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Offen für Alles

Die transmediale.11. widmet sich der livegeschalteten Gesellschaft und ihrem Echtzeitlebensraum.

Dieses Jahr dreht sich alles um RESPONSE:ABILITY. Das Festival für Kunst und Digitale Kultur fragt, was der ständige Ereignisstrom als Grundlage selbstverantwortlichen Handelns für uns und das Internet der Zukunft bedeutet. Aber das hört sich trockener an, als es ist. Wie immer bietet die transmediale ein interessantes Programm aus Kunst, Performances und natürlich Medientheorie für jeden Geschmack:

Pünktlich zum 100. Geburtstag des Theorie-Gottes Marshall McLuhan holt die transmediale dessen kaum bekanntes Manifest COUNTERBLAST aus der medientheoretischen Versenkung. Dann präsentiert die Marshall McLuhan Lecture 2011 den radikalen „Open Everything“ Befürworter Mark Surman, den Geschäftsführer der Mozilla Foundation. Und schließlich fragen in der Konferenz BODY:RESPONSE – Biomediale Politik im Zeitalter der digitalen Liveness namhafte Experten, wie sich eigentlich biologisierte Medien und hybride Raumphänomene auf unsere physische Beziehung zur Technologie auswirken.

An der Schnittstelle zwischen Realwelt und Mediensphäre operieren auch die Performances zum Schwerpunkt LIVE:RESPONSE. Beispielsweise ver- und entkoppelt Herman Kolgen in der Live-Videoprojektion DUST Farbpigmente zur hypnotischen Konfiguration. (Die Arbeit ist inspiriert von Man Rays Élevage de poussière, einer Aufnahme von Marcel Duchamps Großem Glas.)

Das Film- und Videoprogramm wiederum illustriert, wie Montagetechnik und Internet die Erfahrung einer beschleunigten Wahrnehmung unterstützt haben. Und zu guter Letzt machen Installationen in der HacKaWay Zone und diverse Labs von The Open Zone im HKW die Voraussetzungen einer „haktivistischen“ Kunstpraxis im Speziellen und einer Open Culture im Allgemeinen erfahrbar. Die Künstler und Medienaktivisten arbeiten für die Dauer des Festivals vor Ort. Dazu kommt eine ganze Reihe ziemlich guter Satellitenveranstaltungen.

Jedenfalls eröffnet die transmediale heute Abend mit einer großen Zeremonie auf allen Ebenen und mit Performances wie den Fingerabdruck-Experimenten von Paul Vanouse. Als besonderes Highlight bringt der Medienphilosoph Derrick de Kerckhove übrigens seinen digitalen Sohn Angel_F mit. Das Spyware-Wesen hinterfragt Marshall McLuhans Idee, dass wir uns in unserer Technik erweitern … OK, das Ganze ist doch ein bisschen nerdy.

18.30 Uhr | 01. Februar 2011 | Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10 | Berlin Tiergarten

 

Sechs Tage #LIVE!?

© Morton Subotnick

Morton Subotnick eröffnet die Club Transmediale (CTM).

Dieses Jahr läuft das Festival for Adventurous Music and Related Visual Arts unter dem Motto #LIVE!?. Es fragt, was der Wunsch nach dem performativen Live-Erlebnis für die digitale Kultur bedeutet. In Theorie und Praxis untersucht die Club Transmediale, inwiefern digitale Live-Technologien und das Internet das Rezeptionsverhalten, die künstlerisch-musikalische Praxis sowie die Wertschöpfungslogik revolutioniert haben.

Neben den Konzerten und Performances rund um den Kotti und in der Maria finden im HAU die Symposien What is Live? und Festival as a Lab mit spannenden Experten statt. Außerdem stehen hier sogenannte Pioneers Rede und Antwort. Zum Veranschaulichen gibt’s dort die acht mal zwölf Meter messenden CineChamber. In dem immersiven Raum folgen auf die Arbeiten elektronischer Musiker und Medienkünstler immer wieder Live-Situationen. – Und ein paar Pausen sollte man sich schon gönnen, damit genug Kraft bleibt für die CTM Closing Party in der Panorama Bar am Sonntag Nachmittag, mit Mark du Mosch, DJ TLR, Green Velve taka Cajmere und DJ Serge.

Erst einmal übernehmen heute Morton Subotnik und Lillevan das CTM-Eröffnungskonzert im HAU. Der Pionier elektronischer Musik und der Berliner Videokünstler haben dazu die koreanische Pianistin SooJin Anjou eingeladen. In der dreiteiligen Komposition Silver Apples of the Moon Revisted vollzieht Subotnik die Entwicklung elektronischer Musik nach. Er betrachtet den Übergang von der analogen zur digitalen Technik und die Evolution vom Bühnenkonzert zur Medienperformance. Quasi ein Rundumschlag zur Einstimmung auf eine harte Party- und Lehrwoche.

20 Uhr | 31. Januar 2011 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg

 

Happy End an der Staatsoper

Staatsoper Berlin, Antigona © Clärchen und Matthias Baus

Die Antigona von Tommaso Traetta feiert Premiere.

Der italienische Komponist Tommaso Traetta wird zu den Reformern der Oper gezählt – an der Schnittstelle zwischen Barock und Klassik. Seine Antigona (1772) greift den Geist der antiken Tragödie auf und bettet sie in eine für damalige Verhältnisse progressive Ästhetik ein.

Vor allem die Vielfalt musikalischer Formen sowie die dramatische Stringenz zeichnen diese Oper aus. Wie in der griechischen Tragödie kommentiert und trägt ein Chor die Handlung. In Zentrum des Dramas steht Antigone, die Traetta als erstaunlich komplexe Figur entwirft. Zudem klingt sowohl in der Komposition als auch in dem Libretto von Marco Coltellini viel aufklärerisches Gedankengut durch; in Antigona siegen Selbstbestimmung und Vernunft über traditionelle Vorstellungen.

Die Geschichte: die Söhne von Ödipus haben sich im Kampf um die Herrschaft von Theben getötet. Sein Bruder Kreon besteigt den Thron und verfügt, dass nur Eteokleos ein Staatsbegräbnis erhält. Indem Ödipus‘ Tochter Antigone auch Polyneikes die letzte Ehre erweist, erwirkt sie für sich die Todesstrafe. Doch als sich Kreons Sohn Haimon aus Trauer darüber vermeintlich das Leben nimmt, besinnt sich der König – im Gegensatz zu Sophokles‘ Vorgabe. Er erkennt, dass nicht der Zorn der Götter, sondern seine Strenge das Unheil verursacht hat.

Auf die Premiere darf man sich wirklich freuen: Rene Jacobs dirigiert, Vera Nemirova inszeniert und der Countertenor Bejun Mehta singt Emone.

18.30 Uhr | 30. Januar 2011 | Staatsoper im Schiller Theater | Bismarckstraße 110 | Berlin Charlottenburg

 

Frieren und drängeln

Aphrodite Kallipygos, Abguss Sammlung Antiker Plastik © Foto: Sergej Horovitz

Am Samstag findet die 28. Lange Nacht der Museen statt.

Das Thema „Körper trifft Seele“ klingt schauerlich. Aber einige der 68 Institutionen, die an der 28. Berliner Museumsnacht teilnehmen,  bieten tatsächlich gute Führungen durch ihre Sammlungen. Sehenswert klingt etwa Leib und Seele in der romanischen Kunst im Bodemuseum von Julien Chapuis. Und hörenswert die musikalische Führung Seelische Entzückung durch himmlische Klänge: Rubens Heilige Cäcilia in der Gemäldegalerie am Kulturforum. Überhaupt, wer zu später Stunde genug von Exponaten und/oder Menschen hat: In der Nikolaikirche am Stadtmuseum gibt’s eine Toccata zu Mitternacht. Und in der Matthäuskirche am Kulturforum kann man die Nacht ab ein Uhr bei einer Nocturno für Orgel ausklingen lassen.

Ansonsten erleichtern wie immer ausgearbeitete Routen die Auswahl. Das Kulturforum – erleuchtet von der Installation WORDspa von Andrea Hilger – funktioniert als zentraler Umsteigeplatz für die Busshuttles.

ab 18 Uhr | 29. Januar 2011 | siehe Programm

 

Befindlichkeit und Erfahrungsraum

Alles, was Sie über Chemie wissen müssen, Georg Thieme Verlag © Foto: Jan Rohlf


Die Gruppenausstellung Alles, was Sie über Chemie wissen müssen betrachtet die Interaktion zwischen Mensch und Objekt, Handlung und Wahrnehmung.

Alles, was Sie über Chemie wissen müssen ist eine Koproduktion der diesjährigen Clubtransmediale und des niederländischen Kunstraums TAG. Die Kuratoren Hicham Khalidi und Suzanne Wallinga zeigen Video- und Klanginstallationen, Zeichnungen und Performances internationaler Künstler, die die Schnittstellen vom Menschen und den Dingen in seinem Umfeld untersuchen und unseren Erfahrungsraum ausloten.

Um 20.30 Uhr präsentiert das britisch-deutsche Duo Martin Howse und Martin Kuentz die Musikperformance Substrate.

19 Uhr | 28. Januar 2011 | Kunstquartier Bethanien |Mariannenplatz 2 | Berlin Kreuzberg

 

DAS Weekend

Heute startet das Digital Art + Sound (DAS) Weekend.

transmediale, club transmediale und Create Berlin haben DAS Weekend initiiert mit über 70 unabhängigen Organisationen, Ausstellungsorten und Teilnehmern aus Kunst und Kultur. Die Veranstaltung soll der nachlassenden Förderung von Medien-, Sound- und digitaler Kunst begegnen.

Drei Tage lang präsentiert DAS Weekend Künstler, Räume und Initiativen, die an der Schnittstelle von Kunst, Medien und Klang arbeiten und experimentieren. Entsprechend abwechslungsreich ist das dichte Programm: Ob offene Lesungen im Villém Flusser Archiv, Ausstellung wie Reflective Interventions 2011 bei Art Claims Impulse oder Songs of Love and Hate im Grimmuseum oder das Projekt The Sound of No-One im Stadtbad Wedding – wer sich durch das Angebot liest, findet garantiert etwas Spannendes.

ab 10 Uhr | 28.-30. Januar 2011 | siehe Karte

 

Cinderella Extrem

© Michael Guerrero

Von wegen weibliche Zurückhaltung: Die New Yorker Performance-Künstlerin Ann Liv Young reagiert sich an Cinderella ab.

Die Performance bezieht sich vage auf Aschenputtel, die unter ihrer Stiefmutter und deren faulen Töchtern leidet. Jedenfalls geht es um weibliche Macht und Aggression, und Young entwickelt den Abend in direktem Dialog mit dem Publikum.

Derbe wird die Show in jedem Fall ausfallen, Körperflüssigkeiten inklusive. Und derbe ist nicht gleich gut, wie die Kritik der New York Times zeigt. Aber wer weiß, was Young für Berlin plant.

20 Uhr | 27. & 28. Januar 2011 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Songs of Love and Hate

© Grimmuseum

Whistle, Minotaure! stellt den schwedischen Künstler Erik Bünger vor.

Die Ausstellungsserie verbindet bildende Kunst, Performances und Musik. In der sechsten Ausgabe der Songs of Love and Hate setzen sich die Kuratoren Francesco Cavaliere und Marcel Türkowsky mit der dunklen Seite der Musik auseinander.

Dazu zeigen sie neue Arbeiten von Erik Bünger. Der Künstler versteht Musik nicht als etwas Pures, sondern sieht in ihr auch einen „Parasiten unseres kollektiven kulturellen Unbewussten“. Mit With this alert signal to you that it’s already too late hat er für den Keller des Grimmuseum außerdem eine neue Installation entwickelt. Unbedingt sehenswert.

19 Uhr | 26. Januar 2011 | Grimmuseum | Fichtestraße 2 | Berlin Kreuzberg

 

Hinter den Vitrinen

Die Kuratoren geben Einblicke in die Konzeption der Hitler-Ausstellung.

Die Ausstellungskuratoren Hans-Ulrich Thamer und Klaus-Jürgen Sembach erklären heute in einem Vortrag das Gestaltungskonzept von Hitler und die Deutschen. Dabei führen sie das Publikum durch die Exponate. Ein spannendes Angebot nach all den Kontroversen.

18 Uhr | 26. Januar 2011 | Zeughauskino/Deutsches Historisches Museum | Unter den Linden 2 | Berlin Mitte

 

Das Sudelbuch und die Lieblingsflops

© Jürgen Bauer/Suhrkamp Verlag

Hans Magnus Enzensberger präsentiert seine neuen Bücher Album und Meine Lieblings-Flops, gefolgt von einem Ideenmagazin.

Die Akademie der Künste lädt zur Doppel-Buchpremiere: Hans-Magnus Enzensberger präsentiert ein neues schwarzes und ein neues weißes Buch. Das weiße Album enthält ein Sammelsurium aus Rätseln, Gedichten, Gebrauchsanweisungen und offenen Briefen zu Themen wie Poesie und Mathematik, Wirtschaft und Politik. Im Schwarzbuch katalogisiert Enzensberger einige Misserfolge der vergangenen 50 Jahre, d.h. die Projekte, Geschichten oder Einfälle, die er nicht weiter verfolgt hat. Und das ist nicht nur lehrreich – sondern auch amüsant. Einen kleinen Vorgeschmack gibt’s im ZEITmagazin-Interview.

20 Uhr | 25. Januar 2011 | Akademie der Künste | Plenarsaal | Pariser Platz 4 | Berlin Mitte