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Soul im Hafen

Am Samstag feiert ein neues Festival seine Geburtsstunde. Beim Soul im Hafen spielen u. a. Wyclef Jean, Joss Stone und Aloe Blacc.

Gerade erst haben die Dockville-Besucher auch den letzten Fingernagel vom Festival-Staub befreit, da bietet sich schon die nächste Gelegenheit, der Wilhelmsburger Halbinsel einen feierlichen Besuch abzustatten. Denn am Samstag öffnet erstmalig das Tagesfestival Soul im Hafen seine Pforten. Auf der vorherigen Hauptbühne des Dockville Festivals widmet man sich einem Programm aus nationalen und internationalen Soul- und Popkünstlern, das sich gleich einmal in der ganz großen Namenskiste bedient hat. So hat man sich für die erste Runde den haitianischen Musiker, Produzenten und Tausendsassa Wyclef Jean geladen, der wohl schon mit so ziemlich jedem internationalen Chartsstürmer der letzten Jahre kooperiert hat. Dazu spielt die wohl erfolgreichste Soulstimme dieser Zeit, Joss Stone, ihr einziges Konzert des Jahres beim Soul im Hafen, der Kalifornier Aloe Blacc bringt seinen Top-10-Platin-Ohrwurm I Need A Dollar mit, und Nneka, Fetsum und Rebecca Ferguson komplettieren das über sechsstündige Programm zu einem wahren Auflauf der Soul-Superstars.

 

Die Goldenen Zitronen

Zum Ende des internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel kümmern sich noch einmal Die Goldenen Zitronen um die Verdichtung der Nacht, gemeinsam mit Kid Koala und Shannon.

Warum sie das machen? Warum sie hier all diese Lautsprecher aufstellen? Na, sie versuchen an den Stimmen vorbeizukommen, denen mit den Ankündigungen. Sie versuchen an den Botschaften vorbeizukommen, an den radikalen Zeichen, an den Transportern und Zeichenmachern. Daran hat sich auch im 30. Bandjahr der Goldenen Zitronen nichts geändert. Wieso sollte es auch? Noch immer sind sie die gerufenen oder einfach gekommenen Spezialisten für Fälle, die einer Verdichtung bedürfen. Für die Momente, wo jemand mal etwas auf den Punkt bringen muss. Zum Abschluss des internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel haben sie sich zudem einem speziellen Programm angenommen. Gemeinsam mit Mitgliedern der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ wird so mit absehbarer Sicherheit eine besondere Nacht entstehen. Gerahmt von dem Turntable-Virtuosen Kid Koala und der New Yorkerin Shannon Furchess. Wenn das Sommerfestival auf Kampnagel schon eines Endes bedarf, dann doch bitte genau ein solches.

Text: Miriam Mentz

 

Certain Ideas

Flankierend zur Ausstellung in der Sammlung Falckenberg zeigen die Zeise Kinos sieben Kurzfilme des italienischen Avantgardisten Gianfranco Baruchello.

„Seine Arbeiten sind im deutschsprachigen Raum wenig bekannt,“ heißt es fast schon lakonisch auf Wikipedia über den 1924 geborenen italienischen Künstler Gianfranco Baruchello. Eine große Retrospektive, die seit Juni dieses Jahres in der Sammlung Falckenberg der Deichtorhallen zu sehen ist, könnte das ändern. Als Vertreter der europäischen Nachkriegsavantgarde gehören neben abstrakten Bildern auch Objekte, Collagen, Texte, Schaukästen und Assemblagen zum Werk von Baruchello – ebenso wie der Film. Flankierend zur Ausstellung, die noch bis Ende September in Hamburg-Harburg zu sehen ist, zeigen die Zeise Kinos sieben Filme von Baruchello, die zwischen 1965 und 2008 entstanden und zwischen zwei und 30 Minuten lang sind. Erklärende Worte gibt es vorher in einer Einführung von Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow.

 

Diplomatie

Geschichtsstunde als Action-Kino: Das Abaton zeigt Volker Schlöndorffs neuen Film in der Preview und in Anwesenheit des Regisseurs.

Wie die Zerstörung der französischen Hauptstadt durch die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg abgewendet wurde, ist ein Krimi für sich. Und als solchen hat der Regisseur Volker Schlöndorff die historischen Ereignisse nun auch für die Leinwand inszeniert. Im August 1944 versucht der schwedische Generalkonsul, den deutschen Wehrmachtsgeneral zu überreden, sich den Befehlen Hitlers zu verweigern. Sehr schön zeigt das Kammerspiel, dass Schlöndorff sein Handwerk als Assistent des französischen Krimi-Altmeisters Jean-Pierre Melville gelernt hat. Denn den (fiktiven) Dialog der beiden unversöhnlichen Männer zelebriert er als Action-Kino: „Es ist vergleichbar mit einem Boxkampf über fünf oder sechs Runden. Jeder bereitet sich gewissenhaft auf den nächsten Schlag vor, aber es gibt keine Knock-outs.“

 

Boy Division Orchestra

Covern ohne Furcht und Tadel – und vor allem ohne Hemmungen: Das Hamburger Quartett spielt in erweiterter Besetzung auf Kampnagel.

Der eine von denen hat mal in einer Band gespielt, an die sich heute mit Sicherheit niemand mehr erinnert. Sie hieß Fino alla morte (zu deutsch: Bis zum Tode) und deren Sänger Olli Hörr pflegte die Auftritte der Band mit den Worten zu eröffnen: „Wir sind Fino alla morte und wir entschuldigen uns für nichts.“ Diese Ansage könnte auch das Motto von Herrn Hörrs aktueller Band sein, die sich in Anlehnung an eine wegweisene nordenglische Post-Punk-Band Boy Division nennt, seit 1997 existiert, ausschließlich Coverversionen spielt, mehrere Besetzungswechsel durchgemacht hat und sowieso vor nichts und niemandem zurückschreckt – nicht vor Releasepartys bei Saturn und auch nicht vor Songs von Chris Isaak, Beach Boys oder The Police. Hat schließlich niemand jemals behauptet, dass die Nummern am Ende wieder zu erkennen sein müssen, oder …?

 

Der Rest

Das Hamburger Dark-Chanson-Trio um den Sänger und Gitarristen Phil Taraz präsentiert sein neues Album, „10 Lieder für Freunde“, live in der Astra-Stube.

Phil Taraz ist ein Musiker und Filmemacher aus Hamburg. Mit seiner Band Der Rest schreibt er romantische Lieder, die sich stilistisch zwischen Chanson und düsterem, britischen New-Wave-Punk (vom Schlage Sisters of Mercy, der mittelfrühen The Cure o. ä.) einordnen lässt. Mit sanft verzerrten Shoegazer-Riffs, einer sonoren Stimme und ernsten Worten wird der Hörer hier in meist ziemlich schattige Welten entführt. Textprobe: „Deine Wut kann dich erdrücken / oder dich befreien / zu tun, was du gern möchtest / sollte alles für dich sein / das Universum atmet / darum atme mit / dieses eine Leben / ist alles, was wir sind.“ Nicht ganz frei von Schwermut ist auch die Musik von Telomer, die am 23. August mit Der Rest in der Astra-Stube gastieren. „Kalte Analysen der Welt in unterschiedlichen Erregungszuständen: Nervosität, Verzweiflung, Zynismus, Aufbegehren unter dem Vorbehalt der Vergeblichkeit,“ heißt es recht eloquent in ihrem Info. Na dann, hinein gestürzt in ein Samstagabend der etwas melancholischeren Art.

 

Ein Sommernachtstraum

Flirrendes Verwirrspiel: Multimedial inszeniert und sehr frei interpretiert kommt Shakespeares Klassiker im Monsun Theater auf die Bühne.

Multimediale Inszenierungen sind das Markenzeichen des Hamburger Regisseurs Torsten Diehl. Im Monsun Theater sind regelmäßig Stücke des Schulleiters des Instituts für Schauspiel Drama und Film (ISDF) zu sehen. So wird er auch in der ersten Premiere nach der Sommerpause mit bildgewaltigen Video- und Soundinstallationen aufwarten. Auf die Bühne kommt eine sehr freie Interpretation des Shakespeare-Klassikers Ein Sommernachts
traum. Die Handwerker sind eine Mädchenclique; der Herzog von Athen, Theseus und der Elfenkönig Oberon sehen sich erschreckend ähnlich, und der Zeremonienmeister Philostrat hält sich für einen DJ. Außerdem kracht es böse, irgendwo zwischen Elfen- und Menschenwelt. Das überirdische Paar Oberon und Titania hat einen schlimmen Ehestreit und Lysander und Demetrius sind nun plötzlich beide in Helena verliebt. Das herrlich schräge Verwirrspiel, das die Grenzen zwischen Liebe und Täuschung, Traum und Wirklichkeit zum Flirren bringt, wird auch in dieser Inszenierung verzaubert. Mit den wunderbarsten Mitteln der modernen Technik.

Text: Katharina Manzke

 

Hex, hex!

Illusion, Psychologie und unlogisches Denken: Die Zaubernächte im Hamburger Sprechwerk zeigen Faszinierendes, ohne gleich alles zu erklären.

Kopfschütteln und Staunen, was anderes bleibt uns unwissenden Muggels (Begriff aus dem Harry-Potter-Wortschatz für nicht der Magie befähigte Leute) nicht übrig bei den Hamburger Zaubernächten im Sprechwerk. Irgendwie wird all das, was da auf der Bühne passieren wird, zwar erklärbar sein, aber erklärt wird bestimmt nicht alles. Zum Beispiel die brachialen Paradekunststücke mit abgesägtem Unterleib und durchbohrtem Auge von Markus Zink, kurz ZINK! (22.8.). Der Magier aus sagenhafter fünfter Zaubergeneration konzentriert sich in seinem Job auf Schrott. Ein bisschen mehr auf die im Verborgenen greifenden Prinzipien lässt sein Kollege Wittus Witt (24.8.) blicken. Er zeigt in seinem Programm: Beim Zaubern geht es weniger um Fingerfertigkeit als um Psychologie und ein unlogisches Denken. Cool, smart und sehr erfolgreich ist Sebastian Nicolas (24.8.). Sich selbst bezeichnet der aus Landshut stammende Künstler als „Spieler“. Humor und Zauberkunst vermischt Peter Honegger (23.8.) in seiner Show. Er bietet philosophisch-komische Anleitungen zum Glücklichsein, liest die Zukunft, bietet Instantheilungen an. Niemals, ohne sich selbst dabei freundlich zu karikieren.

Text: Katharina Manzke

 

STAMP

Der „Street Arts Melting Pot“ macht nach einjähriger Pause die Gegend um den Altonaer Bahnhof zu einer großen, bunten Festival-Meile.

Das Streetart-Festival STAMP findet nach einjähriger Pause wieder auf Altonaer Pflaster statt, rechtzeitig zum 350-jährigen Stadtjubiläum. Drei Tage lang machen Urban Art, Hip-hop-Kultur und Straßentheater die Fußgängerzonen um den Bahnhof Altona zur Festivalmeile. Auf acht Bühnen wird der Stadtteil zum Street Arts Melting Pot. Mit dabei ist unter anderem das französische Ensemble Retourament, das mit seiner schwindelerregenden Show Les Ondes Gravitationelles am Freitagabend für den ersten Höhepunkt sorgt: Ein an der Gebäudewand befestigtes Gerüst wird zur dreidimensionalen Bühne für die Tänzer, zu sehen und zu hören ist eine faszinierende Mischung aus Architektur, Sound, Projektionen und Bewegung (22.30 Uhr, Goethepark). Viele spannende Künstler verschiedenster Stilrichtungen sind an den folgenden beiden Tagen zu sehen, und wenn vor ihnen ein Hut auf dem Boden steht: gerne einen kleinen Obulus reinwerfen. Macht man so.

Text: Michael Weiland

 

Fünf Jahre Gängeviertel

Seit dem Jahr 2009 heißt es mit aller Regelmäßigkeit „Komm in die Gänge“ – jetzt begehen die AktivistInnen des Gängeviertels den fünften Geburtstag ihres Projekts.

Es war eine Sturzgeburt mit einer geschätzten Lebensdauer von 24 Stunden: Eigentlich sollten hier schicke, renditesichere Büroriegel entstehen. Doch ein Trupp aus Künstlern und Handwerkern setzte 2009 seine Energie in den Erhalt der Gemäuer – und gewann den Kampf gegen Investoren und städtische Fehlentscheidungen. Mittlerweile dient das Gängeviertel nicht nur in Deutschland als „Role model“ für ähnliche Selbstbehauptungen. Der Komplex wird inzwischen genossenschaftlich (selbst)verwaltet und saniert. Im August wird das Gängeviertel fünf Jahre alt. Zeit für die Aktivistinnen und Aktivisten, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Ergründung der Gemeinschaft, die verrückt genug ist, sich einer Sache ohne Lohn hinzugeben. Aber: Sie sind ja nicht allein. In Hamburg haben sich verschiedene Initiativen unter dem Motto „solidarische Raumnahme“ zusammengefunden. Europaweit gibt es ähnliche „gallische Dörfer“. Aus diesem Grund liegt der zweite Schwerpunkt der Feierlichkeiten auf dem Austausch mit diesen Projekten. Es wird in die Vergangenheit geschaut und in die mögliche Zukunft dieser engagierten Menschen.

Text: Lisa Scheide