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Ein Visum für den Prediger der Muslimbrüder?

Jussuf Al-Karadawi ist krank und möchte sich in England behandeln lassen. Die britische Regierung steht einem Visum wohlwollend gegenüber. Die Konservativen kritisieren dies.

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Jussuf Al-Karadawi

Mehrmals gab es bereits Streit um Karadawi. Der Londoner Bürgermeister Livingstone hatte ihn vor Jahren eingeladen. Die britische Regierung hatte seine Reisekosten für eine Konferenz in Istanbul übernommen (ich war dort, mein Bericht hier).
Seit 1999 darf Al-Karadawi nicht in die USA einreisen.
Frankreich sieht es nicht so eng. Im Januar dieses Jahres durfte der Prediger einreisen. (Die Muslimbrüder dominieren dort die islamische Szene.)
Er ist einer der populärsten sunnitischen Prediger durch sein Programm auf Al-Dschasira. Er ist spiritus rector der Muslimbruderschaft und ergo der Hamas. Seine Befürwortung von Selbstmordattentaten in Israel hat er trotz Kritik auch aus dem islamischen Lager nie zurückgenommen.
Ich finde: Das ist keine Frage von freier Meinungsäußerung. Karadawi ist – so lange er sich nicht klar von Mordaktionen gegen Israelis distanziert – ein Hetzer, der als solcher ausgeschlossen gehört.
Er ist kein Partner für irgendeinen sinnvollen „Dialog“.
Außerdem finde ich es unfaßlich, daß solche Leute den dekadenten Westen, den sie bekämpfen, immer dann gern in Anspruch nehmen, wenn es ihnen dreckig geht.

 

Der verlorene Koran-Track von Brian Eno und David Byrne

Wo in diesem Blog schon so viel von Prog-Rock die Rede war, darf dies eigentlich nicht fehlen: ein sehr merkwürdiges Video zum sehr merkwürdigen Eno/Byrne Titel „Qur’an“, den die beiden beim Remix ihres legendären Albums „My Life in the Bush of Ghosts“ diskret verschwinden liessen, weil ihnen eine islamische Organisation dazu geraten hatte.
Die ganze Geschichte hier.
Die Remixe des Albums hier.

 

Medien-Melancholie

Auch wieder wahr: „Will man diesem wüsten Drunter und Drüber überhaupt einen Erkenntniswert einräumen, dann liegt er wohl in der melancholisch stimmenden Einsicht, wie hemmungslos ein paar Medienmenschen ihre eigenen Schrullen und selbst noch ihre Fehlleistungen zu einem öffentlichen Ereignis machen.“ Heribert Seifert in einem lesenswerten Beitrag der NZZ zum Streit über ein gewisses Videoblog…

 

Der elektronische Mufti kommt

Kein Witz:Ein Team von Forschern in Frankreich ist nach Informationen der panarabischen Tageszeitung Asharq Alawsat dabei, einen Fatwa-Automaten zu konstruieren, der durch künstliche Intelligenz religiöse Gutachten zu jedem beliebigen Thema erstellt.
Keine Hymen-Fatwas, keine Kamel-Fatwas, keine Still-Fatwas mehr? Oder vielleicht noch mehr vom gleichen halbgescheiten Zeug, wie es die ehrenwerte Al-Azhar in letzter Zeit immer wieder publiziert?
Der ernste Hintergrund dieser kuriosen Geschichte: Die Erosion der religiösen Autoritäten im sunnitischen Mainstream-Islam setzt sich rasend fort. Sonst könnte niemand auf eine so schrille Idee kommen:

„The device deduces the expected response through consulting thousands of examples that have been uploaded on to the machine, pertaining to that person whilst taking into account their reactions so that it may relate the expected response in accordance with their personality as created by the Artificial Intelligence apparatus,“ explained Dr. Fawzi.

 

Gegen die Verpöbelung des Internet

Dank an den Kollegen Christian Geyer von der FAZ:

„Was Jens Jessen, dem Kulturchef der „Zeit“, derzeit im Internet entgegenbrandet, ist widerlich und totalitär. Die Welle von Schlamm, die sich über ihn ergießt, ist in ihrer Monstrosität kaum zu beschreiben. Sie überschwemmt alles, was man an öffentlicher Wortkultur für gesichert hielt…“

Um das klar zu stellen: Es geht hier nicht darum, Jens Jessen Recht zu geben. Die Reaktionen auf seinen Blog-Kommentar aber sind wahrhaft erschreckend, wie Geyer richtig schreibt –

„verheerend für alle, die das Ungeschützte, Leidenschaftliche seiner Einlassungen schätzen. Verheerend aber auch für jene, denen daran liegt, ihm mit guten Gründen widersprechen zu können.“

Mehr unter obigem Link.

 

Deutschtürken appellieren an die CDU

Morgen in der ZEIT: Ein Aufruf prominenter Deutschtürken an die CDU, die Debatte über Jugendkriminalität zu versachlichen.
Der Berliner Grüne Özcan Mutlu hat die Sache initiert und Schauspieler, Sänger, Sportler, TV-Moderatoren und Autoren haben unterschrieben.
Ich finde dies einen wichtigen Appell, dessen sachlicher Ton mir zusagt. Ich habe mich darum dafür eingesetzt, dass wir diesen Appell im Wortlaut veröffentlichen.
Zitat:

„Wir bestreiten nicht, dass die Zahl der Mi­gran­ten unter den jugendlichen Straftätern hoch ist.
Dafür gibt es Gründe, die ausführlich analysiert werden müssen. Nur ist umgekehrt die übergroße Mehrheit junger Männer mit Mi­gra­tions­hin­ter­grund eben nicht kriminell. Das Dird bei der Debatte allzu gern vergessen. Daher sind wir besonders darum bemüht, Lösungen für die ernste Problematik zu suchen. Zur Lösungsfindung gehört sicherlich auch, das Problem zu benennen und darüber zu diskutieren. Jedoch muss diese Diskussion sachlich, konstruktiv und ­lösungsorientiert geführt werden. Roland Koch s­paltet mit seinen rechtspopulistischen Äußerungen die Gesellschaft und gefährdet damit die langsam gedeihende Integrationspolitik. Die Unionsparteien müssen bei der Diskussion endlich anerkennen, dass das Problem kein ethnisches ist, sondern, wie zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, ein soziales!
Je mehr sich sozial benachteiligte Milieus eta­blieren, desto gravierender wird auch die Gewaltproblematik werden. Besonders in den Migranten-Communitys fehlt es jungen Männern sehr oft an positiven Vorbildern, die sie respektieren und an denen sie sich orientieren können. Es fehlt ihnen überhaupt an Perspektiven, an positiven Lebenserfahrungen und einem Selbstwertgefühl.“

Der Rest morgen an einem Kiosk Ihres Vertrauens.