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Energiewende auf italienisch: Prämie für die Fossilen

Das Thema Kapazitätsmärkte ist sperrig und klingt wahnsinnig öde, aber es treibt die Energiebranche gerade um. Alles dreht sich dabei um die Frage: Wie können künftig Kohle- und Gaskraftwerke rentabel betrieben werden, wenn sie in Konkurrenz zu erneuerbaren Energien stehen, die keine Brennstoffkosten verursachen und deren Grenzkosten somit gleich null sind.  Ist eine Solaranlage einmal angeschlossen, kostet ihr Betrieb praktisch keinen Cent. Das wird für die alten, fossilen Kraftwerke mit ihren Kosten für Kohle und Gas zum großen Problem.

In Deutschland wird das Thema kontrovers diskutiert. Ganz spannend ist aber ein Blick über die Alpen hinweg, nach Italien. Ein Land, das einige Energie-Superlative zu bieten hat. Kein Land der Welt importiert mehr Strom (die aktuellsten Daten der IEA sind zwar aus dem Jahr 2010, seitdem hat sich jedoch nicht viel verändert). In keinem anderen Land Europas zahlen die Konsumenten höhere Strompreise. Allein im vergangenen Jahr hat sich Kapazität der Solaranlagen vervierfacht.

Vergangene Woche verabschiedete nun Italiens Parlament zwei Gesetze, welche die Einführung von Kapazitätsprämien vorsehen. Dabei erhalten die Betreiber von fossilen Kraftwerken Zuschüsse, um Kapazitäten vorzuhalten, wenn Solar- und Windanlagen wegen der Wetterlage keine Energie liefern. Außerdem sollen für die fossilen Kraftwerke die Umweltauflagen gelockert werden, berichtet die britische Financial Times. Noch ist unklar, wie hoch die Prämie sein wird. Und wer eigentlich die Prämie zahlen soll. Offenbar sieht das Gesetz vor, dass die Energieversorger wie ENEL das Geld nicht per Umlage von den Verbrauchern erhalten.

In Italien sorgt die Kapazitätsprämie für einen Schlagabtausch zwischen Ökos und den etablierten Versorgern. Die Vereinigung Third Industrial Revolution European Society, hinter der der US-Ökonom Jeremy Rifkin steckt, bezeichnete die Pläne Italiens bereits als „unmoralisch“ und technisch unausgegoren.

Die Branche der Erneuerbaren fürchtet, dass sich die großen Energiekonzerne durchsetzen und die Ökos gezielt ausgebremst werden. Allzu abwegig scheint der Verdacht nicht zu sein. Die Regierung hatte erst vor Kurzem die Förderung der Solarenergie de facto gedeckelt, die Einspeisetarife gekürzt und eine aufwändige Registrierungspflicht eingeführt.

 

Anti-Dumping-Klage spaltet Solarbranche

Solarworld-Chef Frank Asbeck aus Bonn nimmt es an allen Fronten mit der chinesischen Konkurrenz auf: Über seine Solarworld-Tochter in den USA hat er es bereits geschafft, dass die USA auf chinesische Solarmodule Strafzölle von 30 Prozent und mehr erheben.

Und jetzt geht es in der EU weiter. Europäische Solarhersteller haben bei der EU-Kommission eine Anti-Dumping-Klage gegen die Konkurrenz aus China eingereicht. Es gibt sogar gleich eine neue Initiative dazu, EU ProSun, deren Sprecher der Solarworld-Konzernsprecher Milan Nitzschke ist. Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) unterstützt die Klage.

Die Solarkonzerne werfen China vor, mit günstigen Krediten und dem billigen Renminbi Preisdumping zu betreiben und ihre Produkte so in den Markt zu drücken.

Jetzt könnte man meinen: Die Ökobranche stärkt Asbeck den Rücken, schließlich geht es auch darum, heimische Hersteller und deren Absatz zu schützen. Aber weitgefehlt. Nicht nur der europäische Solarbranchenverband EPIA äußert sich zurückhaltend. Einer der prominentesten Fürsprecher der Solarenergie, Hans-Josef-Fell von den Grünen, hält die Klage sogar für komplett falsch:

„Anti-Dumping-Klagen behindern die Energiewende, weil sie einen weiteren Preisrutsch der Module ausbremsen, womit auch die schnelle Entwicklung sich selbsttragender Märkte behindert wird. Die EU-Kommission wäre gut beraten, die Anti-Dumping-Klagen abzuwehren und stattdessen aktiv für offene Marktzugänge europäischer Solarfirmen in China, Indien, USA und anderswo zu sorgen.

Man kann also sagen: Anstatt künstlich mit Hilfe von Strafzöllen die weltweiten Preise hochzuhalten, ist Fell das Gelingen der Energiewende wichtiger. Und das geht eben einfacher mit billigen als mit teuren Solarmodulen. Natürlich würde er das nie so sagen. Er verweist lieber darauf, dass die Zukunftsmärkte auch für die deutsche Solarbranche in China, Indien und die USA liegen. Und dass es deshalb wichtig sei, den weltweiten Handel zu fördern, anstatt ihn mit Strafzöllen zu lähmen.

Zudem ist das Gesamtbild mal wieder komplizierter als gedacht. In chinesischen Solarmodulen stecken, so Fell in einem Thesenpapier, auch 60 Prozent europäische Wertschöpfung, zum Beispiel Produktionsanlagen, die in Deutschland hergestellt wurden und nun in China Module ausspucken.

Diese europäische Wertschöpfung beim Rückimport aus China mit Strafzöllen zu belegen macht offensichtlich keinen Sinn.“

 

EU-Kommission will Tiefseefischerei verbieten

Schwarzer Degenfisch ist ein beliebter Tiefseefisch in Südeuropa. © Lutter/WWF
Schwarzer Degenfisch ist ein beliebter Tiefseefisch in Südeuropa. © Lutter/WWF

Man man man, Maria Damanaki ist ehrgeizig. Die EU-Fischereikommissarin will im Nordostatlanik ein Fischereiverbot für die Tiefsee durchsetzen. In einem Vorschlag zur Neuregelung der Tiefseefischerei fordert sie ein komplettes Verbot für Grundschleppnetze und Stellnetze ab 1000 Metern, für manche Fischereien in der Region sogar schon ab 500 Meter. Den Fischern will sie eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewähren.

Chapeau, sagen selbst die Umweltschützer – die oft ja vieles an der EU-Kommission zu bekritteln haben. Sie sorgen sich seit Jahren um das sensible und bislang kaum erforschte Ökosystem in der Meerestiefe. De facto wird der Meeresboden mit Grundschleppnetzen einmal umgefräst. Stephan Lutter vom WWF:

„Der Kommissionsvorschlag kann die Fischerei revolutionieren, indem er die destruktivste aller Fischereimethoden in der sensiblen Tiefsee abschafft. Das wäre ein echter Durchbruch für den Schutz der Meeresumwelt und ein Vorbild für die weltweite Fischerei.“

Der Vorschlag der EU-Kommissarin ist revolutionär, weil es bislang kein umfassendes Verbot für die Tiefseefischerei in der Region gibt, sondern nur einen Flickenteppich an Schutzgebieten. Umweltschützer müssen um jedes Gebiet, in dem strengere Standards herrschen sollen, oftmals jahrelang Kämpfe ausfechten.

So vielleicht auch in diesem Fall. Jüngst grätschte der ehemalige französische Landwirtschaftsminister und aktuelle Binnenmarktskommissar Michel Barnier seiner Amtskollegin in die Beine und stoppte ihr Vorhaben zwischenzeitlich. Seine Motive sind offensichtlich: Er sorgt sich vor allem um das Geschäft der französischen Supermarktkette Intermarche. Der Konzern besitzt mehrere Trawler, die gerade in der Tiefsee fischen. Kaum überraschend, dass Barnier bereits Klientelpolitik vorgeworfen wird.

Das wird umso deutlicher, wenn man sich ein aktuelles Q&A der EU-Kommissarin anschaut. Darin bewertet sie die wirtschaftliche Bedeutung der Tiefseefischerei. Demnach machen Tiefseefische wie der Granatbarsch oder der Schwarze Degenfisch gerade einmal ein Prozent der gesamten Anlandungen aus der Region Nordostatlanik aus. Auch die Jobs sind, wenn man das große Bild vor Augen hat, aus Sicht der EU-Kommission vernachlässigbar:

“ The Commission believes that the overall economic importance of deep-sea catches is small.“

Ob Damanaki sich allerdings gegen die Fischereinationen Spanien, Portugal und Frankreich durchsetzen kann, ist unklar. Umweltschützer hoffen jetzt auf eine breite Unterstützung im EU-Parlament.

 

 

 

 

Offshore-Windparks: Gerangel um die Gewerbesteuer

Glaubt man den Beamten im Kieler Finanzministerium, dann ist die Lage eindeutig: Dieser kleine Felsbrocken Helgoland, gerade einmal ein Quadratkilometer groß, wird sich zukünftig über einen wahren Geldsegen freuen dürfen.

In der Nordsee sind ja zurzeit jede Menge Offshore-Windparks geplant. Seit 2001 hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie allein 27 Windparks genehmigt, mehr als 80 sind beantragt. Sie kommen in der Regel auf 200, teilweise auch 400 Megawatt Kapazität. Der Bau eines Windparks kostet Milliarden, sicher. Aber eines Tages werden auch diese Parks dank garantierter Ökostromvergütung Gewinne erwirtschaften – und sind damit gewerbesteuerpflichtig.

Nur: Welche Gemeinde darf eigentlich kassieren? Schließlich liegt der Großteil der Windparks in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) – und da ist bislang aus Sicht der Finanzbehörden „gemeindefreies Gebiet“, also irgendwie Niemandsland. Bislang gibt es keine Regelung, wer eigentlich die Gewerbesteuer erhält, die im Gewinnfall anfällt. Und die Summen darf man wirklich nicht unterschätzen. In Schleswig-Holstein sind etwa die Steuerzahlungen der Windparks an Land inzwischen mit die wichtigste Einnahmequelle für klamme Kommunen. 40 Millionen Euro kassieren sie von den Windparkbetreibern – und zwar jährlich.

Umso spannender die Frage, wie es auf hoher See aussieht. Das Land Schleswig-Holstein ist vorgeprescht und hat bereits im Jahr 2007 eine Verordnung vorgelegt. Helgoland gehöre zum Festlandsockel des Bundeslandes. Demnach dürfe sich die Kommune, die wiederum zum Kreis Pinneberg gehört, über den Geldsegen freuen. Auch wenn die Gewerbesteuer noch aufgeteilt wird zwischen der Gemeinde, wo der Windpark steht, und der Kommune, wo der Betreiber seinen Sitz hat (in der Regel eine Kommune an Land): Es wären Millionensummen, die dem Bürgermeister von Helgoland, Jörg Singer, zuflattern würden.

Singer gibt sich bislang gelassen. Ja, theoretisch sei das vielleicht so, dass Helgoland auf diese Weise schnell in die Liga der reichsten Kommunen Deutschlands katapultiert werden könne. Aber so richtig freuen mag er sich noch nicht. Noch sei unklar, ob Schleswig-Holstein die Gewerbesteuerzuteilung überhaupt selbst regeln dürfe. Und ob nicht doch der Bund noch ein Wörtchen zu sagen habe. Singer:

„Wir benötigen, um sicher zu gehen, mindestens eine Bundes-, wenn nicht sogar eine EU-Verordnung. Auf alle Fälle ist seitens der Nordsee-Anlieger viel Gezerre zu erwarten, wenn klar wird, dass man mit Offshore auch Gewinne einfahren kann.“

 

Offshore-Wind: auf der Suche nach dem besten Lärmschutz

Es ist wohl das klassische Dilemma: Da baut Deutschland mit einem riesigen Aufwand Windanlagen auf hoher See, um seine Energieversorgung langfristig auf Ökostrom umzustellen. Auf der anderen Seite bedeutet das  Eingriffe ins Ökosystem Meer – bei denen allerdings die Fachwelt noch unsicher ist, wie gravierend sie sind. Klimaschutz versus Naturschutz: kein einfaches Unterfangen.

Der Schweinswal treibt da zurzeit heftig die Offshore-Branche um. Wie bekommt man es hin, dass er nicht langfristig vertrieben wird von den lauten Rammarbeiten am Meeresboden und auch nicht gleich taub wird. Am heutigen Donnerstag hat die Branche eine erste Bilanz der verschiedenen Schallschutzmethoden vorgestellt. Das Projekt kostete rund vier Millionen Euro.

Das Positive vorweg: Vom „Großen Blasenschleier“, bei dem ein Mantel aus Luftblasen die Schallwellen abfängt, bis zu Dämmschalen und Schlauchvorhängen: Alle Methoden sind wirksam und mindern den Lärm um im Schnitt neun Dezibel.

Das Problem ist nur, dass das nicht ausreicht, um den gesetzlichen Grenzwert von 160 Dezibel zu garantieren. Die Unternehmen und Institute formulieren es diplomatisch:

„Damit konnte eine deutliche Annäherung an den Schall-Emissionsgrenzwert von 160 Dezibel in 750 Meter Entfernung um die Schallquelle herum erreicht werden.“

Für die Offshore-Firmen ist das Thema nicht nur, salopp gesagt: pille palle. Wenn sie die Schallschutzgrenzen nicht einhalten, kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Ernstfall sogar den Bau des Windparks untersagen. Zudem bedeuten die Schallschutzmaßnahmen enorme Kosten für sie. Denn für jeden Pfahl, den sie in den Meeresboden rammen, müssen sie zurzeit mit gewaltigem Aufwand auch ein Schallkonzept entwickeln – und das ja parallel zu den normalen Bauarbeiten. Kein einfaches Unterfangen.

Noch ist unklar, welche Technologie sich langfristig durchsetzen wird. Zurzeit setzen die Firmen vor allem auf den Luftblasenschleier, er ist „state of the art“. Doch er hat ein Problem – und das liegt in der Natur der Sache: Die Luftblasen verwirbeln und verändern sich, je nach Windstärke und Wellengang. Das bedeutet also, dass weitere Forschung nötig ist.

Wissenschafler kritisieren da wohl zu recht, dass sie gerade bei der Offshore-Windenergie aktuell nicht ausreichend Zeit haben, die ökologischen Folgen zu analysieren und zu bewerten. Was passiert mit dem Meeresboden, wenn sich langfristig mehr als 5.000 Windanlagen zukünftig in der Nordsee drehen sollen? Welche Folgen hat das auf die Biodiversität, nimmt sie zu, nimmt sie ab? Und eben: Wie wird´s dem Schweinswal mit den Windrädern gehen? Die Energiewende, sie ist zumindest in Teilen wohl gerade eine Operation am offenen Herzen. Aber anders lässt sie sich wohl auch nicht realisieren.

 

USA leiten Ende der Kohle-Ära ein

Stromproduktion in den USA, Quelle: EIA
Stromproduktion in den USA, Quelle: EIA

Wie sehr gerade die internationalen Energiemärkte durcheinandergewirbelt werden, zeigt diese neue Grafik der US-Energy Information Administration: Erstmals seit 2007 haben die USA  in diesem April fast genauso viel Strom aus Erdgas produziert wie aus Kohle. Das wird gerade Klimaschützer (nicht vielleicht die Umweltschützer) jubeln lasssen, schließlich fallen beim Verbrennen einer Einheit Erdgas etwa nur die Hälfte der CO2-Emissionen an wie bei einer Tonne Braunkohle.

Was war da los im April? Laut Energiebehörde waren die Gaspreise auf einem Zehn-Jahre-Tief, das macht den Brennstoff attraktiver gegenüber der Kohle. Zudem gab es einen relativ warmen April, was zu niedriger Energienachfrage führte.

Natürlich sind das nicht prinzipiell positive Entwicklungen. Sicher, ein etwas weniger klimaschädigender, fossiler Brennstoff löst einen „dreckigeren“ ab. Aber auch Erdgas hat seine Schattenseite: Es ist in den USA nur wegen des umstrittenen Frackings so günstig, eine Fördermethode, bei der ein Chemikaliencocktail in die Erde gepumpt wird, um das Erdgas auszulösen. Und beim Fracking fallen schließlich auch Co2-Emissionen an, und zwar nicht zu wenig.

Und natürlich wird in den USA ja auch weiter Kohle gefördert, die Abbaumengen haben sogar in 2011 leicht zugenommen (0,9 Prozent in 2011). Die Kohle landet inzwischen zu günstigen Preisen auf dem Weltmarkt. Seit Monaten nehmen die Kohleexporte aus den USA zu. Die Kohle, die zur Energieproduktion genutzt wird, kaufen vor allem Asien, aber auch Deutschland und Frankreich.

Der Ökostromanteil in den USA nimmt übrigens wie der Erdgasanteil seit Jahren zu. Inzwischen liegt er bei 13 Prozent an der Gesamtstromproduktion. Den Löwenanteil macht die Wasserkraft mit 63 Prozent aus. Danach folgen Wind (23 Prozent), Biomasse und Geothermie. Der Anteil des Solarstroms liegt bei weniger als einem Prozent.

 

 

 

 

Solarförderung: Der Deckel ist da

Irgendwie hing die Idee ja schon seit Monaten in der Luft. Aber dass sich gestern Abend der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag darauf geeinigt hat, ist doch eine kleine Sensation: Erstmals führt die Bundesregierung für die Förderung einer Öko-Technologie einen Deckel ein. Wenn Solaranlagen mit einer Kapazität von insgesamt 52 Gigawatt in Deutschland am Netz sind, wird Schluss sein mit der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Mal kurz ein paar Zahlen zur Einordnung: Zurzeit sind in Deutschland Solaranlagen mit rund 28 Gigawatt am Netz. Es fehlen also noch 24 Gigawatt für das Ziel der Bundesregierung. Der zuständige Minister Peter Altmaier (CDU), der den Kompromiss gestern in Berlin als „Paradigmenwechsel“ bezeichnete, plant weiterhin mit einem jährlichen Zubau von etwa 2,5 bis 3,5 GW – falls es nicht zu unvorhersehbaren Booms kommt. Das bedeutet also, dass Solarstrom  noch etwa sechs bis sieben Jahre lang weiterhin gefördert wird (Aber Achtung: Immer unter der Annahme, dass der Zubau nicht wieder bei 7,5 GW wie im vergangenen Jahr liegt, sondern nur halb so stark ausfällt).

Ist das wahrscheinlich? Schwer zu sagen. Die Fördersätze sind ja in den vergangenen Jahren schon stark gefallen. Die Schlussverkaufspanik könnte zudem ein wenig gedämpft worden sein, da die Kürzung rückwirkend schon ab dem 1. April gelten soll.

Quelle: BSW
Quelle: BSW

Dass Solarstrom auch in den kommenden Jahren der Kostentreiber der EEG-Umlage sein wird, dagegen verwehrt sich (wenig überraschend) der Bundesverband der Solarwirtschaft. Zu – salopp gesagt – „Höchstförderzeiten“ im Jahr 2005 hätte jeder Haushalt rund zwei Euro im Monat dafür zahlen müssen, damit sich der Anteil Solarstrom am deutschen Strommix um einen Prozentpunkt erhöht. Bei den aktuellen Fördersätzen, die eben zusammengestrichen wurden, werden es in diesem Jahr nur noch 60 Cent sein.

Spannend wird, finde ich, ob Solar und Offshore-Windenergie gerade die Rollen tauschen. Bislang hatte Solarstrom immer den Ruf des Kostentreibers, wegen der hohen EEG-Förderung. Schaut man sich allerdings den Ausbau der Windenergie auf See und die Folgekosten an (Netzausbau, Haftungsfragen etc), so könnte vielleicht bald Offshore-Wind diesen Titel übernehmen.

 

 

 

Kohle versus Öko: Wer gewinnt den Wettlauf?

In bester Tradition hat Greenpeace zum vierten Mal sein Energieszenario „Energie (R)evolution“ vorgelegt. Seit dem Jahr 2007 rechnet das Deutsche Luft-und Raumfahrtzentrum für die Umweltschutzorganisation aus, wie ein Ausstieg aus der Kohle und Atomkraft möglich wäre und welche Investitionen in welchen Bereichen dafür nötig wären. Der Report wird etwa einmal im Jahr aktualisiert, u.a. weil etwa der Anteil der erneuerbaren Energien doch schneller gewachsen ist als gedacht.

Ganz interessante Zahlen finden sich zwar nicht in dem 340 Seiten langen Wälzer, aber in einem unveröffentlichtem Hintergrundpapier. Demnach liefern sich Kohle und alternative Energien gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen weltweit. Greenpeace hat unter anderem die internationale Energie-Datenbank wie Platts nach geplanten Kraftwerkprojekten durchforstet. Was haben die  Energieversorger in der Pipeline?

Demnach sind in den kommenden fünf Jahren Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von rund 350 bis 400 Gigawatt weltweit geplant. Das beeindruckt, rechnet man im Schnitt mit 1.000 Megawatt Kapazität je Kraftwerk, wären das mindestens 350 neue Kohlekraftwerke (die ja für mindestens 40 Jahre am Netz sein werden).

Beeindruckender sind aber die Zahlen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Schaut man sich die Kapazitäten an, dann sind ähnlich hohe Zuwächse geplant wie bei der Kohle: Mehr als 470 Gigawatt Wind- und Solaranlagen sowie Wasserkraftwerke sind geplant. Und nein, den großen Batzen macht diesmal nicht die Wasserkraft aus, sondern Wind: Bis zu 300 Gigawatt Windkraft wären möglich.

Nun muss man allerdings vorsichtig sein, denn es handelt sich nur um Pläne. Auch in Deutschland waren zu Höchstzeiten ja einmal mehrere Dutzend Kohlekraftwerke geplant – am Ende wurde bislang gerade einmal eine Handvoll realisiert. Deswegen ist es jetzt so entscheidend, welche politischen Rahmenbedingungen herrschen; ob sich eher Investitionen in Kohle oder Wind lohnen. Damit das Zwei-Grad-Klimaschutzziel nicht gerissen wird, müssten laut Greenpeace die Erneuerbaren die Wachstumsraten der vergangenen zehn Jahre beibehalten. Zugleich müssten die Investitionen in fossile Kraftwerke auf ein Minimum heruntergefahren werden.

Nach aktuellen Zahlen des Netzwerks REN21 wurden übrigens im vergangenen Jahr weltweit rund 257 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren investiert – ein Plus von 17 Prozent zum Vorjahr.

Und das in Zeiten der Euro- und Schuldenkrise.

 

Die Solarbürste

Ridha Azaiz ist seit mehr als zehn Jahren im Geschäft. Nur mit seinem Studium ist er noch nicht fertig. Der Maschinenbaustudent kommt aus Stuttgart und hat schon als Schüler eine Geschäftsidee gehabt. Denn Fotovoltaikanlagen, die staubig und schmutzig sind, oder die vom Saharawind mit Sand bedeckt werden, haben nur noch eine geringe Energieausbeute. Ridha Azaiz hat deshalb einen Reinigungsroboter entwickelt. Genau genommen sind es zwei: Einer reinigt Solarpanele auf Flachdächern und einer reinigt solche mit einem Neigungswinkel bis zu 45 Grad. „Solarbrush“ heißt sein Produkt und seine  Firma. Doch bevor Azaiz richtig loslegen kann, muss er erst noch sein Studium beenden.

Dass es nach dem Studium richtig losgeht, könnte auch mit einer fast zufälligen Begegnung zu tun haben, die Ridha Azaiz in der vergangenen Woche im Garten des Bundespräsidenten hatte. Bei der „Woche der Umwelt“ im Garten von Schloss Bellevue hatte der frühere Umweltminister und spätere Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, zwischen zwei Podiumsdiskussion ein bisschen Zeit – und stolperte über Ridha Azaiz. Der junge Mann mit tunesischem Vater und deutscher Mutter nutzte die Gelegenheit zum gemeinsamen Foto.  Und Klaus Töpfer, der als Berater für das Desertec-Projekt arbeitet, nahm sich seine Visitenkarte mit. Denn „wer in der Wüste Solaranlagen bauen will, muss wissen, wie er sie vom Sand befreit“, meinte er.

Genau dafür, findet Ridha Azaiz, hat er die beste Lösung gefunden. Im Vergleich mit einer mechanischen Reinigung („Arbeitskosten“, argumentiert der Erfinder) oder einer Sprinkleranlage (teurer als seine Solarbürste) schneidet seine robotergesteuerte Bürste besser ab, findet er. Klaus Töpfer war von dem jungen Mann angetan. „Die Energiewende setzt Kreativität frei“, meinte er. Azaiz wiederum wird Töpfer nach seinen Prüfungen zweifellos daran erinnern, was er dem Wüstenstromprojekt Desertec zu bieten hat. In Kairo hat er sein System schon ausprobiert. Was noch fehlt, ist eine Produktion im großen Stil. Und die wird bestimmt auch nicht mehr lange dauern. Den deutschen Nachhaltigkeitsrat hat Ridha Azaiz schon überzeugt. Er zeichnete „Solarbrush“ im vergangenen Juni als Projekt der „Werkstatt N“ aus, was so viel heißen soll wie Werkstatt Nachhaltigkeit. Auch die Jury von „Deutschland, Land der Ideen“ hat den Maschinenbaustudenten bereits ausgezeichnet. Und auch einen Clean-Tech-Award kann Azaiz bereits vorweisen. Einer großen Karriere als Erfinder und Geschäftsmann sollte nichts im Wege stehen.

 

 

Die FDP als Bremser der Energiewende

Dass die FDP die Energiewende nicht will, ist keine Neuigkeit. Seit dem Wochenende bemühen sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der zudem FDP-Parteichef ist, und der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle auch aktiv um eine Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Die beiden Politiker wollen Ökostrom nicht mehr dadurch fördern, dass Wind- oder Sonnenstrom vorrangig ins Stromnetz eingespeist und die Vergütung dafür, nach Technologien gestaffelt, über 20 Jahre hinweg garantiert werden. Stattdessen schlagen sie eine Quotenregelung vor. Durch sie würden Energiekonzerne verpflichtet, einen bestimmten Anteil erneuerbar erzeugten Stroms aufzukaufen.

Das ist nichts anderes als eine Entschleunigung der Energiewende. Denn zum einen haben Quotenmodelle in der Praxis bisher nicht funktioniert. Es hat ja einen Grund, warum Großbritannien und Italien sie abgeschafft und einen Einspeisetarif nach deutschem Vorbild eingeführt haben. Zum anderen hat sich dort auch gezeigt, dass die Kosten höher waren als die des EEG.

Rösler und Brüderle finden die Quotenregelung trotzdem attraktiv. Denn damit lässt sich der Ausbau der erneuerbaren Energien, die zu einem echten Konkurrenten für die etablierten Konzerne geworden sind, wirksam ausbremsen. Ist die Quote erreicht, ist der Sack zu. Und einen Einspeisevorrang gibt es dann auch nicht mehr. Dann lohnen sich auch Kohlekraftwerke wieder. Und das ist Philipp Rösler ja ein besonderes Anliegen („Kraftwerke, ja bitte!“).

Wenn über die hohen Kosten für das EEG gejammert wird, sollte man sich dabei immer vor Augen führen, dass eine vierköpfige Familie derzeit im Monat nicht einmal den Gegenwert einer Packung Zigaretten für den Ausbau erneuerbarer Energien aufbringen muss. Billiger wäre der Strom auch dann nicht, wenn stattdessen neue Kohlekraftwerke gebaut würden. Denn auch diese Investitionen werden letztlich von den Stromkunden bezahlt. Und der deutsche Kraftwerkspark ist alt und hat eine Überholung ohnehin nötig. Dazu kommt, dass die EEG-Umlage höher ist, als nötig, weil die Industrie großzügig von der Umlage befreit worden ist. Am Wochenende hat Rösler sogar vorgeschlagen, auch den Mittelstand noch von den Kosten zu entlasten. Übrigens zahlt die Industrie auch keinen Cent für den Netzausbau, aber das nur nebenbei.

Zudem hat die schwarz-gelbe Koalition eine Marktprämie eingeführt, die angeblich die erneuerbaren Energien näher an den Markt heranführen soll, bisher aber vor allem höhere Kosten produziert und zwar rund eine Million Euro am Tag. Und zuletzt schadet es den erneuerbaren Energien sogar, dass ihre massenhafte Einspeisung bei Sonnenschein oder gutem Wind den Börsenpreis für die Industriekunden drückt. Denn dann wird der Abstand zur Einspeisevergütung wieder größer und die Umlage steigt. Die Entlastung der Industrie durch günstige Strompreise wird so den erneuerbaren Energien angelastet und von den Haushaltskunden bezahlt. Ein Konstruktionsfehler!

Dabei hat Rösler in einem Punkt sogar Recht. Der Ökostromanteil liegt inzwischen bei mehr als 20 Prozent. Das EEG hat keine allzu lange Zukunft mehr, weil es ja darum geht, dass die erneuerbaren Energien 80 bis 100 Prozent des Stroms liefern. Um das zu erreichen, braucht es ein neues Strommarktdesign. Und Wahlkampf hin oder Wahlkampf her, es ist Zeit darüber zu reden, wie ein Strommarkt aussehen kann, auf dem Wind- und Solarstrom den größten Anteil am Geschäft haben. Die reine Umwälzung, also der Verkauf des erneuerbar erzeugten Stroms an die Übertragungsnetzbetreiber, die den Strom dann an der Börse vermarkten, ist dafür kein geeignetes Mittel.

Die erneuerbaren Energien sind kein Minderheitenprodukt mehr. Sie sollten ihre Wettbewerbsvorteile auch ausspielen können. Doch dazu braucht es ein neues Marktmodell. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.