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Waldo rappt

Der Newcomer aus Michigan präsentiert die Tracks seines neuen Tonträgers „NSDE/OUTSDE“ im Turmzimmer des Uebel & Gefährlich.

Werft eure Hände in die Luft! Es ist mal wieder Rap-Time im Uebel & Gefährlich. Mit Waldo kommt ein US-amerikanischer Hip-Hop-Newcomer in den Bunker an der Feldstraße. Kamron Robinson, wie Waldo mit bürgerlichem Namen heißt, trat vor knapp zwei Jahren mit seinem viel beachteten Debüt Pick Your Own Poison auf den Plan. Weil dort im Hintergrund gern mal ein Synthie deftig quietschte oder dubstepartige Triolen angewendet wurden, gilt der Mann innerhalb des Hip-Hop-Rahmens als innovativ. Deswegen gleich von Experimentierfreude zu sprechen, ist aber ziemlich übertrieben. Die wirklichen Neuerungen finden anderswo statt (z.B. auf Earl Sweatshirts Doris-Album). Sei’s drum: Waldo sieht super aus, er rappt cool, vermeidet unnötigen Kitsch und die Backing-Tracks schieben auch ganz gut. Beste Voraussetzungen also für einen amtlichen Rap-Abend im Turmzimmer.

 

Max Beckmann

Die Hamburger Kunsthalle zeigt exklusiv über 70 Stillleben, Gemälde und Aquarelle des Malers. Vernissage ist am 4. September.

Stillleben ziehen sich durch das gesamte Werk von Max Beckmann (1884-1950). Verblühende Blumen, erloschene Kerzen und andere Sinnbilder der Vergänglichkeit, aber auch reife Früchte und prächtige Meerestiere gehören zu seinen Motiven. Mit mehr als 70 Exponaten (Abb: Großes Fisch-Stillleben, 1927) widmet die Hamburger Kunsthalle diesen Arbeiten jetzt eine erste umfassende Ausstellung, die von zwei wichtigen Beckmann-Werken im Bestand der Hamburger Kunsthalle ausgeht und die am 4. September eröffnet wird. Zu sehen sind Gemälde und Aquarelle aus den Jahren 1906 bis 1950, darunter auch viele selten gezeigte Werke aus internationalen Sammlungen Europas (beispielsweise aus der Staatsgalerie Stuttgart oder der Pinakothek der Moderne München), der Schweiz und der USA (The Baltimore Museum of Art, The Museum of Fine Arts Boston). Die Ausstellung wird ausschließlich in der Hamburger Kunsthalle zu sehen sein – und zwar bis zum 18. Januar 2015.

Text: Sabine Danek

 

 

Hasenschaukel reloaded

Der Club in der Silbersackstraße eröffnet nach langer Sommerpause mit gewohnt charmanter Musik vom Freigeist Eugene Chadbourne.

Avantgardist mit Humor: Der Improvisator und Erfinder des elektrischen Rechens stattet dem Kiez-Club einen Besuch ab.  Was ist von Eugene Chadbourne, diesem seit jeher unberechenbaren Freigeist zu erwarten? Vielleicht ist er milde gestimmt und schöpft aus seinem reichhaltigen Repertoire von Cover-Versionen, das von US-amerikanischen Folk-Klassikern bis zu Nazi Punks Fuck Off! von den Dead Kennedys reicht. Vielleicht wird er zu viel Kaffee getrunken haben und sich in der Hasenschaukel als High-Speed-Virtuose an seinem Banjo abarbeiten, den von ihm selbst erfundenen und konstruierten elektrischen Rechen traktieren oder einfach nur eine ausrangierte und mit Kontaktmikrophonen präparierte Schaufensterpuppe mit einem Schlagbohrer durchlöchern… Egal, was passiert: Die Performances von Eugene Chadbourne haben immer auch etwas Humoristisches. Knochentrockene, kaputt-akademisierte, „seriöse“ Avantgarde findet man woanders. Im Anschluss debütiert die neue Reihe Record Store Thursday mit Plattenneuigkeiten, vorgestellt von Michelle Records.

 

Loui Vetton

Ist das noch Ska? Das Hamburger Quintett feiert sein zehnjähriges Bestehen mit neuer Platte und neuem Sound im Logo.

Neue Platte in der Pipeline, neue Website im Aufbau – da versucht jemand noch einmal durchzustarten. Die Hamburger Band Loui Vetton lädt zum Konzert anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens ins Logo, das wiederum in diesem Sommer seinen 40. Geburtstag feiert. Das Quintett, das sich in den letzten Jahren als ausgelassen rockende Ska-Punk-Band einen guten Ruf erspielen konnte und dessen Mitglieder sich ganz nach Ramones-Manier allesamt Vetton mit Nachnamen nennen, bringt im September sein drittes Album heraus. „Ist das noch Ska?“, fragt die Band ironisch auf ihrer Website – und liefert die Antwort natürlich gleich mit: „Nein. Aber das ist schon o.k. so.“ Und recht haben sie. Die neuen Songs klingen vielleicht etwas weniger nach London und Jamaica. Dass sie dafür aber mehr Pop-Elemente eingebracht und am Songwriting gefeilt haben, steht Loui Vetton ganz gut. Und dass sie live nichts anbrennen lassen, dürfte sich am 4. September einmal mehr im Logo zeigen.

 

Der Tod …

… und das Mädchen: Den Nachklang eines zerstörten Lebens inszeniert Hans-Peter Kurr für das Hamburger Sprechwerk – nichts für schwache Nerven.

Das Motiv „Der Tod und das Mädchen“ taucht in der Kulturgeschichte immer wieder auf. In Form von Kunstliedern, Gedichten, Kompositionen setzen sich Künstler mit dem traurigen Thema eines jungen, gerade erblühten Lebens auseinander, das ein jähes Ende findet. Der chilenische Autor Ariel Dorfman verlieh dem Stoff eine besonders grauenhafte Dimension: Sein Theaterstück Der Tod und das Mädchen erzählt die Geschichte von Paulina Salas, deren bürgerliches Leben von einem schrecklichen Trauma überschattet ist. Als junge Frau wurde sie von Soldaten verschleppt und gefoltert. Auf der Suche nach Erlösung nimmt sie Rache an ihren Peinigern … 1994 verfilmte Roman Polanski das Stück mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle, auf eine Art und Weise, dass einem das Grauen noch Tage später in den Knochen sitzt. Ziemlich harter Tobak, den Hans-Peter Kurr auf die Bühne im Hamburger Sprechwerk bringt. Eindringlich zeigt er eine Realität auf, die leider besteht: Gewisse Dinge, die Menschen anderen Menschen antun, sind so furchtbar, dass sie ein Leben zerstören können, auch wenn dieses weitergeht.

Text: Katharina Manzke

 

Phox

Sechs Freunde aus einem Kaff in Wisconsin treten auf die kleine Bühne der Prinzenbar – das wird eng, und ausgesprochen nett.

Im besten Fall sind Bands mehr als Zweckgemeinschaften, im schlechtesten Metallica oder Dinosaur Jr. – jedenfalls wenn man Harmonie (also, die Fähigkeit, es länger als eine Bandprobe gemeinsam in einem Raum auszuhalten) als irgendeine Art von Maßstab anlegt. Phox haben sicherlich einiges an Zofferei erledigt, aber so ist das eben unter Freunden: Das Sextett kommt aus einem winzigen Kaff in Wisconsin, zerstreute sich in alle Winde, um schließlich wieder zusammenzufinden, um gemeinsam Musik zu machen. Ihr Debütalbum klingt darum nachvollziehbar warm: Phox ist ein leicht sentimentales Amalgam verschiedenster Einflüsse von Weltmusik zu Soul, Folk und Indierock, das manchmal klingt wie Vampire Weekend als Nachtclub-Band. Mit einem Mädchen am Mikrofon. Können manche engen Freundschaften wie ein einziger Insider-Witz klingen, sind Phox einladend freundlich. Einfach mal dazusetzen.

Text: Michael Weiland

 

Verstecktes Internet

Der Journalist Alexander Krützfeldt alias Anonymus stellt das Deep Web vor – die digitale Unterwelt abseits der Öffentlichkeit.

Das Internet, das wir alle kennen, ist nur ein Bruchteil dessen, was online passiert. Im versteckten Netz, das für normale Benutzer unsichtbar ist, kommt man leicht an Waffen, Drogen, Kinderpornografie oder gefälschte Dokumente. Mithilfe des anonymen Tor-Netzwerks kann man kommunizieren, ohne überwacht zu werden. Im Darknet tummeln sich nicht nur Drogendealer, Agenten und Auftragskiller. Auch Enthüller wie Edward Snowden oder die Dissidenten und Oppositionsaktivisten des Arabischen Frühlings nutzten die Anonymität des Deep Webs zum Schutz vor Überwachung. Anonymus alias Alexander Krützfeldt hat sich auf Kriminal-Reportagen spezialisiert und beschreibt in seinem Buch Deep Web, wie er in die dunkle Unterwelt des Internets abstieg. Eine Lesung für alle, die Musik-Downloads in der rechtlichen Grauzone für die gefährlichste Internetaktivität halten.

Text: Natalia Sadovnik

 

Zacharias Katz

Im Bergedorfer BeLaMi steht die letzte Biergarten-Lesung in diesem Jahr an: Die Ehre gebührt Burkhard Spinnen und seinem Werk „Zacharias Katz“.

Im Sommer kann man sich im Biergarten des BeLaMi unter freiem Himmel nicht nur an kühlen Getränken und hausgemachten Speisen erfreuen, sondern auch an vorgelesener Literatur. Einmal wöchentlich von Juli bis September verschlägt es einen Autor mitsamt seinem Werk nach Bergedorf. Am 3. September liest der vielfach ausgezeichnete Autor Burkhard Spinnen, Jahrgang 1956, aus Zacharias Katz. Zacharias Katz ist ein junger Deutschamerikaner, der sich im Sommer 1914 auf einem deutschen Passagierschiff in der Karibik befindet. Geflohen vor sich selbst – vor der eigenen Unbestimmtheit darüber, wer er sein will. Von der Brüchigkeit des Lebens, Identitätsverlust und Selbstzweifel erzählen ihm auch die deutschen Passagiere an Bord. Das Passagierschiff wandelt sich zunächst in ein Flüchtlingsschiff, dann in einen Hilfskreuzer, als der Krieg in Europa ausbricht. Und Zacharias zieht es immer weiter in diesen hinein, aber auch in den Krieg mit sich selbst.

Text: Katarina Wollherr

 

Mute Swimmer

Die Hasenschaukel ist wieder zurück und mit ihr diese Konzertabende, die das Potential haben, noch lange in Erinnerung leise zu summen.

Als die Hasenschaukel bekannt gab, dass sie womöglich schließen würde, weil sich der Betrieb auf Dauer zeitlich und finanziell einfach nicht mehr stemmen ließe, folgten unmittelbar Hilfsangebote von allen Seiten. Künstler boten an Soli-Konzerte zu spielen, drehten Videoaufrufe, um bei der Akquirierung von Spendengeldern zu helfen. So auch Mute Swimmer. Unter anderem deshalb macht es Sinn, dass der Brite, der mittlerweile in Berlin lebt, eines der ersten Konzerte in der wiedereröffneten Live-Bar spielt. Deshalb, aber auch, weil die Musik des Songwriters und die Location zusammenpassen wie Strickmütze auf Eimer oder wie Herz und St. Pauli. Seine eindringlichen, mal romantischen, mal ironischen, aber eigentlich immer auf ergreifendste Weise melancholischen Lieder, wissen den aufmerksamen Zuhörer schnell in seinen Bann zu ziehen. Insbesondere live baut sich so immer wieder eine brodelnde Intimität rund um die Bühne auf. Und wo könnte man einen besseren Ort für solch ein Konzert finden als hier in der Silbersackstraße 17?

 

Welcome back!

Einen Sommer lang waren die Türen der Hasenschaukel geschlossen. Am 1. September steht nun die Wiedereröffnung einer der wohl schönsten und kleinsten Live-Locations an.

Es war ein Zittern und Bangen. Beinahe schon waren die Schotten dicht gemacht, bevor es dann doch anders kam. Statt dem Ende konnten die Betreiber der Hasenschaukel, dieser plüschig-gemütlichen Livelocation in der Silbersackstraße, schon vor dem Sommer dann doch verkünden, dass sie weitermachen würden. Zuvor kamen Unterstützungsangebote von allen erdenklichen Seiten, von Freunden und ehemaligen Weggefährten, per Crowdfunding wurde in nur wenigen Tagen genügend Geld gesammelt, um die drängendsten Zahlungen, die sich aufgestaut hatten, ausgleichen zu können. Über den Sommer wurde etwas Frischluft geschnappt, die täglichen Abläufe überprüft und verbessert und zum 1. September steht nun die offizielle Wiedereröffnung der neuen, alten Hasenschaukel an. Was genau an diesem Abend passieren wird, unterliegt bisher einer strengen Geheimhaltung. Es heißt, ein guter Freund des Hauses würde spielen. Man könnte an dieser Stelle Mutmaßungen anstellen. Oder sich einfach darüber freuen, dass es sich auf jeden Fall lohnen wird vorbeizuschauen. Wie bisher immer. So good to have you back, du unser rosafarbener Ankerpunkt!

Text: Miriam Mentz