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Obama – befreundet mit einem Terroristen?

Sarah Palin hat am Wochenende einen Vorgeschmack auf die härteren Tage gegeben, die im amerikanischen Wahlkampf bevorstehen – zumal seit das republikanische Ticket in den Umfragen weiter zurückfällt.

Sie warf Barack Obama vor,  er pflege „kumpelhafte Beziehungen zu Terroristen“ (palling around with terrorists).

Der Vorwurf geht zurück auf eine Geschichte der New York Times, in der Obamas Beziehung zu Bill Ayers rekonstruiert wird, einem der Gründer der marxistisch-terroristischen „Weatherman“-Gruppe. Ich muss hier die von der Times referierten Fakten nicht rekapitulieren. Nur soviel:

„Mr. Obama, 47, has played down his contacts with Mr. Ayers, 63. But the two men do not appear to have been close. Nor has Mr. Obama ever expressed sympathy for the radical views and actions of Mr. Ayers, whom he has called “somebody who engaged in detestable acts 40 years ago, when I was 8.”

Ich kann in Obamas Kontakten zu Ayers wenig Problematisches finden. Allerdings stehe ich ziemlich fassungslos vor der Tatsache, dass ein politischer Irrer wie Ayers es in Chicago zum „Distinguished Professor“ für Erziehungswissenschaften (!) gebracht hat. Wäre es angesichts seiner radikalen Opposition gegen das „Schweinesystem“ anno ’68ff. nicht angemessen gewesen, eine gewisse Schamdistanz zu eben jenem System zu halten, statt dann mirnichtsdirnichts ins Establishment aufzusteigen? Ekelhaft, sowas.

Und hier liegt auch ein Problem für den demokratischen Kandidaten: Von solchen Kreisen sollte man aus Gründen politischer Hygiene grundsätzlich Distanz halten. Wer einst im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte für Terror als politisches Mittel gestanden hat und bis heute ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt hat, gehört in die politische Isolation.

Obama hat sich allerdings in deutlichen Worten von den „widerwärtigen Akten“ distanziert, für die Ayers gestanden hat. Und es gibt keine Indizien, dass er je für den Radikalismus des „Weather Ungergrounds“ irgendwelche Sympathien gehabt hat (die ja ohnehin retrospektiv gewesen wären, des Alters wegen). Die Times zitiert in dem Artikel Obamas Kompagnon bei der Harvard Law Review, einen späteren Bush-Mitarbeiter: Obama war ein pramatischer Linker, der den Radikalen eher ein Dorn im Auge war.

Die McCain-Palin-Kampagne braucht dringend Stoff, um die Basis zu begeistern, die wegen der schlechten Wirtschaftslage von der Fahne geht.

Es wird deutlich, dass die Dame hier in die Offensive geht, nicht der alte Soldat. Dem Ehrenmann McCain selber liegt dergleichen nämlich überhaupt nicht.

McCain ist ein Mann, der zuviel erlebt hat, um sich auf die Fiesigkeiten eines solchen Wahlkampfs einzulassen. (Jedenfalls bisher.)

John McCain hatte übrigens selbst einen radikalen Freund: David Ifshin, einen der Studentenführer, die seinerzeit gegen den Vietnamkrieg demonstriert haben. Ifshin kam nach Nordvietnam, als McCain dort einsaß, um Amerikas Krieg öffentlich zu denunzieren. Solche Reisen nach Hanoi wurden damals als Hochverrat angesehen. Doch McCain hat Ishin später eine rührende Rede gewidmet, in der er versuchte, die Wunden zu heilen, die der Vietnam-Krieg gerissen hatte. Am 16. Mai 2007 sprach McCain vor Studenten der Columbia Universität über David Ifshin:

„I had a friend once, who, a long time ago, in the passions and resentments of a tumultuous era in our history, I might have considered my enemy,“ Mr. McCain said. „He had come once to the capitol of the country that held me prisoner, that deprived me and my dearest friends of our most basic rights, and that murdered some of us. He came to that place to denounce our country’s involvement in the war that had led us there. His speech was broadcast into our cells. I thought it a grievous wrong and I still do.“

„When he returned to his country he became prominent in Democratic Party politics,“ the senator said. „He still criticized his government when he thought it wrong, but he never again lost sight of all that unites us. We met some years later. He approached me and asked to apologize for the mistake he believed he had made as a young man. Many years had passed since then, and I bore little animosity for anyone because of what they had done or not done during the Vietnam War. It was an easy thing to accept such a generous act, and we moved beyond our old grievance,“ Mr. McCain said.

„We worked together in an organization dedicated to promoting human rights in the country where he and I had once come for different reasons. I came to admire him for his generosity, his passion for his ideals, for the largeness of his heart, and I realized he had not been my enemy, but my countryman . . . my countryman …and later my friend. His friendship honored me. We disagreed over much. Our politics were often opposed, and we argued those disagreements. But we worked together for our shared ideals,“ the senator said.

Große Sätze. McCain hat Ifhsin geschätzt, weil jener  eine radikale Revision seines Denkens vorgenommen hatte (anders als Ayers).

Unwahrscheinlich, daß wir diesen McCain, der im politischen Gegner den respeltablen Menschen sieht, in der nächsten Zeit hören werden.

Er wird vielleicht schweigen und Sarah Palin das Feld überlassen.

Sie hat offenbar weniger Skrupel als er, persönlich zu werden.

 

Palin-Biden, der Morgen danach

Ich habe wahrlich genug zu dem gestrigen Duell geschrieben.
Nur so viel zu den Reaktionen, die mich einigermassen perplex zurücklassen: Ich denke nicht, dass man dieses Duell auf die geschmäcklerische Art und Weise rezipieren kann, wie es vielerorts passiert.
Ach, sie ist doch ein frisches Gesicht! Warum nicht einmal jemand, der middle America repräsentiert? Sie hat sich doch tapfer geschlagen für einen Außenseiter! Gemessen an den Erwartungen hat sie alle positiv überrascht! Eine junge Frau, die sich nicht einschüchtern läßt! Etc, etc. 
Unfaßlich. Wir reden hier über eine Kandidatin für das derzeit mächtigste Amt der Welt.
Jawohl, Vizepräsident ist seit 8 Jahren der wichtigste Job in Washington, nicht Präsident. Und diese Frau hat in der Debatte verlangt, das Amt im Cheney’schen Sinn weiterzuführen. Nicht zeremoniell und helfend wie es traditionell verstanden wurde. Sondern operativ und machtvoll.
Und die Frau, die sich das zutraut, ist nicht bereit, eine echte Pressekonferenz zu geben, ohne Skript durch ihre Trainer und Berater? Wo leben wir denn? In Putins Rußland?
Es ist unglaublich, dass John McCain uns diese Frau als Kandidatin  präsentiert. Eine ungeheuerliche Verantwortungslosigkeit, ausgerechnet von dem Mann, der sich als erfahrener und urteilskräftiger Mann für dieses Amt empfiehlt.
Die New York Times faßt es so zusammen:„In the end, the debate did not change the essential truth of Ms. Palin’s candidacy: Mr. McCain made a wildly irresponsible choice that shattered the image he created for himself as the honest, seasoned, experienced man of principle and judgment. It was either an act of incredible cynicism or appallingly bad judgment.
Nichts hinzuzufügen.

p.s. Hier eine kleine Hilfe zum Verstehen der Palinschen Rede:

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Palin gegen Biden – die Debatte

Cambridge, Mass. – Biden gibt den Charmeur: „It’s a pleasure to meet you, Governor, and to be with you…“ Dann kommt er gleich auf Obama und dessen Haltung zum Bailout zu sprechen. „Wir werden uns auf die Mittelschicht konzentrieren“, und das unterscheidet uns von unseren Konkurrenten, so Biden.

Palin spricht sofort die Ängste in der Bevölkerung an. Sie wendet sich direkt ans Volk und erwähnt die Konkurrenz überhaupt nicht. Sie schaut Biden nicht an. Sie wirkt sehr selbstsicher. (21:07h)

Biden erinnert an McCains Satz, die Grundlage der Wirtschaft sei stark . Die Frage war allerdings, wie die beiden Kandidaten die Polarisierung Washingtons überwinden wollen. Beide machen keine Anstalten zu Versöhnlichkeit. (21:11h)

Palin kritisiert die Mentalität derjenigen, die sich mit dem Hauskauf übernommen haben. Sie appeliert an die konservative Vernunft, nicht über die eigenen Verhältnisse zu leben. Klarer Punkt für Palin. Biden antwortet mit einer Attacke auf McCain, dessen witschaftspolitische Kompetenz er immer wieder in Abrede stellt. Das zieht nicht so gut, weil er keine eigene Position formuliert. (21:15h)

Biden ist wieder – und viel zu lange – damit beschäftigt, seinen Herrn und Meister zu verteidigen. Palin hingegen spricht, als wäre sie selbst die Spitzenkandidatin. Und das ist sie ja auch. Biden wirkt dagegen, als hätte man ihn geschickt, eines anderen Sache zu vertreten. Wieder Punkt Palin, die völlig ruhig wirkt. (21:17h)

Biden macht endlich Punkte, als er über die Mittelschicht und ihre Sorgen spricht. Die Mittelschicht muss endlich entlastet werden. Die Reichen, sagt er, zahlen nicht mehr Steuern als unter Ronald Reagan. Endlich hat er sein Thema gefunden und spricht selbst direkt zum Wähler. (21:19h)

Palin leiert die alte Lehre der Republikaner herunter, dass  der Staat nur aus dem Weg gehen muss, damit die Wirtschaft endlich Arbeitsplätze schaffen kann. Damit ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. (21:21h)

Biden kontert, er wolle nicht Umverteilung, sondern Fairness für die Mittelschicht. Dann verliert er sich in den Einzelheiten der Gesundheitspolitik. Am Ende schließt er mit seiner vorbereiteten Pointe ab: „Das nenne ich die ultimative ‚Brücke ins Nichts‘.“ Sein Refrain ist: keine weiteren Steuererleichterungen für Reiche! (21:24h)

Palin hat ein professionelles, gleichmäßiges Lächeln auf, allerdings von der stählernen Sorte. Dennoch: Sie scheint sich wohlzufühlen. Sie legt eine kleine Selbstlob-Orgie ein, was sie alles für die „Menschen in Alaska“ getan habe. Das tut man eigentlich nicht, bringt auch keine Punkte. Und dann wieder die populistischen Sprüche gegendie „Gier an der Wall Street“. Chuzpe von der Partei, die lange die schützende Hand über Wall Street gehalten hat! (21:26h)

Biden hat keinen Stoff mehr: Jetzt erwähnt er zum dritten Mal den angeblich von McCain beabsichtigten 4 Milliarden-Steuervorteil für Exxon. Langsam muss  er eine andere Platte auflegen. Palin ernennt McCain zum einsamen Warner vor der Finanzkrise. Glaubt ihr aber niemand, dass McCain davon umgetrieben gewesen sei. (21:29h)

Palin kommt wieder auf ihre eigene Verdienste in Alaska zurück. Sie stolpert minutenlang herum – dann findet sie den Faden. Sie sagt den Leuten im wesentlichen: Energieunabhängigkeit kriegen wir auch mit Öl hin. In Alaska haben wir noch viel davon. (21:3h)

Palin wieselt herum, als es um den menschlichen Anteil an globaler Erwärmung geht: Sie wolle jetzt nicht in die Ursachenforschung gehen.

Biden kontert, der Klimawandel sei menschengemacht, und es sei wichtig, die Ursache zu kennen, damit man mit vernünftigen Lösungen kommen könne. Er will neue Jobs schaffen durch die erneuerbaren Energien.

Palin verweist wieder auf die Milliarden Barrel Öl in Alaska. Die Demokraten verhindern durch ihre Ablehnung des Bohrens vor der Küste die Lösung der amerikanischen Energieprobleme. (21:38h)

Jetzt gehts zu den kulturkämpferischen Themen: Biden setzt sich für die Rechte von Homosexuellen ein.

Palin erwähnt die traditionelle Familie, betont dann aber, sie sei „tolerant“ und habe nichts gegen Besuchsrechte im Krankenhaus und Gleichbehandlung bei Versicherungspolicen.

Biden will auch keine neue Definition der Ehe. Sie soll nicht für Homosexuelle geöffnet werden. Allerdings soll es eine zivilrechtliche Gleichstellung geben.

Und das ist doch schon mal eine Meldung: Der Kulturkampf ist vorbei. Es gibt zwischen Links und Rechts keinen Streit mehr um die Rechte von Lesben und Schwulen. (21:41h)

Palin verteidigt den „Surge“ und behauptet, Amerika sei auf dem Weg zum Sieg im Irak. Wenn nur die bösen Demokraten nicht gegen die Unterstützung der Truppen gestimmt hätten. Gähn!

Biden greift endlich an und sagt den Satz: Wir werden den Krieg im Irak beenden. „Das ist der fundamentale Unterschied zwischen uns.“ Palin versucht zurückzuschießen: „Ihr Plan ist eine weiße Fahne!“ Sie wirkt nicht sicher dabei. Es ist auch lächerlich, wenn die Alaska-Gouverneurin sich hier gegen Biden erhebt, der sich seit Jahren mit dem Krieg beschäftigt (und selber ursprünglich dafür war). Kein Punkt. Schwach. (21:46h)

Biden hat eine sehr starke Strecke, als er auf den wahren Kampfplatz im Krieg gegen den Terrorismus  verweist: Afghanistan und die pakistanische Grenze zu dem Land. Das ist die schwache Seite McCains und Palins: Sie müssen behaupten, der Irak sei die zentrale Front. Und sie wissen, dass das nicht stimmt. Klarer Punkt Biden. (21:51h)

Palin plappert McCains Kritik an Obamas vermeintlicher Iran-Position nach: er wolle sich mit Ahmadinedschad an einen Tisch setzen. Sie wirkt auf diesem Feld nicht zuhause und sehr unfrei. Auch zu Israel leiert sie brav die Positionen herunter: Zweistaatenlösung, kein neuer Holocaust etc. Aber da gibt es keinen Kontrast zur Gegenseite.

Biden greift an: Die Nahostpolitik der Bush-Regierung ist ein einziges Versagen. Hamas und Hisbollah als Gewinnler der „Demokratisierung des Nahen Ostens“.

Palin kann nur antworten, sie sei so froh, „daß wir beide Israel lieben“. Sie sagt ganz generell und unspezifisch, es habe unter Bush „massive Fehler gegeben“, und nun werde der „Wandel“ kommen. Biden kontert sehr gut, er habe noch nicht gehört, wie sich McCains Positionen von Bush unterscheiden. Er läßt sich das „Change“-Logo nich stehlen. (21:57h)

In Afghanistan will Palin die Politik des Surge anwenden. Biden hat die New York Times gelesen, in der heute der leitende General  gesagt hat, die Übertragung aus dem Irak sei nicht möglich. Palin fällt zunehmend in sich zusammen. Sie hat hier einfach nichts entgegenzusetzen.

Jetzt versucht sie es doch und behauptet, der General habe das nicht gesagt. Und es werde eben doch gehen. Wie ein trotziges Kind. (22:00h)

Biden wird damit konfrontiert, dass er für die Interventionen in Bosnien war. Er steht dazu, die Intervention sei ein Erfolg gewesen und habe Leben gerettet.

Palin schaltet um auf niedlich: „Es ist so offensichtlich, daß ich ein Washington-Außenseiter bin.“ Süß. Während du, Biden, suggeriert sie, immer wieder hin und her geschwankt bist zwischen Falke und Taube. Funktioniert nicht: „Außenseiter“ übersetzt sich hier einfach als ahnungsloses Greenhorn. (22:07h)

Palin möchte, man sieht es, dass es endlich vorbei ist (ausser wenn man vielleicht noch ein bißchen über Wasilla und den großen Staat Alaska reden könnte).

Biden wird gefragt, was er tun würde, wenn der Präsident stürbe: Er nutzt das sehr geschickt, um Obamas Programm noch einmal aufzusagen – Mittelschicht fördern, Afghanistan gewinnen, Amerika wieder mit der Welt versöhnen. Souverän.

Palin weiss nicht so recht, was sie sagen sagen soll. Sie wird McCains Weg fortsetzen, dann baut sie irgendwie Wasilla ein. Die Regierung soll den Leuten einfach aus dem Weg gehen, sagt sie. Ob das funktioniert, wenn die Menschen sich Schutz und Regulierung wünschen? Habe da meine Zweifel. (22:12h)

Palin flüchtet in die Familiengeschichte. Gleich wird sie ihre alte Tante zuhause  am Bildschirm grüßen. Sie spricht über die Wichtigkeit von Erziehung, aber das bleibt – wie alles in der zweiten Hälfte – sehr kursorisch. McCain, enthüllt sie, habe ihr Energie-Unabhängigkeit als Feld in der Regierung versprochen.

Biden wird kein spezifisches Feld haben, sondern er sieht sich eher als Berater. Und dann zischt er plötzlich einen scharfen Angriff gegen Cheney als „gefährlichsten Vizepräsidenten unserer Geschichte“ hervor. Er will den Vizepräsidenten wieder auf seine bescheidenen verfassungsmässigen Funktionen zurückführen.

Palin kommt zum vierten Mal mit ihrer Alaska-Efahrung, die sie qualifiziere, in der Energiepolitik  eine führende Rolle zu spielen. Und dann sagt sie, sie verstehe die vielen Menschen, die sich keine Gesundheitvorsorge leisten können. (Will sie ihnen etwa eine Versicherung geben?)

Biden punktet abermals mit einem Plädoyer für einen Wechsel. Die Leute haben genug, sie wollen „Change“. Palin wirft Phrasen um sich vom „Maverick“ McCain, der den wahren Wechsel verkörpere.

Biden greift nun frontal an und sagt, McCain sei eben kein Querkopf gewesen, er habe im wesentlichen immer mit Bush abgestimmt. (22:26h)

Palin bringt zum xten Mal ihre Erfahrung in Alaska im Spiel. Bisschen zu oft.

Biden hat sich für den Schluß eine Geschichte zurechtgelegt, in der er sich bescheiden gegenüber Jesse Helms verneigt, eine der kontroversen rechten Figuren. ein

Palin bezieht sich auf Ronald Reagans Freiheitsideale und leiert etwas herunter über die Mittelschicht, Verteidigung, und die Freude, ein Amerikaner zu sein. Alles sehr kursorisch.

Biden malt ein schwarzes Bild der letzten acht Jahre, bevor er dann die gleichen amerikanischen Werte und Tugenden beschwört wie seine Kontrahentin.  Sie müßten allerdings, suggeriert er, erst wieder ins Recht gesetzt werden von Obama und seiner Wenigkeit.

Sarah Palin wirkt sehr erleichtert, geradezu aufgekratzt, als sie Biden für die Debatte dankt. (21:33h)

Sie ist nicht zusammengebrochen unter dem unwahrsacheinlichen Druck, der sich – vor allem durch ihre grauenhaften Interviews – aufgebaut hatte. Sie hat mit Anstand überlebt. Und mit ihr wird noch zu rechnen sein. Niemand hat erwartet, dass sie bei der Aussenpolitik gewinnt. Es war genug, dass sie Biden die ersten zwanzig Minuten lang scheuchen konnte – in der Innenpolitik. Biden hat insgesamt gewonnen, kein Zweifel. Aber Diese Debatte wurde darum überall mit Spannung erwartet, weil man sehen wollte, ob Sarah Palin untergeht. Sie wußte das und hat erfolgreich dagegen angekämpft. Insofern war das ein Erfolg, obwohl Senator Biden gewonnen hat. Sarah Palins Geschichte ist noch nicht zuende. (23:21h)

 

Liveblogging: Palin vs. Biden

Die Debatte der Kandidaten ums Amt des Vizepräsidenten wird hier erwartet wie das Endspiel zu Fußballweltmeisterschaft bei uns zuhause.

Eine neue Umfrage der Washington Post sieht Palins Stern bei ihrer Anhängerschaft im Sinken begriffen, seit sie sich mit eier ganzen Reihe ungeschickter Interviewsnäher vorgestellt hat.

Palin hat bis heute keine einzige echte Pressekonferenz gegeben, bei der Reporter Gelegenheit zu unerwartbaren Fragen gehabt hätten.

Das ist schon sehr bemerkenswert für eine Gouverneurin, die mit solchen Ritualen ja eigentlich vertraut sein sollte.

In der Umfrage der Washington Post und des Senders ABC äußern sich 60 Prozent sehr skeptisch über Palins Eignung als Vizepräsidentin. (Wäre McCain nicht der älteste Bewerber in der US-Geschichte, würde das nicht so ins Gewicht fallen.)

Ich bin trotzdem nicht so sicher, dass sie nicht gewinnen kann: Palin ist in der guten Situation, Angreiferin und Opfer zugleich spielen zu können. Sie kann Biden herausfordern auf der inhaltlichen Seite – und dann, wenn er etwa zu einer überheblichen Welterklärungsantwort ansetzt, wie man es von ihm kennt, kann sie die Newcomerin geben, die vom Establishment niedergemacht wird. Dass sie eine Frau ist, wird dabei helfen: Elchjägerin und Sexismusopfer in einer Person, das Spielchen wurde schon in den letzten Wochen weidlich gespielt. Für Biden spannt sich da eine Riesenfalle auf, Bin gespannt, wie er damit umgeht.

Ich werde die Debatte heute auf der Großleinwand in der John F. Kennedy School of Government verfolgen, und dabei live bloggen.

Vielleicht findet sich ja der ein oder andere Schlaflose, der ab 3 Uhr MEZ dabei sein will.

 

Ein republikanischer Stratege über Obama

An der Kennedy School of Government sprach heute Alex Castellanos, der für seine Schmutzkampagnen berüchtigte republikanische Kampagnen-Manager.

Seine „Study Group“, die sich noch bis nach der Wahl jede Woche versammeln wird, ist völlig überlaufen.

Castellanos ist ein witziger, charismatischer Mann um die Fünfzig. Zu Beginn geht eine Schüssel mit Süßkram herum, aus dem die Studenten sich bedienen.

„Ich bin ein konservativer Republikaner, das sage ich lieber gleich, und aus dieser Warte spreche ich hier“, schickt Castellanos vorweg. Er fragt: Wer hier wird in diesem Jahr zum ersten Mal wählen? Eine Mehrheit.

Wer hat schon einmal republikanisch gewählt? Ein einzelner meldet sich schüchtern. „Das können wir in diesen Hallen als Diversität durchgehen lassen!“

Allgemeines Gelächter, Castellanos hat die Leute auf seiner Seite. „Okay, dann wollen wir mal drüber reden, wie man zynisch die öffentliche Meinung manipuliert.“ Wieder Gelächter.

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Castellanos hatte im letzten Wahlkampf 100 Millionen Dollar zur Verfügung, um Kerry zu erledigen. Was er dann ja auch, mit Kerrys Beihilfe, geschafft hat. Der demokratische Bewerber wurde als „soft on defense“ fertiggemacht, der Vietnam-Veteranen-Statur zählte nicht (nachdem gewisse Freischärlergruppen ihn mit den „Swift-Boat-ads“ angegriffen hatten).

In dieser Saison hatte der gewiefte PR-Mann auf Mitt Romney gesetzt, der jedoch in den Primaries unterlag.

Castellanos erstes Beispiel für einen guten TV-Clip ist Obamas Spot, in dem er sich als ein Junge aus Kansas darstellt, mit amerikanischen Werten – „values from the heartland“ -, die ihm seinen Weg erst ermöglicht hätten. „Das ist nicht der typische demokratische Kandidat, der da spricht. Den hätte man vor Jahren für einen verrückten Rechten gehalten, so positiv wie der sich auf Amerika bezieht!“

McCains Leute hatten lange Schwierigkeiten, dem etwas entgegenzusetzen, meint Castellanos. Erst durch den Auftritt Obamas in Berlin seien sie so richtig aufgewacht. Indem sie Obama als eine x-beliebige Celebrity wie Britney Spears abtaten, fanden sie zurück zu ihrem Angriffsschwung.

„Das half zwar erst mal bei den Umfragen. Das Problem  jedoch blieb, daß man den Leuten zwar sagen konnte, warum man Obama nicht wählen könne. Aber McCain selbst hatte keine Message.“

Castellanos ist ein begnadeter und rücksichtloser Meister der Attack-Ad. Einmal berüchtigter Weise bis zu rassistischen Untertönen – „Du brauchtest den Job. Aber sie gaben ihn einem aus einer Minderheit…“. (Hier eine Geschichte in Salon dazu.) Doch er glaubt erklärtermaßen nicht an „Spin“. In einer Welt mir „zuviel Information“ sei es hoffnungslos, Sachen zu erfinden und zu glauben, die würden sich schon irgendwie festsetzen.

Es gehe nicht um „how to spin“, sondern um „how to lead“. Präsidenten sind für Castellanos einerseits „leitende Marken“ (ruler brands), andererseits aber im besten Fall auch“verwandelnde Marken“ (transformational brands). In Amerika wollen wir einen Präsidenten, sagt Castellanos, „der uns an einen besseren Ort führ, jenseits des Horizonts.

Auf seinem persönlichen Mount Rushmore des letzten Jahrhunderts würden sich darum Roosevelt, JFK, Reagan und Clinton wiederfinden. „Auf eine gewisse Weise sind sie alle derselbe Typ“, meint Castellanos – alle ebenso leitend wie transformierend.

Ich kam leider nicht dazu, ihn zu fragen, warum er George W. Bush weggelassen hat, der nicht zuletzt ihm seine zweite Amtszeit verdankt. Wahrlich ein transformierender Präsident! Aber das hätte womöglich die Stimmung etwas verdorben.

An Obamas Kampagne findet Castellanos  sehr professionell, dass sie viel mehr anbietet als bloss „issues“. Wer die Website aufruft, wird angesprochen, er solle nicht nur an die Fähigkeiten des Kandidaten glauben, Wandel zu bringen, sondern an sich selbst. „Wow. Das ist keine Kampagne mehr – das ist eine Bewegung!“ Damit wird die Wahl umdefiniert von einem Wettbewerb zwischen McCain und Obama zu einem zwischen McCain und Dir. Auf Dich kommt es an, Wähler.

Castellanos glaubt, dass die Demokraten keine andere Wahl hatten, als auf Change zu setzen: Wenn eine überwältigende Mehrheitim Land denkt, das Land sei auf dem falschen Kurs, dann geht es in der Wahl um Wechsel und Wandel. Ob die Demokraten aber nicht ein bisschen übermütig waren, in die Wechselstimmung hinein auch noch einen sichtlich andersartigen Kandidaten zu schicken, derim amerikanischen Sinne „links“ is, einen komischen Namen hat  u n d  überhaupt keine Regierungserfahrung?

Vielleicht ist das in einer turbulenten Lage wie dieser am Ende zu viel Change.

McCain, so Castellanos, hat nun die Strategie, Obama auf dem Feld des Wandels so viele Stimmen streitig zu machen, dass er ihn schließlich auf dem Feld Erfahrung  schlagen kann. Umgekehrt versucht Obama in Sachen Erfahrung so viel Boden gut zu machen, daß schließlich das Moment des Wandels für ihn ausschlaggebend wird. Das ist das Spiel der nächsten Wochen.

Zwei große Faktoren sieht Castellanos als entscheidend an: Frauen als Wähler. Und die Wirtschaft. 77 Prozent der Konsumentenmacht ist in den Händen der Frauen. Sie bestimmen über die Budgets. Sie sind sehr viel schwerer zu fassen, als die Männer mit ihren klassischen Milieus.

Und die neue Krisenlage hat es zu einem verteufelt schweren Ding gemacht, gegen Washington zu kandidieren, wie es ja beide Kandidaten für sich beanspruchen: Nie gab es mehr Mißtrauen gegenüber Washington, und nie mehr Wunsch nach Führung zugleich.

Wer dieses Paradox auflösen kann, wird der nächste Präsident. (Glaube ich jedenfalls.)

 

Spiel, Satz, Sieg: Obama

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Gestern abend war ich auf Einladung der dort wohnenden Studenten im Lowell House, dem schönsten Studentenwohnheim („dorm“) Harvards. Zu etwa 120 sahen wir im überfüllten Junior Commons Room die erste Debatte der beiden Kandidaten. Man sitzt in gemütlichen Ledersesseln in einem holzgetäfelten Raum, der  dem Vorbild des englischen Cambridge nachstrebt. Die Studenten sind eine bunt gemischte Truppe aus all american boys und girls, vielen Asiaten und einer ansehnlichen Zahl Schwarzer.

Cameron Van Peterson, der Tutor im Lowell House, der mich eingeladen hat, ist einer von ihnen.  Die Atmosphäre gleicht einem public viewing bei der Fussball WM. Man isst Pizza und trinkt Ginger Ale dazu (kein Alkohol bei öffentlichen Studentenveranstaltungen).

Nach der Debatte sollte ich eine Einschätzung „aus europäischer Sicht“ abgeben. Na ja.

Mir sind folgende Dinge aufgefallen: McCain wirkte sehr unwohl in seiner Haut. Ständig grinste er angespannt, wenn Obama redete. Während Obama den Senator aus Arizona öfter als „John“ anredete, kam McCain „Barack“ nie über die Lippen. Nicht einmal konnte McCain es über sich bringen, Obama ins Auge zu sehen. Obama wollte sich offenbar als ein Insider darstellen, der mit McCain per Du ist, McCain wollte Obama auf Distanz halten als jemanden, der unerfahren ist, keine Ahnung hat und eigentlich nicht mit ihm auf einem Podium diskutieren sollte.

Immer wieder betonte McCain, Obama „versteht offenbar nicht, dass…“ Für sich selbst nahm er lange Erfahrung in Anspruch („I have a record“). Und zugleich stellte er sich selbst als „Maverick“ dar, als Unangepaßten. Das tut man eigentlich nicht. Das Urteil überläßt man dem Zuschauer. „Ich bin ein Unangepaßter“ – irgendwie peinlich, sowas.

Obama war recht forsch. Sehr viel aggressiver als gegenüber seiner Rivalin Clinton. Er erntete große Lacher in unserem Saal, als er auf McCains Forderun nach „prudence“ (Besonnenheit) konterte: Ja, das sei zweifellos richtig.Aber diese Forderung habe doch einen schrägen Klang, wenn sie von jemandem komme, der Nordkorea mit Auslöschung bedroht und öffentlich ein Lied über die Bombardierung Irans angestimmt habe.

Insgesamt schien mir, daß McCain auf seinem Feld, der Aussenpolitik, nicht den erwarteten Sieg erzielen konnte. Sicher wird er manchen Zuschauer mit seiner Erfahrung beeindruckt haben – er zählte wichtige Entscheidungen auf, an denen er beteiligt war, vo, ersten Golfkrieg über Bosnien, Kosovo und Afghanistan bis zum Irakkrieg.

Aber oft wirkte er eben doch als sehr sehr alter Mann – wenn er etwa Roosevelt über die Invasion in der Normandie zitierte, als wäre er dort auch schon selbst dabei gewesen.

Den Namen des iranischen Präsidenten verhaute er – Ahmadamadinedschad äh Ahmadinedschad. Beim Thema Iran wurde er richtig wach, während er zuvor über die Finanzkrise nur Unfug verbreiten konnte. (Er will die Krise überwinden, indem er die Ausgaben radikal kürzt – für alles ausser das Militär! – und zugleich stimmt er der größten Staatsausgabe aller Zeiten zu, dem 700 Milliarden-Dollar-Paket der Regierung. Die Bush-Regierung, die er selbst als Senator gestützt hat, hat das Land in ein Riesendefizit gewirtschaftet – doch die Finanzkrise an der Wall Street hat mit den Staatsausgaben herzlich wenig zu tun.)

Beim Thema Iran war McCain voll da: Immer wieder beschwor er die Szene herauf, dass Obama sich mit Ahmadinedschad an einen Tisch setzen werde – und damit dessen Position zu Israel aufwerten werde. Obama widersprach – Gespräche ohne Vorausbedingungen seien keine Anerkennung der Gegenposition und „kein Teetrinken“. Aber McCain schlug immer wieder in die gleiche Kerbe.

Man konnte hier eine klare Alternative in der Aussenpolitik sehen: McCain glaubt, er könne eine „Liga der Demokratien“ zusammenbringen, die ausserhalb der UN (und ohne Russen und Chinesen) die westlichen Politikvorstellungen erzwingen könne. (Das Problem ist nur, dass die Länder, die er dabei im Blick hat – Frankreich, Deutschland, Grossbritannien – dies allesamt für eine Schnapsidee halten.)

Obama hat erkannt, dass die Zeit für solche Hegemonieträume vorbei ist und setzt auf Diplomatie selbst gegenüber Schurken. Der alte Weg, den McCain weitergehen möchte, habe gegenüber Iran nichts gebracht, sagt er. Naiv hat er sich dabei nicht gezeigt. Wenn wir direkten Gesprächen eine Chance geben, sagt Obama, und diese scheitern, sind wir in einer sehr viel besseren Position, harte Sanktionen mit allen beteiligten Mächten durchzudrücken, als heute.

Schlauer Weise beruft Obama sich dabei auf Henry Kissinger, der länger schon eben diesem Strategiewechsel das Wort redet. Obama würde nicht sofort selber mit dem Präsidenten Irans am Tisch sitzen, sondern die Aussenminister zunächgs sprechen lassen. McCain konnte nur wütend zischend behaupten, „mein Freund“ Kissinger  sei nicht für Gespräche ohne Vorbedingungen. Stimmt aber nicht. Punkt Obama.

An diesem Punkt dachte ich: Wenn die Aussenpolitik McCains starke Seite ist, dann war das hier ein Desaster.

Obama war sehr stark in puncto Irakkrieg: Während McCain immer wieder betonte, der „surge“ wirke und man werde den Krieg gewinnen, konterte Obama, der „surge“ sei erst nötig geworden, weil man den Krieg jahrelang falsch geführt habe. Und im übrigensei der Irakkrieg selbst  eine „Ablenkung“ von der wahren Front im Kampf gegen den Terrorismus, die in Afghanistan verlaufe. Osama bin Laden ist immer noch auf freiem Fuß, und die Gefahr eines nuklearen Anschlags auf Amerika sei nicht gebannt, weil Pakistan und Afghanistan aus dem Blick geraten seien wegen des unnötigen Kriegs im Iran.

Obama sagte, er werde mehr Truppen (aus Irak) nach Afghanistan schicken, damit dieser vergessene Krieg nicht verloren gehe. Ich halte das für richtig und klug. Und ich weiß, daß unsere Regierung es genau so sieht. Für Merkel wie für Steinmeier, die sich hier absolut einig sind, wäre es großartig, jemanden im Weissen Haus zu haben, der diese Sicht teilt und damit ihre eigene Position zuhause leichter machen würde.

Als ich den Studenten diese europäische Sicht auf das Thema erklärte, fand ich weitgehend Zustimmung. Eine Studentin fragte mich, wie ich mir die Tatsache erkläre, dass Obama in Europa überwältigend vorne liege, während er hier in Amerika immer noch ungefähr gleichauf mit McCain bewertet werde.

Darauf antwortete ich mit einer Episode aus meinem Besuch in Los Angeles vorige Woche, wo ich mit einem sehr netten Republikaner über Obama debattiert hatte. Peter fragte mich, wie ich mir die 200.000 Zuhörer für Obama in Berlin erkläre: „Are they anti-american?“ Ich mußte schlucken, denn Peter meinte das ernst. Nein, gab ich zurück: das sind Leute, die sich das gute Amerika zurückwünschen. Leute, die Amerika lieben und es satt haben, immer wieder Dinge verteidigen zu müssen, die man nicht verteidigen kann. Im übrigen, und das war meine Schlussbemerkung, hat schon Winston Churchill gesagt: „The Americans will always do the right thing. After they’ve exhausted the alternatives.“ Es gab freundlichen Applaus.

Ja, man wird hier derzeit als Europäer sehr nett behandelt. Es gibt eine neue Nachdenklichkeit über das amerikanische Modell – im Zeichen der Finanzkrise, die eine sehr viel tiefere Krise in sich bereithält. Und im Zeichen des Niedergangs der amerikanischen Macht, deren Zeichen nur einer der Kandidaten zu lesen bereit ist. Was nicht bedeuten muß, dass die Leute ihn darum auch wählen werden.

Amerika ist durch die Bush-Regierung innen wie aussen unerhört geschwächt worden. Obamas Versprechen ist, diese Situation zu verstehen (statt sie wie McCain zu leugnen) und das ANSEHEN Amerikas wieder herzustellen. Ich habe den Eindruck, er hat seinen Anspruch darauf glaubhaft machen können. John McCain war ein ehrenhafter Mann, bis er vor seiner Partei in die Knie gegangen ist und auf eine unfaßlich zynische Weise die bisher unfähigste Person seit Bestehen der amerikanischen Demokratie für das Vizepräsidentenamt nominiert hat. (Dan Quayle war ein Gigant dagegen!) Und so etwas von einem Mann, der sich etwas auf seine Erfahrung und Urteilskraft zugute hält!

Mein Eindruck ist: Die Sache ist gelaufen. Obama „knocked the ball out of the ballpark“, wie man hier sagt. Wenn das mal nicht wieder typisch europäisches Wunschdenken ist.

 

Attentat auf Faschismusforscher in Israel

In Israel ist ein Attentat auf einen der berühmtesten Faschismusforscher der Gegenwart verübt worden – Professor Zeev Sternhell von der Hebräischen Universität Jerusalem. Eine Rohrbombe erwartete ihn vor seinem Haus. Sternhell überlebte leicht verletzt. In der Umgebung seines Hauses wurden Flugblätter gefunden, auf denen gegen Friedensaktivisten von Peace Nowgehetzt wird. Es wird darum davon ausgegangen, daß das Attentat dem rechten Rand der Siedlerbewegung zuzuschreiben ist.

Sternhell ist als Kritiker der Siedlerbewegung und der Besatzung des Westjordanlands bekannt. Erst in diesem Jahr wurde er mit dem renommierten Israel-Preis ausgezeichnet. In folgendem Text begründet er seinen säkularen Zionismus. Es ist ein bewegndes Zeugnis. Wenn Menschen wie Sternhell – Überlebende, die sich für Israel und für das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat einsetzen – zu Feinden werden, dann steht Israel am Rande einer großen inneren Krise. Darum haben auch viele namhafte Politiker den Anschlag verurteilt.

Ich entnehme die deutsche Übersetzung von Sternhells Interview dem Newsletter der israelischen Botschaft vom 11. März 2008. Ich möchte Sie besonders den hier gelegentlich herein schauenden Muslimen ans Herz legen, die Israel gerne kritisieren. (Man halte sich vor Augen: Die Botschaft Israels verbreitet einen solchen Text! Welch ein großartiges Land.)

„Der israelische Ideenhistoriker Zeev Sternhell erhält dieses Jahr als weltweit renommierter Faschismusforscher und einer der führenden Intellektuellen seines Landes den Israel-Preis für politische Wissenschaften. In einem Interview mit Ari Shavit hat er sich nun ausführlich zu seinem Verhältnis zu Israel und dem Zionismus geäußert.


(Foto: Daniel Bar On, © Hebrew University of Jerusalem)

Für Sternhell, der 1935 in Galizien geboren wurde, den Holocaust im besetzten Polen überlebte und 1951 von Frankreich aus nach Israel einwanderte, stellt Israel vor dem Hintergrund der Erfahrungen seiner Jugend nicht primär eine politische Angelegenheit, sondern eine „Rückkehr zur Menschlichkeit“ dar: „Eine Rückkehr zum Leben als Menschen. Denn dort, im Ghetto, hat man die menschliche Grundlage in sich verloren. Die menschliche Identität. Man hörte überhaupt auf, menschlich zu sein. Man war kein Mensch.“

„Als Jugendlicher in Avignon habe ich drei Zeitungen am Tag gelesen und durch die die Entwicklungen in Palästina verfolgt. Dann kam die Erklärung zur Gründung des Staates, im Mai 1948. Ihre Generation kann nicht die Aufregung verstehen, die uns erfasste. Es war nur vier Jahre, nachdem die Rote Armee uns befreit hatte, sechs Jahre, nachdem die Nazis das Ghetto ausgelöscht hatten. Und der Übergang von diesem Schrecken, dieser Hilflosigkeit, zu einem jüdischen Staat, der einen Krieg gewinnt.

Als 13jähriger Junge fürchtete ich sehr, dass die Araber die Juden abschlachten würden. Es sah aus, als gäbe es nur 60 000 Juden und um sie herum Millionen von Arabern. Und dann die Tatsache, dass die Armee der Juden kämpfte und siegte und der Staat entstand – das war für mich etwas jenseits aller Vorstellungen. Die reine Tatsache, dass diese Juden, die in die Ghettos gingen, die man durch die Straßen jagte, die man tötete und schlachtete, nun aufstehen und sich einen Staat errichten. Ich betrachtete dies wirklich als ein Wunder. Dies war ein historisches Ereignis von beinahe metaphysischer Dimension. Und plötzlich gibt es Juden, die Minister sind, Juden, die Offiziere sind, und einen Pass, Uniformen, eine Flagge. Und jetzt haben die Juden, was die Goyim haben. Sie sind nicht mehr von den Goyim abhängig. Sie können auf sich selbst aufpassen. Die Gründung des Staates war für mich wie die Schöpfung der Welt. In meinem ganzen Leben gab es keinen aufregenderen Moment. Er versetzte mich in eine Art Rauschzustand.“

„Ich bin nicht nur Zionist, ich bin Super-Zionist. Für mich war und bleibt der Zionismus  das Recht der Juden, selbst über ihr Schicksal und ihre Zukunft zu bestimmen. Das Recht von Menschen, Herren ihrer selbst zu sein, ist in meinen Augen ein Naturrecht. Ein Recht, das die Geschichte den Juden verweigert hatte und vom Zionismus zurückgeholt wurde. Das ist seine tiefere Bedeutung. Damit stellt er eine mächtige Revolution dar, die das Leben von jedem einzelnen von uns berührt. Ich habe diese Revolution gefühlt, als ich im Gymnasiastenalter allein nach Israel einwanderte. Erst da, als ich im Hafen von Haifa das Schiff „Artza“ verließ, hörte ich auf, das Objekt des Handelns anderer zu sein und wurde zu einem Subjekt. Erst dann wurde ich zu einem Menschen, der über sich selbst bestimmt und nicht von anderen abhängig ist.“

„Ich bin ein alter zionistischer Linker, sowohl im nationalen als auch im sozialen Sinne. Wenn man so will, bin ich ein National-Israeli. Es wird zweifellos Freunde von mir auf der Welt geben, die dies nicht positiv betrachten, aber ich habe noch nie darum gebeten, positiv betrachtet zu werden. Wer den Zweiten Weltkrieg überstanden und die Gründung des Staates erlebt hat und allein mit noch nicht einmal 16 Jahren eingewandert ist, ist allein daher hierher gekommen, um in einem jüdischen Nationalstaat zu leben.

Es liegen hier zwei Dimensionen vor. In der einen Dimension glaube ich nicht, dass man hier die Existenz sichern kann ohne Nationalstaat. Ich mache mir nichts vor. Ich glaube, wenn die Araber uns vernichten könnten, würden sie dies mit Freude tun. Wenn die Palästinenser und die Ägypter, und all jene, die mit uns Abkommen unterzeichnet haben, etwas tun könnten, damit wir nicht hier wären, wären sie glücklich. Daher droht uns noch immer eine existentielle Gefahr. Und Stärke ist noch immer die Versicherungspolice für unsere Fortexistenz. Und obwohl ich gegen die Besatzung bin, und obwohl ich will, dass die Palästinenser die gleichen Rechte haben wie ich, glaube ich, dass ich den nationalstaatlichen Rahmen brauche, um mich selbst zu verteidigen.

Aber es gibt auch die andere Dimension. Ich habe keine Religion. Ich habe nicht die Sicherheit und nicht die Stütze der Religion. Daher bin ich ohne den nationalstaatlichen Rahmen ein entwurzelter Mensch. Ein unvollständiger Mensch.  Es ist ein Paradox. Heute sprechen die Religiösen im Namen des Nationalismus, den ich nicht akzeptiere, da er den anderen, den palästinensischen Nationalismus nicht achtet. Aber die Wahrheit ist, dass wir, die Säkularen, des nationalstaatlichen Rahmens sehr viel mehr bedürfen als die Religiösen. Wenn man mir Israel nimmt, bleibe ich mit nichts, gar nichts zurück. Ich bin nackt und bloß. Daher ist Israel so wichtig für mich. Und ich kann es nicht wie eine vollendete, gewöhnliche und normale Tatsache behandeln. Ich behandle es wie etwas, das man die ganze Zeit schützen muss. Etwas, bei dem man darauf achten muss, dass es einem nicht zwischen den Fingern zerrinnt. Denn Dinge zerrinnen leicht, das haben wir schon gelernt. Und manchmal schnell, von einem Tag auf den anderen.“

„Ich bin nicht nach Israel gekommen, um in einem binationalen Staat zu leben. Hätte ich als Minderheit leben wollen, hätte ich andere Orte wählen können, an denen das Leben als Minderheit sowohl angenehmer als auch sicherer ist. Aber ich bin auch nicht nach Israel gekommen, um ein Kolonialherr zu sein. In meinen Augen ist ein Nationalismus, der nicht universal ist, der nicht die nationalen Rechte anderer achtet, ein gefährlicher Nationalismus. Daher glaube ich, dass die Zeit drängt. Wir haben keine Zeit. Und was mich besorgt macht, ist, dass das gute Leben hier, das Geld und die Börse und die Wohnungen in der Preislage Manhattans die Leute in einer schrecklichen Illusion leben lassen. Aber es kann nicht noch hundert Jahre so weiter gehen. Ich bin nicht sicher, dass es noch zehn Jahre so weiter gehen kann.

Meine Generation, die erste Generation der Staatsgründung, für die die Existenz des Staates ein Wunder ist, verlässt nach und nach die Bühne. Und für uns ist es eine Tragödie, dies zu sehen. Für mich ist das wirklich das Ende der Welt. Denn  der Mensch will die Zukunft seiner Kinder und seiner Enkel gesichert wissen. Als Bürger will ich die Zukunft der Gesellschaft gesichert wissen, in der ich lebe. Und als Mensch strebe ich danach, etwas zu hinterlassen, Fingerabdrücke. Und ich will wissen, dass, wenn ich den Löffel abgebe, meine Töchter und Enkelinnen hier weiter ein normales Leben führen werden. Ein normales Leben, das ist, was wir wollten. Aber heute erscheint dieses normale Leben nicht gesichert. Die Zukunft meiner Töchter und Enkelinnen erscheint mir nicht gesichert. Und das verfolgt mich wirklich. Es verfolgt mich, dass das, was heute ist, morgen auseinander fallen kann.“

Zeev Sternhell ist em. Professor für politische Wissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem.