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Regenwald: Brasilien plant Amnestie für illegalen Einschlag

Illegal brandgerodete Waldfläche in Brasilien (2009), Copyright: Antonio Scorza/AFP/Getty Images
Illegal brandgerodete Waldfläche in Brasilien (2009), Copyright: Antonio Scorza/AFP/Getty Images

Brasilien will den Schutz des Regenwalds dramatisch lockern. Zurzeit plant die Regierung ein Waldgesetz, das den illegalen Einschlag von Waldflächen, der bis zum Jahr 2008 getätigt wurde, legalisiert. Nach Schätzungen des WWF würde das bedeuten, dass die Agrarindustrie – und insbesondere die Viehwirtschaft – von der Pflicht befreit würde, 44 Millionen Hektar illegal eingeschlagenen Wald wieder aufzuforsten. Schaut man sich die gesamten Pläne an, dann steht nach WWF-Angaben eine Regenwald-Fläche so groß wie Deutschland, Österreich und Italien auf dem Spiel. Würde sie abgeholzt, würden die dadurch entstehenden Kohlendioxid-Emissionen das Weltklima mit 28 Milliarden Tonnen belasten. Zum Vergleich: Deutschland emittierte laut Umweltbundesamt im Jahr 2010 rund 830 Millionen Tonnen CO2.

Zurzeit hängt das Gesetz (Codigo Florestal) im Unterhaus. Der Senat hat eine Fassung verabschiedet, das Unterhaus hat seine Entscheidung darüber bereits zwei Mal verschoben. Die Hängepartie hat schon jetzt Folgen, Dokumentationen zeigten, dass der illegale Einschlag bereits wieder zunehme, so die Frankfurter Rundschau. Bei einer Veranstaltung in Berlin vergangenen Freitag sagte Cicero Lucena, erster Sekretär im brasilianischen Senat, er ginge davon aus, dass das Gesetz bis Juni verabschiedet sei.

Es ist ein wirklich pikantes, wenn nicht skandalöses Timing. Denn Mitte Juni wird sich die Welt in Brasilien zur großen „Rio+20“ Konferenz treffen. Auch wenn der Titel verdammt sperrig ist: Es wird der Weltgipfel zum Schutz von Klima und Umwelt sein. Nicht weniger als ein „Ergrünen“ der Volkswirtschaften ist geplant, sie sollen sich zu nachhaltigem Wachstum bekennen. Vor genau 20 Jahren trafen sich schon einmal die Regierungschefs in Rio de Janeiro. Damals legten sie die Fundamente für die Klimarahmenkonvention, zur Konvention zur Biologischen Vielfalt und zur Wüstenbekämpfung.

Und Brasilien hat in den vergangenen Jahren zum Teil mächtige Fortschritte gemacht. Das bisherige Waldgesetz ist in Abschnitten hochgelobt. Wer etwa Privatland im Amazonas besitzt, darf nur 20 Prozent nutzen, der Rest bleibt unberührt (die Novelle sieht nun eine Erhöhung der Nutzfläche auf 50 Prozent vor). Brasilien hat sogar ambitioniertere Klimaschutzziele als manch anderer Staat, auf dem Gipfel in Kopenhagen sagte das Land eine CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 zu.

Und nun ein solches Gesetz – gerade wenn die Weltgemeinschaft sich in Rio versammelt, um über umweltverträgliches Wirtschaften zu streiten. „Dieses Gesetz ist unwürdig für ein Land, das vom Status eines Schwellenlands aufsteigen und international Verantwortung übernehmen will“, sagt Roberto Maldonado vom WWF.

 

Was ist besser: neue Heizung oder bessere Isolierung?

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein paar tausend Euro übrig (geht mir leider nicht so, aber das ist ein anderes Thema) und  Sie müssten damit Energie einsparen und ihre CO2-Bilanz verbessern. Was würden Sie als Hausbesitzer tun? Erst einmal eine neue Heizung kaufen? Oder lieber die Wände mal so richtig gut isolieren, Fenster austauschen?

Bloß nicht letzteres, empfehlen die Energiexperten von Imtech. Das Unternehmen ist so ein typischer „hidden champion“ im Bereich Energieeffizienz. Die Hamburger beraten vor allem Unternehmen beim Energiesparen, u.a. optimieren sie etwa die Produktion von Airbus, haben die Deutsche Bank-Tower energieeffizient saniert und das neue SPIEGEL-Gebäude mitgeplant. Mit mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz und 5300 Mitarbeiter ist Imtech nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland.

Wer in effiziente Energiesparmaßnahmen investieren will, der sollte zu allererst sich einmal seine Heizung anschauen, so Imtech. Denn da sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis weitaus besser als bei der Isolierung von Wänden, die zwar auch sinnvoll sei, deren Kosten allerdings kaum in einem Verhältnis zum Aufwand stehen würden. Mehrere zehntausend Euro investiert mancher Hausbesitzer ja manchmal in neue Fenster und besser gedämmte Außenwände – hätte er das Geld in eine moderne Heizungsanlage investiert, hätte er billiger CO2 eingespart.

Quelle: BMVBS
Quelle: BMVBS

Leider gibt es, glaubt man Imtech, nur ein Problem: Die Bundesregierung fördert gerade vor allem die Gebäudesanierung. Wer kennt nicht die Pudelmützenkampagne vom Bundesbauministerium, die für Gebäudesanierung plädiert? 1,5 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung jährlich über die KfW zur Verfügung. Gut angelegtes Geld? Imtech sagt Nein, das Geld sei besser anderes investiert. Die Vermeidungskosten je Tonne CO2  – und auf die kommt es ja unterm Strich an – seien in anderen Bereichen viel niedriger. Neben effizienten Heizungen seien das vor allem sparsame Geräte wie Kühlschränke, Fernseher und Lampen. Zurzeit stecke die Bundesregierung dagegen ihre Fördergelder in die unwirtschaftlichste Maßnahme. Das zeigt übrigens auch eine Studie des BDI von 2009 zu dem Thema (Schaubild 7, Seite 10).

 

 

 

 

Fast überhört: Eon singt ein Loblied auf die Erneuerbaren

Der Energiekonzern Eon hat ja heute seine Geschäftszahlen für das vergangene Jahr präsentiert und musste wegen des Atomausstiegs einen Verlust von 2,2 Milliarden Euro in Kauf nehmen (das erste Mal in der Firmengeschichte). In der heutigen Pressemitteilung bin ich über eine wirklich interessante Passage gestolpert:

(Konzernchef) „Teyssen betonte, dass das Unternehmen einen hohen Anteil seines Ergebnisses in sehr stabilen Geschäftsfeldern erwirtschafte. 2011 betrug der Anteil des regulierten, quasi-regulierten sowie des langfristig kontrahierten Geschäfts am EBITDA rund 50 Prozent.

„Diese stabilen Einnahmequellen bilden ein robustes Fundament, um auch in unruhigen Zeiten nachhaltig zu wirtschaften, aktuelle wie zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern und neue, profitable Wachstumsfelder zu erschließen“, so Teyssen. So plant E.ON beispielsweise, in den nächsten fünf Jahren 7 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien zu investieren, darunter gut 2 Milliarden in neue Offshore-Windparks in Deutschland, England und Schweden.

Das ist ja nun mal wirklich interessant. Denn übersetzt bedeutet das: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert Eon sichere Investitionsbedingungen, im Gegensatz zur Situation bei Kohle und Gas. Da lohnen sich zurzeit keine Investments, schließlich hat der Ökostrom Vorrang im Netz und das führt dazu, dass andere Energieträger zurückstecken müssen beziehungsweise unrentabel sind, weil sie nur kurzzeitig ans Netz können. Die Einschätzung von Eon deckt sich übrigens mit der von anderen großen Energieversorgern.

Was für Zeiten, in denen ein Atom- , Kohle- und Gaskonzern einmal das EEG hochjubelt.

 

Ach Vattenfall, bitte nicht schon wieder!

„Das entspricht nicht der Kommunikationskultur, die wir uns vorstellen.“ Oh je, Vattenfall. Der Rüffel des für Atomaufsicht zuständigen Ministers Emil Schmalfuß hat gesessen. Gestern ging Schmalfuß an die Presse, um über verrostete Atommüll-Fässer im AKW Brunsbüttel die Öffentlichkeit zu informieren. Bereits im Dezember hatte Vattenfall ein Fass entdeckt, das – nachdem radioaktiver Staub herausgesaugt wurde – nur noch ein rostiges Gerippe war. Zwar bestehe keine Gefahr, dass Radioaktivität freigesetzt wurde, das betonen sowohl die Atomaufsicht als auch Vattenfall. Aber Vattenfall hat es verpatzt, früh genug der Aufsicht Bescheid zu geben. Einen Monat ließ man sich Zeit.

Wieder einmal, kann man nur sagen. Der Vorfall lässt Erinnerungen an das Pleiten-Pech-Pannen-Jahr 20097 hochkommen. Damals hatte Vattenfall mit einem Transformatorbrand im AKW Krümmel zu kämpfen. Und im AKW Brunsbüttel mussten in einer riesigen Aktion zahlreiche Dübel ausgetauscht werden. Damals gelobte Vattenfall mit großen Worten Besserung. Eine Transparenzinitiative wurde aufgelegt, jedes meldepflichtige Ereignis sollte nicht nur (selbstverständlich) der Behörde mitgeteilt, sondern auch auf der Homepage sofort veröffentlicht werden.

Die Transparenzinitiative habe ich heute auf der Homepage zumindest nicht mehr gefunden (ich lasse mich gerne eines besseren belehren). Ja, der aktuelle Vorfall in Brunsbüttel fuchse Vattenfall schon, sagt ein Sprecher. Verständlich. Denn der schwedische Konzern muss sich an seinen eigenen Maßstäben messen lassen (unser Exbundespräsident lässt grüßen): Was sind Beteuerungen wert, wenn sie – im Ernstfall – nicht realisiert werden?

Offenbar scheint es innerhalb des Unternehmens eine Kultur zu geben, solche Vorfälle nicht so dramatisch zu sehen. Es ist ein naives Denken. Nur weil es einen beschlossenen Atomausstieg in Deutschland gibt und die Meiler nicht mehr am Netz sind, heißt das doch nicht, dass der Öffentlichkeit egal ist, was in den AKW passiert und wie dort mit strahlendem Material umgegangen wird.

Die Aufsichtsbehörde – und nicht Vattenfall – hat übrigens Fotos der Kavernenfässer veröffentlicht. Man sieht gelbe, rostende Fässer. Für Vattenfall auf jeden Fall ein „größter anzunehmender Unfall“ für die Kommunikation: Welcher AKW-Betreiber mag schon direkt mit dem Atommülllager Asse in Verbindung gebracht werden?

 

 

Energiewende: Noch fehlt der konsequente U-Turn

Laut Duden bedeutet das Wort wenden „in die entgegengesetzte Richtung bringen“. Dass der Politik der U-Turn gerade schwerfällt, zeigt sich zurzeit mal wieder im Detail. Das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung soll novelliert werden. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Förderung von Mini-Kraftwerken. Jemand, der etwa ein Blockheizkraftwerk im Keller hat, erzeugt selbst Wärme und Strom. Für jede Kilowattstunde Strom erhält er bei einer kleinen Anlage eine Vergütung von zurzeit etwa fünf Cent, schließlich erzeugt er dezentral und effizient Energie zu Hause.

Der Bundesregierung ist die Kraft-Wärme-Kopplung eigentlich ein Herzensanliegen. Auf einen Anteil an der Stromerzeugung von 25 Prozent in 2020 soll sie kommen. Jede vierte Kilowattstunde sollen also die Bürger am liebsten privat erzeugen. Oder sie soll in einem effizienten Kraft-Wärme-Kraftwerk, das zugleich ein Fernwärmesystem unterstützt, produziert werden.

Doch die KWK kommt nicht so recht voran. Geht es so weiter wie bisher, kommt man bis 2020 auf etwa 20 Prozent. Das mag auch an dem Zickzackkurs der Politik liegen, immer wieder flogen in der Vergangenheit Anlagen aus der Förderung heraus. In den vergangenen Jahren hat sich das Fördervolumen für KWK-Anlagen fast halbiert.

Glaubt man der Branche, unterschätzt die Politik das Potenzial von KWK bislang konsequent. Schließlich bedeutet KWK auch „Energiewende von unten“. Lieschen Müller als Stromproduzentin, das ist etwas komplett anderes als eine Energiepolitik, die von großen Energieversorgern gestemmt wird. „Altes Kraftwerksdenken“ attestieren KWK-Unternehmen der Politik.

Das Ökostrom-Unternehmen Lichtblick, das mit seinen Zuhausekraftwerken groß in den KWK-Markt einsteigen will und entsprechend laut wirbt, hat heute ein weiteres Argument für den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vorgebracht. Glaubt man den Hamburgern, lassen sich bis zu einer halbe Milliarde Euro Kosten für den Netzausbau einsparen, wenn KWK konsequent ausgebaut wird. Das zeigt eine Studie der Beratungsgesellschaft LBD im Auftrag von Lichtblick (Kaum überraschend ist natürlich, dass Lichtblick gleich verbesserte Förderbedingungen für KWK-Anlagen verlangt).

Wenn man die Mini-Kraftwerke geschickt vernetzt, ließen sich so Lastspitzen abpuffern. Das sind Zeitpunkte, wenn der Strombedarf besonders hoch ist. Dann könnten die Zuhausekraftwerke einspringen – und man könnte sich den Netzausbau sparen. Für das Vernetzen und Hochfahren seiner Zuhausekraftwerke braucht Lichtblick nach eigenen Angaben gerade mal 60 Sekunden.

Bislang gibt es allerdings nur 420 Zuhausekraftwerke. Da fehlen noch ein paar, um die Zielmarke 100.000 zu erreichen und einen ernsthaften Beitrag zur Energiewende zu leisten.

 

. Und zwar müsse es verbesserte Anreize geben, damit

 

 

Aufholjagd: USA wollen stärker Offshore-Wind fördern

Auch wenn es genügend Standorte mit guter Windausbeute gibt: Bislang dreht sich vor den US-amerikanischen Küsten kein einziges Offshore-Windrad. Auch in den Great Lakes herrscht, zumindest was Offshore-Windenergie angeht – zurzeit noch Flaute.

Dabei schätzt die US-Regierung das landesweite Potenzial auf rund 4000 Gigawatt. Und erneuerbare Energien sind ihr – nun gut: neben Atom und Gas – ja ein Herzensanliegen, schließlich will die US-Regierung  die Abhängigkeit von Energieeimporten mindern.

Jetzt hat Energieminister Steven Chu angekündigt, mit einem 180 Millionen US-Dollar-Programm für die kommenden sechs Jahre den Ausbau der Offshore-Windenergie in vier Pilotregionen zu fördern. Noch in diesem Jahr stellt sie 20 Millionen Dollar zur Verfügung. Das klingt zwar auf den ersten Blick ziemlich zaghaft, schließlich gehen die Kosten von Offshore-Windfarmen locker in die Milliarden. Aber es gilt wohl: besser als nix.

Ganz explizit spricht Chu vor allem amerikanische Windpark-Entwickler an:

“The new offshore wind energy initiative announced today will help to catalyze the development of offshore wind in America, supporting U.S. innovators as they seek to design and demonstrate next generation wind energy technologies.  These investments are critical to ensuring that America remains competitive in this growing global industry that can drive new manufacturing, construction, installation and operation jobs across the country.”

 

Ökostrom legte 2011 gut zu

Sowohl mein Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) als auch sein Ressortkollege Philipp Rösler (FDP) versorgen mich ja seit Neustem jeweils mit Informationen zur Energiewende. Das Wirtschaftsministerium veröffentlicht seit einigen Tagen den Newsletter „Energiewende!“ (man achte auf das Aufrufezeichen), das Umweltministerium nennt seine jüngste Erfindung „Energiewende – Aktuell„. Mal wieder so ein bizarres Detail im Energiewende-Wettrennen der beiden Minister.

Anyway: Ganz interessant sind die Zahlen, die das BMU aktuell aufbereitet hat. Demnach ist der Ökostromanteil an der Stromerzeugung in Deutschland im vergangenen Jahr um 17 Prozent gestiegen. Er liegt inzwischen bei 20,1 Prozent an der Stromerzeugung. Jede fünfte produzierte Kilowattstunde Strom ist also grün.

Das stärkste Wachstum legte Solarstrom zu, er steigerte seinen Anteil am Endenergieverbrauch um 62,4 Prozent im Vergleich zu 2010 (Die Folgen dieses Booms kennt man ja, jetzt wird die Förderung gekürzt). Danach folgt Windstrom mit einem Plus von 23 Prozent.

Copyright: BMU, nach AGEE-Stat
Copyright: BMU, nach AGEE-Stat

Ganz spannend sind übrigens die Umsatzzahlen der verschiedenen Sparten. Ingesamt machten die Ökostrombetreiber mit ihren Anlagen einen Umsatz von 12,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr (siehe Seite 11 in der Kurzstudie). Das entspricht einem Plus von elf Prozent zum Vorjahr.

Und nun raten Sie mal, wer am meisten Umsatz macht – Solaranlagen? Oder Windräder? Es sind die Biogasanlagen, die ja wetterunabhängig Strom und Wärme erzeugen. Die Biomasse kam im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von 5,9 Milliarden Euro, also knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes. Solaranlagen kamen dagegen „nur“ auf eine Milliarde Euro.

 

Rohstoffhunger: Land Grabbing nimmt weltweit zu

Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images
Kohlemine in Jharia/Indien, Februar 2012. Mehr als 2300 Familien wurde für die Mine umgesiedelt. Ihnen seien Schulen und Krankenhäusern zugesagt worden, bislang sei aber nichts passiert, sagen die Anwohner. Copyright: Daniel Berehulak /Getty Images

Wenn ich das Thema Land Grabbing höre (was sich wohl am besten mit unerlaubter Landnahme übersetzen lässt), denke ich ja erst einmal an südamerikanische Bauern, die für riesige Sojaplantagen weichen mussten. Oder an Afrika, wo Menschen für neue Kohleminen vertrieben werden. Im kolumbianischen Amazonasgebiet wird nach Gold geschürft, in Indien nach Kohle und Bauxit. Alles weit weg. Heute morgen kam mir nun ein Report von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen unter: Opening Pandoras Box – The New Wave of Land Grabbing by the Extractive Industries and the Devasting Impact on Earth.

Die Gaia Foundation, eine NGO aus London, die unter anderem von der indischen Menschenrechtlerin Vandana Shiva unterstützt wird, macht darin deutlich, dass Land Grabbing schon lange nicht mehr ein Phänomen nur in ärmeren Staaten ist. Ob Mountain Top Removal in den USA, die riesigen Mondlandschaften des Teersand-Abbaus in Kanada, das Fracking in Europa: Die Suche nach Rohstoffen findet inzwischen direkt vor unserer Haustür statt – mit dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen, für Umwelt, Wasser und Klima.

„We are no longer talking about isolated pockets of destruction and pollution. Nowadays, chances are that, no matter where you live on Earth, land acquisitions for mining, oil and gas might soon be at your door. This trend is now a major driver of land grabbing globally, and poses a significant threat to the world’s indigenous communities, farmers and local food production systems, as well as to precious water, forests, biodiversity, critical ecosystems and climate change.“

Es sind vor allem die steigenden Rohstoffpreise, die diese Entwicklung befeuern. Dahinter steckt einfach die steigende Nachfrage nach entsprechenden Produkten. Das zeigen vor allem auch die zahlreichen, auch deutschen Initiativen zur Sicherung von Rohstoffen, die Regierungen weltweit auflegen. Erst gestern stellte die Bundesregierung ja auch ein Ressourceneffizienzprogramm vor, um effizienter mit Rohstoffen umzugehen.

Der weltweite Trend allerdings geht zurzeit noch in eine andere Richtung. Die weltweite Eisenerz-Produktion wurde, so die Studie, in den vergangenen zehn Jahren um 180 Prozent gesteigert. Gerade die Nachfrage nach den Seltenen Erden –  die ja auch für die grünen Technologien wie Solarzellen und Windräder so wichtig sind – hat zugenommen (spannend das Kapitel Green Energy dazu in der Studie ab Seite 45).

Ganz einmal abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen, die durch den Rohstoffabbau stattfinden: Die weltweite Branche hat ein riesiges Abfallproblem. Jährlich würden, so das Mining Journal, rund 50 Milliarden Tonnen Erde beim Abbau von Eisenerz, Kohle, Industriemetallen und anderen Rohstoffen bewegt (Seite 34). 21 Milliarden Tonnen, also knapp die Hälfte, fallen einfach als Abraum an – ungenutzt.

Was also tun? Die Studienmacher fordern ein Globales Moratorium für neue Abbauprojekte. Minen, die bereits in Betrieb sind, sollten auf ihre Umweltauswirkungen untersucht werden. Es sollte No-Go-Areas geben, wo der Rohstoffabbau tabu ist, darunter etwa alle UNESCO-Schutzgebiete. Und es sollte ein Veto-Recht für die lokale Bevölkerung bei Abbauplänen geben.

 

Kinderbücher lassen die Natur außen vor

Copyright: Alexandra Beier/Getty Images
Copyright: Alexandra Beier/Getty Images

Das aktuelle Lieblingsbuch meiner jüngsten Tochter heißt gerade „Wilde Tiere“ und erzählt alles über Löwen, Affen, Eletanten (und gefährlichen Wellensichttichen, huhuhu). Nun gut, es ist vor allem angesagt, weil sie auf jeder Seite ein Knöpfchen drücken kann und dann der große Löwe brüllt – im kinderkompatiblen, zärtlichen Tonfall.

Glaubt man einer neuen Studie aus den USA, dann sind solche Kinderbücher allerdings immer seltener. Der Umweltsoziologe J. Allen Williams von der Universität Nebraska hat rund 300 Kinderbilderbücher aus den Jahren 1938 bis 2008 ausgewertet, die jedes Jahr den wichtigsten Kinderbücherpreis, die Caldecott Medal, gewonnen haben – also auch in den Buchläden Bestseller sind. Mehr als 8000 Zeichnungen haben die Wissenschaftler analysiert.

Ergebnis: Natur und die natürliche Umgebung sind in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund gerückt – und das entspricht wohl dem allgemeinen Trend, weniger Kontakt zur Natur zu haben.

Williams unterscheidet drei Umgebungen: Wilde Natur, also Dschungel oder Wald. Dann von Menschen errichtete Umgebung (Städte, Häuser, Innenräume) und eine Mischform: das Maisfeld oder der gemähte Rasen – ist ja schließlich auch Natur, nur eben vom Menschen verändert.

Während sich bis in die 60er Jahre Natur und Stadt ungefähr fifty-fifty verteilten, klafft seitdem eine Lücke auf: Der Anteil von Geschichten, die in der Natur spielen, nimmt ab, stattdessen spielen die Geschichten nun in Häusern, in der Stadt.

„What we find in these books, however, is not a consistent proportional balance of built and natural environments, but a significant and steady increase of built environments, both by mere presence and as the major environment. Natural environments have all but disappeared.“

Was sagt das aus? Natürlich spiegelt es erst einmal nur eine allgemeine Entwicklung wieder, der Großteil der Amerikaner lebt eben inzwischen in Städten. Aber Wiliams warnt. Der Umweltgedanke und eine Wertschätzung der Natur würden so schon im Kindesalter an Bedeutung verlieren:

„(…) it does suggest that the current generation of young children listening to the stories and looking at the images in children’s books are not being socialized, at least through this source, toward greater understanding and appreciation of the natural world and the place of humans within it.“ (…)

„I am concerned that this lack of contact may result in caring less about the natural world, less empathy for what is happening to other species and less understanding of many significant environmental problems.“

 

 

Die andere Seite unseres Elektroschrott-Problems in Afrika

Copyright: Reuters/Thomas Mukoya
Copyright: Reuters/Thomas Mukoya

Wer „Elektroschrott“ und „Afrika“ hört, der denkt in der Regel an kriminelle Machenschaften: alte Röhrenfernseher und Kühlschränke aus den 50er Jahren, die von Europa nach Afrika verschifft werden und dort auf einer illegalen Müllkippe landen. Schließlich ist die fachgerechte Entsorgung etwa der Kühlmittel hierzulande so teuer und die Erlöse aus den Rohstoffen so niedrig, dass es sich für manche „Recycler“ lohnt, die Ware lieber dort günstig zu verklappen. Die Bilder von Kindern auf Müllkippen im ghanischen Accra, die über offenem Feuer mit Elektrokabel hantieren, sind  bekannt.

Das Öko-Institut fügt nun mit einer Studie für das UN-Umweltprogramm der Geschichte einen weiteren Aspekt zu. Denn nicht alle Elektrogeräte, die nach Afrika gehen, landen einfach ungenutzt auf einer Halde. Projektleiter Andreas Manhart hat die Situation genauer analysiert. In Ghana sind Elektrogeräte etwa eines der wichtigsten Importgüter – und die sind zum großen Teil tatsächlich weiterverwendbar. Schaut man sich  ihre Importzahlen an, dann lassen sie sich wie folgt aufschlüssen:

–  Neuware: 30 Prozent

– Gebrauchtware funktionsfähig: 49 Prozent

– Gebrauchtware nicht funktionsfähig aber reparierbar: 10,5 Prozent

– Gebrauchtware nicht funktionsfähig und nicht reparierbar: 10,5 Prozent

Und tatsächlich hat sich in einigen afrikanischen Ländern inzwischen ein florierendes Recyclinggeschäft etabliert. Egal, ob Staubsauger, Wasserkocher, Handys oder Computer: Die importierten Geräte werden repariert und weitergenutzt. Ganz im Sinne von Umweltschützern (Obwohl man einfügen muss: Alte Kühlgeräten mit klimaschädigendem FCKW und Stromfresser haben nichts im Recycling zu suchen. Und es gibt leider keine Zahlen darüber, wie lange denn die Second-Hand-Geräte tatsächlich am Ende halten.)

Klar ist aber: Dieses Geschäft schafft Arbeitsplätze. Allein in Accra (Ghana) und Lagos (Nigeria) verdienen rund 30.000 Menschen in diesem teilweise informellen Bereich ihr Einkommen.

„Kein anderes westafrikanisches Land importiert so viele Altgeräte wie Nigeria. Das bedeutet gleichzeitig, dass Reparatur und Recycling von Alt- und Schrottgeräten wichtige Arbeitsmärkte für die Menschen sind. Allein auf den zwei größten Märkten des Landes – dem Alaba Market und dem Ikeja Computer Village – reparieren und verkaufen 15.000 Menschen in 5.500 Kleinbetrieben gebrauchte elektrische und elektronische Geräte“, sagt Manhart.

UNEP betont daher in der Studie, dass es keinen Sinn macht, einfach den weltweiten Handel mit Altgeräten zu verbieten, um Umweltsünden zu vermeiden.

„In addressing this issue, one major challenge for West African countries is to prevent the import of e-waste and near-end-of-life equipment without hampering the meaningful and socio-economically valuable trade of used EEE of good quality. Refurbishing of EEE and the sale of used EEE is an important economic sector in some countries of West Africa (e.g. Ghana and Nigeria). It is a well-organized and dynamic sector that holds the potential for further industrial development. Indirectly, the sector has another important economic role, as it supplies low and middle income households with affordable ICT equipment and other EEE.“

(ICT: Informations- und Kommunikationstechnologie; EEE: elektrische und elektronische Geräte)

Also geht es – neben effektiven Ausfuhrkontrollen, um Kriminellen das Handwerk zu legen – vor allem um den Aufbau besserer Recyclingcenter vor Ort. Wer die Altgeräte besser, umwelt- und fachgerechter zerlegt, der kann etwa noch mehr Rohstoffe gewinnen und weiterverkaufen. Für Manhart ist daher klar, dass Afrika hier einen anderen Weg gehen muss als etwa Deutschland mit seinen Hightech-Recyclingcentern:

„In Europa sind die Verfahren oft auf einen möglichst geringen Arbeitskräfteeinsatz optimiert. Dies wäre in West-Afrika einerseits aus sozialen Gründen nicht akzeptabel, andererseits gehen bei vielen mechanisierten Verfahren auch wertvolle Rohstoffe unwiederbringlich verloren.“