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Heartphones

Indie, Rock, Hip-hop, Pop, Oldies und Trash: Bei der Kopfhörerparty im Molotow-Exil kommen alle auf ihre Kosten – ganz ohne Bass im Bauch.

Keinen Bass im Magen, keine Vibrationen unter den Füßen und trotzdem alle am Durchdrehen – willkommen auf der Kopfhörerparty. Für alle, die Abwechslung in ihrer allwöchentlichen Ausgehroutine suchen, gibt es Hamburgs wohl skurrilste Partyreihe. Das Prinzip ist einfach: Statt einer fetten Anlage mit nur einer Musikrichtung bekommt jeder Besucher ein Paar Funkkopfhörer mit zwei Musikkanälen. Auf Kanal eins legt DJane Sparkles eine Mischung aus Indie und Rock auf, auf Kanal zwei laufen Hip-hop, Pop, Oldies und Trash von DJ Demian und DJ Sloeten. Das Ergebnis sind wild aneinander vorbeitanzende Menschen, in ihrer eigenen Welt und doch vereint. Nimmt man die Kopfhörer ab, hört man das Grundrauschen einer Party, wenn man die Musik weglässt: jauchzende, kreischende und mitsingende Menschen. Allein dafür lohnt sich das Kommen.

Text: Ole Masch

 

Das Karoviertel

Das literarische Stadtführungs-Entertainment von Sven Amtsberg präsentiert dieses Mal: „Die Wahrheit über das Karoviertel“. Zumindest fast.

Wer meint, bei der Veranstaltungsreihe „Die Wahrheit über …“ von Autor und Moderator Sven Amtsberg an einer spröden Sightseeing-Tour durch einen Stadtteil Hamburgs teilzunehmen, wird eines Besseren – und Lustigeren – belehrt. Sogar unbeteiligte Passanten mögen zuweilen verwirrt sein, wenn sie im Vorbeigehen statt Gähnen Gelächter aus der Gruppe vernehmen. Denn bei diesen Stadtführungen stehen Fantasie, Humor und etwas satirische Würze auf der Tagesordnung. Die Geschichten über Orte und Ereignisse sind nicht ganz ernst zu nehmen, könnten aber durchaus wahr sein. Sven Amtsberg wird bei seinen Rundgängen stets von wechselnden Autoren unterstützt.
Am 21. August spürt er zusammen mit Slammerin und Autorin Johanna Wack die ganz eigenen Geschichten an vielen Ecken im Karolinenviertel auf, an denen man sonst wohl eher unachtsam vorbeigehen würde. Das bekannte Quartier auf St. Pauli wird begrenzt durch Messe, Schlachthof und Heiligengeistfeld sowie die umliegenden Landmarken Fernsehturm und Bunker. Und hat das Karoviertel nicht einst Tarot-Viertel geheißen, da hier vor allem Hexen und Wahrsagerinnen lebten, die den Menschen mittels Tarot-Karten oder Kristallkugeln die Zukunft vorhersagten?

Text: Katarina Wollherr

 

Beware of Mr. Baker

Das Metropolis Kino zeigt Jay Bulgers Dokumentation über einen der eigenwilligsten Drummer der Rock-Geschichte: Ginger Baker.

„Wenn Du ein Problem mit mir hast, komm‘ her und hau‘ mir auf die Nase. Ich werde Dich dafür nicht verklagen, aber Du kriegst es zurück …“ Er gilt als einer der manischsten und eigenwilligsten Rock-Drummer der Geschichte. Er ist bekannt dafür, es weder sich selbst noch anderen Menschen leicht zu machen. Und er liebt den Rausch. Was davon heute noch zutrifft – keine Ahnung. Aber was Ginger Baker über nahezu vier Jahrzehnte als Musiker geleistet hat, macht ihn heute zum Monument seiner selbst. Und dass der Amerikaner Jay Bulger 2012 eine Dokumentation über den mittlerweile 75-Jährigen gemacht hat, muss man dem Regisseur ebenso hoch anrechnen, wie man Baker dafür danken muss, dass er überhaupt jemanden so nah herangelassen hat (so nah, dass er ihm mit seinem Gehstock eine verpassen konnte). „Es gibt keinen Mythos um Ginger. Er ist genau das, was er ist. Und das ist das, was wir an ihm schätzen,“ sagt Bakers ehemaliger Weggefährte Eric Clapton, während der Cream-Bassist Jack Bruce schlicht zusammenfasst: „Ich liebe ihn.“ Absolut sehenswert.

 

Ich weiß nicht …

… zu wem ich gehöre: Eine Revue über den kleinen Unterschied feiert ihre Premiere am 21. August im Ernst Deutsch Theater.

„Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre …“ – diesen Chanson von Friedrich Hollaender sangen schon viele schillernde Bühnenfiguren. Udo Lindenberg zum Beispiel, und Marlene Dietrich, diffus erotisch mit rauchiger Stimme und weitem Hosenanzug. Das Lied, das gleichermaßen Unentschlossenheit und Unabhängigkeit feiert, ist Titelgeber einer Gemeinschaftsproduktion des Berliner Renaissance-Theaters und des Ernst Deutsch Theaters. Das Grüblerische des Liedes wird in der Revue auf das Verhältnis der Geschlechter übertragen. Was ist der Unterschied zwischen Frau und Mann? Bestimmen Gene oder Gesellschaft, was wir sind? Was wäre, wenn wir tauschen könnten? Neben weiteren Chansons von Friedrich Hollaender werden Lieder von Georg Kreisler und Günter Neumann, Elvis Presley und Udo Lindenberg sowie Texte von Goethe, Shakespeare und Wedekind zu Rate gezogen. Ob es Antworten gibt? Oder läuft die ganze Fragerei am Ende doch nur auf eine Antwort hinaus: „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich glaub, ich gehöre nur mir ganz allein.“

Text: Katharina Manzke

 

LINK (reloaded)

Zwei Hamburger Bands und ein reanimiertes DJ-Duo machen das Kanalspielhaus Flora auf Kampnagel für eine Nacht unsicher.

Für legendäre Techno-Tanztreffen sorgten die DJs Harre und Henry alias LINK in den neunziger Jahren in der Roten Flora, unterstützt vom Visualteam dura lux (1993-2005). In der kleinen Flora, die im Zuge des internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel am Osterbekkanal aufgebaut wurde, findet nun das einmalige Veteranentreffen “LINK (reloaded)“ statt. Wer damals nicht dabei war, kann dies jetzt nachholen. Bevor das DJ-Duo an die Decks tritt, gibt es an selber Stelle noch zwei Bands zu sehen: Helgoland existieren seit 1993, sind zurzeit zu zweit (Bass + Schlagzeug) und spielen eine Variante von Primzahlenjazz, die erst noch erfunden werden muss. Hallo Werner Clan sind im Kern eigentlich auch ein Duo, das aber in letzter Zeit (und auch am 21.8. auf Kampnagel) in der “unplugged“ Version, unterstützt durch Kontrabass, Schlagzeug und Perkussion, auftritt, und dessen Dada-Hop Dich ganz foufou machen wird. Fast besser als Drogen nehmen …

 

Apecrime

Via YouTube in die Plattencharts: Das niedersächsische Schlager-Rap-Comedy-Pop-Trio präsentiert sein Debütalbum, „Affenbande“, live im Knust.

Ursprünglich haben die drei Jungs aus dem niedersächsischen Stadthagen als Entertainer begonnen, die ihre Videos via YouTube ins Netz stellten und sich damit beachtliche Klickzahlen einheimsten. Nachdem Cengiz Dogrul, Christoph Meyer und Andre Schiebler nach Hamburg gezogen sind, konzentrierte sich das Trio auf sein musikalisches Standbein. Bei den Videodays im August 2013 absolvierten Apecrime mit dem Stück Ich trau mich nicht einen umjubelten Auftritt in der Kölner Lanxess Arena. Die zweite Single, Swing Dein Ding, enterte Anfang dieses Jahres die Top 20 der deutschen und österreichischen Charts. Gute Voraussetzungen also auch für einen anständigen Abverkauf des Affenbande betitelten Debütalbums von Apecrime, das dieser Tage aus dem Presswerk in die Läden gelangt ist. Man kann davon ausgehen, dass der Knust an diesem Abend nicht gerade leer bleiben wird.

 

 

The Garden

1990 drehte Derek Jarman eine queere Passionsgeschichte im eigenen Garten. Seine subjektive Eden-Vision ist im Metropolis Kino zu sehen.

Als der 1994 verstorbene britische Filmemacher Derek Jarman (Jubilee, The Tempest – Der Sturm, Caravaggio, Wittgenstein) in den 1980er Jahren eine Gartenparzelle samt einer im Jahr 1900 erbauten hölzernen Fischerhütte im südenglischen Dungeness erwarb, freute er sich darüber, dass es dort – in der Nähe eines Atomkraftwerks – so gut wie keine Spaziergänger gab. Inzwischen ist der Garten an der Küste von Kent, den Jarman mit Feuersteinknollen, Treibholz und verrosteten Eisenobjekten künstlerisch gestaltete, ein Wallfahrtsort für unorthodoxe Gartenfreunde aus aller Welt geworden. In seinem Film The Garden aus dem Jahr 1990 hat Jarman das karge Areal zum Schauplatz einer queeren Passionsgeschichte gemacht und dort seine sehr subjektive Vision eines Garten Eden entworfen. Selten sind sich Garten- und Filmkunst so grün gewesen!

 

Bear Hands

Elektronisch angereicherter Postpunk von Kunsthochschulabsolventen und MGMT-Freunden aus Brooklyn, New York – live in der Prinzenbar.

Mal wieder Lust auf Kunsthochschul-Punks? Bear Hands aus Brooklyn pflegen jene Art von sittsamer Ausgelassenheit, mit der man zwar keine gesellschaftlichen Umbrüche vorantreibt, aber wenigstens die Party am Laufen hält. Dylan Rau und Ted Feldman lernten sich auf dem College kennen, wo sie mit den beiden Köpfen von MGMT befreundet waren, eine gewisse Brüderschaft im Geiste lässt sich auch nicht abstreiten. Wo sich Ben Goldwasser und Andrew van Wyngarden allerdings wenig um Erwartungshaltungen ihres Publikums scheren, geben sich Bear Hands etwas bodenständiger und straighter: Ihr elektronisch angereicherter Postpunk ist tanzbar und ein bisschen retro, leicht zu konsumieren und immens eingängig. Diesen Monat erscheint ihr zweites Album Distractions, das gewiss sein Publikum finden wird. Und kein kleines.

Text: Thorsten Moor

 

Katriana

Die Sängerin und Songschreiberin aus Hamburg trägt die Songs ihres Albums „Aber klar doch“ gemeinsam mit ihrem Live-Trio auf der Barkasse Hedi vor.

Wer in Hamburg wohnt und sich für Singer/Songwriter-Pop interessiert, dem müsste in den letzten Jahren der Name Katriana hier und dort begegnet sein. Falls nicht, wird es dafür jetzt mal höchste Zeit. Die Sängerin, Songschreiberin und Band-Leaderin ist, was das Absolvieren von Live-Auftritten und Touren angeht, alles andere als faul. Zur Präsentation ihrer aktuellen CD, Aber klar doch (wie ihre bisherigen Tonträger ebenfalls bei Pussy Empire Redcordings erschienen), bereiste sie – stets in Begleitung der Cellistin Monika Fughe und der Schlagzeugerin Dörte Schüler – im letzten Jahr immerhin 35 Städte. Jetzt geht’s weiter. Und da Katriana in Hamburg schon so einige der üblichen Live-Club-Verdächtigen bespielt hat, findet ihr nächster Gig – übrigens auch nicht zum ersten Mal – an Bord der Barkasse Hedi statt.

 

Wortpicknick

Dichter sterben, ihre Werke leben weiter. Und manchmal trifft man sie im ganz neuen Gewand wieder, zum Beispiel Mittwoch in Planten un Blomen.

Wer tot ist, kann sich nicht mehr wehren. Das gilt für tote Kung-Fu-Meister und Diktatoren ganz genauso wie für Dichter und Denker. Am Mittwoch macht sich Faust aufs Auge – Titel Toter Dichter, neu aufgelegt diesen Umstand zunutze. Die Literaturwerkstatt von barner 16, ein in Altona ansässiges Netzwerk von Künstlern mit und ohne Handicap, und die Hamburger Schriftstellerin Daniela Chemelik tragen an diesem Abend Neugedrehtes und -gewendetes großer Dichter, von Goethe bis Tschechow, vor. Mit Schere, Wörterbuch, Pinzette und Metapherwürfel wurden die Werke der unvergessenen Meister so verändert, dass sie im ganz neuen Licht erscheinen, ohne Rücksicht darauf, ob der eine oder andere sich dazu im Grabe umdrehen oder in frenetischen Applaus ausbrechen würde. Tot ist tot, Faust aufs Auge! Für die musikalische Abrundung des Abends sorgt der Berliner Songwriter Claudius Mach mit seinen Liedern, irgendwo zwischen Charme und Schnauze. Und da findet dann alles wieder zusammen, denn, Anstand hin oder her, was könnte man auf einem Grab besseres tun, als das Leben fröhlich zu betanzen?

Text: Miriam Mentz