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Break Even + Landscapes + Endless Heights

Bierdusche, Pogo und massenhaft Kurze: Im Hafenklang liefern vier Bands die volle Packung Punk, Rock und Hardcore ab.

Es kreischt und kracht mal wieder ordentlich rund um das Hafenklang. Am Mittwochabend kann sich hier jeder die volle Packung abholen, diesmal in zwei getrennten Konzerten mit verschiedenen australischen Akzenten. Auf dem Programm steht alles von Fun Punk bis Hardcore mit Botschaft. Im Hafenklang selbst drehen Break Even, Landscapes und Endless Heights die Verstärker auf. Besonders Break Even musste für die Europatour erst mal neue Energie tanken, nachdem sie in den vergangenen Jahren einiges an Höhen und Tiefen durchgemacht haben: ausgedehnte Tourneen, Kritiken als angesagte Hardcore-Band, dann der Selbstmord von Gitarrist Rowan Willoughby. Das Album, das die verbliebenen Bandmitglieder danach produzierten, nannten sie The Bright Side. Klingt zwar nicht so, ist aber – so posteten sie auf Facebook – als Ermutigung für alle gedacht, „die schönen Seiten in allem zu sehen, im Leben, in Träumen oder im Verlust“.

Die Botschaften, die The Rumjacks unters Volk bringen, sind etwas leichter verdaulich. Sie fackeln nicht lange und hauen im Goldenen Salon ehrlichen, rohen und brettlauten Celtic Folk Punk raus. Was das ist? Eigentlich genauso etwas wie die Dubliners, nur mit E-Gitarren, Bierdusche, Pogo und massenhaft Kurzen.

Text: Nik Antoniadis

 

Enno Bunger

Traurig-funkelnder Indie-Pop: Der friesische Barde spielt sich vor dem Knust schon mal warm, bevor im September sein neues Album herauskommt.

Der Ursprung von Enno Bungers berühmter Melancholie: Flachsmeer, Ostfriesland. Hier ist der Sänger und Songschreiber aufgewachsen, hat die ganze Schlicht- und Schönheit der Landschaft erlebt. Beides ist deutlich hörbar in Bungers Liedern, diesen traurig-funkelnden Indie-Pop-Stücken mit Fokus auf das Klavierspiel und den tiefgehenden Gesang des 28-Jährigen. Vielleicht der Höhepunkt seiner bisherigen Arbeit: Die Ballade Regen und der Auftritt damit in der Schwarz-Weiß-Musikshow TV Noir. Bungers neues Album Flüssiges Glück, das zudem eine feine elektronische Note enthält, erscheint am 18. September.

Bei der Knust Acoustics Sommersession folgen ihm Bender & Schillinger und das deutsch-amerikanische Singer-Songwriter-Duo Sarah & Julian auf die Bühne auf dem Lattenplatz.

Text: Erik Brandt-Höge

 

The Typhoons

Bequeme Nische zwischen Garage Punk, Retro-Nerds und Schlagerparade: „Schulaus Finest Surf Band“ geht an Bord der Hedi.

Ohne Quentin Tarantino wäre Surf wahrscheinlich auf einem Regal ganz hinten im Museum der Musikgeschichte verstaubt. Aber seit Pumpkin und Honey Bunny die grandiose Idee hatten, zu Dave Dales Version von Miserlou einen Diner zu überfallen (und so Pulp Fiction zu eröffnen), gibt es nur sehr wenig, das cooler ist als Surfmusik. Früher war sie natürlich auch schon cool. Link Wrays Rumble 69 kam – als Instrumental! – auf den US-Index und wurde im Radio nicht mehr gespielt: zu sexy! Aber das war 1958, sogar unsere Eltern haben das vergessen. Seitdem hat es sich Surf in einer Nische zwischen Garage Punk, Retro-Nerds und Schlagerparade bequem gemacht. Aus dieser Nische haben es sich die Typhoons ausgeliehen. „Schulaus Finest Surf Band“ holt die Klassiker genauso raus wie Surfversionen von Slayer bis Blondie, von Schulau bis Waikiki. Wo könnte das besser passen als auf der MS Hedi?

Text: Nik Antoniadis

 

„Berlin Calling“

Zwischen Party-Euphorie und Drogenapathie: Im Schanzenpark läuft der Techno-Kultfilm open air. Zur Einstimmung lädt vorher CnL zur Kopfhörer-Party.

„Vielleicht der beste Film, der je über Techno gedreht wurde“, urteilte der Spiegel einmal. Hannes Stöhrs Film ist längst Kult, der Soundtrack von Hauptdarsteller Paul Kalkbrenner ebenfalls. Kalkbrenner, selbst angesagter DJ und Produzent, ist in Stöhrs Techno-Drama DJ Ickarus, ein Plattendreher der Berliner Premier League, der den Underground und die internationale Clubszene aufmischt. Eingelullt von Party-Euphorie und Drogenapathie geht er schließlich vor die Hunde, als sein Erfolg am größten ist. Wer Techno bisher todlangweilig fand, wird beim Schanzenkino Open Air nicht bekehrt. Wer aber immer schon irgendwie drauf stand, wird sich hier an viele, lange und verschwitzte Nächte zurückerinnern. Zur richtigen Einstimmung beginnt ab 14 Uhr die sonntägliche LAUTlos-Kopfhörer-Party im Schanzenpark, diesmal mit CnL am Pult.

Text: Nik Antoniadis

 

Ceremony

Psychedelik, gesampelte Selbstgespräche, Robert-Frost-Zitate: Die Kalifornier um Ross Farrar kommen mit neuem Album und neuem Sound ins Hafenklang.

„I nearly choked on the u-cord till my dad came and cut me lose. He said, The pain you feel today, it will never go away, the best way out is always through.“ In dieser einen Textzeile aus Back in 84 scheint sich das ganze wütende Pathos von Ceremony zu verdichten – dessen Sänger Ross Farrar tatsächlich beinahe durch die Nabelschnur (auf Englisch umbilical cord) erdrosselt wurde, hätte sein Vater ihn nicht freigeschnitten. Dabei ist Ceremony im Verlauf von inzwischen fünf Studioalben musikalisch nicht stehengeblieben, sondern hat im Gegenteil große Schritte gemacht. Seit ihren Anfängen als rohe Hardcore-Punk- und Powerviolence-Band haben sich psychedelische Elemente eingeschlichen, gesampelte Selbstgespräche, Robert-Frost-Zitate, ein Mix aus New-Wave-Avantgarde und eruptiver Punk-Attitüde. Zeugnis von dieser Entwicklung legt das aktuelle Album The L-Shaped Man ab, das im vergangenen Mai releast wurde und das die Jungs aus Kalifornien auf ihre Europatour mitgenommen haben. Im Hafenklang erhalten sie Support von der jungen Hamburger Formation Monographic.

Text: Nik Antoniadis

 

Snntgs-Kaffeetänzchen

Kaffee und Kuchen für Nachtschwärmer mit Primärenergieüberschuss: Im Molotow kann man das Wochenende ganz entspannt ausklingen lassen.

Mit dem neuen Zuhause für das Molotow am Nobistor wuchs die Veranstaltungsfläche um einen (inzwischen fast schon als Garten zu bezeichnenden) Hinterhof. Und mit dem Hinterhof überwuchern die sonntäglichen Möglichkeiten nun im Zweiwochenrhythmus die Wahl zwischen Sofa und Afterhour um eine luftig-fluffige Alternative mehr: Denn seit Anfang Juni lädt die Veranstaltungsreihe snntgs regelmäßig ins oder besser hinters Molotow, um all das zu vereinen, wozwischen man sich am Wochenende noch nie entscheiden konnte. Hier gibt es neben dem klassischen Barsortiment Kaffee und selbst gebackenen Kuchen, neben der im elektronischen 4/4-Takt beschallten Tanzfläche gemütliche Sofas und somit Fläche sowohl für all jene, die Kopf und Körper noch von Freitag und Samstag entlüften müssen, wie auch für jene, die noch einen Energieüberschuss vor der neuen Woche tänzerisch oder plaudernd in die Welt zu entlassen haben. Das Line-up wechselt dabei zwischen den verschiedenen Spielarten der elektronischen Sommerklänge und zeigt vor allem, dass die drei Köpfe hinter snntgs schon in so einigen Club- und Open-Air-Projekten ihre Spürnasen geübt haben. An diesem Sonntag gibt es Kaffee und Kuchen mit Cranque, Doc Strange, Monodosis und Bauch.

Text: Miriam Mentz

 

„Am grünen Rand der Welt“

In üppigen Bildern erzählte Kostümschmonzette: Das Magazin zeigt am Sonntagmorgen die historische Love Story des Ex-Dogmatikers Thomas Vinterberg.

Es liegt ein bisschen unter dem Radar: Egal, wo man wohnt, das Magazin scheint immer irgendwie am Ende der Welt zu liegen. Dabei ist dieses älteste Hamburger Traditionskino, dieser wunderbare Backsteinbau in einer Seitenstraße von Winterhude, immer eine Reise wert. Da passt es gut, einen Film mit dem Titel Am grünen Rand der Welt zum Anlass zu nehmen. Wer fürchtet, ein Werk des Ex-Dogmatikers Thomas Vinterberg könnte ein bisschen schwere Kost sein für einen Sonntagmorgen, kann sich getrost beruhigen lassen: Es ist ein wahrer Sonntagsfilm, eine in üppigen Bildern erzählte Kostümschmonzette um eine junge Gutsherrin, die sich im prüden viktorianischen England frei von männlicher Dominanz entfalten will, nur um sich dann zwischen, ja, drei Männern entscheiden zu müssen. Es ist alles dabei: große Gefühle, echtes Drama, eine spektakulär in Szene gesetzte Landschaft. In Winterhude. Heimlicher Star bleibt aber das Kino.

Text: Nik Antoniadis

 

Bauchrednertreffen

Dennis Cooper liefert den Stoff, den Gisèle Vienne zusammen mit dem Avantgarde-Puppentheater Halle auf die Kampnagelbühne zaubert.

Weil William Shakespeare Berger seine Frau und seine Kinder überlebte, machte er sich Sorgen um die Zukunft seiner umfangreichen Puppensammlung. Schließlich gründete der Unternehmer und Hobbybauchredner eine Stiftung, aus der ein kleines Museum entstanden ist. Diese winzige, schrullige Attraktion, die in drei garagenartigen Gebäuden in einem Wohngebiet in Kentucky untergebracht ist, erlebt einmal im Jahr einen ganz außergewöhnlichen Besucherandrang, wenn Hunderte von Puppenspielern sich zur Vent Haven Ventriloquists‘ ConVENTion einfinden, eine Art Expo für Bauchredner. Auf der Grundlage von Dokumentaraufnahmen dieser Treffen hat der Autor und Performancekünstler Dennis Cooper ein schrilles und absurdes Bühnenstück geschrieben, das nun von Gisèle Vienne zusammen mit Mitgliedern des Avantgarde-Puppentheaters Halle auf Kampnagel aufgeführt wird. Spieler sprechen mit Puppen, Puppen mit Spielern und schließlich mischen sich auch körperlose Stimmen in die bizarren Dialoge. Vienne ist kein Neuling beim Sommerfestival. Zuletzt war sie 2013 mit ihrer Produktion THE PYRE in Hamburg, gemeinsam mit dem KTL-Trio, dessen Mitglied Stephen O’Malley mit seiner Drone-Band Sunn O))) an diesem Sonntag ab 21 Uhr die Bühne übernimmt.

Text: Nik Antoniadis

 

Bukowski Reloaded

Streitlustiger Trinker, Drifter und Erzähler: Die Markthalle zeigt die vollständige Originalfassung der legendären Hamburger Bukowski-Lesung von 1978.

„Nur Arschlöcher reden über Literatur.“ Man könnte Bände damit füllen, wer in den Augen von Charles Bukowski alles ein Arschloch ist. Es gibt trotzdem keinen Grund sich schlecht zu fühlen, wenn man am Ende dieses Abends darüber spricht, was man gerade zu Hören bekam. Denn seine Lesung in der Hamburger Markthalle im Jahr 1978 hat zwar in den vergangenen Jahrzehnten legendäre Züge angenommen, aber wer nicht dabei war, konnte auch nie so richtig mitreden, denn es gab keine vollständigen Mitschnitte, die veröffentlicht wurden – bis jetzt. Die Charles-Bukowski-Gesellschaft zeigt in einer Weltpremiere die ungekürzte Originalfassung der gesamten Show, in der sich Bukowski, von seinen Hamburger Fans frenetisch gefeiert, rauchend und trinkend durch einen großartigen Abend raunt.

Für alle, die sich die komplette Bukowski-Packung geben wollen, fängt der Tag schon um 13 Uhr an. Dann findet – ebenfalls in der Markthalle – ein Symposium statt, bei dem drei führende Bukowski-Experten neue Einblicke in das Werk dieses streitlustigen und ungemein produktiven Trinkers, Drifters und Erzählers geben. Der Eintritt dazu ist frei.

Text: Nik Antoniadis

 

Taste. Fest der Künste

Das durch Crowdfunding finanzierte Festival verwandelt den Kolbenhof übers Wochenende in einen Spielplatz für Design, Kunst, Musik und Kulinarik.

Arschkriecher mag keiner leiden. Beim Taste-Festival kann es allerdings passieren, dass man selbst zu einem wird. Denn in den Hallen des Kolbenhofs zeigt der Hamburger Künstler Klaus Friese nicht nur seine Fotografien, die den Hintern in den Mittelpunkt rücken, sondern stellt auch eine „Arschbox“ auf, in der man seinen eigenen Hintern fotografieren kann. Frieses Objektkunst wird aber nicht das einzige erleb- und begehbare Element beim Fest der Künste sein. Sandra Fröde und Annemarie Falkenhain, die beiden Initiatorinnen der erstmaligen Veranstaltung, wollen eine Art „genreübergreifenden Spielplatz“ über zwei Etagen installieren. Statt sterilem White-Cube-Konzept und klarer inhaltlicher Richtung bietet das zweitägige Festival eine wilde Mischung aus Produktdesign, Fotografie, Bildender Kunst, Mode, Malerei und Kochkunst. Die Besucher sollen Teil der Ausstellungsfläche werden, anfassen, mitmachen, sich austauschen. Und die lateinamerikanischen Snacks von den Salt & Silver-Jungs probieren, sich in die handgemachten Taschen von Ohzel aus recycelten Lederjacken verlieben, ein Gemälde von Sophie Langhorst erstehen oder erfahren, wie um Himmels willen Florian Schreyer auf die Idee zu seinen beliebig verlängerbaren Penis-Bildern gekommen ist. Dazu gibt’s in garantiert ungezwungener Atmosphäre genügend zu trinken und Livemusik.

Text: Julia Braune