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Selekta Reggae Record Shop

Ingo Schepper verkauft eigentlich in der Schanze seine feine Plattenauswahl. Nun eröffnet die zweite Filiale auf St. Pauli – mit DJ-Sets und Fotos von Frank Egel.

Mit seinen Reggae-Raritäten und Soul-Unikaten ist dieser Recordshop in der Schanze längst eine Institution. Chef-Selekta Ingo Schepper findet: Auch St. Pauli braucht mehr „positive Vibes“ und eröffnet am 6. September in der Bernhard-Nocht-Straße 65, am Rande der Hafenstraße, einen zweiten Laden. Im Selekta Reggae Record Shop kann man dann nicht nur Platten und Streetwear kaufen – an die mit Tonträgern gefüllten Regale schließt sich ein Studio-Komplex mit Parkettfußboden an, der unter anderem als Galerie genutzt wird. Kiezfotograf Frank Egel macht den Anfang. Unter dem Titel Catch of the day zeigt er ab 15 Uhr eine Art Fotologbuch der Nachbarschaft: „Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Und auf der Reeperbahn ist verdammt viel Licht!“ heißt es in der Ankündigung der Ausstellung. Bei der großen Eröffnungsfeier darf selbstredend Musik vom Plattenteller nicht fehlen, „Vintage-Reggae-Boss“ Hans Peters und der „Funkmaster-Soul-Professor“ Henry übernehmen das.

Text: Lena Frommeyer

 

Rote Nacht

Das Hopping geht in die nächste Runde: In 21 Bars kann man zu jeder Menge DJs und Live-Musik die Nacht zum Tage machen.

Nur einen Tag nach der Nacht der Clubs steht in Hamburg das nächste Hopping-Event an. Bei der Roten Nacht der Bars geht es in angesagte Lokale der Stadt. Eine bekannte Aperitifmarke lädt in 21 verschiedene Orte rund um Schanze, Kiez und Alster und liefert die passenden Drinks gleich dazu. Um gemütlich zwischen Bars wie Hoch 3, Die Herren Simpel, Sandsbar, Goldfischglas und Galopper des Jahres hin und her zu tingeln, wird ein kostenloser Shuttle eingerichtet. Die verschiedenen Locations bieten an diesem Abend ein spannendes Kunst- und Musikprogramm, über das sich Besucher via App informieren können. Zu den erwarteten Highlights zählen unter anderem DJ Napoleon, der im Good Old Days die Turntables bedienen wird, und Timothy (der mit drei Beiträgen auf dem Schlussmacher-Soundtrack vertreten war) in der Bar Rossi.

Text: Ole Masch

 

We Are Visual

Tolle Gesellschaftspersiflage: Das Hamburger Künstlerduo „erspielt und erforscht die Demonstrationskultur“ in der Galerie Melike Bilir.

Ihr bisher größter Coup klebt ihnen wie ein Apfel am Schuh. Als es dem Künstlerduo We Are Visual während der Bauarbeiten zum größten Apple-Store Deutschlands am Jungfernstieg gelang, dort in aller Seelenruhe das Windows-Signet anzubringen. Viele Aktionen sind seither gefolgt, die Interimsgalerie Kapriole oder die Aktion Touristosauros im Jahr 2010, bei der sie das orangene Aussichtstürmchen am Marco-Polo-Tower in der Hafencity in einen Feuer speienden Dinosaurier verwandelten. Und das alles am hellichten Tage – denn nicht von ungefähr nennen Marc Einsiedel und Felix Jung sich als Künstlergruppe We Are Visual. Politisch wie spielerisch ist ihr Ansatz, mit dem sie jetzt in der Galerie Melike Bilir unter dem Titel Ballon die Demonstrationskultur erspielen und erforschen wollen – und wir können es kaum erwarten.

Text: Sabine Danek

 

Marcus Wiebusch

Der Sänger und Gitarrist der Hamburger Band Kettcar gastiert im Knust und zeigt hier neue Songs und seinen Kurzfilm.

Seine Stimme ist nun einmal unverkennbar, dieses leicht Affektierte, dieses abschätzige Singsprechen: Darum klangen Kettcar nach …But Alive, darum klingt Marcus Wiebusch solo nach Kettcar. Aber hier wie dort wich das anfängliche Gefühl von Vertrautheit bald einem anderen. Neugier vielleicht? Das ist ja doch anders! Konfetti ist nicht bloß im Titel Schnipselwerk, sondern ein ganz bewusst kleinteilig-abwechslungsreiches Album geworden: Der einzelne Typ als Urheber des Ganzen mag Reduktion versprechen, doch im Gegenteil wird hier groß aufgefahren, mit Hip-Hop-Beats und Bläsern. Während Kettcar entweder Geschichte sind oder sie einfach gerade nicht weitererzählen, haut Wiebusch weiter Storys raus. Das gerät ausgerechnet beim Anti-Homophobie-Song Der Tag wird kommen vielleicht eine Spur zu kunstlos – aber manches muss man eben auch mal gerade heraus sagen. Für das Lied kreierte Marcus Wiebusch einen siebenminütigen Kurzfilm, der am 6. September erstmals beim Konzert im Knust gezeigt wird. Die Karten für diese Premiere sind bereits vergriffen.

Text: Thorsten Moor

 

St. Pauli & Kirche

Einblicke in die Sub- und Religionskultur: Die 7. Kreativnacht St. Pauli trifft auf die 11. Nacht der Kirchen – geschlafen wird dann tagsüber.

St. Pauli ist bunt. Nicht nur dank Leuchtreklame und Rotlicht, sondern auch wegen seiner Kreativszene. Die öffnet für eine Nacht zwischen Reeperbahn und Pferdemarkt ihre Ateliers und Werkstätten, gewährt Einblicke in Hinterhöfe und Privatwohnungen. Während der Kreativnacht St. Pauli können die Nachtwanderer Besonderes entdecken: einen Skulpturengarten in der Brunnenhofstraße, eine Wandcollage mit Bildern aus dem Fotoautomaten, die Katakomben unter dem Gruenspan, Ausstellungen in Galerien, die Winterkollektion von Kantasou … Oder man beteiligt sich selbst am Kulturprozess, etwa als temporäres Mitglied des St. Pauli Fernsehballetts?

Kreativnacht 2

Ein besinnlicheres Programm wird in der darauffolgenden Nacht geboten: Im Rahmen der Nacht der Kirchen haben bis Mitternacht insgesamt 125 Gotteshäuser in Hamburg und Umgebung geöffnet. Unter dem Motto beherzt wird gemeinsam gebetet und meditiert. Auch Jazz-, Theater- und Literaturveranstaltungen gehören zum Programm. Wer auf all das keine Lust hat, der kann auch einfach die nächtliche Atmosphäre eines Sakralbaus wie der St. Petri-Kirche genießen.

Text: Julia Braune

 

 

City-Link Festival

Ausstellungen, Konzerte, Performances: Hamburgs Off-Galerien zeigen die Ergebnisse eines Künstleraustauschs zwischen Hamburg und Kopenhagen.

Sich austauschen, voneinander lernen, gemeinsam arbeiten, das sind die Ansprüche des City-Link Festivals, das die Ergebnisse eines deutsch-dänischen Kulturaustauschs zeigt. In dem „Who’s Who“ der Off-Räume der Hansestadt, im Hinterconti, in der Speckstraße, im Vorwerkstift, Frappant und Westwerk finden Ausstellungen, Konzerte, Performances, DJ-Sets und Lesungen statt. Die Kopenhagener Band Afenginn spielt, es gibt den Singer-Songwriter-Abend Sängerknaben und Sirenen, Jan Plewka führt Rauschgesänge auf. Und da es, trotz aller Unterschiede zwischen der kreativen Produktion in Hamburg und Kopenhagen und der erfolgreichen gegenseitigen Inspiration, durchaus ähnliche Schwierigkeiten gibt, findet zudem der dreitägige Kongress Cities, Cultures and Sustainability statt; dabei sollen Lösungen für Probleme, wie immer stärker steigende Mieten, gesucht werden. Eines der Highlights wird die Keynote von Prof. Sharon Zukin vom Brooklyn College sein. Natürlich sollen die noch zarten Bande zwischen den beiden Städten weiter wachsen – in der neuen Gängeviertel-Location Alte Bahnmeisterei darf schließlich ein Blick in die Zukunft des Städte-Links geworfen werden.

Text: Sabine Danek

 

Nacht der Clubs

Nach 14 Jahren Pause kehrt eine gute, alte Bekannte zurück nach Hamburg: die Nacht der Clubs – traditionell zum ersten September-Wochenende.

„Wenn ein Punker und ein House-Freak im selben Club zu Ragga tanzen, dann nennt man das nicht Crossover, sondern schlicht und ergreifend Nacht der Clubs.“ So beschrieb ein SZENE HAMBURG-Autor damals die Veranstaltung, die nun nach 14 Jahren Pause wieder zum Leben erweckt wird. Mit einer Rekordbeteiligung von 28 Liveclubs und über 100 Acts, versucht das Hamburger Clubkombinat die Mutter aller „Hopping-Events“ erneut zu etablieren. In Erinnerung an überfüllte Shuttle-Busse (früher Rockliner genannt) und lange Schlangen vor Clubs, in denen die wenigen Highlights spielten, war der damalige Tod des Events durchaus verständlich. Ein Blick ins diesjährige Programm lässt jedoch mehr erwarten: Budzillus, Dirty Doering, Dubtari, Nico Suave, Gregor Meyle, D-Flame oder die Skatoons sind nur ein kleiner Auszug des Line-ups und für 17 Euro im Vorverkauf unschlagbar. Und wer Läden wie Stellwerk oder Honigfabrik südlich der Elbe besuchen will, freut sich sicher auch aufs Shuttle-Fahren. Für den Rest sind die meisten Clubs ohnehin zu Fuß zu erreichen.

Text: Ole Masch

 

„Die Päpstin“

Die mittelalterliche Mär um Päpstin Johanna alias Johannes Anglicus wird nun im Altonaer Theater gezeigt.

Seit dem 13. Jahrhundert erzählt man sich die Geschichte um die Päpstin Johanna. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts soll es eine gelehrte Frau in Männerkleidern, unter anderem unter dem Namen Johannes Anglicus, an die höchste Spitze des Vatikans geschafft haben. Auch wenn die heutige Geschichtswissenschaft davon ausgeht, dass es kein reales historisches Vorbild für Johanna gab, ist sie doch so populär wie eh und je. Der Roman von Donna Woolfolk aus dem Jahr 1996 wurde zum Weltbestseller und sehr erfolgreich verfilmt. Gemäß seines Leitspruchs „Wir spielen Bücher!“ bringt das Altonaer Theater den großen Stoff nun als Stück Die Päpstin auf die Bühne. Es ist auf jeden Fall eine beachtliche Herausforderung, die Dichte und weitläufige Verknüpfung von Erzählfäden eines Romans mit mehreren Tausend Seiten auf eine Bühne zu verlagern. Übrigens: Anjorka Strechel, die Besetzung der Päpstin Johanna, hat Erfahrung mit dem Vortäuschen falscher Gender-Tatsachen. Im Film Mein Freund aus Faro spielt sie ein Mädchen, das sich als Junge ausgibt.

Text: Katharina Manzke

 

documenta-Stadt

„Art’s home is my Kassel“: In ihrem Dokumentarfilm zeigen die Filmemacherinnen Katrin und Susanne Heinz moderne Kunst als Teil einer Alltagspraxis.

Ähnlich wie Wacken in Holstein wird auch Kassel regelmäßig von einer touristischen Invasion heimgesucht. Während sich in Wacken einmal im Jahr 75.000 Metal-Fans versammeln, zieht es alle fünf Jahre das Zehnfache an Besuchern in die documenta-Stadt. Und ähnlich wie die Regisseurin Cho Sung-hyung 2006 in Heavy Metal Village den Clash zwischen Metal-Kulturen und angestammter Bevölkerung in Szene setzte, haben auch die Filmemacherinnen Katrin und Susanne Heinz das hochbedeutsame Event aus einer alltagskulturell „flachen“ Perspektive in Bilder gefasst. Ihre Doku Art’s home is my Kassel macht bekannt mit ganz normalen Dienstleistern zeitgenössischer Kunst: einer Taxifahrerin, die im babylonischen Sprachengemenge die geografische Übersicht bewahrt; einer Kunststudentin, die 180 Mal mit Besuchergruppen den Kunstparcours abschreitet; einer Restauratorin, die nachts die leichten Schäden behebt, die tagsüber an Tacita Deans sensiblen Kreidezeichnungen Fatigues entstehen. Natürlich erringen hierbei die spektakulären Kunstwerke die größte filmische Aufmerksamkeit. Andererseits sorgt dieses „Casting“ für jene Unterhaltungswerte, denen sich moderne Kunst mehrheitlich verweigert.

 

„The Whipping Man“

Der Mann ohne Peitsche: Matthew Lopez‘ Stück über Sklaverei, Schuld und Verantwortung feiert Premiere im English Theatre.

„Haunting, striking and powerful“, urteilte die New York Times über das Stück The Whipping Man von Matthew Lopez, das ab Anfang September im English Theatre aufgeführt wird. Tatsächlich wird darin ein Stoff behandelt, der einen schwer kalt lassen kann: Es geht um einen jungen Mann, der aus den Trümmern seines bisherigen Lebens heraus die Welt vollkommen neu denken muss. Schauplatz ist ein Ort in Virginia zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1865. Der junge Caleb DeLeon kehrt vom Schlachtfeld nach Hause zurück und findet dort nur zwei Sklaven vor, die jetzt nach Kriegsende rechtlich als freie Männer gelten. Gemeinsam mit diesen setzt sich Caleb mit der persönlichen und historischen Vergangenheit auseinander. In den USA ist das Stück über die Sklaverei und die Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung ein Dauerbrenner und Matthew Lopez wird als einer der vielversprechendsten jungen Bühnenautoren gefeiert. Schön, dass sein Werk hier in Hamburg in der Originalsprache aufgeführt wird.

Text: Katharina Manke