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Mediterranea

Das Spielfilmdebüt des jungen Italoamerikaners Jonas Carpignano nimmt den Zuschauer mit auf eine lebensgefährliche Reise: So wie Tausende andere Menschen brechen auch die beiden Freunde Ayiva (Koudous Seihon) und Abas (Alassane Sy) auf, um sich in Europa eine neue Existenz aufzubauen, um sich ein Leben ab von Armut mit neuen Perspektiven aufzubauen. Sie verlassen ihre Heimat Burkina Faso, flüchten auf einem Schmugglerboot nach Italien – und treffen dort auf ein feindseliges Klima, das sich in den Unruhen in Rosarno 2010 entlädt. Mediterranea (OmU) wird am Sonntag im Studio Kino gezeigt, denn auch wenn die realen Ereignisse bereits fünf Jahre zurückliegen, hat das Drama nichts an Brisanz verloren – wenn es nicht sogar brisanter denn je ist.

Text: Julia Braune
https://www.youtube.com/watch?v=qaALVBbde_A

 

Kann denn Liebe Synthie sein?

Kann denn Liebe Synthie sein? Darf es niemand wissen, wenn man sich trifft, wenn man einmal alles vergisst vor Glück? Klar, alle sollen es wissen, vor allem wenn das Glück in Form von guter elektronischer Musik durch die Lautsprecherboxen dröhnt. Und wie der Partyname andeutet, wird hier alles gespielt, bei dem das Achtziger-Jahre-Kultinstrument mehr oder weniger deutlich zum Einsatz kommt. Zusammen mit dem Radioprojekt Robothek holt man sich bei der kommenden Veranstaltung die mexikanische und in Barcelona lebende DJane und Produzentin Lokier ins Haus, die ihr „Slow Mo Science Fiction Horror Movie Sound Cineastisches B-Movie“-Set spielt. Die Golem-Krypta wird wie immer elektrisiert sein!

Text: Andra Wöllert

 

Tocotronic

Als die Rockgruppe Tocotronic Mitte der 90er Jahre in Hamburg begann, die deutsche Spießbürgerlichkeit zu verteufeln und sich allen denkbaren bürgerlichen Idealen mit viel Spaß zu widersetzen, konnte man nur spekulieren, was aus dieser Verweigerungshaltung alles passieren könnte. So weit, dass Sänger Dirk von Lowtzow und seine Mitstreiter bald zur Diskurs-Band Nummer eins und überhaupt zu einem der größten Musik-Acts im Land werden könnten, gingen die Gedankenspiele jedoch nicht. Von Lowtzow freut sich heute noch etwas verwundert über die Massen, die weiterhin zu den Tocotronic-Shows strömen, und speziell über die immer wieder neuen jugendlichen Zuschauer.
Mit rauer Gitarre über Liebe und, na klar, Widerstand singt von Lowtzow bald einmal mehr in Hamburg, wo die Band nach wie vor ihren Proberaum hat. Ein Novum gibt es: Zum ersten Mal werden Tocotronic in der Sporthalle auftreten. Der Frontmann ist extra gespannt: „Ich habe dort 2001 Roxy Music auf ihrer Reunion-Tour gesehen, ich war dort mit Justus Köhncke und Andreas Dorau. Es war magisch.“ So wie sicherlich diesen Samstag.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Engel in Amerika

Die 1980er-Jahre in den USA wurden durch die Reagan-Ära ebenso geprägt wie durch das Aufkommen von Aids. Dass die konservative Regierung sich damals weigerte, die Epidemie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, machte die Sache nicht besser. Mit dieser Endzeit-Stimmung in der US-amerikanischen Gesellschaft rechnet Tony Kushners mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnetes Drama Engel in Amerika ab. Darin verwebt der Autor drei unabhängige Handlungsstränge zu einer bitteren Bilanz: Ein rechts gerichteter, korrupter Anwalt verheimlicht seine HIV-Infektion und lässt sich vom Arzt eine falsche Diagnose bescheinigen; eine langjährige Ehe zerbricht an den heimlichen Affären des Mannes mit anderen Männern; und eine schwule Beziehung hat nach Bekanntwerden der Aids-Erkrankung eines Partners keine Chance mehr. Bastian Kraft, Regisseur Jahrgang 1980 und am Thalia Theater ein guter Bekannter, inszeniert die ausgezeichnete Geschichte mit einem Abstand von rund dreißig Jahren. Premiere ist am Samstag, es folgen weitere Termine im Oktober.

Text: Dagmar Ellen Fischer

 

MoTrip

„Früher 4-Spur-Gerät, Bruder, jetzt mp3/Projekt Nummer zwei zieht direkt auf die Eins“ – mit dieser selbsterfüllenden Prophezeiung aus dem Stück Mathematik ist MoTrips Rechnung Mitte des Jahres aufgegangen. Das Ergebnis: Die Pole Position der Albumcharts mit seiner aktuellen Platte Mama. Dabei war bereits von Kindesbeinen an klar, dass die Musik einen großen Platz in MoTrips Leben einnehmen wird. „Schon als kleiner Junge bin ich mit meinem Bruder in der Küche ums Radio herumgesprungen und habe gefreestylet“, erinnert sich der Rapper aus Aachen. „Meine Mutter hat mich damals bereits gefragt, was ich damit vorhabe.“ Heute weiß sie es: Eine aufstrebende Karriere als Berufsrapper. Ob seine Eltern jetzt stolz auf ihn sind? „Und wie“, freut sich der 27-Jährige, „mittlerweile ist wohl niemand stolzer auf mich als mein Vater. Der war lange Zeit eher skeptisch, weil er wollte, dass aus mir etwas Anständiges wird. Aber neulich war er auf einem Konzert von mir und konnte gar nicht glauben, was er da gesehen hat – wie die Leute meine Songs gefeiert haben, jedes Wort mitrappen konnten und einfach bewegt waren.“ Die Spannung vor dem anstehenden Hamburg-Konzert könnte demnach größer kaum sein. Offiziell gibt es keine Karten mehr.

Text: DAN

 

Gebutstags-Kick-off

Ein kleines bisschen Sentimentalität ist schon okay: 25 Jahre gibt es das Molotow nun schon. Jahre, in denen nicht immer sicher war, wie es weitergeht. In denen man die Esso-Häuser verlassen musste, ins Exil ging und ans Nobistor zog. Aber vor allem auch 25 Jahre, in denen heute weltberühmte Bands wie The Killers oder Bright Eyes spielten, in denen der Club mehrfach für sein exzellentes Booking ausgezeichnet wurde! Gefeiert wird all das mit einer Reihe Veranstaltungen. Der Kick-off zum Jubiläum beginnt am Samstag mit Little May, Eat The Gun und Empire Escape und einigen Überraschungen auf allen drei Etagen. Ein Abend, der die ganze Bandbreite des Clubs von Rock über Punk bis zu düsterem Pop zeigt. Und die passende Party gibt’s mit Motorbooty! oben drauf!

Text: Miriam Mentz

 

Live und in Farbe

Die alten Freunde Christian Brinkmann und Dominik Dawidzinski haben jüngst das Tech-House Duo Bringit & Zinski gegründet und widmen sich verstärkt der Verbindung von elektronischen Beats und Live-Improvisationen am Klavier. Bald war ihnen klar, dass auch andere DJs Sets fahren, zu denen analoge Instrumente spielen und so entstand die gemeinsame Idee zu Live und in Farbe. Die dort zelebrierte Verschmelzung von Elektronik und dem Human Factor hat für das Tanzvolk einen besonderen Reiz, eine Mischung aus Konzertfeeling und Dancefloor. Bildende Kunst, wie etwa die Krake von Max Marley, erweitern das berauschende Gesamterlebnis und versprechen einen intensiven Abend irgendwo zwischen Rave und Philharmonie, zwischen Performance und Exhibition.

 

All Exhale mit Trentemøller

Man ist ja bekanntlich schnell gelangweilt, weswegen wir gar nicht genug bekommen können von neuen Partyreihen und mutigen Experimenten. Es ist also ein großes Glück, dass sich hinter All Exhale kein Atemtraining verbirgt, sondern ein weiterer geschützter Raum für elektronische Musik. Fürs Debüt haben die Betreiber dabei einen echten Kracher gebucht: Nach gut zehn Jahren, drei Soloalben und Remixen für Kollegen wie Moby, The Knife oder Röyksopp ist Trentemøller fraglos einer der Großen, die sich derzeit mit Knöpfchen und Reglern beschäftigen. Mehr noch als fürs Studio gilt das für seine Auftritte vor Publikum: Auf Platte gern sensibler Traumelektroniker, ballert der Däne sich und sein Publikum live lieber in einen reuelosen Rave, als in düsteren Klangräumen zu schwelgen.

Text: Friedrich Reip

 

The Cat Empire

Zugegeben, es fällt ziemlich schwer, sich die Musiker von The Cat Empire in einer sterilen, publikumslosen Studioszenerie vorzustellen. Eine Vermutung: Ein neues Album bildet lediglich den Vorwand dafür, damit die sechs Australier endlich wieder auf Tour gehen können. Denn es scheint, als würden ihre Songs, in denen Ska, Funk, Reggae, Klezmer, Rock und HipHop wie selbstverständlich miteinander fusionieren, erst in Anwesenheit einer verschwitzten, jubelnden Menschenmenge ihr wahres Potential entfalten können. Angespornt vom Beifall werden da die Originale in jazzigen Improvisationen auch schon mal komplett über den Haufen geworfen. Es bleibt dabei: Gute Musiker nehmen nur aus einem Grund ein Album auf – um es möglichst schnell live zu spielen. In diesem Falle hört man schon vor Veröffentlichung Stücke aus der neuen Scheibe, die dieses Jahr noch erscheinen wird.

Text: Katharina Grabowski

 

Frittenbude

Bock auf Stagediven? Go for it! Und wenn’s von allein nicht klappt, betätigen sich die Fritten gerne als Kuppler. Bei den von ihnen angezettelten Pogo-Einlagen muss man allerdings darauf gefasst sein, dass schon mal was kaputtgeht (Brille, Handy) oder danach was ganz schön wehtut (Knie, Auge, Hand). Welcome to the Abrissparty! Und wie auf Malle gelingt auch beim Ausflug mit der Frittenbude die Realitätsflucht ins Konfetti-Traumland. Mit Texten, die nicht den Anspruch erheben, Sinn zu stiften. Aber gute Laune mit Sicherheit. Bestes Beispiel: Der Song Die Möglichkeit eines Lamas vom taufrischen Album Küken des Orion, der sich mit treibenden Beats sofort im Körper festsetzt und ihn erst wieder verlässt, wenn dieser einmal von oben bis unten durchgeschüttelt wurde. Und der auch auf den Punkt bringt, um was es den drei Bayern geht: „Wir haben es schon vor jenen Jahren gewusst, dass es das Hier und das Jetzt ist, der erhabene Stuss, der für uns die Welt ist, der für uns zählt und es fällt nicht mal so sehr aus dem Rahmen, wie wir immer dachten.“ Seit diesem Sommer bringen Frittenbude die geballte Anarchie sogar zu fünft auf die Bühne.

Text: Theresa Huth