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Winzerfest St. Pauli

Gediegen bis feuchtfröhlich: Hamburg wird beim Winzerfest St. Pauli zum Weingebiet. Der Wein selbst kommt aber zum Glück von woanders.

Wenn St. Pauli für etwas nicht bekannt ist, dann für beste Weine. Und doch weilt hier das wahrscheinlich kleinste und kurioseste Weinanbaugebiet der Welt. Am Stintfang reifen jeden Sommer Trauben, die insgesamt 50 Flaschen Hamburger Stintfang Cuvée ergeben. Kombiniert mit der Trinkfreudigkeit von Kiezbesuchern hat die Veranstaltung, um die es hier gehen soll, alle Berechtigung, auf dem Spielbudenplatz abgehalten zu werden. Das Winzerfest St. Pauli stellt Genießern, Weinkennern und Trinkfreudigen bis zum Sonntag Rebensaft aus den Anbaugebieten Pfalz, Rheinhessen und Nahe vor. Und weil sich so ein Wein am besten bei einem guten Happen genießen lässt, werden dazu Scampis, Flammkuchen, Crêpes, Käse oder eine ordentliche Brotzeit angeboten. Ach ja, Livemusik wird auch gespielt. Ob der Hamburger Stintfang Cuvée trotzdem gereicht wird, darf bezweifelt werden. Dessen Qualität schwankt aber ohnehin noch von Jahr zu Jahr – dem norddeutschen Wetter sei Dank.

Text: Andra Wöllert

 

„Der Zinker“

Nebel, Tweed, Kniebundhosen: Im Imperial Theater verbreitet der Lieblingsmörder von Edgar Wallace Angst, Schrecken – und viel Vergnügen.

Intendant Frank Thannhäuser inszeniert Der Zinker, einen der bekanntesten Edgar-Wallace-Krimis, im Imperial Theater neu. Die Geschichte  spielt in der Londoner Unterwelt der 1920er Jahre: Nebel, Tweed, Kniebundhosen, jede Menge Ganoven. Zwei zwielichtige Personen werden sich bei ihrem Deal nicht einig; später ist einer von ihnen tot und Scotland Yard dem anderen auf der Spur. Der Mörder ist: der Zinker. Die Umwandlung in ein Theaterstück überzeugt und das Bühnenbild beeindruckt. Die vielen Spielorte werden mittels ausklappbarer Zimmer in Windeseile gewechselt. Die eigentlich bekannte Story des Zinkers wird in Hamburgs Kieztheater charmant neu erzählt und kommt mit Überraschungen, Plot-Twists und viel Witz daher.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Schönheitsabend“

Lässige Mischung aus Pop Art, Body Art und Martial Art: Florentina Holzinger und Vincent Riebeek zeigen auf Kampnagel ihren neuesten Performance-Coup.

Ein Geheimtipp waren sie eigentlich nie. Schon die erste Zusammenarbeit zwischen der Wiener Extrem-Performerin Florentina Holzinger und dem Niederländer Vincent Riebeek bekam begeisterte Rezensionen. Die gleichzeitig lässige und spektakuläre Mischung aus Pop Art, Body Art und Martial Art. Kein Applaus für Scheiße (2011) war der erste Teil einer Trilogie, die nach Spirit (2012) im vorvergangenen Jahr mit Wellness abgeschlossen wurde. Nun legt das exzentrische Duo mit Schönheitsabend eine Fortsetzung vor, die im Rahmen des Sommerfestivals auf Kampnagel zu bestaunen ist. Der unbekümmerte Einsatz aller möglicher Arten von Körperflüssigkeiten gehört ja mittlerweile zum avantgardistischen Standard, aber auch sonst schrecken die beiden vor nichts zurück: nicht vor übertriebenem Kitsch, nicht vor getanzter Coolness, Varieté-Einlagen und historischen Zitaten aus der langen Geschichte der Body Art. Das Ganze mit vollem Körpereinsatz.

Text: Nik Antoniadis

 

Rüftata 110 vs. Joney

Er hat schon Platten aufgelegt, als Twix noch Raider hieß: Ralf Köster teilt sich im Golden Pudel Club das DJ-Pult mit Jonas Schiefferdecker.

Er soll gelernter Friseur sein. Man hat auch schon gehört, er habe in der Werbung gearbeitet. Sicher hingegen ist: „Er ist älter als Gott und hat auch mehr Platten.“ Das weiß jeder. Ralf Köster aka Raf Köter aka Rüftata 110 war schon Booker im Pudel, als die meisten seiner heutigen Gäste noch mit Playmobil gespielt haben. Er hat schon Platten aufgelegt, als Twix noch Raider hieß. Und er tut es immer noch. Der Erfinder der Sonntagsparty M.F.O.C. steht mal wieder selbst an den Plattentellern. Allerdings nicht allein. Er hat Jonas Schiefferdecker vom Audioluth-Label eingeladen, der unter dem Namen Joney seit 2010 eine ganze Reihe eigener Produktionen und Remixes veröffentlicht hat, jazzigen DrumʹnʹBass, Glitch, Garage (die House-Variante), Techno oder, wie er selbst es nennt: Post Future Jazz. Gute Gelegenheit also für alle, um ihre Elektro-Akkus wieder aufzufüllen.

Text: Nik Antoniadis

 

„Als Wir Träumten“

Wenn die Jugend in der DDR beginnt und in der BRD aufhört: Das Zeise Open Air zeigt das Epos über sich selbst überlassene Heranwachsende.

Als Dani, Mark, Rico, Pitbull und Paul 13 Jahre alt sind, haben sie noch keine Ahnung, dass in vier Jahren die Mauer fallen wird. Ihre Jugend verbringen sie in einer Zeit des Umbruchs. Sie beginnt in der DDR und endet in einem neuen Gesellschaftssystem. Der Stadtrand von Leipzig bedeutete die Welt. Alle Möglichkeiten schienen ihnen offen. Doch natürlich kommt alles anders. Einer rutscht in die Kriminalität ab, ein anderer stirbt. Und doch war es ihre Zeit. Clemens Meyers Roman Als Wir Träumten wurde von Andreas Dresen verfilmt – und wird nun am Montag beim Zeise Open Air gezeigt. Verbindet das Angenehme mit dem Angenehmen und schaut den Film unter dem freien Sommerhimmel im schönen Rathaushof von Altona.

Text: Andra Wöllert

 

Halbfinale Hamburger Stadtmeisterschaft

Hamburg wird in dieser Woche zur Poetry-Slam-Hochburg. Grund ist die Stadtmeisterschaft in gleich sechs Locations. Start ist im 73.

Für Wortakrobaten, Geschichtenerzähler und Reimemonster wird Hamburg in dieser Woche offiziell zum Paradies. Die Hansestadt mag im Deutschlandvergleich ohnehin schon die meisten regelmäßigen Poetry Slams veranstalten, aber das wird die Kirsche auf der Sahne, das Tüpfelchen auf dem i. Ihr wisst schon! Die Hamburger Stadtmeisterschaft im Slammen lädt zum Gipfeltreffen – und das nicht etwa mit einer Veranstaltung, sondern gleich sechs an der Zahl. Den Anfang macht der erste Teil des Halbfinale Einzel im Saal des Haus 73 am Montag. Jeden Tag folgt dann eine andere Location in allen (coolen) Ecken der Stadt. Das große Finale wird am Samstag in der Friedrich Ebert Halle ausgetragen. Die Teilnehmer versuchen, mit ihren Texten die Publikumsjury zu überzeugen, und der Sieger, egal ob U oder Ü 20, wird Hamburg dann bei den deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften vertreten, die dieses Jahr in Augsburg stattfinden. Zettel und Stift schon gezückt?

Text: Andra Wöllert

 

Astral Taxi

Montag ist Schontag? Das muss nicht sein! Für alle, die sich den meistgehassten Tag der Woche schön tanzen wollen, empfiehlt sich der Pudel.

Dieser güldene Laden ist für Nachtschwärmer schlicht und einfach das einzig verlässliche Refugium unter der Woche in Hamburg. Ihr habt am Wochenende gearbeitet oder könnt einfach den Hals nicht voll genug bekommen was nächtliche Aktivitäten mit guter Musik angeht? Dann heißt die richtige Adresse Golden Pudel Club. An diesem Montag legt Haus- und Hof-DJ Astral Taxi auf. Beim „Facebook googlen“ findet man übrigens keine Infos zu Astral Taxi, aber ein gleichnamiges Fuhrunternehmen im rumänischen Städtchen Deva – und diese Info freut einen fast genauso, wie das Wissen, dass man es sich leisten kann, an einem Montag auszugehen. In den Pudel. Mit Stickern an der Wand, Bier in der Hand und Astral Taxi im Ohr.

Text: Andra Wöllert

 

The Dillinger Escape Plan

Mathcore-Metal-Progressive: Die Staatsfeinde der Herzen, The Dillinger Escape Plan, kommen wieder nach Hamburg und rocken das Logo.

In Sachen neues Album muss man sich noch in Geduld fassen, da trifft es sich gut, dass The Dillinger Escape Plan nicht nur diverse Festivals in diesem Sommer beschallen, sondern zur Überbrückung auch noch zig Clubs ansteuern werden, unter anderem das Logo in der Hansestadt. Seit 1997 ist die Band aus New Jersey, benannt nach dem einstigen Staatsfeind Nr. 1, John Dillinger, mittlerweile am Start und hat einiges an Umbauten wegstecken müssen. Von der Gründungsbesetzung ist nur noch Mastermind Ben Weinman dabei, die Kongenialität der Frühwerke hat das letzte Album One Of Us Is Killer nicht mehr ganz erreicht, dennoch gehört die Band insbesondere live zu den kompetentesten Erzeugern veritablen Lärms auf dem Grat zwischen Tinnitus, Core und krummer Metrik.

Text: Ingo Scheel

 

„Taxi“

Taxifahrerin Alex hat Krach mit dem Freund, eine Affäre und einen Affen als Fahrgast. Karen Duves „Taxi“ wurde verfilmt und feiert im Abaton Premiere.

Die ganze Stadt ist ihr Revier: Alex (Rosalie Thomass) ist dem Taxifahren verfallen. Trotz blöder Sprüche ihrer Taxifahrerkollegen und Anmachen durch nervige Fahrgäste kommt sie vom Bock einfach nicht runter. Die Beziehung mit dem verkrachten Maler Dietrich (Stipe Erceg) ist eine einzige Katastrophe, auch weil Alex ein intensives Sex-Leben mit dem kleinwüchsigen Marc (Peter Dinklage) teilt. Doch Konsequenzen zieht Alex erst, als ein echter Affe auf dem Beifahrersitz Platz nimmt … Taxi, der Roman von Karen Duve, in der die Autorin eigene Erlebnisse aus den Achtzigern verarbeitet hat, erzählt von rauen Begegnungen im Hamburger Großstadtdschungel. Die Verfilmung durch die Regisseurin Kerstin Ahlrichs gibt den Spirit von damals adäquat wieder und überzeugt durch ihr stimmiges Lokalkolorit. Zur Premiere im Abaton am Dienstag fahren Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin übrigens mit der Luxusversion des Taxis, einer Limousine, vor.

Text: Peter Patek

 

„Everywhere and Nowhere“

Wer, wenn nicht die Vorreiter-Elektro-Musikerin Holly Herndon, kann eine Ausstellung aus Klängen komponieren – zu hören im Kunstverein.

Holly Herndon ist sicher eine der richtungsweisendsten Elektronika-Künstlerinnen derzeit, und über ihren eigenen künstlerischen Output hinaus ist die Komponistin zudem Doktorandin am Stanforder Center for Computer Research in Music and Acoustics. Zusammen mit dem Kunstverein in Hamburg und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe stellt Herndon nun mit Mathew Dryhurst eine ganz neue Arbeit, Everywhere and Nowhere, vor. Im Kunstverein macht sie im Rahmen des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel Musik zu einer Ausstellung. Im Klangdom hat sie 24 Lautsprecher verteilt, die mit einer Steuerungssoftware so bespielt werden, dass der Klang zu einer plastischen Raumerfahrung wird. Bis zum 13. September wird sie den Kunstverein beschallen. Wer außerdem an der Musik von Holly Herndon interessiert ist, dem sei ihr Konzert auf Kampnagel am 20. August ans Herz gelegt.

Text: Andra Wöllert