Diesmal hat die französische Umweltministerin Ségolène Royal sich wohl vergriffen. In einer Talkshow auf Canal Plus rief die Ex von Frankreichs Staatspräsident Hollande am Montagabend dazu auf, künftig auf Nutella zu verzichten. Das hat sicherlich nicht nur den Moderator zwischenzeitlich schockiert, der entrüstet entgegnete: „Mais c’est bon, Nutella“ („Aber Nutella ist doch gut“). Weiter„Nutella gehört diesmal zu den Guten“
Wer Fisch essen will, ohne zur Überfischung beizutragen, hat es schwer. Die richtige Auswahl zu treffen, wird immer komplizierter. Das zeigt der am Donnerstag von Greenpeace vorgestellte Fischratgeber 2014. Einmal im Jahr präsentiert Greenpeace diesen Einkaufsführer, der Verbrauchern die Entscheidung für möglichst nachhaltig gefangenen Fisch erleichtern soll.
Die gute Nachricht: Manche Bestände erholen sich. Zum Beispiel die von Kabeljau. Der galt bisher als gnadenlos überfischt, doch jetzt empfiehlt Greenpeace den Kauf von Kabeljau aus dem Nordostatlantik wieder – unter der Voraussetzung, dass der Fisch dort mit Grundlangleinen gefangen wurde. Auch Kabeljau aus dem Nordostpazifik ist okay. Von Kabeljau aus anderen Regionen sollten die Verbraucher aber weiterhin die Finger lassen.
„Nur eine differenzierte Betrachtung ermöglicht Empfehlungen“, schreiben die Macher des Fischführers, „Pauschale Ja- oder Nein-Urteile pro Art sind weder korrekt, noch tragen sie zum Schutz der Fischbestände bei.“ Weiter„Verwirrung ums Fischstäbchen“
Als ich diesen Report der britischen Supermarktkette Tesco las, musste ich daran denken, wie ich selbst Salat wasche. Auch bei mir landen die labbrigen Salatblätter im Müll. Offenbar bin ich mit solchen Wasch-Putz-Wegschmeiß-Gewohnheiten nicht allein. Für den Report Tesco and Societyhat der britische Konzern en detail aufgelistet, wie viele Lebensmittel an welcher Stelle weggeschmissen werden. Es ist das erste Mal, dass ein Lebensmittelhändler so tiefe Einblicke in die Mülltonnen gewährt. Unterstützt wurde die Aktion von dem Regierungsinstitut Wrap (Waste and Resources Action Programm).
Tesco hat die 25 am häufigsten verkauften Produkte aus seiner Lebensmittelabteilung über die komplette Lebenszeit analysierst, vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Verbraucher. Bei Salat ist das Ergebnis besonders beeindruckend: 68 Prozent gehen insgesamt verloren. Mehr als zwei Drittel aller Salate werden also weggeschmissen: 17 Prozent sind es im Anbau, 15 Prozent in der Verarbeitung, ein Prozent im Verkauf – und eben 35 Prozent in der Küche des Verbrauchers.
Auffällig ist, wie sich die Abfallmengen in den unterschiedlichen Produktionsstufen unterscheiden.
Brot etwa schmeißt der Handel viel mehr weg als Obst und Gemüse. Vier Prozent sind es allein bei Tesco. Äpfel werden bereits zu einem großen Teil bei der Ernte aussortiert, gleich elf Prozent landen auf dem Müll. In der Regel ist der größte Lebensmittelverschwender der Verbraucher, zwischen zehn und 35 Prozent der Lebensmittel schmeißt er am Ende weg.
Solche Zahlen summieren sich auf. Erst am Montag warnte die Welternährungsorganisation FAO, dass jedes Jahr rund ein Drittel der Lebensmittel weggeschmissen wird. Das macht jährlich 1,3 Milliarden Tonnen aus – zum Vergleich: Ein klassischer VW Golf wiegt etwa eine Tonne. Zwei Milliarden Menschen könnten eigentlich jedes Jahr davon ernährt werden. Es sind außerdem enorme Werte, die im besten Fall in der Biotonne landen. Im Schnitt schmeißen wir jährlich Lebensmittel im Wert von 750 Milliarden US-Dollar weg.
Was tun? Auch wenn Tesco zu dem Schluss kommt, als Händler eigentlich das kleinste Problem in der Kette zu sein, hat sich der Konzern einiges vorgenommen. Salate will er etwa nicht mehr in Megapacks verkaufen, damit der Konsument nicht gleich den kompletten Packungsinhalt wegwirft, wenn gerade mal ein Salatkopf schwächelt. Die Einkaufswege der Bananen will er verbessern, damit nicht zu viele Früchte im Lager vor sich hin reifen. Die Zulieferer, also die Apfelbauern, sollen weniger Pestizide einsetzen und stattdessen auf ökologische Unkraut- und Insektenbekämpfung setzen.
Die Zahlen aus Großbritannien erzählen aber auch eine andere Geschichte. Das betont der Filmemacher Valentin Thurn, der vor zwei Jahren erstmals die große Lebensmittelverschwendung in dem Kinofilm Taste the wastedokumentierte und inzwischen ein Essensmüll-Fachmann ist. Addiert man die Lebensmittelverschwendung im Bereich Anbau, Verarbeitung und Handel, dann sind diese Anteile fast ebenso groß wie die des Verbrauchers. „Ein Großteil des Essens wird weggeschmissen, bevor es den Verbraucher überhaupt erreicht“, sagt Thurn. Die Studie sei eine Ohrfeige für Ilse Aigner, die dem Verbraucher in ihrer Informationskampagne den schwarzen Peter zuschiebe. „Bei der Lebensmittelverschwendung kommen wir nur voran, wenn wir begreifen, dass es nicht einen Bösewicht gibt, sondern dass es sich um eine geteilte Verantwortung handelt.“
Minamata, dieser Ort in Japan klingt so wunderbar leicht und poetisch. Doch tatsächlich erzählt er von einem grauenhaften Chemieunglück in den fünfziger Jahren. Der japanische Chemiekonzern Chisso leitete damals quecksilberhaltiges Abwasser in die Minamata-Bucht im Süden Japans. Die Folgen waren eine Katastrophe:
Dieses Working Paper ist mal eine komprimierte Analyse: Auf gerade einmal zwölf Seiten räumen Frank Ackerman und Elisabeth A. Stanton mit einigen Glaubenssätzen über die Folgen des Klimawandels für die Agrarwirtschaft auf. Ackerman ist Umweltökonom an der Tufts-Universität in Massachusetts/USA und hat bis vor Kurzem für das Stockholm Environment Institute gearbeitet.
Konsens ist, dass der Klimawandel sich auf die Produktivität in der Landwirtschaft auswirkt. Wie genau, das ist allerdings unklar. Bisher war die Lehre recht optimistisch: Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre fördert das Wachstum. Schließlich werden Pflanzen besser mit Co2 versorgt, dem Stoff also, den sie für die Photosynthese brauchen. Außerdem verlängern sich durch längere Wärmeperioden die Anbauphasen gerade in höheren Regionen.
Was sich die Branche alles einfallen lässt: „Hähnchen von morgen“ nennen Hollands Geflügelzüchter ihr aktuelles Projekt: Ihr Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen in den Niederlanden nur noch Hühner „aus nachhaltiger Erzeugung“ erhältlich sein. Zurzeit sitzen Produzenten und Handel zusammen und versuchen, Nachhaltigkeitsstandards zu entwickeln. Was bedeutet es konkret, ein „nachhaltiges Hähnchen“ zu produzieren?
Die Frage rückt die Geflügelwirtschaft in den Fokus, eine Branche, die schon seit Jahren immer wieder von Skandalen erschüttert wird. Was niederländische Geflügelzüchter treiben, ist auch für Deutschland relevant, denn am Ende landet die holländische Hühnchenbrust in vielen deutschen Supermarktkühltruhen. Wir sind der wichtigste Handelspartner für die Niederländer, rund 40 Prozent des holländischen Geflügelexports gehen nach Deutschland. Erst vergangenes Jahr übernahm die niederländische Plukon Food Group auch den deutschen Geflügelzüchter Stolle („Friki“) und machte sich damit auf dem deutschen Markt breit. Deutschland schafft es inzwischen auf Platz zwei der europäischen Geflügelzüchter, die Niederlande auf Platz sieben. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr 1,8 Millionen Tonnen Hühner geschlachtet, in „Stückzahlen“ waren das vor zwei Jahren mehr als 700 Millionen im Jahr.
Die Kriterien, welche Hollands Züchter für ihr futuristisches Hähnchen diskutieren, klingen noch ganz schön wischiwaschi. Die Branche sagt: „Die zu setzenden Nachhaltigkeitsstandards müssen weit über die Aspekte Tierwohlsein und Tiergesundheit hinausgehen. Eine besondere Herausforderung ist es in diesem Zusammenhang, die verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien miteinander in Einklang zu bringen, um am Ende optimale Standards zu etablieren.“
Fragt man beim zuständigen Pressebüro nach, worüber denn die Züchter und die Supermärkte konkret verhandeln, bekommt man die Antwort, dass es eben nicht nur ums Tierwohl und die Tiergesundheit gehe (das betrifft natürlich auch den Antibiotika-Einsatz), sondern auch um Energie- und Umweltmanagement in der Produktion. Fragt man noch mal nach, dann geht es auch noch um Besatzdichten in den Käfigen, also wie viel Platz eigentlich das einzelne Huhn bekommt. Klar sei aber auch, dass auch wirtschaftliche Aspekte beachtet werden müssten und dass die Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet sei, heißt es.
Wer bei nachhaltiger Züchtung nun an „bio“ denkt, der wird wohl vom niederländischen Ansatz enttäuscht sein. Dafür liegen zwischen klassisch-konventioneller Zucht und Biostandards Welten, auch preisliche. Allein Biofleisch ist etwa dreimal so teuer wie das Industrieprodukt. Agrarexperte Alexander Hissting von der Beratungsfirma grüneköpfe schätzt, dass sich Hollands Züchter und Handel wohl auf irgendetwas in der Mitte einigen würden. „Aus Marketingsicht ist nur logisch, Ware anzubieten, die von den Anforderungen und dem Preis irgendwo zwischen bio und konventionell liegt.“ Sicherlich werde aber das Programm tatsächlich „deutliche Fortschritte“ gegenüber dem Status Quo bringen.
Zu einem weitaus radikaleren Urteil kommt dagegen Greenpeace. Hühnerzucht sei Industrieproduktion: In knapp einem Monat würde teilweise ein Küken bis zur Schlachtreife gemästet, ein Biohühnchen habe nicht viel mehr Zeit. Dass die Geflügelbranche Nachhaltigkeitsstandards definiere, sei “ völlig absurd“, sagt Landwirtschaftsfachmann Martin Hofstetter. Solche Produktionen hätten nichts mehr mit der Natur zu tun. Auch die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen hält er für fatal, dort würden Arbeiter für Niedriglöhne malochen. „Aber alles, was die Situation am Ende verbessert, macht das Produkt am Ende auch teurer.“
Und so ist man am Ende bei einer ähnlichen Debatte wie beim Pferdefleisch. Entscheidend ist, was der Konsument zu zahlen bereit ist. Da helfen kaum strengere Gesetze oder zwischen Produzenten und Handel ausgehandelte Nachhaltigkeitskriterien. Es geht um einen Bewusstseinswandel bei uns Verbrauchern.
Und noch ein Gedankenanstoß: Zurzeit kostet ein ganzes, tiegefrorenes Suppenhuhn bei Rewe gerade einmal 2,59 Euro.
Die Daten, die die Böll-Stiftung und die Umweltorganisation BUND in ihrem Fleischatlas heute veröffentlichen, erinnern mich an meine Kindheit. Da gab es jeden Tag ein warmes Tellergericht – und Fleisch gehörte selbstverständlich dazu.
Offenbar hat sich seit den achtziger Jahren, in denen ich aufwuchs, nicht viel verändert. Der Vegetarierbund rechnet vor, dass jeder Deutsche im Durchschnitt am Ende seines Lebens 1.094 Tiere verzehrt hat, darunter vier komplette Rindviecher und 945 Hühner (siehe Grafik hier links).
Allerdings gibt es große Unterschiede: Männer, vor allem zwischen 19 und 24 Jahren, essen deutlich häufiger Fleisch als Frauen. Diese entdecken ihre Fleischleidenschaft etwas später, ihr Fleischkonsum ist zwischen 25 und 34 Jahren am höchsten.
Manchmal lohnt es sich, einen Blick in deutsche Fachzeitschriften zu werfen – etwa die „Vieh und Fleisch Handelszeitung„. Sie berichtete kürzlich über die Fachtagung „Fokus Schwein“, auf der sich Mitte September rund 500 Schweinehalter trafen.
Auf der Tagung war auch Clemens Tönnies zu Gast, einer der größten Fleischproduzenten und Schlachthofbetreiber Deutschlands. Er hatte eine klare Ansage: „Bauen Sie Schweineställe“, zitiert ihn VFZ.
Und wohin mit dem ganzen Schweinefleisch? Der deutsche Markt zumindest ist gesättigt. Also soll es in den Export gehen. Der Weltmarkt biete noch eine Menge Potenzial, der Selbstversorgungsgrad (wie viel Prozent eines Produkts wird unter dem Strich in Deutschland erzeugt) lasse sich ohne Weiters von aktuell 110 Prozent auf 150 steigern. Das heißt übersetzt, Deutschland soll noch mehr Fleisch exportieren.
Und das passiert bereits. Deutschlands Netto-Fleischexport steigt und steigt. Im ersten Halbjahr 2012 nahm der Netto (!)-Export um 120.600 Tonnen zu, zeigt eine aktuelle Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Die reinen Fleischexporte stiegen im ersten Halbjahr um 8,7 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011.
Die Zielregion ist vor allem Asien. Erst Anfang September reiste eine Delegation der Bundesregierung nach China, um für bessere Exportbedingungen zu werben. Gerade „Schweinefleischnebenprodukte“, also etwa Schweineohren und Füße, die dort als Delikatesse gelten, sollen stärker exportiert werden.
Auch andere Länder Asiens nehmen gerne Schweinefleisch aus Europa. Nach Angaben der Bundesregierung exportierte die EU im Jahr 2010 folgende Mengen:
– nach Russland: 298.000 Tonnen
– nach Japan: 209.000 Tonnen
– nach Hongkong: 93.000 Tonnen
– nach Korea: 83.000 Tonnen
Nun könnte man sagen: Ist doch klasse, wenn der Welthandel funktioniert. Aber natürlich hat das internationale Geschäft mit Lebensmitteln immer eine Kehrseite, vor allem im Heimatland.
Das Fleisch aus Deutschland, das am Ende in einer chinesischen Garküche landet, stammt aus riesigen Mastbetrieben, die inzwischen den Turboschalter umgelegt haben und den Tierschutz teilweise vernachlässigen. Um das System am Laufen zu halten und den Export hochfahren zu können, müssen wir in riesigen Mengen Tierfutter (Soja) importieren. Das ist gentechnisch verändert. Tierfutter vom eigenen Hof oder aus der Umgebung, das wird immer seltener. Und die Gülle landet auf den Äckern, versäuert die Böden und schadet dem Klima.
Bärbel Höhn von den Grünen fordert daher ein Umdenken. Deutschland besitze gerade einmal ein Prozent der Weltagrarfläche, schreibt sie. Und:
„Darauf können wir nicht Schweinefleisch für den wachsenden Bedarf am Weltmarkt produzieren. Tierhaltung muss flächengebunden stattfinden, nicht völlig entkoppelt von den gegebenen Ressourcen an Futter und Ackerfläche zur Gülleausbringung.
Die Bundesregierung muss die Qualitätsproduktion voranbringen, nicht die Massentierhaltung auf Kosten der Tiere, der Umwelt und der ländlichen Entwicklung.“
Das EU-Parlament hat vergangene Woche einen wichtigen Schritt für mehr Transparenz beim Fischkauf getan – aber sorry: So richtig reicht das nicht aus. Am Freitag verabschiedete das Parlament in erster Lesung den Stevenson-Bericht. Er ist ein kompliziertes Dokument, es geht um die Organisation der Märkte, die Förderung von regionalen Erzeugergenossenschaften und und und. Aber er enthält auch einen Abschnitt über die bessere Kennzeichnung von Fischereiprodukten.
Der zuständige Berichterstatter, der Schotte Struan Stevenson, schwärmte vergangene Woche, dass zukünftig auf jeder Fischpackung stehen werde, wo der Fisch gefangen wurde und wann er angelandet wurde:
„Consumers will also benefit from new requirements that will require producers to provide enhanced information on their product labels, such as date-of-landing for fresh fish products.“
Nun gibt es aber in der Fischereiwelt zwei unterschiedliche Zeitrechnungen. Es gibt das Fangdatum und es gibt das Anlandedatum. Die beiden können manchmal um Wochen auseinanderliegen. Große Trawler fahren ja nicht jeden Abend wieder zurück in den Hafen und landen ihren Fang an, sondern verbringen manchmal Wochen auf See. Sie frieren den Fisch ein und bringen ihn erst später an Land.
Wann der Fisch nun tatsächlich aus dem Meer gezogen wurde, das erfährt der Verbraucher auch zukünftig nicht. Dass das Anladedatum und nicht das Fangdatum verpflichtend auf der Packung stehen soll, ist wohl eine entscheidende Bedingung, damit der Ministerrat dem Gesetzesentwurf zustimmen wird. (Freiwillig dürfen Unternehmen allerdings natürlich das Fangdatum angeben.) Verarbeitete Produkte wie Thunfisch in Dosen sind von den Kennzeichungspflichten übrigens ausgenommen. Hier erfährt der Käufer auch zukünftig noch nicht einmal das Fanggebiet.
Zwei Anmerkungen noch dazu:
1. Nach Informationen der Grünen-Fraktion im EU-Parlament zahlt die EU Subventionen, damit Fisch nach der Anladung gelagert werden kann, wenn der Marktpreis zu niedrig ist und einen bestimmten Schwellenpreis unterschreitet. Eine solche klassische Marktintervention ist natürlich total absurd, weil eine solche Zahlung das Preissignal komplett aushebelt. Da lohnt es sich, einmal nachzuhaken.
2. Ab wann ist eigentlich der Konsument überfordert von zu vielen Informationen? Auf dem zukünftigen Label soll das besagte Anlandedatum stehen, das Fanggebiet, die Fangart und der Flaggenstaat des Schiffes. Aber wer kann diese Informationen wirklich richtig einordnen und bewerten? Sollte ich einen Fisch kaufen, der von Fischern auf einem Schiff gefangen wurde, das in Ecuador registriert wurde, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen? Hilft das dem Konsumenten in irgendeinerweise? Ich bezweifele das.
Das städtische Gärtnern ist ja schon seit einigen Jahren Thema. Aber in einer so originellen Form wie in Rio de Janeiro dürfte es eher selten zu bewundern sein. Am Stadtrand der brasilianischen Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt (das ist nur der Kernbereich von Rio) bewirtschaften 16 Familien Flächen, die der staatliche Ölkonzern Petrobras sonst mühsam von Büschen und Bäumen freihalten müsste. Da, wo im Untergrund Wasserrohre und Ölpipelines verlegt sind, bauen die Familien als Biolandbau-Kooperative Salat und Gemüse an.
Eine Nichtregierungsorganisation hatte diese Idee, die beiden Seiten hilft. Petrobras muss die Rohre nicht mehr vor Tiefwurzlern schützen. Und die Bauernfamilien verdienen sich einen bescheidenen Lebensunterhalt. Auf etwa die Höhe eines Mindestlohns, also 640 Real (knapp 250 Euro), kommt die Chefin der Kooperative Univerde, Alzeni da Silva Fausto. Petrobras hat mit der Kooperative einen ordentlichen Vertrag gemacht. Er garantiert den Familien die Nutzungsrechte für das Land, die sie sogar vererben dürfen, wenn sie sich an die Regeln halten. Sie dürfen also nur Pflanzen anbauen, deren Wurzeln nicht mehr als 30 Zentimeter in die Tiefe reichen, und Tiere dürfen auf diesem Land auch nicht gehalten werden. Dafür hat Petrobras den Bauern Brunnen zur Verfügung gestellt; die Bauern selbst bezahlen nur den Strom für die Pumpen.
In der Kooperative haben die Frauen das Sagen. Vier von fünf Führungspositionen bei Univerde sind in der Hand der Frauen. Mit einem klapprigen Kombi, „der mal fährt und mal nicht“, bringen sie im Monat rund eine Tonne Gemüse auf die Märkte der Umgebung, einmal die Woche auch in der Innenstadt von Rio. Dieser Markt ist allerdings den Mitarbeitern von Petrobras vorbehalten. Außerdem beliefern die Stadtgärtner Schulkantinen. Dabei hilft ihnen ein Gesetz, das vorschreibt, dass öffentliche Institutionen wie Schulen, Krankenhäuser oder Kindergärten 30 Prozent ihrer Waren von Kleinbauern beziehen müssen. Für Univerde ist das ein Segen, weil sie anderenfalls wohl kaum den Zuschlag dafür bekommen hätten.
Ob sie keine Angst haben, dass ihre mühsam gezogenen Bio-Salt- oder ihre Kohlköpfe womöglich im Öl versinken könnten? Nein, sagt Alzeni da Silva Fausto, in den Pipelines gebe es eine automatische Überwachung. Und in den genau sieben Jahren, in denen das Pilotprojekt nun existiert, hat es offenbar noch nie Probleme mit den Pipelines gegeben. Seit sie ihr Land bearbeitet, fühlt sich nicht nur Alzeni da Silva viel gesünder. Eine ihrer Mitstreiterinnen berichtet von Depressionen, die sich durch die Arbeit, die Vermarktung des Gemüses und das daraus gewonnene Selbstbewusstsein stark gebessert haben. Doch dass das harte Arbeit ist, daran lässt die Chefin der Kooperative auch keinen Zweifel. Sie arbeite sieben Tage die Woche auf ihrer Parzelle: „Die Landwirtschaft gibt keine Pause.“
Am anderen Ende der Stadt wird derweil auf der Vorkonferenz des dritten Weltgipfels Rio + 20 über das Konzept einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise (Green Economy) verhandelt. Was das sein könnte, zeigen die Bio-Bäuerinnen von Univerde und ausgerechnet der staatliche Ölkonzern Petrobras mit ihrer bemerkenswerten Kooperation. Alle mal hersehen!