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„La Soirée“

Ehre, Scham und Empathie: Vertreterinnen aus Literatur und Wissenschaft erforschen Emotionen bei einer intellektuellen Tour.

Gefühle sind wichtig, gelten in unserer Kultur allerdings als willkürlich und unbeständig. Wo die Empfindungen herkommen und wie sie sich entwickeln, ist noch nicht umfassend erforscht. In der Literatur hingegen sind sie der treibende Faktor – ohne Emotionen gäbe es keine Romane und ohne Mitgefühl mit den Protagonisten würden wir vermutlich gar nicht erst lesen. Darüber diskutieren an drei Soireen im Nochtspeicher jeweils eine Autorin und eine Wissenschaftlerin. Den Start machen die Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer und Prof. Dr. Ute Frevert, die Direktorin des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, die den Bereich Geschichte der Gefühle leitet. Die Autorin und die Forscherin sinnieren über Ehre, Scham und Empathie aus jeweils literarischer und wissenschaftlicher Sicht. Die Hamburger Schriftstellerin Monique Schwitter (Bild, r.) und die Berliner Kulturjournalistin Katharina Teutsch moderieren den intellektuellen Streifzug.

Text: Natalia Sadovnik

 

 

 

Ms Lauryn Hill

Die ehemalige Sängerin der Hip-Hop-Crew The Fugees gastiert in der Großen Freiheit 36 – mit einer Vorstrafe wegen Steuerschulden im Gepäck.

Die Freude, Lauryn Hill am 9. September mal wieder in Hamburg auf der Bühne sehen zu dürfen, ist nach der etwas kuriosen Absage von Snoop Dogg im Juli längst der Sorge gewichen, ob das Konzert tatsächlich wie geplant stattfindet. Nach riesigen Erfolgen als Frontfrau der Fugees und ihren Soloalben The Miseducation of Lauryn Hill (1998) beziehungsweise MTV Unplugged 2.0 (2001) drücken Ms. Hill seit einiger Zeit enorme Steuerschulden. Die brachten ihr letztes Jahr nicht nur eine dreimonatige Haftstrafe sowie dreimonatigen Hausarrest ein, sondern „zwangen“ sie auch zu einem neuen Deal mit Sony. Als erstes Resultat veröffentlichte sie 2013 Neurotic Society (Compulsory Mix) – einen sozialkritischen Song, der mit rastlosen Raps und wild umherflirrenden Sounds tatsächlich Lust auf mehr machte. Ähnlich stark in Ausdruck und Wirkung zeigte sich auch der Track Consumerism, den Hill am Vortag ihrer Entlassung aus dem Gefängnis von Danbury im US-Bundesstaat Connecticut veröffentlichte. Was die Grande Dame des Hip-Hop nach all der Zeit noch live auf dem Kasten hat, muss sie hingegen erst noch unter Beweis stellen.

Text: Jan Kahl

 

Dhonau trifft Ott

Zwei Schlagzeuger, ein Konzert – keine weiteren Mitmusiker: Der Hafenbahnhof lädt zu einem außerordentlich perkussiven Abend.

Zwei Drummer geben ein gemeinsames Konzert und kommen dabei ohne weitere Instrumente aus – eine seltene Live-Situation und damit schon interessant genug. Wenn man dann noch erfährt, um welche Schlagzeuger es sich dabei handelt, steigt der Reiz umso mehr: Der eine, Dirk-Achim Dhonau (Foto), zählt seit Jahren zum Besten und Originellsten, was sich in Hamburg mit Rhythmus beschäftigt. Er spielt beim Gabriel Coburger Quartett, beim Capri die Rote Quintett und seit einiger Zeit beim Dada-Hip-Hop-Projekt Hallo Werner Clan. Der andere, Nathan Ott, beschloss erst vor wenigen Jahren, die Violine an den Nagel zu hängen und Jazz-Schlagzeug zu studieren. Er wurde mehrfach bei Jugend Musiziert und Jugend Jazzt ausgezeichnet und spielt unter anderem in den Bands Curious Case (u.a. mit der Saxofonistin Anna-Lena Schnabel) und beim Weltmusikensemble Maik Mondial. Der Abend im Hafenbahnhof bietet eine seltene Gelegenheit, zwei mordsinteressante Drummer aus Hamburg im gemeinsamen Spiel zu sehen.

 

Edward Snowden

Freiheit und Anerkennung für den Whistleblower: In der Kulturetage Altona und im Monsun Theater findet gleichzeitig eine Lesung für den ehemaligen NSA-Mitarbeiter statt.

Edward Snowden enthüllte, wie ein globales Spionage-Netzwerk die ganze Welt überwacht. The Guardian und The Washington Post, die von ihm entwendeten Dokumente veröffentlichten, wurden beide mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Für einige gilt der ehemalige NSA-Mitarbeiter als Held, schließlich löste er damit eine der größten Debatten der letzten Jahre aus. In den USA wurde er jedoch der Spionage angeklagt und floh nach Russland ins Exil. Das internationale Literaturfestival Berlin hat einen Aufruf an Schulen, Medien und andere Institutionen gestartet, sich an einer weltweiten Lesung für Snowden zu beteiligen. Rund 70 Teilnehmer in Deutschland, Europa und USA werden gleichzeitig Texte zum Thema Überwachung lesen. In Hamburg findet die Lesung in der Kulturetage Altona statt sowie im Monsun Theater, mit Beiträgen der Schauspieler Karl Georg Kayser, Katja Lahman und Rotraut de Neve.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Lampedusa in St. Pauli“

Rasmus Gerlach porträtierte afrikanische Flüchtlinge in der St.-Pauli-Kirche. Zur Vorführung seines Films im Metropolis Kino ist er anwesend.

Regisseur Rasmus Gerlach ist nicht der einzige, der auf St. Pauli die Kamera zückt. Vor kurzem präsentierte Filmemacher Julian Schöneich die Rohfassung seiner Pauli-Doku. In St. Pauli Zoo zeigt der 26-Jährige den Kiez aus Anwohner-Perspektive. Bewohner sprechen von St. Pauli als ihre Geliebte, über den dörflichen Charakter der Nachbarschaft, aber auch den Wandel durch Gentrifizierung und den Ausverkauf von St. Pauli als Touristenattraktion. Einer, der hier zu Wort kommt, ist Pastor Sieghard Wilm, der seine Kirche im Sommer 2013 für in Hamburg gestrandete Lampedusa-Flüchtlinge öffnete.

Auf eben diesen Akt der Menschlichkeit konzentrierte sich Regisseur Rasmus Gerlach für seinen Film Lampedusa in St. Pauli. Er begleitete die afrikanischen Flüchtlinge und ihre Gastgeber in der St.-Pauli-Kirche mit der Kamera, dokumentierte nachbarschaftliche Hilfsbereitschaft in Form von Wäschewaschen, Lebensmittelhilfe, Rechtsberatung und Deutschunterricht. Für Schutz gegen ausländerfeindliche Kreise sorgten die Türsteher vom Kiez. Heute, ein Jahr nach den Dreharbeiten, ist der Status der meisten Flüchtlinge immer noch unklar, weshalb die Präsentation der Dokumentation im Metropolis Kino gesellschaftspolitische Aktualität abbildet. Der Filmemacher wird anwesend sein.

Text: Lena Frommeyer

 

Baltimore Sounds

Im Rahmen der Reihe „Je länger, je lieber“ lassen House-DJs aus den USA und Hamburg die Kellerwände des Nochtspeichers vibrieren.

In dieser Nacht geht es nicht nur um die Liebe zum Vinyl, sondern auch um eine transatlantische Freundschaft – zwischen Hamburg und Baltimore, oder genauer: zwischen den beiden House-DJs Simon Ferdinand und Feroun (Foto). Erst im Juli hat Feroun den Hamburger für einen Gig in die Charm City an der Ostküste der USA geladen.

Baltimore Sounds

Jetzt, eineinhalb Monate später, wird freudiges Wiedersehen in der Nochtwache gefeiert – und gleichzeitig die erste Release von Ferouns eigenem Vinyl-Only-Label Kowli Records: Auf der noch druckfrischen Platte sind verschiedene Deep-House-Künstler versammelt, darunter Doc Martin aus Los Angeles, Joeski aus New York – und natürlich Simon Ferdinand. In der Nochtwache wird das deutsch-amerikanische Duo ergänzt vom ebenfalls aus Hamburg stammenden Konrad Gibson, der Teil der Partyreihe Music Sounds Better ist.

Text: Julia Braune

 

Madeline Juno

Musik wie Tagebucheinträge: Die 19-jährige Songschreiberin aus dem Schwarzwald trägt ihre freundlichen Folk-Popsongs im Nochtspeicher vor.

Eine der Hauptaufgaben von Plattenfirmen ist die Talentsuche – in den vergangenen Jahren ist der Job immerhin ein bisschen leichter geworden: Schließlich kann man sich als Label Internet-Stars mittlerweile mit bereits eingebauter Fanbasis heranholen. Madeline Juno wurde dank einiger Songs auf YouTube zum Netzliebling, bevor ihr melancholischer Folkpop auch weniger webaffine Leute erreichte. Im Kino zum Beispiel, wo ihr Song Error im Leinwanderfolg Fack ju Göhte zu hören war. Außerdem wäre sie fast für Deutschland zum Eurovision Song Contest gefahren (immerhin war sie zum Vorentscheid eingeladen). Die Songs der 19-Jährigen sind freundlich und von jener Tagebuch-Melancholie, die man in dem Alter eben pflegt. Das war wohl zu wenig Glitzerglitzer fürs Grand-Prix-Publikum. In jedem anderen Zusammenhang sind sie allerdings goldrichtig.

Text: Thorsten Moor

 

Editors

Transatlantischer Ping Pong und politisierte Popmusik aus Hamburg – zwei sehenswerte Bands begegnen sich auf der Freilichtbühne am Stadtpark.

Popmusik ist so etwas wie ein transatlantisches Pingpong-Spiel: Wenn der englische Editors-Sänger Tom Smith in Interviews erzählt, wie sehr ihn amerikanische Bands wie The National oder R.E.M. beeinflusst haben, wüssten die ihrerseits gewiss von britischen Erzeugnissen in ihren Plattenschränken zu erzählen. Man kann die Spirale weiterdrehen bis zu den Beatles und den Stones, die eigentlich nur US-Rock’n’Roll nachspielen wollten. The Weight Of Our Love, das vierte Album der Editors, klingt trotz der unauflösbaren Verzahnung englischsprachiger Popmusik allerdings durchaus sehr amerikanisch: Das mag am Produzenten Jacquire King liegen, der die Band in Nashville aufnehmen ließ. Das Ergebnis hat zwar keinen Cowboyhut auf, klingt aber erstmals nach Weite und Sehnsucht.

Gerade erst am Beginn ihrer Karriere stehen Trümmer, die als Vorgruppe auftreten: Soeben erschien ihr Debüt Wo ist die Euphorie – Indierock aus Hamburg, der Stellung bezieht und an die goldenen Zeiten politisierter Popmusik aus Hamburg erinnert. Endlich möchte mal wieder jemand Teil einer Jugendbewegung sein.

Text: Michael Weiland

 

Krieg im Museum

Filme, Plakate, Spielzeug: Kurator Dennis Conrad führt durch die Ausstellung „Krieg und Propaganda 14/18“ im Museum für Kunst und Gewerbe.

Seit 20. Juni läuft bereits die Ausstellung Krieg und Propaganda 14/18 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Und wer wäre besser dafür geeignet, einen fundierten und kompetenten Einblick in diese umfassende und packende Schau zu geben als der Kurator Dennis Conrad selbst? Im Sonntagsfokus zeigt er anhand von Postkarten, Plakaten (Abb.: Julius Gipkens: Kanin-Felle abliefern!, 1915/16), Filmen, historischen Tonaufnahmen, Skulpturen, Fotografien, illustrierten Zeitungen und Alltagsgegenständen wie Kinderspielzeug und Patriotika, wie die mentale Mobilisierung vor und im Ersten Weltkrieg funktionierte – und wie deren Mechanismen bis heute verwendet werden. Die Kosten der Führung sind im Eintritt enthalten. Die Ausstellung ist noch bis zum 2. November zu sehen. Es lohnt sich – nicht zuletzt wegen der brennenden Aktualität dieses Themas.

Text: Sabine Danek

 

Kleiderflohmarkt

Lokales Design, kollektives Denken, bewusster Konsum: Der Co-Working-Space formschoen. Raum für Design lädt zum Kleiderflohmarkt.

„Wir brauchen wieder eine Beziehung zu unserer Kleidung!“, sagt Sarah Bürger. Obwohl Mode für uns aus dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken ist, scheinen wir ein gesundes Verhältnis dazu verloren zu haben. Wir wissen, dass das super stylische T-Shirt in China und damit unter miesen Bedingungen hergestellt wurde, kaufen es aber trotzdem. Damit sich dieser Widerspruch ein wenig aufhebt, hat Sarah Bürger, selbst Modedesignerin, den Co-Working-Space formschoen. Raum für Design gegründet. Dort sollen einerseits lokale Nachwuchsdesigner die Möglichkeit haben, zu arbeiten und sich zu vernetzen, andererseits können interessierte Laien in Workshops nähen oder gestalten lernen. Zur Zeit haben unter anderen Designer wie Svenja Keune, Kerstin Lakeberg oder das Label Mok’wi ihren Sitz im Co-Working-Space. Der wiederum ist übrigens Teil des Künstlerhauses Wartenau 16, das insgesamt 20 verschiedene Kreative unter einem Dach versammelt. Neugierig geworden? Dann nichts wie hin zum Kleiderflohmarkt, der am 7. September im Raum für Design statt findet.

Text: Julia Braune