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John Logans‘ „Rot“

Das Zweipersonenstück über den Künstler Mark Rothko läuft noch bis zum 29. November in den Hamburger Kammerspielen.

Ein Genie, ein Hitzkopf und eine Legende. Gleichwohl war Mark Rothko zeitlebens einsam und depressiv, bis er mit 66 Jahren sein Leben beendete. Den Kern des Künstlerdramas bildet die Zusammenarbeit von Rothko und seinem fiktiven Assistenten Ken, der den Künstler zu verstehen sucht. 1958 bekommt Rothko den höchstdotierten Auftrag seines Lebens: Er soll für das New Yorker Vier Jahreszeiten eine Reihe von Wandbildern kreieren – für den menschenscheuen Rothko Segen und Fluch. Das Zweimannstück von John Logan, der für die Drehbücher zu Filmen wie Gladiator, Sweeney Todd und Skyfall bekannt ist, zeigt Rothko als Choleriker und Selbstzweifler. Nach seiner Broadway-Premiere wurde Rot mit Preisen überschüttet, darunter sechs Tony Awards. Die Titelrolle übernimmt Markus Boysen, Jacob Matschenz mimt seinen Gegenspieler. Michael Bogdanovs Inszenierung wurde bereits im letzten Jahr von Kritikern für ihre schauspielerische Intensität gefeiert.

Text: Natalia Sadovnik

 

Courtney Barnett

Die junge australische Singer-Songwriterin eignet sich als neues Role Model für Slacker – nachzuprüfen am 20. November im Molotow.

Ein properes Debütalbum von Courtney Barnett steht noch aus, mit der Doppel-EP A Sea Of Split Peas hat sich die Australierin aber immerhin schon mal eindrucksvoll vorgestellt. Redseliger als eine Hip-Hop-Platte fügen die Songs schläfrigen Indierock mit eindrucksvollem Mitteilungsbedürfnis zusammen, etwa bei der gleichermaßen dunklen, komischen und romantischen Traumnacherzählung History Eraser oder der weggelachten Nahtoderfahrung Avant Gardener. Barnett hat einen lyrischen Schwung, der den Dylan-Vergleich sucht (und sich dabei gut behauptet), und eine selbstbewusste Schnodderigkeit, die an die junge Liz Phair erinnert. Dem gitarrenverliebten Schräglagenrock von Pavement und Sebadoh wird nebenbei auch noch gehuldigt. Das Image des liebenswerten Slackers ist ein bisschen aus der Mode gekommen, mit Courtney Barnett wäre mal wieder ein geeignetes Role Model vorhanden.

Text: Michael Weiland

 

Zuckerschweine

Die Hamburger Impro-Theatergruppe lädt in „Jeder gegen jeden – das Match“ zum spontanen Spiel auf Stichwort-Zurufe aus dem Publikum.

Seit 15 Jahren sind die Zuckerschweine fester Bestandteil der Impro-Landschaft Hamburgs. Regelmäßig tritt die schrille sechsköpfige Gruppe (inklusive eines Gitarristen) gegen andere Darsteller-Ensembles an oder spielt mit ihnen zusammen. Die Szenen entstehen nach Vorgaben des Publikums – ohne jegliche Regieanweisungen oder Requisite. Je nach Stichwort entstehen Szenen oder kurze Sketche aus dem Stegreif. Wenn das Publikum es verlangt – „Stop! Weiter im Horror!“ – wird zwischen verschiedenen Musik-, Theater- und Filmgenres hin und her gesprungen. Zu ihren besonderen Späßen gehört es, einem anderen Darsteller auf der Bühne Worte in den Mund zu legen, also zu synchronisieren. Natürlich fällt bei solch einem Konzept jeder Auftritt anders aus – genau darin liegt der Reiz an der Sache. Ein Abend mit viel Gelächter und Überraschungen garantiert.

 

Heftiger Hafenklang

Volle Packung: Drei Bands bieten die ganze Palette an Indie- und Noise-Rock, Emo und Screamo, Stoner Rock und Deathcore.

Jo, das rockt ja ganz ordentlich. Wer am 20. November in den Hafenklang geht, darf sich auf die volle Packung freuen: fette Gitarrenriffs, tonnenschwere Beats, klagendes Gebrüll. Coliseum stammen aus Louisville, Kentucky, sind zu dritt und scheinen sich noch an die alte Schule zwischen Indie- und frühem Noise-Rock zu erinnern. Doomriders, bei denen der Converge-Bassist Nate Newton singt und Gitarre spielt, sind da eher – wenn nicht altersmäßig, so doch stilistisch – eine Generation später einzuordnen. Ihr Sound ist insgesamt flinker und druckvoller, und die Tatsache, dass das Quartett mit zwei Gitarren besetzt ist, erlaubt den ein oder anderen Ausflug in metallischere Gefilde. Als Einheizer für diesen Abend werden außerdem NoM aus Kiel erwartet. Die werden auch nichts anbrennen lassen.

 

Oracles

Der neueste heiße Scheiß, nicht nur für Pete Doherty: Die Köln-Berliner Band spielt ihren uferlosen Rock live im Molotow.

Auf dem Reeperbahn Festival waren Oracles eine dieser Bands, von denen man vorher kaum gehört hatte, deren Namen dann aber jeder auf den Lippen hatte (trotz eines wegen technischer Probleme abgebrochenen Gigs im Imperial-Theater – sie spielten aber noch einen). Die Band aus Köln und Berlin hat bei dem Hamburger Label Clouds Hill eine Heimat gefunden, ein prominenter Freund der Plattenfirma hält sie gar für den neuesten heißen Scheiß: Pete Doherty sah Oracles live und bekundete gleich seine Liebe für die psychedelische Mischung aus Krautrock, Afrobeat und Rock’n’Roll. Joshua, Nils, Hanitra, Dennis und Niklas haben gerade ihre EP Stanford Torus veröffentlicht, die sie bereits in New York bei der Musikmesse CMJ auf der Bühne vorstellen durfte. Diese Band ist für Großes bestimmt, es geht gerade erst los. So uferlos und vereinnahmend klang Rockmusik aus Deutschland lange nicht.

Text: Michael Weiland

 

Ane Brun

Auf ihrem Weg nach ganz oben macht die norwegische Sängerin einen Zwischenstopp in der Markthalle. Das Vorprogramm bestreitet die Schwedin Alice Boman.

Vor gut zehn Jahren betrat sie – im übertragenen Sinn – die große Pop-Showbühne, seitdem geht es steil bergauf. Ane Bruns erstes Album erschien 2003, zwei Jahre später spielte sie schon im Londoner Wembley-Stadion, allerdings „nur“ im Vorprogramm ihrer Landsleute von a-ha. Danach, 2010, wurde die Norwegerin von keinem Geringeren als Peter Gabriel auf seiner New Blood-Tour gefeatured, wo sie im Song Don’t Give Up sogar den Gesangspart von Kate Bush übernehmen durfte. Auch mit den Chartplatzierungen sieht es von Veröffentlichung zu Veröffentlichung besser aus. Schaffte es ihr Debüt-Album immerhin auf Platz 19 der norwegischen Charts, hat sie sich mit ihrer zuletzt herausgebrachten Compilation Songs 2003–2013 bis auf den zweiten Platz vorarbeiten können. Beste Voraussetzungen also für eine gut besuchte Markthalle am 19. November. Im Vorprogramm spielt die schwedische Sängerin Alice Boman.

 

Bombay Bicycle Club

Das junge britische Quartett um Sänger Jack Steadman präsentiert die Songs der aktuellen Albums „So Long, See You Tomorrow“ live im Docks.

Man muss nicht unbedingt mögen, was die vier jungen Briten da seit ein paar Jahren ziemlich erfolgreich fabrizieren. Aber eines muss man denen lassen: Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 haben sie einen weiten Weg zurückgelegt, sowohl die Karriereleiter hinauf als auch in Hinblick auf ihre musikalische Entwicklung. Atmete ihr Debüt-Album noch einen gewissen Post-Punk-Geist (der vor zehn Jahren sowieso mit Macht um sich griff und kaum eine junge Indie-Band unbeeindruckt ließ), ging es auf den folgenden Werken vom Bombay Bicycle Club poppiger beziehungsweise elektronischer zu. Die aktuelle CD, So Long, See You Tomorrow, wagt sich rhythmisch und melodisch sogar in weltmusikalische Gefilde. Diese Vielfalt ist auch live nicht zu überhören. Manchmal könnte man sogar denken, es handele sich hier um mehrere Bands, wäre da nicht das markante Organ von Sänger Jack Steadman, der jederzeit für Wiedererkennbarkeit zu sorgen weiß.

 

La Soirée

Monique Schwitter und Katharina Teutsch laden zu einem literarisch-wissenschaftlichen Abend über das Wesen von Gefühlen.

„Lässt sich über Gefühle diskutieren, gar debattieren? Man kann auf Gefühle hören, allerdings nicht zählen. Man hat sie halt“, stellen die Veranstalterinnen fest. Zu ergründen, woher sie kommen und wohin sie (ver)gehen, das haben sich die Hamburger Schriftstellerin Monique Schwitter (Foto, r.) und die Berliner Kulturjournalistin Katharina Teutsch zur Aufgabe gemacht. Ihre literarisch-wissenschaftliche Reihe zum Thema Emotionen geht hiermit in die zweite Runde. „Affekte und Naturwissenschaft. Affenforschung und die Conditio Humana“ stehen diesmal im Fokus. Zum Gespräch wurden die Autorin Ulrike Draesner geladen, die in ihrem neuen Buch Sieben Sprünge vom Rand der Welt Untersuchungen über Vorsatz und Instinkt, Trieb und Emotionen anstellt, sowie die Biologin und Primatenforscherin Julia Fischer (Autorin von Affengesellschaft, Suhrkamp 2012).

 

Viva con Agua trifft Goldeimer

Zum „Welttoilettentag“ sitzen vier Männer gegenüber der Davidwache auf transparenten Kompostklos und lassen sich zeichnen. Auch Bela B. ist vor Ort.

Klobürsten auf St. Pauli – da klingelt’s doch. Das Toilettenutensil war Symbol der Protestbewegung gegen das 2014 errichtete Gefahrengebiet. Keine Bürste, sondern gleich das ganze Klo steht am 19. November zum Welttoilettentag auf der Reeperbahn im Mittelpunkt. Die Hamburger Trinkwasserinitiative Viva con Agua und Komposttoilettenhersteller Goldeimer bitten fünf Männer für 24 Stunden auf umweltverträglichen Latrinen Platz zu nehmen – der Haken an der Sache: die Dinger sind transparent. Ganz Hamburg kann also zuschauen. Es gibt auch eine Gästetoilette für jeden, der Probesitzen will. Bobbie Serrano vom Hamburger Kunst- und Designkollektiv Der 6ste Lachs zeichnet die Leute auf dem Klo. Auch Musiker und Mitbegründer der Viva-con-Agua-Stiftung, Bela B., ist vor Ort. Was der Scheiß soll? Aufmerksamkeit für die Tatsache, dass 2,4 Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben und täglich ihr Geschäft draußen verrichten müssen. Und für die mobilen Komposttoiletten, in denen Fäkalien zu Humus werden.

Text: Lena Frommeyer

 

Bullshit Slam

Wer redet den größten Mist? Das Haus 73 lädt zum „Ersten Bullshit Slam Deutschlands“. Die Moderation übernimmt „Bullshit Bingo“-Erfinder Lorenz Meyer.

„Bullshit“, sagen die Veranstalter des Slams, „ist Gerede, bei dem der Sprecher sich nicht um Wahrheit oder Lüge schert. Hauptsache, er kann die Zuhörer um den Finger wickeln. Die Teilnehmer imitieren das inhaltslose Geschwurbel von Managern, Werbung, Gesundheitsaposteln und anderen – und treiben es auf die Spitze.“ Das Publikum dieses ersten Bullshit Slams Deutschlands muss sich auf einiges gefasst machen: revolutionäre Therapien, neue Führungsmethoden, Managementphrasen, Verschwörungstheorien und bahnbrechende Erfindungen. Die Slammer haben jeweils zehn Minuten Zeit, ihre heiße Luft an Frau und Mann zu bringen. Dabei geht es den Machern nicht nur um möglichst originellen Nonsens, sondern auch um Aufklärung: „Mit dem Bullshit Slam“, so Organisatorin Julia Offe, „wollen wir Menschen dazu ermutigen, das eigene Hirn einzuschalten, wenn sie mit Bullshit konfrontiert werden.“ Moderiert wird die Veranstaltung vom Erfinder des Bullshit Bingo Lorenz Meyer.