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East Cameron Folkcore

Laut und überwältigend: Das elfköpfige MusikerInnen-Kollektiv aus Austin, Texas, spielt seinen Protest-Core live im Knust.

Elf Freunde müsst ihr sein: Das Musikerkollektiv East Cameron Folklore kommt in Mannschaftsgröße daher und macht von seiner Überzahl Gebrauch: Der aus Blues, Punk und Folk zusammengesuchte Sound der Band ist keine filigrane Kammermusik, sondern wenig einverstandener Protest-Core, laut und überwältigend. Beim diesjährigen „South By Southwest“, dem Showcase-Festival in ihrer Heimatstadt Austin, Texas, hat die Band selbst bei abgeklärten Musikkritikern, die bisher alles gesehen und gehört zu haben glaubten, offene Münder hinterlassen, beim Publikum sowieso. Ihre deutsche Vertretung, das Hamburger Label Grand Hotel Van Cleef (Tomte, Kettcar, Young Rebel Set, Kilians, Marcus Wiebusch, Thees Uhlmann), bringt die Band noch mal für ein paar Konzerte hierher, bevor früh im nächsten Jahr ihr drittes Album Kingdom Of Fear erscheint.

Text: Michael Weiland

 

 

Les Trocks

Das ausschließlich aus Männern bestehende Ballett-Ensemble Les Ballets Trockadero de Monte Carlo aus New York City tanzt in der Staatsoper.

Männer und Ballett? Klar, da gab es so ein paar berühmte Tänzer in der Geschichte, Rudolf Nurejew etwa, George Balanchine, Vaslav Nijinsky und natürlich John Neumeier. Ansonsten kennen die Älteren unter uns den Zusammenhang Männer und Ballett eigentlich nur aus dem sogenannten Fußball-Ballett der ARD Sportschau in den 1970er und 1980er Jahren. Les Ballets Trockadero de Monte Carlo haben einen amüsanten Mittelweg gefunden. Das New Yorker Ensemble besteht aus gestandenen Tänzern, die anspruchsvolle Originalchoreographien wie Schwanensee mit voller Körperbeherrschung auf die Bühne zu bringen in der Lage sind, und die es sich aber nicht nehmen lassen, dabei auch sämtliche weibliche Rollen zu übernehmen. Gegründet wurde die Kompanie vor vierzig Jahren, seitdem trat sie in verschiedenen Inkarnationen in über 30 Ländern auf, überall frenetisch beklatscht. „Der witzigste Abend, den man im Ballett erleben kann, und merkwürdigerweise auch einer der bewegendsten“, beschied der britische Guardian den „Trocks“. Und das in der altehrwürdigen Hamburgischen Staatsoper – wie sich die Zeiten ändern …

 

Disco

Licht aus, Spot an! Werner Momsen featuring Boerney und die Tri Tops lassen mit ihrer „Disco“-Show alte Jugendzeiten wieder aufleben.

1971 wurde sie erstmals ausgestrahlt, 1982 war dann Schluss: Disco, moderiert vom ebenso charmanten wie sympathischen Ilja Richter, begann als Nachmittagssendung und wanderte aufgrund des großen Zuspruchs schnell ins Abendprogramm des ZDF. Richters Sprüche (die kumpelhafte, an das Studio-Publikum gerichtete Standard-Begrüßung „Hallo Freunde!“ oder „Licht aus! Whoom! Spot an! Jaaa …!“ zur Begrüßung des jeweiligen Stargasts) waren damals geflügelte Worte und dürften Millionen von Jugendlichen geprägt haben. Werner Momsen lässt nun den Humor und die Stimmung dieser Zeit wieder aufleben. Bei der Die Werner Momsen ihm seine Discoshow feat. Boerney und die Tri Tops gibt es ein Potpourri der schönsten, schrägsten und lustigsten Songs der 1970er Jahre, gespielt und gesungen von einer Band, die selbst Totgeglaubte wieder zum Leben erweckt.

Text: Katharina Manzke

 

Der Mann …

… in der Badewanne: Das Theater Kontraste zeigt, wie aus einem sanftmütigen Büroangestellten ein Held wider Willen wird.

Was wurde schon schön gestorben auf den Bühnen dieser Welt! Theaterblut, das auf weiße Hemden sprudelt, Körper, die sich in Krämpfen krümmen, weil vermeintliches Gift sie durchdringt … Das alles gibt es nicht im neuen Stück des Theater Kontraste. Stattdessen hockt Albert Wegelin einfach nur im lauwarmen Wasser und verweigert die Nahrungsaufnahme. Der sanftmütige Büroangestellte ist vom Pech verfolgt: Zuerst wurde er von einem Kollegen von seinem Platz verdrängt, dann ließ ihn die Freundin sitzen und schließlich wurde ihm auch noch ein Hungerstreik angedichtet. Nur weil ihm in der Kantine das Essen nicht schmeckte! Weil Presse, Freunde, Verwandte und die Politik es von ihm erwarten, hungert er weiter und wird zum Helden, der er nie sein wollte. Der Mann in der Badewanne, oder wie man ein Held wird von Lukas Linder verspricht ein komisches Stück zu werden, aber auch ein ziemlich trauriges. Leise plätschert die Tragik des Gutmenschendaseins vor sich hin. Und gerade deshalb so schmerzlich.

Text: Katharina Manzke

 

Axel Prahl

Der Darsteller von „Tatort“-Hauptkommissar Frank Thiel gastiert als Bandleader in Begleitung seines Inselorchesters im Museum der Arbeit.

Sein brummeliger Münsteraner „Tatort“-Hauptkommissar Frank Thiel ist Anhänger des FC St. Pauli, allein deswegen ist Axel Prahl in Hamburg ohnehin schon mal sehr willkommen. Im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals wird dem gebürtigen Eutiner eine Bühne für seine zweite Leidenschaft neben der Schauspielerei geboten. Mit seinem handverlesenen Inselorchester (zu dessen Instrumentarium neben Kontrabass, Schlagzeug, Klavier auch Klarinette, Geige und Cello zählt) bringt Gitarrist und Sänger Prahl die Songs seines vor über zwei Jahren gemeinsam mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg produzierten Debütalbums Blick aufs Mehr zu Gehör: Jazz, Blues, Rock und Chanson sowie die eine oder andere Cover-Version (wie zum Beispiel With a little help from my friends, Summertime oder Rio Reisers Übers Meer) – das alles unter freiem Himmel vorm Museum der Arbeit.

Text: Michael Weiland

 

Ziemlich weit hergeholt

Der deutsch-türkische Hamburger Cenk Bekdemir liest in der KulturWerkstatt Harburg aus seinem Kurzgeschichtenband „ziemlich weit hergeholt“.

Der Autor, Weinberater und Musiker trägt als Sohn eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter zwei Kulturen in sich. Er gibt in seinen Texten Einblicke in seine Wahrnehmung der Umwelt, die durch sein binationales Bewusstsein auf besondere Weise geprägt ist. Dabei ergreift er weder Partei noch steckt er seine Protagonisten, Mitmenschen oder sich selbst in Schubladen. Bekdemir hält den Menschen eher eine Art Spiegel vor – auf humorvolle Weise, aber manchmal auch anklagend und immer versöhnlich, um so ein Band zu mehr Verständnis und Verständigung zu knüpfen. Am 25. August liest er in der KulturWerkstatt im Harburger Binnenhafen aus seinem im April 2012 erschienenen Band ziemlich weit hergeholt und aus Texten, die in der Zeit danach entstanden sind.

Text: Katarina Wollherr

 

Zeit für Zorn

Die Türsteher Viktor Hacker, Mark Büttner und Henning Geisler erzählen Geschichten vom Hamburger Kiez – aus ungewöhnlicher Perspektive.

Als Türsteher auf dem Hamburger Kiez lernt man das Nachtleben in seiner ganzen Blöße und Skurrilität kennen: Viktor Hacker, Mark Büttner und Henning Geisler geben auf der MS Classic Queen im Rahmen der Lesungsreihe Zeit für Zorn einen unterhaltsamen Einblick in diesen Berufsstand. Ein Leben als Türsteher beinhaltet mehr, als die Leute einfach nur wegzuschicken oder reinzulassen. Man weiß nie, was in einer Schicht passiert oder auf wen man trifft. Von seltsamen Dialogen und absurden Situationen, lustigen und traurigen Szenen können Viktor, Mark und Henning aus ihrem Arbeitsalltag und jahrzehntelanger Erfahrung in verschiedenen Kiez-Etablissements noch und nöcher erzählen. Auf der MS Classic Queen und mit viel Humor, (Selbst-)Ironie sowie Sarkasmus lassen sie ihr Publikum das Hamburger Nachtleben aus einer anderen Perspektive betrachten.

Text: Katarina Wollherr

 

Hamburger Ziegel

Karen Köhler, Herbert Hindringer, Friederike Gräff und Harald Martenstein verwandeln die Magellan-Terrassen der HafenCity in eine Lesebühne.

Das Literaturkontor veranstaltet seit zehn Jahren die Lesebühne Hamburger Ziegel – an drei Sonntagen im Sommer geben junge und etablierte Autoren ihre Werke zum Besten. Der Ziegel ist die umfangreichste Anthologie der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und präsentiert die Hamburger Literaturszene. Das Hamburg Jahrbuch für Literatur – so die offizielle Bezeichnung – erscheint alle zwei Jahre und hatte einst die Maße eines sogenannten Hamburger Ziegels, heute ähneln Gewicht und Format dem Ziegel noch immer. Am 24. August lesen Karen Köhler, Herbert Hindringer, Friederike Gräff und Kultkolumnist Harald Martenstein als Special Guest mit der schönen Hafenkulisse im Hintergrund aus ihren Beiträgen. Bei Regen findet die Veranstaltung in der Kühne Logistics University statt (Großer Grasbrook 17).

Text: Katarina Wollherr

 

HHer Küchensessions

Die Hamburger Küchensessions laden am späten Sonntagnachmittag zum Musikschmaus mit Bernhard Eder und Jürgen Ufer & die Dinge im Fluss auf den Knust-Vorplatz.

Sollte auch der Sonntag noch an dem Wetter der letzten Tage festhalten, können wir dem ausnahmsweise dennoch Gutes abgewinnen. Denn auch unter großen Schirmen kann es auf dem Knust-Vorplatz sehr gemütlich sein und sollte uns bei dem anstehenden Programm eine Träne die Wange runterlaufen, können wir erklären, dass wir selbstverständlich nicht weinen, es bloß der Regen ist. Wieso es dazu kommen sollte? Naja, Bernhard Eder, einer der wohl aktuell besten englischsprachigen Songwriter des Landes, spielt bei den Hamburger Küchensessions auf dem Lattenplatz und bringt sein aktuelles Album mit, das ein Trennungsalbum ist wie es in der Fibel der Popgeschichte gelehrt wird. Weinende Gitarren, messerscharfe Worte und das beim Hörer hinterlassene Gefühl, dass nun nur noch auf Knien vorgetragene Liebesschwüre Leben retten können – unabhängig davon, ob der oder die Liebste lächelnd neben einem sitzt. Dass das Programm noch um die mal feinlinige, mal rockige Poesie von Jürgen Ufer & Die Dinge im Fluss erweitert wird, könnte die Stimmung wieder etwas heben. Spätestens aber die Erkenntnis, dass das ein sehr lohnenswerter Konzertabend war.

 

20 Jahre Selig

Auf 20 Bandjahre können die Hamburger nun schon zurückblicken. Brutto. Da darf man schon mal in seligen Erinnerungen schwelgen, im Stadtpark zum Beispiel.

1994 veröffentlichten Selig ihr erstes selbstbetiteltes Album und waren von dem Punkt an Teil des kollektiven Musikbewusstseins. Wenn es denn so etwas gibt. Denn gleich auf diesem ersten Album war der Titel enthalten, den wohl noch heute jeder als erstes mit den fünf Hamburgern in Verbindung bringt: Ohne Dich. 20 Jahre, fünf Alben, eine neunjährige Bandpause und eine Reunion später, feiern sie nun ihr 20-jähriges Jubiläum, zu welchem man inzwischen auf eine ganze Reihe solcher Songs zurückblicken kann, die mal euphorisch, mal selig (Entschuldigung: Wortalberei) in Ohrwurmschleifen wieder und wieder erklingen. Genau diesem Umstand widmet sich die Band dann auch zum Geburtstag, hat im eigenen Vermächtnis gewühlt und das beste vom Besten gekürt – ganz ohne halbgare Abstimmungen übrigens. Die Auswahl wurde neuverpackt und arrangiert und wird nun dort präsentiert, wo sich die Band schon immer am wohlsten fühlte: auf der Bühne, in diesem Fall der Stadtparkbühne. Wir glaubens, das wird … – ach, lassen wir das.

Text: Miriam Mentz