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4-Elemente-Festival

Krautrock, EBM-Poetry und Gothic-Punk: Faust, Oberer Totpunkt, Der Rest und Die Schatten des Dorian Gray beschallen das Logo.

Sind Krautrock und Psychedelia jetzt wieder voll im Kommen oder was? Das deuten diverse Aktivitäten am 11. September an. Im Indra absolvieren drei Bands einen psychedelisch-musikalischen Abend – inklusive Langhaarmähnen und Lichtprojektionen. Ebenfalls krautrockig geht es beim 4-Elemente-Festival im Logo zu. Hier tritt mit Faust einer der Gründerväter des Genres auf. Was Jean-Hervé Peron und Zappi Diermaier diesmal mit ihrem Instrumentarium (Mikrophon, Gitarre, Schlagzeug, Horn, Flex und Kettensäge) anrichten? Man darf gespannt sein. Die anderen drei Bands an diesem Abend: Das Duo Oberer Totpunkt widmet sich dunkler Poesie, die von Beats und Sounds untermalt wird; Der Rest stellt sein brandneues Album vor, 10 Lieder für Freunde; und Die Schatten des Dorian Gray haben sich dem Gothic-Punk verschrieben.

 

The Graveltones

Da brummt der Verstärker: Das britische Duo spielt seinen „Bastard“ aus Garage- und Bluesrock im Hafenklang.

Aus der Rubrik Anpreisungen, die nach hinten losgehen: „The Graveltones waren auch schon Support für BossHoss“, so der Versuch, uns die Band um Jimmy O und Mikey Sorbello per Mail schmackhaft zu machen. Normalerweise wäre das Thema damit so gut wie vom Tisch – hätte der Mail-Urheber sich nicht über Jahre als verlässliche Quelle erwiesen. Also kurz mal im Netz ein paar Songs ausgecheckt, und was sollen wir sagen: The Graveltones haben mit BossHoss so viel gemein wie Johnny Cash mit den Dixie Chicks. Beide Bands bedienen sich beim Rock. Doch während die Berliner ihren Countryrock chartkompatibel aufbereiten, spielen die Briten einen arschcoolen Garage-/Bluesrock, der das Blut zum Kochen bringt. Bang Bang, Forget About The Trouble, Lightning Bolt – alles Songs ihres Debütalbums Don’t Wait Down, die so viel Druck und Groove haben, dass man befürchtet, der Band fliegen jederzeit die Verstärker um die Ohren. BossHoss, tsss.

Text: Jan Kahl

 

P/ART

Doppelt so groß wie im letzten Jahr – und genauso ambitioniert: Die Produzentenkunstmesse ist in die Phoenix-Hallen gezogen.

Sie waren neu in Hamburg – und haben die Lage sofort erkannt. Drei Praktikanten der Deichtorhallen, die fanden, dass es in der Kunstszene der Hansestadt kein Format gibt, das jung und mutig ist – und dabei eben keine Nischenveranstaltung irgendwo in einem Hinterhof ist. So kam P/ART auf die Welt. Die Producers Art Fair, die Produzentenkunstmesse für unabhängige KünstlerInnen, die 2013 im Kolbenhof Premiere hatte. 3.000 Besucher flanierten durch die Halle, es wurde einiges an Kunst verkauft, und Publikum und Künstler waren begeistert. Auch davon, dass die P/ART eben keine normale Kunstmesse ist, sondern sich zwischen Verkaufsschau und Ausstellung bewegt.

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Nele Gülck: Auf ewig. Fotografischer Katalog einer 66-jährigen Ehe

600 Künstler haben sich für die P/ART 2014 beworben, 80 sind ausgewählt worden, und zwar von einer Jury, die quer durch die Disziplinen führt und zu der Künstler Henning Kles ebenso gehört wie der Architekt Tilman Kriesel oder Merle Radtke, die wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kunsthalle ist. Die 80 Künstler, zu denen We Are Visual, Verena Issel und Nele Gülck gehören, sind während der drei Messetage vor Ort und sie tragen auch einen Button. Doch da manche lieber durch ihre Arbeiten als selber sprechen, sind Kommunikatoren vor Ort, die Besucher und Messe betreuen und bei der Kontaktaufnahme behilflich sind.

Text: Sabine Danek

 

Poems For Jamiro

Nina und Laila spielen in der Ponybar ein paar Lieder für Jamiro vor. Wer aufmerksam zuhört, dürfte in sich schnell einen kleinen Jamiro finden.

Wir können Jamiro dankbar sein, dieser vielleicht nicht ganz realen, aber dafür heldenhaften und mit Liebe erdachten Figur aus Kindertagen. Denn hätte sich Jamiro nicht als Adressat zur Verfügung gestellt, wer weiß, wo dann all die leise bestechenden Lieder und Textzeilen gelandet wären, die Nina und Laila derzeit von Ort zu Ort tragen. Die ersten Songskizzen wurden von Nina im letzten Sommer mit Blick auf das New Yorker Treiben aufgezeichnet, wieder zurück in Deutschland traf sie dann auf Laila, die mit klarer Stimme, Geige und anderen Instrumenten das beisteuerte, was den zuvor noch einbeinig schaukelnden Songs fehlte. Und so singen und spielen sie als Poems For Jamiro nun gemeinsam von all diesen Themen zwischen Zurück- und Nachvorneblicken, zwischen Weitermachen und Erinnern. Ihre Songs sind unaufdringlich, schleichen sich erst einmal leise an, aber bauen sich dann – wenn man ihnen zuhört und ihnen Raum gibt – unerwartet groß vor einem auf. Jamiro kann schon ein wenig stolz auf sich sein, ein Mädchenduo zu haben, das ihm solch herzerwärmende Lieder zu Füßen legt.

Text: Miriam Mentz

 

Rainbirds

In den 1980ern haben die Rainbirds Musikgeschichte geschrieben. Mit „Yonder“ haben sie diese neu und frischen Mutes aufgerollt.

Fast 30 Jahre ist es her, dass sich die Rainbirds mit ihrem Titel Blueprint einen dauerhaften Platz in den Radioschleifen Europas sicherten. Einige Alben später verlief sich die Band dann Ende der neunziger in den Weiten des Musikkosmos‘. Sängerin Katharina Franck veröffentlichte ihr erstes Soloalbum und ein zweites. Der Club der toten Dichter wurde gegründet und Rilke vertont, bis dann 2013 eines zum anderen kam und der Zeitpunkt für einen Blick zurück auf das, was die Rainbirds einmal waren und wieder sein könnten, gekommen schien. Franck tat sich mit Bela Brauckmann und Gunter Papperitz zusammen und sie machten sich gemeinsam daran, das Gesamtwerk zu sichten und ihm ein neues Gewand zu schneidern. Ein aktuelles. Eines, das dem ganzen ein zeitgemäßes Strahlen verleihen könnte. Auf Yonder haben sie nun all das vereint, was für sie die Rainbirds heute noch sind und präsentieren das Ergebnis bei kleinen, intimen Konzerten. So zum Beispiel am 10. September in der Prinzenbar.

 

Harbour Front

Neue Ufer, alte Frische: Sven Regener, Bernhard Schlink, Eoin Colfer, Amy Tan und Harald Martenstein zu Gast beim Harbour-Front-Literaturfestival.

Das Motto des sechsten Harbour-Front-Literaturfestivals lautet Auf, auf zu neuen Ufern: Ist es an der Elbe etwa nicht schön genug? Doch, na klar, ist ja nur metaphorisch gemeint: Die Laufzeit wurde deutlich um zwei Wochen verlängert, und mit dem HafenCity Salon wird im November eine neue Lesung eingeführt, die mit dem amerikanischen Thrillerautor Don Winslow in der Kühne Logistics University startet – der monatlich stattfindende Salon soll sozusagen als Brückenschlag zur nächsten Harbour Front dienen. Aber erst einmal geht es um die diesjährige, und die hat sich erneut hochkarätige nationale und internationale Gäste eingeladen, so lesen zum Beispiel Sven Regener, Bernhard Schlink, Stewart O‘Nan, Eoin Colfer, Amy Tan und Harald Martenstein neben vielen weiteren Schriftsteller-Stars. Ein plattdeutscher Slam (11. September, Uebel & Gefährlich) steht ebenso auf dem Programm wie ein sicher hochinteressanter Science-Fiction-Abend mit Ex-Spex-Chefredakteur Dietmar Dath und Andreas Eschbach (13. September, St.-Pauli-Kirche). Am 10. September eröffnet Hellmuth Karasek das Festival in der Kühne Logistics University. Gespanntes Lauschen garantiert.

Text: Michael Weiland

 

Afrika vis-à-vis

Europäisch-afrikanische Beziehungen anders gesehen: Eine Filmreihe im Metropolis Kino beschäftigt sich mit dem kolonialen Erbe Europas.

Dem kolonialen Erbe und einer produktiven Auseinandersetzung mit ihm widmet sich eine Reihe, an der neben dem Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer (Kein Platz an der Sonne) weitere Protagonisten der aktuellen Bestandsaufnahme kolonialer „Erinnerungsorte“ in Hamburg beteiligt sind. Anschauungsmaterial für die fortdauernde Wirksamkeit kolonialer Traditionen liefern Dokumentarfilme wie Tod und Teufel (11.9.) (Foto), in dem Peter Nestler sich kritisch mit Afrika-Expeditionen seines schwedischen Großvaters befasst, und mehrere jüngere Spielfilme, die veränderte Verhaltensweisen im interkulturellen Dialog nicht nur verlangen, sondern spielerisch durchexerzieren. In Jan Zabeils amüsantem Travelogue Der Fluss war einst ein Mensch (23./25.9.) wird inmitten der botswanischen Okavango-Sümpfe der deutsche Tourist (Alexander Fehling) zum Exot. Die Reihe startet am 9. September mit Peter Krügers Film N – The Madness of Reason und wird im Oktober fortgesetzt.

 

Fantasy Filmfest

Das Fest für Cineasten hat ein neues Domizil – und mit „13 Sins“ die Genre-Perle eines Langenhorner Lokalmatadoren im Programm.

Es ist etwas ungewöhnlich, dass ein Regisseur des Fantasy Filmfests ein Zuviel an Special Effects beklagt. Daniel Stamm aber tut dies. „Ich habe immer das Gefühl, am Ende kommen die Leute wegen der echt menschlichen Momente, die sich zwischen zwei Personen abspielen, ins Kino“, hat er in einem Interview erklärt. Seit rund zehn Jahren lebt der 38-jährige Hamburger in Los Angeles, vier Jahre ist es her, dass er mit der Horror-Mockumentary Der letzte Exorzismus dort seinen letzten Spielfilm realisieren konnte. Nun erlebt 13 Sins seine Deutschland-Premiere. Der Psycho-Thriller ist das US-Remake eines thailändischen Schockers, den Stamm zwar um den einen oder anderen drastischen Effekt bereichert. Doch insgesamt darf seine Variante als „menschlicher“ gelten: Ihr Held ist ein schüchterner Familienmensch mit Heiratsplänen. Als ihm überraschend gekündigt wird, verspricht ein ominöser Telefonanruf die Lösung seiner finanziellen Probleme: Elliot (Mark Webber) braucht bloß 13 Aufgaben zu erfüllen, um sich im Verlauf dieses Spiels mehrere Tausend Dollar zu verdienen. Zunächst ist es nur eine Fliege, die er töten muss, doch bald schon warten „Sünden“ härteren Kalibers auf ihn …

 

Vincent Vegan

Veg-Gefährte: Ein rollender Imbiss tourt mit pflanzlichem Fastfood durch Hamburg. Mittwochs macht er Halt am Spritzenplatz.

Der Marktplatz spiegelt sich in der Metallverkleidung des Foodtrucks. Der Schriftzug Vincent Vegan und Illustrationen sind aufgedruckt – darunter ein Anzugträger mit Sonnenbrille. Der Agent verkündet via Sprechblase, was es hier zu beißen gibt: „Do good, be cool, eat vegan.“ Ganz schön hip, das Styling des rein pflanzlichen Imbisses auf Rädern. Inhaber Christian Kuper will vegane Klischees vermeiden und setzt weder auf grüne Farbe noch Öko-Romantik, sondern lieber auf futuristische American-Diner-Optik. Fährt die Klappe zum Verkaufstresen hoch, strahlt einem der krass-gelbe Innenraum entgegen.

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Christian Kuper (Foto, r.) dealt unter anderem auf Wochenmärkten mit klassischem Fastfood aus tierfreien Zutaten. Dazu gehören Brat- und Currywürstchen aus Seitan, aber auch der Burger The Veganizer mit Seitan-Patty. Mit seinem Foodtruck tourt er seit Sommer 2014 durch Hamburg. Wo er hält, kann man wöchentlich auf der Facebook-Seite checken. Im September ist er immer Mittwochs auf dem Markt in Ottensen und bei jedem Heimspiel des FC St. Paulis (14./23.9.) auf dem Südvorplatz anzutreffen.

Text: Lena Frommeyer

 

Romeo und Julia

Wohin führt ein Übermaß an Liebe? Die Regisseurin Jette Steckel inszeniert Shakespeares Tragödienklassiker im Thalia Theater.

„Vergiss Romeo und Julia, wann gibt’s Abendbrot? Willst du wirklich tauschen, am Ende waren sie tot?“ Mit einem Kettcar-Songtextzitat das erste Thalia-Stück der neuen Spielzeit einzuleiten, erscheint vielleicht etwas unpassend. Tatsächlich beschreibt es aber ziemlich genau die Krux der großen Shakespeare-Tragödie Romeo und Julia. Es geht darin um Liebe, die so groß ist, dass sie sämtliche Gesetze außer Kraft setzt und deswegen oft nicht lebbar ist. Muss außerhalb von Bühne und Roman das Gefühl, vollkommen in einem anderen Menschen aufzugehen, erst abkühlen, damit man gemeinsam den Alltag leben kann? „Je mehr ich gebe, je mehr auch hab ich“, sagt Julia und spottet damit jeder ökonomischen Vernunft. Entgrenzt und magisch überstrahlt es auch heute noch alles, was „praktisch – quadratisch – gut“ ist. Wie wird die Regisseurin Jette Steckel die Keimzelle aller romantischen Liebesgeschichten in der Gegenwart verorten? Wird man am Ende mit Julia tauschen wollen? Hoffentlich!

Text: Katharina Manzke