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Süßer Sonntag

Manufakturen bieten im Freiluftmuseum am Kiekeberg ihr selbstgemachtes Naschwerk an. Für Kinder gibt es ein Mitmachprogramm.

Kleiner Appetizer auf die Weihnachtsmarktsaison gefällig? Zumindest ein buntes Potpourri an Naschkram findet man am süßen Sonntag im Freilichtmuseum Kiekeberg. Von 10 bis 18 Uhr bieten hier am 9. November rund 25 Manufakturen und Aussteller ihre Waren auf dem Süßwaren-Markt an. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen, wenn vor Ort filigrane Zuckerfiguren entstehen, die Mitarbeiter der Lüneburger Bonbonmanufaktur ihre Süßigkeiten drehen, Kinder süßes Stockbrot backen und bunte Knallbonbons basteln. Der ehemalige Obermeister der Konditoreninnung Hamburg, Dierk Eisenschmidt, erklärt sein Handwerk und als obligatorischer Bildungsblock fungiert eine Ausstellung im „Agrarium“, in der man erfährt, wie sich viele unserer Lebensmittel zusammensetzen.

 

„Die lächerliche Finsternis“

In Wolfram Lotz‘ Stück zeigt die Moderne ihre hässliche Fratze während einer Reise an das Ende der Menschlichkeit auf der Bühne des Thalia in der Gaußstraße.

Frei nach Joseph Conrads Herz der Finsternis und Coppolas Apocalypse Now fahnden zwei Soldaten der Bundeswehr im Hindukusch nach einem abtrünnigen Oberstleutnant, der im Wahn zwei Kameraden tötete und verschwand. Sie sollen den Dysfunktionalen beseitigen. Es ist eine Reise an das Ende der Menschlichkeit, zu Tod, Krieg und Gewalt. Das Thalia in der Gaußstraße führt den Zuschauer gemäß seiner Leitidee „Theater im multinationalen Zusammenhang“ direkt in den dunklen Schlund der Globalisierung. Wie wird Regisseur Christopher Rüping diesen eigentlich als Hörspiel konzipierten „Zynismus in unverschämt naivem Gewand“ (Die Presse) auf die Bühne bringen? Am Wiener Akademietheater wurde Die lächerliche Finsternis kürzlich mit großem Kritikererfolg uraufgeführt, man darf auch hier auf ein unerhörtes Erlebnis hoffen.

Text: Raimar Biedermann

 

„Venus im Pelz“

David Ives bringt Sacher-Masochs aufsehenerregende Novelle als erotisches Casting-Duett auf die Bühne des St. Pauli Theaters.

Leopold von Sacher-Masochs Novelle Venus im Pelz (bis 2001 in Deutschland auf dem Index) regt seit jeher die (schmutzige) Fantasie seiner Leser an: Velvet Underground widmeten ihr auf ihrem Debütalbum einen Song, in David Ives‘ Bühnenstück versucht sich ein Regisseur an dem einst skandalösen Stoff um sexuelle Macht und Unterwerfung. Wenn er nur nicht so schwierig umzusetzen wäre! Thomas (Michael von Au) findet einfach keine Besetzung für die Titelrolle: „Zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn, mit Brille oder wie eine Nutte“, watscht er Dutzende Bewerberinnen ab. Da kommt Wanda (Anika Mauer) zum Vorsprechen. Die scheint wie aus den Seiten des Buches getreten – mit sämtlichen Widerhaken. Das erotische Zwei-Personen-Stück, das Roman Polański erst kürzlich in eine Kinoversion verarbeitete, begeisterte bereits das Berliner Publikum, jetzt ist es am St. Pauli Theater zu sehen.

Text: Thorsten Moor

 

Brasilianische Filmwoche

Das Metropolis zeigt den Film „Das Alter der Erde“ des brasilianischen Kino-Erneuerers Glauber Rocha im Original mit Untertitel.

Der Brasilianer Glauber Rocha (1938–1981) zählte in den 1970ern zu den radikalen Erneuerern des Kinos. Von der Militärdiktatur ins Exil gezwungen, hat er in all seinen Filmen einen ebenso persönlichen wie politischen Protest zu formulieren versucht. Das Alter der Erde (Original: A Idade da Terra) war in dieser Hinsicht sein Vermächtnis: eine große „Symphonie in Bild und Ton“, die weit in die Zukunft Brasiliens vorgreifen wollte und von der der italienische Regisseur Michelangelo Antonioni einstmals schwärmte: „Jede Szene dieses Films ist eine Lektion dafür, wie modernes Kino aussehen sollte.“ Oder, um mit den Worten von Glauber Rocha selbst zu sprechen: „Das Alter der Erde ist die Zerlegung der Erzählsequenz, ohne dass dabei der infrastrukturelle Diskurs verloren geht, der die repräsentativsten Zeichen der dritten Welt materialisieren soll.“

 

20 Jahre Dosenfabrik

Der KunstHasserStammTisch gratuliert dem Künstlerhaus zum Geburtstag – ohne Torte, Ständchen und sämige Glückwunschtiraden.

Das Künstlerhaus Dosenfabrik wird 20 Jahre alt und hat den KunstHasserStammTisch (Foto) eingeladen, zum Jubiläum einen Abend zu gestalten. Klar, dass man von dem in so einem Fall nicht das Törtchen mit 20 Kerzen zum Auspusten, sämige Glückwunschtiraden oder ein abgedroschenes Ständchen erwarten kann. Es wird viel besser – und natürlich auch wesentlich eigensinniger. Und dabei wird augenzwinkernd eine Diskussion angeschoben, die vielleicht nicht besonders geburtstagskompatibel ist, aber dafür umso interessanter. Den Finger in die Wunde des Jubiläums gesteckt schenkt der KunstHasserStammTisch, der immer um andere und vor allem kühne Zugangsformen zur Kunst bemüht ist, der Dosenfabrik den bunten Abend Generation Grapefruit zum Thema Überalterung in Künstlerhäusern. Bequem gemacht hat es sich in ihnen vor allem die Generation Ü40 – und deshalb sind die anderen Künstler- und Atelierhäuser der Hansestadt aufgefordert, an diesem Abend jeweils einen Hamburger Künstler und dessen Arbeit vorzustellen, der maximal 25 Jahre alt ist. Da es bei dem KunstHasserStammTisch meist sportlich zugeht, gibt es natürlich auch einen Preis! Vor allem aber wird mit der Aktion für neue Impulse gesorgt, es werden aufregende Entdeckungen gemacht und es wird etwas Staub von den Keilrahmen gepustet. Gibt eigentlich gar kein schöneres Geschenk!

Text: Sabine Danek

 

„In The Heat Of The Night“

Im Kunstverein Harburger Bahnhof steht die Nacht im Mittelpunkt – auf der Leinwand, als Bedrohung, als Bühne oder Ort der Schöpfung.

Filme zu verschiedenen Aspekten der Nacht werden am 8. November im Kunstverein Harburger Bahnhof vorgeführt – Arbeiten von internationalen und Hamburger Künstlern wie Keren Cytter, Maya Deren, Johanna Domke, Melanie Manchot, Stella Rossié (Foto: Still aus Komet, 2014), Yorgos Sapountzis, Jeremy Shaw, Stacey Steers, Jaan Toomik sowie Tobias Zielony. Die Videokünstler nähern sich dem Thema recht unterschiedlich. Mal ist die Nacht bedrohlich und unheimlich. Dann wird ihr „schöpferisches Potenzial“ dargestellt, frei nach der Genesis-Geschichte, nach der Gott das Licht aus der Finsternis erschuf. In einem anderen Beitrag zeigen Nachtschwärmer, wie sie die Nacht erst feiern und später aus ihrem Rausch mit vagen Erinnerungen erwachen. Im Anschluss an das Programm In the Heat of the Night von 12 bis 20 Uhr öffnet die Bar zu Drinks und Austausch.

 

Tilman Knop

2800 Siebdrucke fertigte er bereits. Einige der grotesk-humorvollen Minibilder sind Teil der Ausstellung „Das leicht erziehbare Kind“ bei Feinkunst Krüger.

Tilman Knop hat Humor. Und so unterhält auch seine aktuelle Ausstellung Das leicht erziehbare Kind ungemein. Die Galerie Feinkunst Krüger wird zur Bühne seiner Kunst: Bilder, Objekte und Installationen. An den Wänden hängt „Grotesk-Siebdruck“, so nennt der Veranstalter die winzigen Täfelchen „voller intellektuell durchprollter Lebensweisheiten, oberhalb und unterhalb der Gürtellinien“. Diese Serie namens Commercials begann der Künstler 1994 als selbst auferlegte Disziplin, täglich ein Bild zu fertigen. Mittlerweile sind es 2800 Exemplare der 7 x 7 Zentimeter kleinen Drucke. Auf einem beispielsweise, sieht man ein herausgeputztes Pärchen. Sehr schick, die zwei. Aus seinem Mund sprudeln Sprechblasen. Über ihr schwebt der Gedanke: „Oh nein, jetzt zitiert er auch noch Bukowski.“ Ein typischer Knop. Durch die Räumlichkeiten verläuft ein analoges Blog – eine Art Logbuch des Künstlers. Er notierte seine Gedanken zu den Commercials auf einer papierenen Kassenrolle, die durch die Räumlichkeiten führt.

Text: Lena Frommeyer

 

Tanz um die Welt

Punk aus Hamburg, Reggae in Kingston, der Sound von Belgien und die russische Avantgarde: Im B-Movie erklingt das Musikfilmfestival Unerhört!.

Fürs Warm-up sorgen Hamburger: 1,7 heißt das audiovisuelle Tour-Tagebuch, das die Richtung vorgibt. Das Roadmovie mit den wiedervereinigten Ur-Punks von Slime sorgt zum Auftakt des 8. Musikfilmfestivals Hamburg am 7. November für ein Fernweh, das sich umgehend stillen lässt. So führt Rise up (7. November) ins jamaikanische Reggae-Mekka Kingston, wo drei junge Nachwuchstalente sich mit unterschiedlichen Strategien um einen Platz im Rampenlicht bewerben. Electro Chaabi (8. November, Foto) stellt den Sound des Arabischen Frühlings und dessen ägyptische Protagonisten vor. Tanzpaläste und Dancefloors unserer westlichen Nachbarn präsentiert The Sound of Belgium, und Elektro Moskva (9. November) rekapituliert die Geschichte der avantgardistischen Musik in Russland – von sowjetischen Experimenten bis zu zeitgenössischen Exporten.

 

Operation Ton #8

Da prallen Welten aufeinander: Zum Musikevent am Schulterblatt haben sich Frank Spilker, Mary Ocher und H. P. Baxxter angekündigt.

Wenn Menschen aus den unterschiedlichsten Welten und Lebenslagen aufeinandertreffen, ist das immer spannend. Das gilt natürlich auch in der Musik. Man denke nur mal an Heinos Gastspiel beim Wacken oder jüngst an die Kollaboration von Lady Gaga mit Entertainer-Urgestein Tony Bennett. Operation Ton, die bundesweite Konferenz für musikalische Zukunftsfragen, organisiert und veranstaltet von Rockcity e.V., hat es sich seit 2007 zur Aufgabe gemacht, „Informations-, Inspirations- und Präsentationsplattform für Musiker und Musikschaffende im ganzen Bundesgebiet“ zu sein. Bei der achten Auflage haben sich die Macher, was die Liste der angekündigten Künstler und Referenden angeht, selbst übertroffen. Da zieren Namen von Subkultur-Ikonen wie Mary Ocher, Wenzel Storch oder Simon Bauer (Hans Unstern) genauso das Plakat wie von Popularmusikweichenstellern à la Michelle Leonard, Moses Schneider und, Trommelwirbel bitte, H. P. Baxxter. Am 7. November wird der Scooter-Frontman von Frank Spilker (Die Sterne) zu einem Gespräch gebeten. Auch sonst hat Operation Ton #8 noch unzählige tolle Events zu bieten. Also am besten schnell das 2-Tagesticket (38 Euro) sichern und vor Ort alles selber auschecken.

Operation Ton #7 – Konferenz & Festival für Musiker und Musikschaffende von RockCity Hamburg e.V. auf Vimeo

 

„Das Geld der Anderen“

Bonzen, Broker, Banken: Die Hamburger Fotografin Paula Markert lädt zur Buchveröffentlichung und Ausstellung ins Hinterconti.

„Für den normalen Menschen ist Geld gleich Lebenszeit. Er hat sich das Geld abgespart, hat auf Konsum verzichtet, Überstunden gemacht und lange und mühsam gespart“, erzählt Helge Petersen. „Ist dann die Summe groß genug, wird im Rahmen der Beratung das Geld verschoben, zum Wohle der Bank.“ Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht ist einer der Akteure, die die Hamburger Fotografin Paula Markert in den Finanzmetropolen Paris, Frankfurt, New York und London aufgesucht hat. Entstanden sind erzählerische Bilder, die einen Blick hinter die Finanzwelt werfen. Darunter Broker mit schlecht sitzenden Anzügen und dicken Bäuchen, die lauthals über die Occupy-Bewegung schimpfen. Aber auch jene, die der Branche entkommen sind. So wie Thomas Brauße, der im Frankfurter Bankenviertel eine Würstchenbude eröffnet hat und sich endlich wieder so benehmen kann, wie er will. Eine Auswahl der Bilder sowie begleitende Texte erscheinen nun bei Klingenberg Books – eine Ausstellung der Bilder erfolgt im Hinterconti.

Text: Nele Gülck