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„Hüter meines Bruders“

Das Studio zeigt die in schönen Bildern erzählte Geschichte zweier Brüder in einem bedrückenden Spannungsfeld zwischen Hoffen, Bangen und Leben.

Die Frisur markiert Gregors Wandel. Am Anfang ist der Haarscheitel noch akkurat gezogen, am Ende liegen die Haare wirr auf dem Kopf. Der 32-Jährige sieht gut aus, arbeitet als erfolgreicher Arzt in einem Krankenhaus und steht kurz davor, mit seiner Frau in ein Reihenhaus zu ziehen. Bis er sich mit seinem jüngeren Bruder Pietschi wie jedes Jahr auf einen Segeltörn begibt und Pietschi spurlos verschwindet. Gregor taucht ein in das unstete Leben seines Bruders, harrt in dessen Wohnung aus, in der Hoffnung, dass er doch wieder auftaucht. Aus Foto- und Videoschnipseln rekonstruiert er dessen Leben, raucht seine Zigaretten, trinkt seinen Biervorrat leer und schläft mit dessen Freundin Jule. In schönen Bildkompositionen erzählt Regisseur Maximilian Leo in Hüter meines Bruders die Geschichte zweier Brüder in einem bedrückenden Spannungsfeld zwischen Hoffen, Bangen und Leben, ab 3.9. im Studio Kino.

Text: Alessa Pieroth

 

Spielwerk-Treffen

Wie, es gibt schon alles an Gesellschaftsspielen? Beim Treffen im Kulturhaus Eppendorf wird das Gegenteil bewiesen, getüftelt und natürlich gespielt.

Achtung, der Wortstamm „spiel“ wird an dieser Stelle des Öfteren fallen!

Das gute alte Gesellschaftsspiel – es erheitert trotz digitalem Zeitalter Familien, Kinder oder angetrunkene Studenten, die um einen Schluck harten Alk zocken. Der Spielemarkt ist zudem auch noch unübersichtlich vielfältig. Würfel, Karten, Brettspiele und und und sorgen für einen geselligen Abend. Um der Unübersichtlichkeit – im guten Sinne – noch eins draufzusetzen: Es sind noch lange nicht alle Spiele erfunden. Das Spielwerk Hamburg arbeitet aber daran und lädt am Mittwoch zum monatlichen Treffen für passionierte Hobbyspieler und Spieleautoren ins Kulturhaus Eppendorf. Und zusammen werden Spielewelten entwickelt, getestet, verfeinert und natürlich durchgezockt. Auf geht’s, um der einzig guten Form der Spielsucht zu frönen.

Text: Andra Wöllert

 

Karaoke DeLuxe

Für viele (Wannabe-)Sänger ist Karaoke die große Bühne, Marias Ballroom sorgt dank feinster Technik und Videomitschnitt dafür, dass dem wirklich so ist.

Karaoke-Fans, jetzt heißt es warm anziehen oder besser Stimme ölen. Marias Ballroom veranstaltet jetzt nicht mehr nur Konzertabende, jetzt dürfen alle mal ran ans Mikrofon. Und dieses Karaoke ist nicht etwa wie in jeder letzten Schmonzette um die Ecke, nein, es ist deluxe. Warum? Das haben die Betreiber groß und breit selbst beschrieben. Ihre Soundanlage mache jeden einzelnen Song zu einem kleinen Liveauftritt, auch die Mikrofone und Lautsprecher seien von Qualitätsherstellern, ein Soundmixer mache das ganze noch optimaler, ein Soundcheck gehöre dazu, damit auch alles passt, der Text auf dem großen Bildschirm sei auch für (Möchtegern-)Sänger und Spaßversteher mit schlechter Sehkraft lesbar und das Ganze kann nach Wunsch als Audio oder Video mitgeschnitten werden und wird frei Haus an den heimischen Computer gesendet – in HD natürlich. Wahrlich die Edelvariante des Karaoke. Eine Songliste zum Üben ist auch schon online abrufbar. Na, dann bleibt nur noch zu hoffen, dass die Stimme nicht versagt.

Text: Andra Wöllert

 

FrauenFreiluftGalerie

Ein Rundgang mit Mehrwert: Diese Führung erzählt von 100 Jahren Frauenarbeit im Hamburger Hafen – von der Kaffeeleserin bis zur Prostituierten.

Wer bisher glaubte, dass im Grunde nur Männer an der Hafenarbeit beteiligt sind, der kann spätestens jetzt eines Besseren belehrt werden. Beim Spaziergang am Elbufer von Altona nach Neumühlen bekommen Interessierte einen etwas anderen Einblick in den Arbeitsalltag am Hafen. Die Damen der Schöpfung arbeiten nämlich in allen nur erdenklichen Bereichen: in der Fischindustrie, als Fachkraft für Hafenlogistik beim Containerumschlag, an Bord von Luxuslinern oder Frachtern, bei der Ernte von Kaffee, Tabak oder Bananen in Südamerika, als Putzfrauen im Hafenbetrieb, als Prostituierte auf dem Strich, als Kaffeeverleserin, die 1896 am großen Hafenstreik teilnahm oder als Zwangsarbeiterin im Hafen der Kriegsjahre. Künstlerinnen haben ihnen zusammen mit Historikern in der FrauenFreiluftGalerie 14 Denkmäler gesetzt, die bei der individuell zu vereinbarenden Führung 100 Jahre Frauenarbeit im Hafen – zum Beispiel am Mittwoch – begangen werden kann. Und sich im wunderschönen Hamburger Hafengebiet eines Besseren belehren zu lassen, kann nur gut sein – für Frau und Mann (und alle, die sich in keinem der beiden Geschlechter wiederfinden).

 

Sternbrücken Nachtflohmarkt

Party ist nächstes Mal, heute ist Trödeln: Der Nachtflohmarkt an der Sternbrücke verwandelt Clubs wie Waagenbau und Astra Stube in Marktplätze.

Dort, wo sonst elektronische Beats, Reggae oder sonstige Tanzmusik durch die Boxen wummern, ist es diesen Mittwoch vergleichsweise leise – und doch herrscht wildes Treiben. Der Nachtflohmarkt an der Sternbrücke ruft alle Schnäppchenjäger und Schätzesucher zum Trödeln in den späten Abendstunden auf. Seine Pforten öffnet dafür alles, was Rang und Namen an der Brücke hat: Das Fundbureau, der Waagenbau, die Astra Stube und der Wasserschaden sind dabei und machen auf ihrer Tanzfläche Platz für Tapeziertische oder kleinere Varianten. Darauf findet man alles, von der Handtasche bis zum Lampenschirm. Jetzt liegt es nur noch an einem selbst, in dem großen Allerlei herumzustöbern, neue alte Schätze zu finden und den Preis den eigenen Vorstellungen entsprechend runter zu feilschen.

Text: Andra Wöllert

 

„Motown – Die Legende“

Groß angelegte Gala-Show: Schon vor der offiziellen Premiere wird das Musical über das legendäre Soul-Label aus Detroit auf Kampnagel aufgeführt.

Amerika, Ende der 1950er Jahre. Während in Memphis das Label Stax mit Stars wie Otis Redding, Eddie Floyd und The Staple Singers eine noch ungeschliffene Variante von Soulmusik etablierte, war in Detroit längst der Kommerz angesagt. Das dort ansässige Label Motown Records mit Gründer Berry
Gordy setzte von Beginn an auf den Erfolg vor der Masse. Wie genau die Hits der Motown-Legenden Stevie Wonder, Marvin Gaye und Diana Ross entstanden sind, welche Geschichten dahinterstecken und wie die Plattenfirma rasend schnell zu Weltruhm kam, erzählen nun fünf Sängerinnen und fünf Sänger in einer groß angelegten Gala-Show auf beeindruckende Art und Weise nach. Einen Tag vor der offiziellen Premiere wird Motown – Die Legende in einem Preview auf Kampnagel aufgeführt.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Hallo Festspiele

Spielwiese für Musik, Geplapper und Genuss: Was genau hier geschieht, liegt etwas im Dunkeln, klingt aber interessant genug, um einen Besuch zu wagen.

Sechs Tage lang wird das Gelände des Kraftwerks Bille zur Spielwiese für Musik, Performance, Geplapper, Genuss. Erprobung und Auslotung der Möglichkeiten des Raumes ist denn auch schon das erklärte vorrangige Ziel der Initiatoren vom Viele Grüße von Verein. Das Programm folgt dabei der beliebten Dramaturgie hin zu neuen Grenzen und maximaler Ekstase: Von Montag bis Donnerstag dreht es sich noch um gemeinschaftliche Entwicklung, ab Donnerstagabend darf ausprobiert und gespielt und beim gemeinsamen Abendessen ab 20 Uhr auch diskutiert werden. Freitag und Samstag sind dann zum Feiern der gewonnenen Erkenntnisse und neu eroberten Räume da. Das klingt alles noch ein wenig vage, und in der Tat werden konkrete Details zum Programm erst nach und nach lanciert – ist aber auch gleich ein Grund mehr, ab und an auf der Website vorbeizuschauen. Aber hallo!

Text: Friedrich Reip

 

DJ Premier and His Live Band

Aus der Chefetage des Hip-Hop hinab unter die Reeperbahn: Der große DJ, Produzent und Beatmaker kommt mit Band in den Mojo Club.

Nas, Jay Z, M.O.P., Notorious B.I.G., Snoop Dogg: Das Name-Dropping nimmt kein Ende, geht es um die bisherigen Arbeitspartner des US-amerikanischen Hip-Hop-DJ und -Produzenten Christopher Martin a.k.a. DJ Premier. Der hatte sie schon alle vor seinen Reglern und alle profitierten von Premiers unvergleichlichem Stil, diesem Mix aus frotteeweichen Soul- und Jazz-Samples sowie harten Beats und Scratches. Premier umweht schon beinahe der Geruch des Legendären; auf jeden Fall aber ist und bleibt er einer der besten, wichtigsten, speziellsten seines Fachs – und ist seit diesem Jahr dank seiner His Live Band sogar noch etwas spannender. Wir können also einiges erwarten, wenn sie zusammen ins Mojo kommen.

Text: Erik Brandt-Höge

 

„2084“ von Klaus Wyborny

Wie sich Filmemacher Klaus Wyborny im Jahr 1982 die Welt 100 Jahre später vorgestellt hat, zeigt seine Filmvorführung im Metropolis.

Geht es um Zukunftsvisionen, sind gerade der Fantasie von Filmemachern keine Grenzen gesetzt. Autos fahren nicht mehr, sie schweben nur noch. Alles ist verspiegelt, überall metallene Flächen, keine Pflanze wächst weit und breit, höchstens in der Sandwüste. Die Erde wird von Robotern beherrscht und so weiter und so fort. Besonders spannend bis erheiternd ist es, sich bereits jahrzehntealte Filme über die Gesellschaft in der Zukunft anzusehen. Im Metropolis Kino bietet sich dafür am Montag die Gelegenheit.

Dort wird der Film 2084 – Erster Teil der Serie In den Klauen der Sterne von Klaus Wyborny aus dem Jahr 1982 gezeigt. Darin ist die Welt schon so weit oder so zu Grunde gerichtet, dass der Aufbruch zu den Sternen bevorsteht. Träger von XY-Chromosomen wurden in Zellen gesteckt, da sie als gefährlich gelten. Leben dürfen sie nur noch aus sentimentalen Gründen. Um aber weiterleben zu dürfen, müssen sie einmal im Jahr eine Aufgabe erfüllen. Seine filmische Zukunftsvision erklärt Wyborny als Gast selbst – und vielleicht ist sie auch gar nicht so unrealistisch. In 69 Jahren kann auf dieser Welt viel passieren, die aktuelle Lage ist das beste oder traurig-schöne Beispiel.

Text: Andra Wöllert

 

Dog Eat Dog

Die Vorreiter des Crossover kommen: Dog Eat Dog bringen uns mit ihrer Mischung aus Punk, Metal und Hip-Hop im Kaiserkeller zum Schwitzen.

Als John Paul Luke Connor, Sean Kilkenny, Dave Neabire, Dan Nastasi, Brett Austin und Kevin Reilly 1989 in ihrem Proberaum vor 50 Leuten eigene Songs spielten, hatten sie noch keine Ahnung, dass aus ihnen mal eine weltbekannte Band wird, die für viele sogar als die Pioniere des Crossover gehandelt werden. Der Sound kam direkt an und schnell wurden aus dem Probekeller Bühnen und Clubs und da wiederum wurden Produzenten und Plattenfirmen auf die Jungs aus New Jersey aufmerksam – vielleicht auch, weil sie als einzige Crossover-Band so gekonnt ein Saxophon einbrachten.

1991 wurden Dog Eat Dog offiziell ins Leben gerufen, ihre erste EP hatte aber nur mäßigen Erfolg. Der kam erst mit dem Debütalbum All Boro Kings 1994 – und obwohl keines der Nachfolgewerke anknüpfen konnte an das Erstlingswerk, führte ihre auf Party ausgelegte Mischung auf Punk, Metal und Hip-Hop zu einem Boom Mitte der Neunziger. Bis heute sind sie in veränderter Besetzung aktiv und touren durch die mehr oder minder großen Konzerthallen dieser Welt. Ob die Band auch heute noch ihrem Kult gerecht wird, kann man am Montag in Hamburg im Kaiserkeller erleben. Let’s get amped!

Text: Andra Wöllert