Lesezeichen
 

Hansa-Theater

Im Oktober startete die neue Saison des traditionsreichen Hauses am Steindamm. Wie wärs mit einem Sonntagabend zur Spielzeiteröffnung?

Ein Haus mit Tradition: Das Hansa-Varieté-Theater ist seit 1894 am Steindamm zu Hause, auf seiner Bühne standen Stars wie Hans Albers, Harry Houdini, die Comedian Harmonists und Josephine Baker. 2001 sah es dann so aus, als sei der letzte Vorhang gefallen – das Theater schloss nach über 50.000 Shows seine Pforten. Doch niemals geht man so ganz: Das Theater geht im Oktober in seine 7. Spielzeit seit der Neueröffnung, im seit den 1950er-Jahren nahezu unveränderten Ambiente. Dieses Jahr gibt es neben gutem Essen auch wieder Varieté vom Feinsten: etwa mit den Einradkünstlerinnen Yuka & Satomi, dem Seifenblasenmann Tom Noddy, der Comedy-Dog-Show von Leonid Beljakov, dem Magier Marko Karvo und vielen weiteren Artisten. Im 120. Jahr des Hansa-Theaters sieht es so aus, als könnte das historische Haus gut noch ein paar Jahrzehnte an seine Geschichte anhängen. Das Foto zeigt übrigens das Haus am Steindamm im Jahre 1936.

Text: Michael Weiland

 

Die Schutzbefohlenen

Ein Spiel mit den Grenzen: Nicolas Stemanns Stück nach einem Text von Elfriede Jelinek läuft im Thalia Theater.

Unentwegt stößt man an Grenzen als Besucher von Die Schutzbefohlenen im Thalia Theater. An seine eigenen, an die der anderen, auf der Bühne, im Zuschauerraum. Nicolas Stemann inszeniert einen Text Elfriede Jelineks. Die österreichische Schriftstellerin lässt darin eine Gruppe Flüchtlinge sprechen. Sie erzählen von Gräueltaten aus ihrer Heimat und davon, dass sie keine Sprache finden in einer fremden Welt. Jelinek gibt den Flüchtlingen diese Sprache und doch ist sie es selbst, die spricht. Als Europäerin, als Frau der machtvollen Worte. Kann sie in ihrem Text tatsächlich die Perspektive von Menschen einnehmen, deren Schicksal sie nicht teilt? Diese Ambivalenz wird in Nicolas Stemanns Inszenierung aufgegriffen. „Echte“ Flüchtlinge stehen auf der Bühne, zum Großteil wird der Text aber von Schauspielern gelesen. Das ist irritierend, weil es einen mit Barrieren im eigenen Kopf konfrontiert. „Bitte hört uns an!“ Dieses dringliche Flehen, das mehr eine Aufforderung ist, steht hinter jedem ausgesprochenen Wort. Wieso kommt es auf so unterschiedliche Weise bei einem an? Wieso glaubt man es dem einen und dem anderen nicht? Und was sagt es über uns selbst aus, dass wir Geld dafür bezahlen, um dem Flehen zwei Stunden lang zuzuhören? Was ist, wenn das Stück vorbei ist? „We are here to stay!“ rufen die Männer auf der Bühne. Es ist offensichtlich, dass das in diesem Moment nicht gespielt ist.

Text: Katharina Manzke

 

15 Jahre Astra-Stube

Vier Live-Acts, „Jiddisches bis Karibisches“ vom Plattenteller und eine „fragmentarische Rückschau“: Der Club an der Sternbrücke feiert Jubiläum.

Wer hätte gedacht, dass die olle Hütte so lange durchhält? 1999 eröffnete die Astra Stube als der Live-Club, wie wir ihn heute kennen, an der Sternbrücke. Seitdem hat sich diese Kreuzung zu einem Knotenpunkt des Hamburger Nachtlebens entwickelt. Am Wochenende vom 10. bis zum 12. Oktober wird das große Durchhalten mit diversen Live-Acts und DJs gebührend gefeiert. Höhepunkt ist Sonntag, der 12.10. Live treten an: TinTin Patrone (bekannt vom Krachkistenorchester), Tonfang mit ihrer „Subaquatic Dub Music“ (Zitat Felix Kubin), außerdem Bands namens Porsche und Niederluft Window Electric. DJ von Volt legt „Jiddisches bis Karibisches“ auf die Plattenteller. Und Claudia Höhne und Dimitri Moskalenko sorgen für eine „fragmentarische Rückschau“ mit vielen Fotos. Ach ja: Endlich gibt es in der Stube auch mal guten Kaffee – aber eben nur heute, und zwar vom Team der Public Coffee Roasters. Dazu ein Stück Geburtstagstorte und der Sonntag ist perfekt.

 

Kaiser Chiefs

Britrock für die Tanzfläche: Das englische Quintett um Sänger Ricky Wilson präsentiert die Songs seines neuen Albums live in der Fabrik.

Casting-Shows sind nicht bloß für Leute ganz am Anfang ihres Werdegangs förderlich: Nena und Max Herre sind dank ihrer Coaching-Tätigkeit bei The Voice Of Germany beliebt wie nie, beim britischen Mutterschiff der Show brachte sich Kaiser-Chiefs-Sänger Ricky Wilson wieder ins Gespräch – obwohl das bekundetermaßen nicht alle seine Bandkollegen so superdufte fanden. Egal, der Zweck heiligt die Mittel: Education, Education, Education & War, die fünfte Langspielplatte der klassenbewussten Britrockband, ging in ihrer Heimat von null auf eins in den Albumcharts. PR-Firlefanz hin oder her: zu Recht. Mit neuem Drummer und wiedererwachter Energie knüpft die Band an Hits wie I Predict A Riot oder Ruby an. Gitarrenmusik für die Tanzfläche: Die Idee ist heute noch so gut wie vor zehn Jahren – da erschien ihre Debütsingle Oh My God. Text: Thorsten Moor

 

Les Maries

Französisches „l’art de vivre“ trifft auf norddeutsche Seefahrerromantik – ein Sextett aus Hamburg bespielt den Welthospiztag am Hühnerposten.

Auf der einen Seite französisches l’art de vivre, auf der anderen hanseatische, nach Freiheit und dem Meer dürstende Seefahrerromantik. Beides zusammen bildet die Grundlage für das Debütalbum Wie weit ist weit weg des Hamburger Sechsers Les Maries – einem echten Sujet-Grenzgänger. Titel und Texte der von Marie-Laure Timmich gesungenen Songs wechseln zwischen deutsch und französisch. Auf die Frage Wie lange ist mein Schiff schon fort folgt prompt der Tango du port. Dem zarten, schwelgerischen Moi le gitan de passage geht das klagende, sehnsuchtsvolle Containerlied voran. Doch damit hören die Spielereien mit Einflüssen und Instrumentierung der Songs noch lange nicht auf: Hawaii-Gitarren, Akkordeon, Banjo, Klarinette, Chanson, Pop … Wie weit ist weit weg bezieht seine Faszination aus dem Brechen unzähliger Genrekonventionen. Dennoch klingt das Album nicht konstruiert oder übers Knie gebrochen, sondern vor allem nach einer Band, die musikalische Sehnsucht und die Leidenschaft für Grenzenlosigkeit eint. Die Band spielt am 11. Oktober im Rahmen des Welthospiztages.

Text: Jan Kahl

 

Caribou

Neo-Soul, der auf die Tanzfläche entführt: Der kanadische Musiker und promovierte Mathematiker Daniel Snaith live in der Großen Freiheit 36.

Kaum einer verbindet Clubtauglichkeit mit Songwriting wie Dan Snaith: Sein Alter Ego Caribou klingt ein bisschen beatgetriebener und tanzbarer als Indie-Nerds ihre Digitalausflüge gemeinhin mögen, dennoch hat sich der promovierte Mathematiker über sämtliche Genregrenzen hinweg Freunde gemacht. Sein letztes Album Swim mit dem irgendwie allgegenwärtigen Track Odessa erschien 2010, Fans begnügten sich in der Zwischenzeit mit seinem Projekt Daphni, das etwas schärfer die Tanzfläche anvisierte. Nun ist Caribou zurück mit dem Album Our Love – seiner Vorstellung davon, wie Popmusik in diesem Jahr zu klingen hat. Der ideenpralle Maschinensoul dürfte seinen Bekanntenkreis weiter vergrößern – Snaith hat seine persönlichen Grenzen des Wachstums noch nicht erreicht, da geht noch was auf dem Weg zum Popstar.

Text: Michael Weiland

 

„Die Ratten“

Gerhart Hauptmanns Stück über Gutbürgerlichkeit und Proletentum in der gelobten Inszenierung von Karin Henkel feiert Premiere im Schauspielhaus.

Der Theaterdirektor, die Putzfrau, das polnische Dienstmädchen – alle sind sie unter einem Dach, in der heruntergekommenen Kaserne mitten in der Stadt. Auf dem Dachboden treffen sie zusammen, in einem riesigen Fundus mit allen möglichen Dingen, die man sonst nur im Theater findet. So erscheint es fast wie ein groteskes Spiel, wenn man Frau John dabei beobachtet, wie sie auf der ausrangierten Bühne der polnischen Putzfrau Pauline Piperkarcka ihr Kind abkauft. Und wie diese das Kind dann wiederhaben will und alle miteinander zanken. Die größten Proleten sind manchmal die mit der feinsten Verkleidung. In Gerhart Hauptmanns Stück Die Ratten liegen Gutbürgerlichkeit und Proletentum durch zwei parallel verlaufende Erzählstränge eng beieinander. In Karin Henkels Inszenierung, die zuletzt beim Berliner Theatertreffen zu sehen war, wird beides wild gemixt. Das von Kritikern als „mutiges, großstädtisches Theater“ (FAZ) gefeierte Stück kommt nun ins Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen: am 23. und 29.10.

Text: Katharina Manzke

 

Schattenmärchen

Das Metropolis-Kino zeigt Lotte Reinigers Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ mit musikalischer Live-Begleitung.

Bewegliche Schattenfiguren sind die Stars in Lotte Reinigers Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed, der als erster abendfüllender Animationsfilm in Deutschland Mitte der 1920er Jahre entstand (übrigens unter der Mitarbeit von Walther Ruttmann, der 1927 den Film Berlin – Die Sinfonie der Großstadt realisierte). Das zeitlose Märchen nach Motiven aus Tausendundeiner Nacht entführt die Zuschauer mit farbenprächtigen Bildern in einen zauberhaften Orient, an den Hof des Kalifen und auf eine Zauberinsel, wo der mutige Prinz Achmed zauberhafte Abenteuer zu bestehen hat – musikalisch live begleitet von der Cellistin Krischa Weber (TonArt Hamburg) und Andy Giorbino an der E-Gitarre, seines Zeichens einer der ersten Hamburger Musiker, die Ende der Siebziger die Worte Punk und New Wave korrekt buchstabieren konnten.

 

My Favorite Robot

Das House-Trio aus Kanada legt in der Villa Nova auf – Hamburgs neuem Club für elektronische Tanzmusik, der Anfang Oktober eröffnete.

Ja, stimmt, Elektromucke ist im weitesten Sinne Robotermusik beziehungsweise das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Deshalb ist es wohl nur konsequent, wenn sich ein House-Trio aus Kanada (dem Land der Berge, Elche und des Eishockeys) ganz simpel My Favorite Robot nennt – das klingt ziemlich niedlich. Noch mehr menschelt es, wenn man den Namen des Clubs fallen lässt, in dem Jared Simms, Voytek Korab und James Teej ihre Beats durch die Räumlichkeiten schicken. Der Lieblingsroboter ist zu Gast in einer neuen Lokalität des Hamburger Nachtlebens mit gar fürstlichem Namen: der technoiden Villa Nova. Sie ist dort zu Hause, wo man früher im Ego tanzte, in der Talstraße. Am 2. Oktober eröffnete der Club, der von den Machern der Grünanlage Open Airs in Entenwerder betrieben wird. Zudem ist in dieser Partynacht Benjamin Alexander zu Gast, der die Robot Heart-Stage beim Festival Burning Man betreut.

Text: Lena Frommeyer

 

Hamburger Theaterfestival

Großartige Gastspiele: Unter anderem zeigt am 10. Oktober das Deutsche Theater Berlin Dimiter Gotscheffs berühmte Inszenierung von „Die Perser“ im Thalia Theater.

Karten für das Hamburger Theaterfestival sind heiß begehrt. Kein Wunder, schließlich bringt es vom 28. September bis zum 30. November gefeierte Inszenierungen ganz großer Bühnen nach Hamburg. Dieses Jahr gibt es Gastspiele aus Wien, Zürich, Berlin, München und Gent. Viele Vorstellungen sind bereits ausverkauft, trotzdem lohnt es, nach Restkarten Ausschau zu halten. Der Oktober startet mit einem alten Tragödienstoff: Das Deutsche Theater Berlin zeigt am 10.10. auf der Thalia-Bühne Dimiter Gotscheffs berühmte Inszenierung von Die Perser nach Aischylos. Mit Zwischenfälle (Foto) vom Wiener Burgtheater am 19. und 20.10. geht es im Schauspielhaus raffiniert verspielt weiter. Und Ende Oktober, am 30. und 31.10., wird die Kampnagel-Bühne mit Schillers Jungfrau von Orleans zum Schauplatz der französischen Revolution, ebenfalls eine Produktion des Deutschen Theaters.

Text: Katharina Manzke