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„Was heißt hier Ende?“

Die Magie des Films ins Leben übertragen: Das Abaton zeigt den Essayfilm von Dominik Graf über den Filmkritiker Michael Althen.

„Kino ist zwar nicht unser Leben, aber doch eine wunderbare Alternative zu dem, was wir für Leben halten“, zitiert Dominik Graf den 2011 verstorbenen Journalisten und Kritiker Michael Althen. „Sein Schreiben war obsessives Cineastentum, Intellekt, Emotion und brillante Ästhetik, alles immer direkt mit dem Leben verbunden, mit dem Alltag unserer Gefühle.“ Grafs Porträtfilm Was heißt hier Ende? setzt Althen in Interviews mit Regisseuren, Freunden und Kritikern sowie Ausschnitten mit ihm selbst ein Denkmal. Im Kino natürlich, wo sonst. Zur Vorstellung im Abaton wird der Filmkritiker und Spiegelautor Wolfgang Höbel erwartet, der als Freund von Michael Althen auch im Film auftritt.

 

„Mutti“

Pathologie des Durchregierens: Das Theater Kontraste seziert hochamüsant ein ideologieskeptisches, emotional aufgeladenes System.

Vizekanzler Sigmar ist unzufrieden. Mit Angelas Pragmatismus, mit der Koalition und der leidenschaftslosen deutschen Politik überhaupt. Zudem ist Griechenland endgültig pleite, und das muss den Wählern auch bald verklickert werden. Knut Hellmann, Systemaufsteller von Beruf, soll die Koalition in dieser Krise befeuern und wieder zusammenbringen. Während also die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien das Finale spielt, zwingt dieser die vier Politikvollblüter Angela, Horst, Sigmar und Ursula per Familienaufstellung in die Rollen von Mama, Papa, Ehemann und Schwester. Doch Angela bleibt abweisend. Sie hofft auf ihren Jogi. Titeltrunkene Deutsche haben noch jede Kröte geschluckt. Als dann die Mannschaft angeblich in Rückstand gerät und in Katar ein Arbeiteraufstand auf einer Hochtief-Baustelle blutig niedergeschlagen wird, läuft Knut Hellmann zu Höchstform auf. Aber Angela hat noch immer die Kontrolle behalten. Mutti, das seit Mai erfolgreich am Theater Kontraste läuft, besitzt zwar die etwas spröde Anmutung eines theatralen Versuchsaufbaus, ist aber eine raffinierte und hochamüsante Politsatire.

Text: Reimar Biedermann

 

Liza&Kay

Hamburger Eigengewächs: Liza Ohm und Kay Petersen bezaubern mit schnörkellosen, eingängigen und wundervollen Akustik-Songs.

Junge-Mädchen-Duos gibt es längst wieder wie Sand am Elbstrand. Besondere Junge-Mädchen-Duos hingegen gibt es nicht sehr viele. Lizy&Kay sind eins, das herausstechen kann. Denn im Gegensatz zu vielen anderen setzen diese beiden Hamburger Popmusiker in ihren Liedern nicht auf Schnörkel, Schlenker, Effekte oder andere unnötige Details. Bei ihnen herrscht Schlichtheit, auch wenn zwischendurch immer wieder Nuancen und Anspielungen auf Folk, Chanson, Punk oder Indie aufblitzen. Sie halten ihre akustischen Arrangements einfach. Dadurch werden ihre Songs leicht aufnehmbar und machen schnell glücklich. Genauso wie die niedlichen Texte dazu. Im Knust stellen sie ihr Debütalbum vor, das ab 12.6. offiziell auf den Markt kommt.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Frankie Chavez

Von Jimi Hendrix bis Ry Cooder: Der Portugiese bringt einen rasanten Mix aus Blues, Folk und Psychedelic in den Grünen Jäger.

Tausend neue Töne nennt sich das Konzert-Format vom und im Grünen Jäger St. Pauli, das neuen oder noch unbekannten Bands eine Plattform bietet, um sich live zu präsentieren. Diesmal dürfen wir auf Frankie Chavez gespannt sein. Er finanzierte sein zweites Album Heart & Spine per Crowdfunding. Mittlerweile ist er mit ebendiesem bei Universal unter Vertrag. Der Sound des Portugiesen mit der markanten, dunklen Stimme reflektiert die unterschiedlichen musikalischen Einflüsse, denen er auf seinen zahlreichen Reisen rund um die Welt begegnet ist. Das Ergebnis ist eine Art Folk-Blues, der einen langen Weg bis zu Psychedelic geht und sich an so verschiedenen Vorbildern wie Robert Johnson, Jimi Hendrix oder Ry Cooder orientiert.

 

St. Pauli Sommerkino

Das Millerntorstadion wird in der Sommerpause zum Open-Air-Kino. Am ersten Mittwoch läuft der Musikfilm „Can A Song Save Your Live“.

In so einem Fußballstation wird während der Saison geschwitzt, getrunken und geweint, vor Freunde, wenn man die Liga halten kann. In der langen Sommerpause steht so eine moderne Arena dann aber nicht die ganze Zeit leer. Das Millerntorstation beispielsweise wird zum Freiluft-Lichtspielhaus. Vom 7. Juni bis zum 17. Juli flimmert hier dann gutes Popcorn-Material über die Leinwand. Am 10. Juni zeigt das St. Pauli Sommerkino Can A Song Save Your Live (OmU) mit Mark Ruffalo und Keira Knightley in den Hauptrolle – eine US-amerikanische, romantische Musikkomödie des irischen Filmemachers John Carney. Die Tribühnenplätze sind übrigens überdacht – falls das Wetter nicht mitspielen sollte.

Noch ein Hinweis zur Organisation: Bis 2014 lud das 3001 Kino zu Open-Air-Filmnächten in das Stadion des FC St. Pauli. In diesem Jahr gibt es einen neuen Veranstalter. Einem Statement auf der Kino-Homepage zufolge, lehnte es das 3001-Team ab, eine deutlich höhere Miete zu zahlen. Das Team klagt diese Entwicklung an, bei der kommerzielles Interesse über den Filminhalten stehe.

Text: Lena Frommeyer

 

„Sommer in der HafenCity“

Freiluftvergnügen: Zum 10-jährigen Jubiläum gibt es auf dem Großen Grasbrook wieder Musik, Theater und Lesungen mit Hafenblick.

Die HafenCity mag vielleicht nicht der pulsierendste Stadtteil Hamburgs sein. Aber: In den Sommermonaten sollte man das Viertel auf dem Freizeitplan haben. Der Sommer in der HafenCity verwandelt die Promenaden und Boulevards in kleine Festivalplätze – ab dem 7. Juni gibt es bis zum 30. August jeden Sonntag etwas zu erleben: Das Störtebeker Ufer am Magdeburger Hafen lädt zum Swing-Tanzen; der Strandkai wird zum Tango-Tanzparkett; auf den Magellan-Terrassen stellt die Lesebühne junge Hamburger Autoren und etablierte Schriftsteller vor; ein paar Hundert Meter weiter kommen die Poetry-Slammer zu Wort; der neue Park Baakenhöft wird mit seiner Kinderbaustelle zum Abenteuerspielplatz und dank Leselotte ahoi! zur Schmökerwiese.

Am 7. Juni startet das Programm mit dem inzwischen klassischen Sommer-Tango an der Elbpromenade vor dem Unilever-Haus. Vor zehn Jahren startete die Open-Air-Veranstaltungsreihe – mit Tango-Abenden und Lesungen auf den Magellan-Terrassen. Dort findet auch das Jubiläumsfestwochenende (13./14. Juni) statt, ein Best-of des gesamten Programms: mit Tanz, Poetry, Literatur und Theater. Unter freiem Himmel und mit Blick auf die Elbphilharmonie.

 

„Mythos Kafka“

Unkonventioneller Zugang: Das Altonaer Theater eröffnet eine überraschende Perspektive auf das Leben und Wirken von Franz Kafka.

Wissenschaftler trennen das Werk eines Künstlers strikt von seiner Biografie. Die Regisseurin Jana Pulkrabek macht genau das Gegenteil. In Mythos Kafka werden seine Arbeit als Versicherungsangestellter und Schriftsteller sowie die beständig brodelnden Probleme mit seiner Familie thematisiert, in der er sich wie ein Fremder fühlte. Der konstante Kampf um Selbstbehauptung inspirierte den Autor aber auch zu seinen besten Werken. Er beschrieb die Ängste des modernen Menschen zwischen Entfremdung, menschenfeindlicher Bürokratie und anonymer Überwachung. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Prag und Hamburg kombiniert Regisseurin Pulkrabek am Altonaer Theater mit den ehemaligen Neumeier-Tänzern Yaroslav Ivanenko und Heather Jurgensen Schauspiel und Tanz und schafft damit einen unkonventionellen Zugang zu Kafka.

Text: Natalia Sadovnik

 

Sea Shepherd

Spaß für den guten Zweck: Beim „Bajazzo Zeltfestival“ im Schanzenpark stellt sich die internationale Gesellschaft der Meereshirten vor.

Tattoos mit veganen Farben, Stimmen aus der Steckdose und waghalsige Zirkuseinlagen: Das und mehr steht auf dem langen Menü des Tages. Im Rahmen des Bajazzo Zeltfestivals präsentiert die Sea Shepherd Conservation Society ihre Arbeit unter dem alten Musketier-Motto All for one, one for all. Die Gesellschaft der Meereshirten wurde 1977 ins Leben gerufen, um sich dem Schutz der maritimen Tierwelt zu widmen, sich für die Beendung der Ausbeutung der Meere und den Erhalt von Ökosystem und Spezies einzusetzen. Dafür wenden sie zuweilen recht innovative Taktiken an. Welche das sind, zeigen sie im Schanzenpark – natürlich eingebettet in umfangreiches Unterhaltungsprogramm mit so unterschiedlichen Beiträgen wie einer Luftakrobatin, dem Vinylcafé samt Eugen Egners Tagebuch eines Trinkers oder den Tätowierern von Endless Pain, die (mit veganen Farben) besondere Motive für Sea Shepherd stechen. Die Erlöse der Tattoos gehen genauso wie Kunstverkäufe, Tombola und Spenden des Tages an Sea Shepherd.

Text: Nik Antoniadis

 

„Absinth für den Geist“

Elixier aus unheimlicher Lyrik, Horrorprosa und Wermut: Die Absinth Bar präsentiert Perlen moderner Gruselliteratur.

„Absinth für den Geist“, so bezeichnen Dr. Nachtstrom und Bernhard Reicher die Essenz ihres neuen Magazins Visionarium. Mit Horror, Mystery, Bizarro, Urban Fantasy, Dark Fiction, Steampunk, Noir, Science-Fiction und New Weird ist hier auch so ziemlich alles versammelt, was die fantastische Literatur an Subgenres zu bieten hat. Was läge also näher, als eine Lesung von Visionarium-Autoren in der Absinth Bar abzuhalten? Die beiden jungen Autoren Karin Elisabeth und Philipp Schaab haben erst kürzlich in dieser „Gazette für phantastische Abwege“ publiziert und bringen ihre schaurigsten und fantastischsten Werke mit an die Sternschanze. Christoph Sahnemann (Foto) liefert mit Kompositionen für Vibrafon und Cello die letzte Ingredienz, um dieses abendliche Elixier aus unheimlicher Lyrik, klassischer Horrorprosa und über 400 verschiedenen Absinth-Variationen in der Absinth Bar fertigzustellen.

Text: Nik Antoniadis

 

„Automaten“

Scharnier zwischen Fantasie und Wirklichkeit: Das Lichthof Theater zeigt eine kritische Recherche über Glücksmaschinen.

Was treibt einen Menschen ins Glücksspiel? Keine gesellschaftliche Gruppe ist vor dem Reiz der Flucht in jene Parallelwelt sicher. Der Spielautomat bildet dabei das Scharnier zwischen Fantasie und Wirklichkeit, in dessen Dramaturgie sich der Spieler mit Körper und Geist willig fügt. In ihr vermag sich auch noch der unglücklichste Zocker als ewiger Gewinner zu betrachten, der manchmal einfach nicht weiß, wann Schluss ist. Das vielseitige Berliner Produktionskollektiv lunatiks versteht sich als Forschergruppe mit Mitteln des Theaters. Seriöse wissenschaftliche Recherchen unter Spielern, Spielhallenbetreibern, Vertretern aus Politik und Industrie sowie Psychologen und Experten bilden hier die Grundlage für eine theatrale Aufarbeitung der freiwilligen Automatisierung des Menschen. Ein spannender Abend in einer Installation von niedervolthoudini, in Koproduktion mit dem Lichthof Theater und unterstützt von diversen Suchtpräventionsinitiativen.

Text: Reimar Biedermann