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Zeise Open-Air

Das Freiluftkino in Innenhof des Altonaer Rathauses zeigt  „Hannas Reise“ – eine zynische junge Frau beim Sozialpraktikum in Israel.

Immer steil nach oben und das am besten so schnell wie möglich. Dass man auf der Karriereleiter keine Sprosse überspringen kann (zumindest nicht auf dem Weg nach oben), muss auch Hanna lernen – auf die harte und doch charmante Tour. Niemand Geringeres als ihre sozial engagierte Mutter verwehrt der Tochter die bequeme Abkürzung und besteht auf Ehrlichkeit. In diesem Fall heißt das ein soziales Praktikum. So landet die junge Frau, die aus sehr viel Ehrgeiz und recht wenig Empathie gemacht ist, widerwillig in einem Behindertendorf in Tel Aviv.

Wozu der Charakter der zynischen Deutschen in Israel führt, kann am 23. Juli im Rahmen des Zeise Open-Air in außergewöhnlicher Atmosphäre verfolgt werden. Unter freiem Himmel im Innenhof des Altonaer Rathauses geht der Zuschauer mit Hanna auf große Reise – zu sich selbst.

Text: Tanja Ehrlich

 

Bierdegustation 73

Besonderes Bier fordert nach besonderer Aufmerksamkeit, deshalb tischt der Galopper des Jahres an einem Mittwoch außergewöhnliche Bierkreationen auf.

„Ein Bier, bitte!“ Mit irgendeinem Bier sind die meisten bei der Bestellung an der Bar eigentlich ganz zufrieden. Und auch in den Kühlschränken dieser Stadt herrscht Einklang: Astra, Holsten, Becks und Heineken umfassen das nicht allzu abwechslungsreiche Repertoire. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die Geschmacksnerven der Deutschen diesbezüglich etwas verkümmert. Schade drum, denn der Biermarkt hat viel mehr zu bieten. Alternative Braukultur boomt – und dass Bier ist nicht gleich Bier ist, davon kann man sich am 23. Juli in der diesbezüglich spezialisierten Gastronomie Galopper der Jahres selbst überzeugen. Bei der Bierdegustation werden sechs ungewöhnliche Nischenbiere aufgetischt, die die Geschmacksknospen aus der Reserve locken und den Gerstensaft-Horizont erfrischend erweitern. Die passenden Speisen gibt es selbstverständlich gleich noch mit dazu.

Text: Tanja Ehrlich

 

Lemmy

Peter Sempels unorthodoxe Dokumentation über den Kopf der Gruppe Motörhead ist selbst für Leute interessant, die nicht auf Hardrock stehen.

Mittlerweile hat’s ja der größte Ignorant begriffen und die letzten Spießer tragen jetzt auch Motörhead-Shirts: Lemmy ist eine (noch) lebende Legende, ein Monument seiner selbst und wahrscheinlich der letzte seiner Art. Der in Hamburg lebende Filmemacher Peter Sempel (Dandy, Just Visiting This Planet, Nina Hagen – Punk & Glory) hat das Urgestein des Heavy-Rock mehrmals getroffen, lange Gespräche mit ihm, seinen Freunden und Weggefährten geführt und daraus einen ungewöhnlich persönlichen Porträtfilm gemacht, der 2002 in die Kinos gekommen ist. Absolut sehenswert, eine Geschenk für Motörhead-Fans und selbst erhellend für Leute, die sich nichts aus Hardrock machen, aber allgemein popgeschichtlich interessiert sind. Übrigens: Es gibt noch eine weitere Lemmy-Doku, die Greg Olliver und Wes Orshoski im Jahr 2010 produziert haben. Aber um die geht es hier nicht.

 

Andrew W.K.

Der gut aussehende Hardrock-Proll, der 2001 mit seinem Hit “Party Hard“ jede Feier smashte, ist jetzt als One-Man-Band unterwegs.

Dank der Hardrock-Hymne Party Hard hat sich Andrew W.K. seinen Platz in der Musikgeschichte ehrlich erkämpft, die blutige Nase kann man auf dem ikonischen Cover des Albums I Get Wet  bewundern. Der Rock’n’Roll auf einer Überdosis Energydrinks war 2001 das geeignete Gegengift für diejenigen, denen die Strokes zu bübchenhaft und zeitgeistig erschienen. Die Ein-Mann-Rockmaschine macht auf seiner aktuellen Tour ernst und steht tatsächlich ganz alleine auf der Bühne: nur mit Keyboard und Drumcomputer bewaffnet. Wenn der stets in schmutzigem T-Shirt, Jeans und Turnschuhen gekleidete Shouter loslegt, wird einem aber auch ohne drückende Band im Hintergrund bang. Als Fußnote sei noch erwähnt, dass Andrew derzeit für das amerikanische Magazin Village Voice eine bemerkenswert kluge und sensible Lebenshilfe-Kolumne schreibt. Vor diesem Mann muss man einfach Ehrfurcht haben.

Text: Michael Weiland

Andrew W.K.’s „It’s Time to Party“ from Jarrett Courtney on Vimeo.

 

Eels

Die Gruppe um den Sänger und Songschreiber Mark Oliver Everett gastiert, mit neuem Album im Gepäck, im großen Saal der Laeiszhalle.

Wer in der Schule aufgepasst hat, weiß, dass Komödie und Tragödie nur zwei Seiten derselben Medaille sind – die in diesem Fall Drama heißt. Im umgangssprachlichen Sinn hatte Mark Oliver Everett davon genug in seinem Leben, Songs wie Going To Your Funeral sind eben leider autobiographisch. Doch der Kopf der amerikanischen Indie-Rock-Band Eels versteht es, auf den mittlerweile elf (!) Alben seiner Gruppe Komisches und nicht so Komisches perfekt auszutarieren. Auf der aktuellen Platte, The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett, schlägt das Pendel merklich in Richtung Gemütsverdunkelung aus – die wunderbar arrangierten Popstücke sind ein harscher Kontrast zum bratenden Bluesrock des letzten Albums, Wonderful, Glorious. Dass dafür die schnörkelige Laeiszhalle als Kulisse dient statt ein Rockschuppen wie die Große Freiheit, ist nur konsequent.

Text: Michael Weiland

 

Burn Out Sounds

Das junge Hamburger Trio gibt seine Songs in der Astra Stube zum Besten. Mit von der Partie: Thank You George, ebenfalls aus Hamburg.

„That’s the way I like it,baby, I don’t want to live forever“, oder: “I hope I die before I get old”, oder eben: „It’s better to burn out than to fade away“ – alles tolle Songzeilen, aber sowas singt man eben nur in jungen Jahren. Das Hamburger Trio BurnOut Sounds ordnet den letzten Spruch zwar fälschlicherweise Kurt Cobain anstatt des wirklich Urhebers, Neil Young, zu, aber immerhin offenbart es ein Minimum an musikalischem Geschichtsbewusstsein. BurnOut Sounds wurden 2011 gegründet. Ihr erster Tonträger, True Colours, erschien zwei Jahre später. Damit sind die drei ihrem gemeinsamen Traum, die Musik zum Lebensmittelpunkt zu machen, ein Stückchen näher gekommen. Im Rahmen des Hamburger Sommers in der Astra-Stube teilen sie den Abend mit einem weiteren Act aus Hamburg namens Thank You George.

 

NDR Comedy Contest

An zwei aufeinander folgenden Tagen buhlen verschiedene Comedians um Lachkrämpfe, Beifall und den Preis als bester Unterhalter.

Lisa Feller, selbst Komödiantin, führt durch den Abend des  Comedy Contests im Knust, der vom NDR-Fernsehen und N-JOY ausgetragen wird. Zur Seite steht ihr dabei der Mainzer Stand-up-Comedian und Puppenspieler Martin Reinl. Zusammen präsentiert das Moderatoren-Duo unter anderem den Musik-Comedian El Mago Masin, die Komödiantin Irre Inge, den Poetry-Slammer David Grashoff sowie die Stand-up-Comedians Vincent Pfäfflin und Masud Akbarzadeh, die bei diesem Contest um den Siegergürtel kämpfen. Obwohl es sich um einen Wettbewerb handelt, geben sich die Gastgeber ganz olympisch: Im Vordergrund stünde nämlich der Spaß. Wer schon am ersten Abend mit dem breit aufgestellten Comedyprogramm seinen Spaß gehabt hat, sollte am nächsten Tag gleich wiederkommen.

Text: Jannis Hartmann

 

Talib Kweli

Rapper, Aktivist, Nichtwähler, DIY-Verfechter: Der Mann aus Brooklyn präsentiert sein aktuelles Album, “Gravitas“, live im Mojo Club.

„If you can talk, you can sing. If you can walk, you can dance.“ Und wenn du über 18 Jahre bist und 30 Euro über hast, dann kannst du dir einen Konzertabend mit jenem Rapper geben, der die obigen Zeilen getextet hat. Talib Kweli heißt er, und spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit Mos Def im Jahr 1998 ist er im Hip-Hop-Kosmos kein Unbekannter mehr. Doch der Mann aus Brooklyn rappt nicht nur cool, er hat auch was in der Birne und das Herz am rechten Fleck. Sonst würde er wohl kaum Benefizprojekte wie Hip Hop for Respect organisieren, das Occupy Wall Street-Camp besuchen und im New Yorker Rathaus eine Rede über die Stop & Frisk-Politik des NYPD halten. Obwohl Kweli als Aktivist ziemlich beschäftigt zu sein scheint, erschien im letzten Jahr mit Gravitas sein mittlerweile sechstes Solo-Album. Zu seiner Präsentation absolviert Talib Kweli eine kleine Europa-Tour. Einer von drei Deutschland-Terminen führt ihn in den Mojo Club.

 

Ellie Goulding

Die talentierte Songschreiberin und Pop-Sängerin aus England sorgt für Bombenstimmung in der Freilichtarena am Stadtpark.

Der Elektro-Pop der Britin ist zwar hochmodern produziert, fußt aber doch auf recht bewährten Traditionen: Achtziger-Synthie-Pop als lockeres Schnittmuster, Folk-Songwriting als musikalischer Leitgedanke. Die leicht kehlige Stimme, der wirkungsvoll arrangierte Sound und vor allem die eingängigen Kompositionen setzen Ellie Goulding deutlich vom Dancefloor-Mittelfeld ab, Vergleichsgrößen sind eher Pop-Künstlerinnen wie Robyn statt Formatradio-Eintagsfliegen: Unter der plastikbunten Oberfläche steckt Substanz. Mit ihrem zweiten Album, Halcyon, hat sich Goulding als selbstbewusste Musikerin etabliert, die zwischen aufrichtig vorgetragenen Liedern und kraftvoll-eleganten Tracks für die Tanzfläche mühelos die Stimmung wechseln kann. Dass das alles trotzdem Sinn ergibt, liegt an Talent und ihrer bemerkenswert natürlichen Ausstrahlung.

Text: Michael Weiland

 

Die 120 Tage von Sodom

Das Metropolis-Kino zeigt den letzten Film des italienischen Regisseurs und Dichters Pier Paolo Pasolini im Original mit englischen Untertiteln.

Lust auf etwas wirklich Grausames? Dann ab ins Metropolis, wo am Abend des 21. Juli einer der umstrittensten und zugleich sehenswertesten Filme der Filmgeschichte gezeigt wird. Die 120 Tage von Sodom (im Original: Saló o le 120 giornate di Sodoms) ist das letzte Werk des italienischen Dichters und Regisseurs Pier Paolo Pasolini, der vor seiner Uraufführung im Jahr 1975 unter bis heute nicht geklärten Umständen ermordet wurde. Umstritten ist es aufgrund seiner pornografischen Explizität in puncto Sex und Gewalt. Dass hier jemand provozieren wollte, um etwas auszusagen (und nicht etwa umgekehrt), ist damals den meisten Zensoren scheinbar entgangen. Den Trailer (hier synchronisiert in deutscher Sprache) kann man ja noch jedem zumuten, aber Vorsicht: Er nimmt in Worten unmissverständlich vorweg, was im Laufe der 113 Film-Minuten an Taten passieren wird. Nichts für schwache Nerven jedenfalls.