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Bernd Begemann

Der Hamburger Pop-Songwriter bespielt zwischen den Feiertagen den Knust und lässt dabei die möglicherweise bestbekleidete Sau der Stadt raus.

Für Hamburger Konzertgänger gibt es gen Jahresende, neben Festlichkeiten wie Weihnachten oder dem danach anstehenden Jahreswechsel, noch eine weitere Veranstaltung, die mittlerweile fast schon rituell anmutet: Bernd Begemann & die Befreiung im Knust. Ohne eine genaue Statistik zur Hand zu haben oder konkrete Prognosen abgeben zu können, fühlt es sich zumindest so an, als hätte der Entertainer, der weiße Anzüge wie kein anderer zu tragen weiß, schon immer in diesen Tagen die Bühne des Knusts betreten – und er wird es hoffentlich auch künftig weiter tun. Gibt es einen anderen Künstler, der so viel Soul und Funk aus seiner Gitarre zu quetschen vermag, während er über irgendwie okaye Fernsehabende mit der Schwester der Freundin singt? Bei dem Pärchen zu der Zeile „beide zweite Wahl“ knutschen und sich vertrauensseelig in den Armen liegen. Der zuverlässig seine Marathon-Show durchzieht, während sich die verschiedensten Altersklassen am Tresen treffen? Traditionell dauert so ein Bernd-Begemann-Konzert an die drei Stunden. Und ebenso traditionell kommt man mit großer Zuverlässigkeit im nächsten Jahr wieder.

 

Die Vögel

Eat The Beat bringen das Elektro-Duo Die Vögel mit in den Bunker und damit die Gelegenheit, den zweiten Weihnachtstag zu Tubaklängen stampfend abzuschließen.

Während sich Nachbarschaft sowie Regional- und Wissenschaftsmedien zum Einbruch der offiziellen Winterzeit gerne wiederholt der Frage widmen, wie die korrekte und förderliche Vogelfütterung zur Kältezeit auszusehen hat, schlagen wir den umgekehrten Weg vor: einfach mal von den Vögeln füttern lassen. Mit Bassläufen, die der Tuba entspringen. Mit dadaistisch anmutenden Textzeilen und anderen Zutaten, die einem per Rave die Erholung von Weihnachtsschmausereien, zähen Gemütlichkeiten und anderen Feiertagsnebenwirkungen erleichtern. Das Hamburger Elektro-Duo Die Vögel, bestehend aus Mense Reents und Jakobus Siebels – sonst in anderen Bands wie Die Goldenen Zitronen oder JaKönigJa vorzufinden – waren einst die erste Veröffentlichung auf Pampa Records, dem Label von DJ Koze. Und sie zeigen, wie eng Dadaismus und Nachdenklichkeit, Blockflöte und Synthesizer zusammenarbeiten können, um gemeinsam eine ganz eigene Form von House Music zu erschaffen.

Texte: SZENE HAMBURG

 

Schweiß und Walfett

Antú Romero Nunes Inszenierung von Moby Dick ist ein furioses Schauspiel mit beachtlichen Darsteller-Leistungen und bescheidenem Bühnenbild.

Ganz und gar untypisch für Antú Romero Nunes passiert eine halbe Stunde lang erst mal gar nichts. Der Thalia-Hausregisseur ist eher bekannt für wuchtige Action und große Szenen, denen er mit geschickter Ironie ihre Schwere nimmt. Seine Inszenierung von Melvilles Jahrhundertroman Moby Dick fängt mit gemächlichem Philosophieren an. Rasch jedoch gewinnt das Stück an Fahrt und es wird geschlachtet und abgestochen, was das Zeug hält. Wasser peitscht über die Bretter, wenn das Schiff in einen Sturm gerät. Dabei kommt Nunes ohne großes Bühnenbild aus. Die Beute wird pantomimisch erlegt; Blut, Walfett und andere Flüssigkeiten müssen die Zuschauer sich dazu denken – was angesichts beachtlicher Darstellerleistung erstaunlich leicht fällt. Eher minimalistisch dienen Licht und Sound als Stütze eines beeindruckenden Schauspiels. Bleibt nur noch zu sagen: Wal voraus!

 

Ohne Kater

Showcase des Kallias-Labels: Das Golem fordert nur einen Tag nach Neujahr schon wieder zum Tanzen auf.

Tja, was fällt einem dazu ein. Mutig könnte man es nennen. Während halb Hamburg in Sauer liegt und in manchem Frühclub noch die Bässe wummern, öffnet das Golem einen Tag nach Neujahr erneut seine Türen. Wohl dem, der solches Barpersonal hat! Für die erste Veranstaltung nach Silvester ist Kallias mit einem Label-Showcase zugegen. Die Berliner Nod One’s Head, kurz NOH, spielen an diesem Abend die Hauptrolle. Das House-Duo versteht sich als authentische Band mit Clubkultur. Mitte Dezember erschien ihre EP What’s Beyond. Zu hören ist dort eine Mischung aus 1990er-Indiepop unterlegt mit knackigen Tech-House-Beats. Vielleicht genau die richtige Mischung, um gute Vorsätze gar nicht erst aufkommen zu lassen. Weitere elektronische Unterstützung gibt es von Spanks, Quincy Burquist, Oliver Rado und DJ Smut. Der Neujahrskater kann einem heute erst mal gestohlen bleiben.

Text: Ole Masch

 

Zwielicht

Von „American History X“ bis „Death to Smoochy“: B-Movie und Metropolis zeigen den Schauspieler Edward Norton in seiner ganzen Pracht.

Edward Norton stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus, sein Vater war als Rechtsanwalt für Jimmy Carter aktiv, und er selbst hat in Yale Geschichte studiert – das sind so die Dinge, die man von einem Schauspieler gar nicht wissen will. Edward Norton hat aber auch bei zwei Auftritten von Hole, der Band von Courtney Love, Gitarre gespielt, und auf der Leinwand Furore gemacht hat er als Nazi und Schläger. Als rassistischer Mörder an zwei Afroamerikanern in American History X (3./8./15./18.1. im B-Movie) sowie als Prügelknabe im Fight Club (6./16.1. im Metropolis) neben Brad Pitt hat Edward Norton als „Good Bad Guy“ ein solides Fundament gelegt für mittlerweile 26 Filme. Es sind groteske Irrtümer darunter wie Hulk oder das Kreuzzugsspektakel Königreich der Himmel. Aber eben auch solche wie das Justizdrama Zwielicht (1.,8./10./15.1. im B-Movie) oder die TV-Satire Death to Smoochy (14./24.1. im Metropolis). In Hamburg sind nun alle zu sehen. Im Februar kommt zudem sein jüngster Film ins Kino: Birdman von Alejandro González Iñárritu. Dazu erscheint ein kritisches Kompendium, das an den Kinokassen zu haben sein wird.

 

Der Hundertjährige…

… der aus dem Fenster stieg und verschwand: Eva Hosemann inszeniert die populäre Geschichte um den trotzigen Greis.

Dass jemand hundert Jahre alt wird, kommt nicht alle Tage vor. Logisch also, dass das Jubiläum groß gefeiert wird, samt Bürgermeister und lokaler Presse. Der Jubilar hat allerdings andere Pläne. Statt sich feiern zu lassen, flieht er in Pantoffeln aus dem Altersheim und sorgt damit für Aufruhr in ganz Schweden. Ein Ziel hat er nicht so richtig, doch unfreiwillig gerät der Sprengstoffexperte in immer skurrilere Abenteuer. Auf einmal findet er sich in Besitz eines Geldkoffers und muss zugleich vor der Polizei und vor Gaunern fliehen. Jonas Jonassons Debütroman erzählt die absurde Lebensgeschichte eines widerborstigen Mannes, der sich nicht für Politik interessiert, aber trotzdem in die großen historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts verwickelt war. Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand hat sich allein in Deutschland über zwei Millionen Mal verkauft. Die Regisseurin Eva Hosemann inszenierte das urkomische Roadmovie mit dem als Frankfurter Tatort-Kommissar bekannten Jörg Schüttauf in der Hauptrolle.

 

Floor-Hopping

Hoch die Tassen! Weitere Möglichkeiten, die Silvesternacht tanzend zu verbringen, bieten kleine und große Clubs wie Docks, Prinzenbar, Uebel & Gefährlich, Mandalay und Villa Nova.

Docks und Prinzenbar laden ab 22 Uhr zum Silvesterrave und wie in vielen anderen Clubs kann sich auch hier das Line-up sehen lassen: Jan Blomqvist, Jake The Rapper (Foto), René Bourgeois, Andy Kohlmann sowie diverse Hamburger Lokalmatadoren sorgen für den passenden Neujahrssound. Im Uebel & Gefährlich startet der große Silvesterfetz ebenfalls um 22 Uhr: Während Douglas Greed feat. Nagler & Kuss live spielen wird Daniel Nitsch von The Glitz an den Plattentellern stehen. Ab 8 Uhr morgens geht’s dann weiter mit dem „Urknall“-Frühclub. Wer eher Elektroswing zu seinen Lieblingssounds zählt, sollte sich ins Mandalay begeben, wo zwei Floors, drei DJs, eine Gin-Bar und die berühmte Champagnerpyramide bereitstehen. Und in der neuen Villa Nova (Talstraße 9) zünden Hausherr H.O.S.H ab 0.15 Uhr die Supernova und lassen es mit den Adana Twins, Red Robin, Patlac und Mike Peppel bis weit in den Tag hinein ordentlich knallen!

Text: Ole Masch

 

Depeche Mode & Co.

Zeitreise in die 1980er: Beim Club-Party-Special im Kir liegt der musikalische Fokus auf dem Jahrzehnt der New Wave.

Neonfarben, Lederjacken und toupierte Haare – die 1980er Jahre waren eine Dekade der extrovertierten Styles. Nicht nur optisch, sondern auch musikalisch hat das Jahrzehnt einiges zu bieten. Falco, Billy Idol, Jennifer Rush, Trio – ihre Ohrwürmer halten sich bis heute hartnäckig im Programm der Hörfunkstationen. Im Kir widmet man einer britischen Band einen Partyabend, die Anfang der 1980er Jahre auf der heranrauschenden Synthesizer-Welle über den Globus rauschte: Depeche Mode. Einen Tag vor Sylvester bekommt man wieder die Gelegenheit in Erinnerungen zu schwelgen, bevor man sich auch schon am kosmischen Zeitstrahl weiterbewegt. Beim Club-Party-Special schallt Musik von Depeche Mode und anderen beliebten Künstlern der 1980er Jahre aus den Boxen. Wer also noch im alten Jahr zu Personal Jesus tanzen möchte, der ist bei dieser Party genau richtig.

Text: Katja Vintz

 

Plux

Yo Montero, Janek, Frau Eickhoff und Jonas Wahrlich sorgen im Fundbureau für eine berauschende Sylvesternacht mit elektronischer Musik.

Traditionell lässt die Neujahrsnacht auch den größten Feiermuffel in die Puschen kommen. Nicht eingehaltene Vorsätze werden final zu Grabe getragen. Aber mal ehrlich: Eigentlich ist es auf Silvesterpartys doch häufig überall nur voller und teurer als in jeder anderen Nacht. Ein Grund mehr, genau aufs Programm zu achten. Freunde elektronischer Musik kommen besonders im Fundbureau auf ihre Kosten. Bei der legendären Plux Silvestersause legt erstmals der Franzose Yo Montero (DER HUT / Creepy Fingers) auf. Unterstützt wird er von seinem Landsmann Iry sowie von den DJs Janek (Bachstelzen) und Frau Eickhoff (Zeitgeist.Kollektiv) aus Berlin und dem Hamburger Jonas Wahrlich (Plux, DER HUT). Das kann nur eine berauschende Nacht werden. Wir gehen also davon aus, dass mit den neuen Vorsätzen frühestens am 2. Januar begonnen werden kann.

Text: Ole Masch

 

Extrabreit

Keine Leidenschaft ist wie die: Die Hagener Band spielt ihren gut abgehangenen NDW-Punk in der Markthalle. Support: Bonsai Kitten

Vielleicht waren Extrabreit nicht gerade die originellste, einflussreichste oder popkulturell wichtigste Band der NDW-Zeit. Was man der Hagener Gruppe um Sänger Horst-Werner Wiegand aber zugestehen muss, ist, dass viele ihrer Songtexte bis heute noch amüsant anzuhören sind. Kostprobe? „Polizisten speichern, was sie wissen, elektronisch ein / Alles kann ja irgendwann und irgendwie mal wichtig sein / Polizisten wissen, was zu tun ist, denn sie haben Funkverkehr / Polizisten werden jeden Tag und jeden Monat immer mehr“ (Polizisten). Oder: „Ich denk, ich brauch neue Schuhe / und ich geh ins Kaufhaus rein / Mit Übersicht und Ruhe / muß es leicht zu schaffen sein / … / Ich hab Kleptomanie,  keine Leidenschaft ist wie die / … / und sie erwischen mich nie!“ (Kleptomanie). Ganz schön subversiv. Und ihr größter Hit, Hurra, hurra, die Schule brennt, wird heute noch auf jeder Abi-Party gespielt. All diese Smasher und noch viele andere werden sicher auch beim diesjährigen Jahresabschlusskonzert in der Markthalle zu hören sein.