands“ (Parlophone/EMI 2009)
Journey: „Escape“ (Columbia 1981)
Franz Ferdinand: „Tonight“ (Domino Records/Indigo 2009)
The Shaky Hands: „Lunglight“ (Cooperative/Universal 2008)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik