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Aussenborder

Das Hamburger Duo, bestehend aus Patrick Kuse und Peter Wiese, spielt seinen „Brat-Pop“ im Music-Club Live an der Fruchtallee.

Aussenborder gibt es seit 1998, anfangs als vollständig besetzte Band, mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang. Nach diversen Besetzungswechseln beschlossen Patrick Kuse und Peter Wiese, zu zweit weiter zu machen. Auch von mehreren Rechtschreibreformen haben sie sich nicht beeindrucken lassen, sonst müssten sie den Bandnamen mittlerweile mit einem ß anstatt ss schreiben. Das nennt man wohl künstlerische Freiheit. Auch ihr Sound hat sich mit den Jahren kaum verändert. Sie nennen es „Brat-Pop“, man könnte auch modernen Deutschrock dazu sagen, wenn der Begriff nicht so fürchterlich abgenutzt wäre. Egal, denn letztlich haben sich Aussenborder schon in so viele Herzen spielen können, dass es ihren Fans völlig gleich sein dürfte, wie man den Stil ihrer Lieblinge bezeichnet. Auf jeden Fall rocken die beiden genauso gut wie in voller Viererbesetzung.

 

Agnes Obel

Will man die Songs der Dänin einordnen, dann bitte zwischen die Schubladen Klassik und Pop. Da treffen Piano-Klänge und gezupfte Geigen-Passagen auf wütendes Cello.

Absolute Stille ist ähnlich beeindruckend wie laute Musik: Die Gedanken beginnen zu strömen, nutzen den Raum, kreieren Bilder und Ideen. Und wenn man nun Musik über die Stille legt – so vorsichtig, dass keiner der beiden Teile kaputtgeht? Und wenn man das Naturgesetz einmal vergisst, dass Stille und Musik genauso wenig nebeneinander existieren können, wie sich zwei gleichgepolte Magneten aneinander schmiegen würden? Dann lässt sich in etwa so das Gefühl beschreiben, das in einem keimt, wenn die Dänin Agnes Obel ihre Lieder präsentiert. Genau in einem solch unwirklichen Raum müssen sie gewachsen sein, ihre Songs, die so zurückgenommen und dennoch so groß sind, die zwischen Pop und Klassik schweben, die gezupfte Geigen-Passagen und wütenden Cello-Einsatz zusammenbringen. Am Ende eines Konzertabends weiß man da nicht, ob man eigentlich einer verkleinerten Philharmonie in Popmusiklaune oder einer Popmusikerin gelauscht hat, die in Erinnerungen an Philharmoniebesuche schwelgt.

Text: Miriam Mentz

 

Atmosphere

Das HipHop-Duo Minneapolis, Minnesota, präsentiert die Tracks seines aktuellen Albums, „Southsiders“, live im Ballsaal des Uebel & Gefährlich.

Seit zwanzig Jahren zählen Atmosphere, das HipHop-Duo um Rapper Slug (Sean Daley) und Produzent Ant (Anthony Davis) aus Minneapolis, Minnesota, zu den smarten, sensiblen und sozialkritischen Crews im Rapgame. Gleichzeitig richten sie den Blick bei ihren Alben immer mehr gen Live-Instrumentierung. Geradezu exemplarisch hierfür steht der Titeltrack ihres aktuellen Albums Southsiders: eine Nummer mit altem Vintagesound, polterndem Drumspiel und einer omnipräsenten, sich über alles legenden verzerrten Gitarre. Stark. Live bevorzugen sie hingegen häufig die alte Schule – ohne großes Brimborium. Soll uns recht sein. Atmosphere klingen immer dope. Auf ihrer North of Hell betitelten Europatournee zur Präsentation des neuen Albums legen Slug und Ant einen Zwischenstopp im Ballsaal des Uebel & Gefährlich ein.

Text: Jan Kahl

 

WhoMadeWho

Wummernd und doch filigran: Der Elektropop dieses Trios zählt zum Besten, was Dänemark zurzeit musikalisch zu bieten hat.

Im April dieses Jahres spielten die Nordmannen zuletzt im Mojo Club. Die Garderobe war bunt, die Beats hibellig, der Gesang tragend. Ihr Auftritt demonstrierte eindrucksvoll, dass dieses Elektropop-Trio zurzeit einfach zum Besten gehört, was Dänemark musikalisch zu bieten hat. Und das nicht nur vom Plattenteller, denn WhoMadeWho machen vor allem auch live großen Spaß. Der Sound ist dann deutlich gitarrenlastiger. Und das steht auch den Tracks des aktuellen Albums Dreams (2014) außerordentlich gut. Es ist der nunmehr sechste Tonträger, den der Sänger und ausgebildete Jazz-Gitarrist Jeppe Kjellberg, Sänger und Bassist Tomas Hoffding sowie Drummer Tomas Barfod gemeinsam mit filigran wummernden Stücken ausstatteten. „I’m on the right track!“, heißt es da in den Lyrics von Track Nummer 2. Ihr habt ja so Recht.

Text: Lena Frommeyer

 

Olga Grjasnowa

Mit „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ feierte Olga Grjasnowa ein erfolgreiches Debüt. Im Literaturhaus liest sie aus ihrem neuen Werk „Die Unschärfen einer Ehe“.

Eine Ehe kann vieles sein und nicht selten ist sie alles andere als eine gut funktionierende, auf monogamer Liebe basierende Beziehung zwischen zwei Personen. Im neuen Roman der in Baku geborenen und in Berlin lebenden Autorin Olga Grjasnowa ist sie zunächst einmal so etwas wie ein Pakt zwischen den beiden Protagonisten Leyla und Altay, der vielleicht an die Beziehung zweier Freunde oder eines Geschwisterpaares erinnert und beiden die Freiräume einräumt, die sie auf der Suche nach dem, was Liebe und Leben ausmacht, begleitet. Leyla ist Balletttänzerin und musste ihre noch junge Karriere am Bolschoi-Theater in Moskau auf Grund einer Verletzung fürs Erste beenden, Altay arbeitet als Arzt. Leyla verliebt sich in Jonoun, die mit ihrem gelebten Chaos das Gegenteil ihres eigenen Lebensstils verkörpert, Altay erinnert sich seiner Liebe zu Männern. Die Erzählung spielt wechselnd in Berlin und der ehemaligen Sowjetrepublik, schwankt zwischen Momenten einer gefühlten Freiheit, Eifersucht und übertriebenen Disziplin und macht es sich zu keinem Moment leicht mit dem, was Liebe – zwischen wie vielen auch immer – eigentlich bedeuten kann.

Text: Miriam Mentz

 

Krankheit als Metapher

Spannende Therapie: Die Schau mit dem interessanten Beinamen „Das Irre im Garten der Arten“ eröffnet im Kunsthaus – und an verschiedenen Außenstationen.

Hören Sie Stimmen? Dann sind Sie im The Hearing Voices Café von Dora Garcia genau richtig, das sie am 13. Oktober im Café Traumzeit am Hansaplatz eröffnet. Die spanische Künstlerin beschäftigt sich mit der Bewegung der Stimmenhörer, die sich nicht als Therapeuten, sondern als Bürgerrechtler verstehen und seit den 1970er Jahren gegen die Stigmatisierung des Voice-Hearing als Geisteskrankheit oder Halluzination kämpfen. Garcia zeigt auf, welche kulturgeschichtliche Dimension das Stimmenhören hat, von der Bibel über Sokrates zu Robert Walser, stellt ausführliche Infomaterialien bereit, bringt vor Ort eine Zeitung heraus, initiiert Veranstaltungen – und bietet das Café vor allem als Treffpunkt und Ort der Forschung für Menschen an, die Stimmen hören und solche, die es nicht tun. Die documenta-13-Teilnehmerin Garcia gehört zu den zwölf Künstlern, die Kuratorin Britta Peters für ihr Kunstprojekt Krankheit als Metapher eingeladen hat, in das man sich im Golem bei der Filmreihe Time To Get Ill in den letzten Wochen bereits einschauen konnte, und das den Kunstherbst in Hamburg bestimmt. In einer Ausstellung, in Performances, Filmen, auf einem Symposium und mit Arbeiten im öffentlichen Raum, beschäftigt sich das Kunstprojekt mit dem Wahn der Selbstoptimierung, der unsere Zeit bestimmt.

Text: Sabine Danek

 

The/Das

Zärtlicher Techno und Retro-Electro: Fabian Fenk und Anton K. Feist lassen die Sonne im Jazzcafé des Mojo Club aufgehen.

Ihre Musik würde klingen „wie ein Sonnenaufgang über einem Industriegebiet“, sagt die Veranstalterinfo. Und sie selbst bezeichnen ihren Sound als „Techno Tenderness“. The/Das bestehen aus Fabian Fenk und Anton K. Feist, die bis 2011 der Gruppe Bodi Bill angehörten. Mit ihrem kryptisch benannten Duo führen sie fort, was sie mit ihrer Vorgängerband begonnen haben: Wavey Electro-Beats, romantischer Live-Techno mit Gitarre und Schlagzeug. Kurz nach dem letzten Bodi-Bill-Album namens What? stand mit Fresh Water bereits 2012 das erste Werk von The/Das in den Läden, das als bisher einziger Tonträger beider Projekte nicht beim Berliner Label Sinnbus erschienen ist. Nach einem weiteren Mini-Album kam vor Kurzem das Freezer betitelte Debütalbum heraus, mit dem Fenk und Feist nun auf einer mehrwöchigen Tour durch die Lande ziehen — los geht’s am 13. Oktober im Mojo Club.

 

The 1975

Das britische Quartett fand sich wohl auf so manch einer Playlist der Indie-Neuentdeckungen 2013 wieder. Live dürften sie sich ein Ausrufezeichen für 2014 dazuverdienen.

Schülerbands gründen sich meist ähnlich leichtfertig, wie sie sich dann folgend wieder auflösen. Wenn es wichtiger wird, mit den ersten Freundinnen die Tage im Bett zu vergammeln, die Wege nach der Schule andere werden oder man sich intern schlichtweg nicht mehr einig wird, wer nun eigentlich die coolste Sau der Band ist, findet die Euphorie oft ihr Ende. Doch weist bekanntermaßen jede Regel ihre Ausnahmen auf und gelegentlich schafft es doch einmal eine Schülerband, alle Hürden auf dem Weg ins Erwachsenenalter gemeinsam zu überwinden und schließlich dort zu landen, wo man es sich eigentlich nie ernsthaft erträumt hätte. So The 1975. Als Punk-Coverband gegründet, spielten sie sich seit 2002 durch so ziemlich alle Stilrichtungen, um sich schließlich aus Synthie-Pop, Funk und Indierock das zusammenzubauen, womit sie dann Anfang 2013 auf der EP Music For Cars hinreichend überzeugten. Mit The City landeten sie sogar auf dem Soundtrack von Fifa 2014, in den britischen Charts und spielten zahlreiche Konzerte in Europa und den USA. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Debüts sind sie nun im Docks zu Gast.

Text: Miriam Mentz

 

New Hamburg

Die Geschichten von alteingesessenen und zugewanderten Bewohnern der Vettel sind die Grundlage für die Theaterperformance „Heimatmuseum“ in der Immanuelkirche.

Seit dem 3. Oktober nimmt das Festival New Hamburg in Theaterprojekten, Musikbeiträgen und Stadtteilprojekten die Realität unserer Einwanderungsgesellschaft unter die Lupe. Das geschieht an einem passenden Ort, auf der Vettel, wo von etwa 5.000 Bewohnern alleine 50 Prozent einen türkischen Migrationshintergrund haben. Das Schauspielhaus Hamburg arbeitete ein Jahr lang mit der Nachbarschaft zusammen, um die Immanuelkirche zu einem Ort für Stadtteilkultur zu machen. Am 12. Oktober wird hier die Theaterperformance Heimatmuseum gezeigt. Dieses Projekt des Künstlers Adnan Softić basiert auf den Erlebnissen von 70- bis 80-jährigen Menschen, die sich regelmäßig im Erzählcafé über ihre Jugend auf der Veddel austauschen. Auch kommen Zugewanderte zu Wort. Man versucht eine gemeinsame Sprache zu finden. Adnan Softić lässt eigene Erfahrungen einfließen; er kam in den 1990er Jahren als Kriegsflüchtling nach Hamburg. Im Rahmen vom Heimatmuseum lässt er Bilder, Gerüche, Geschichten und Klänge durch die Immanuelkirche wandern.

Text: Lena Frommeyer

 

Volksdorfer Bauernmarkt

Raus aus der Innenstadt – rein ins Museumsdorf, um Brot aus dem Steinofen zu probieren und sich zwischen Schweinen und Pferden des Lebens zu freuen.

Neues aus der Reihe Stadtteile, die man kennt aber in denen man nie ist – außer man wohnt dort: Wie wäre es mit einem sonntäglichen Ausflug nach Volksdorf? Sie wissen schon, das relativ grüne Fleckchen Erde im Nordosten Hamburgs, im Bezirk Wandsbek, mit dem Naturschutzgebiet Teichwiesen und dem Freilichtmuseum. In eben diesem Museumsdorf Volksdorf kann man am 12. Oktober Kartoffeln, Fleisch, Obst, Brot, Käse (und was sonst noch so in der Region produziert wird) direkt vom Erzeuger kaufen – beim 18. Volksdorfer Bauernmarkt. Da findet man auch den obligatorischen Riesenkürbis, für die Suppe oder als Deko. Der Eintritt zum Markt dient der Erhaltung des Museumsdorfes und beträgt 1 Euro, Kinder bis zu einer Größe von 1,49 Meter dürfen kostenlos rein. Die fahren bestimmt besonders auf die Tiere im angeschlossenen Bauernhof ab, allesamt alte Haustierrassen: Hasen, Bentheimer Landschweine, Waldziegen und große Schleswiger Kaltblutpferde.

Text: Lena Frommeyer