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Kopftuch und Kippa

Dies schreibt Mitbloggerin Anna. Und ich möchte sichergehen, dass es im Getöse der Kommentare nicht untergeht:

„… Letztlich wird man eine klare Regelung finden müssen, ob religiöse Symbole bei Lehrern (oder bei Beamten im allgemeinen, wie im Fall Hessen) erlaubt sein sollen oder nicht. Eine solche Regelung wird dann für alle Religionen gelten müssen, denn alles andere wäre eine Privilegierung bzw. Diskriminierung der einen oder anderen Religion und würde immer weiter zu Klagen führen. Zur Zeit versuchen die Gerichte in Deutschland einfach noch, sich vor einem solchen generellen Verbot bzw. einer generellen Zulassung religiöser Symbole bei Lehrern zu drücken. Das muslimische Kopftuch will man verbieten, christliche Nonnenhabits und jüdische Kippot will man aber nicht gleich “mitopfern”. Die dafür angebrachte Begründung, dass das muslimische Kopftuch ein politisches Symbol sei, während Habit und Kippa ein Ausdruck der “christlich-jüdischen Tradition” Deutschlands seien, ist an den Haaren herbeigezogen und wird sich auf die Dauer so nicht halten lassen.

Als verheiratete Jüdin trage ich übrigens selbst eine Kopfbedeckung. Das ist dann auch oft mal ein Kopftuch. Ich wäre sehr gespannt, wie weit ich mit einem “jüdischen” Kopftuch in deutschen Schulen kommen würde. Mit diesem Fall brauchten sich deutsche Gerichte ja konkret noch nicht zu beschäftigen. Deshalb: eine transparente Lösung für alle muss her. Ob generelles Verbot oder generelle Zulassung – darüber kann man meinetwegen streiten, auch wenn ich persönlich für eine generelle Zulassung bin.

Anna“

 

Das Kopftuchverbot in NRW – eine politische Dummheit

Als ehemaliger Schüler der Bischöflichen Liebfrauenschule Eschweiler, der bei Schwester Gisela – mit ihrem Nonnenhabit ein menschlicher Pinguin im Giordanoschen Sinne – einen exzellenten Philosophie-Unterricht geniessen durfte, halte ich die Düsseldorfer Entscheidung von gestern für einen schweren Fehler, für eine politische Dummheit, für einen weiteren Sargnagel des liberalen Staatsverständnisses.

Mit dem Kopftuchverbot an den Schulen in NRW wird übrigens auch das Tragen des Nonnenhabits ausserhalb des Religionsunterrichts verboten. Lächerlich.

Wie viele Nonnen gibt es denn noch im Schulunterricht? Man sollte froh sein über die restlichen Nonnen, die noch unterrichten. Bei uns gab es damals sogar hervorragenden Bio-Unterricht im Habit (ja, inkl. Evolution und Sexualkunde!).

Wir brauchen kein Kopftuchverbot für die wenigen Fälle, die überhaupt anliegen. Lehrerinnen sind daraufhin zu prüfen, ob sie mit der Verfassung und ihren Grundwerten übereinstimmen.

Ihr religiöses Bekenntnis ist ihre eigene Sache, selbstverständlich auch in der Kleidung. Sollten sie Schülerinnen unter Druck setzen, es ihnen nachzutun, greift das Disziplinarrecht.

Man kann Burka und Nikab (Vollschleier) aus praktischen Gründen verbieten (kein Augenkontakt), aber der Staat sollte sich nicht daran machen, gute und schlechte religiöse Symbole zu definieren. Er hat die Verfassung zu wahren und zu schützen, nicht über korrekte religiöse Praktiken zu richten.
Übrigens: Wenn es Nonnen weiterhin erlaubt wird, im Religionsunterricht Habit zu tragen, heisst dies dann im Analogieschluss, im islamischen Religionsunterricht wird dereinst das Kopftuch auch erlaubt sein?

Oder wird, wenn es einst einen Islamunterricht gibt, das Gesetz schnell noch einmal verändert? Abenteuerlich, das alles.
Das Kopftuch ist allerdings ein legitimer Gegenstand der Debatte – und ja: Es ist ein Symbol der Islamisten. (Aber nicht jedes Kopftuch hat diese Bedeutung.)

Die Debatte innerhalbe der islamischen Community darüber muss beginnen (und sie hat begonnen, siehe Ekin Deligöz), ob das Kopftuch obligatorisch ist. Eine solche Debatte kann aber nur sinnvoll dann stattfinden, wenn der Staat das Tuch nicht durch Verbote zum politischen Symbol macht, und damit letztlich den Islamisten die Hände reicht, die es ja genau so haben wollen.

Das Kopftuch ist kein Gegenstand für Gesetzgebung, ebensowenig wie der Nonnenhabit. Wir müssen uns den Zugriff des Staates auf diese Sphäre verbitten.
Ein Verbot religiöser Symbole passt auch nicht in unsere deutsche Leitkultur, in der es keinen strikten Säkularismus gibt, sondern eine wohlwollende Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften.

Dass ein Kopftuchverbot hilft, den Kampf gegen den religösen Extremismus und gar den islamistischen Terrorismus zu führen, halte ich für absoluten Quatsch.

Diejenigen, mit denen wir es dabei zu tun haben, sind ausserordentlich pragmatisch, wenn es um die religiösen Pflichten geht (siehe Jussuf Al-Karadawi).

 

Der Sechstagekrieg als Ursprung des islamistischen Fundamentalismus

In diesen Tagen wird viel an den Sechstagekrieg von 1967 erinnert – und welche Katastrophe er bis heute für die Palästinenser bedeutet.

Dabei fällt oft unter den Tisch, dass nicht nur die Bewohner der besetzten Gebiete bis heute unter den Folgen des Krieges leiden, sondern alle arabischen Gesellschaften: Denn ihre Herrscher nahmen die selbstverschuldete Niederlage zum Vorwand, die arabischen Gesellschaften brutal zu unterdrücken und sich jeglichen zivilen Widerstands zu entledigen. Auch der islamistische Fundamentalismus hat in dieser Welle der Unfreiheit und Unterdrückung seinen Ursprung.

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Abdullah Iskandar will dies in seinem hellsichtigen und todtraurigen Stück in Al-Hayat nicht unter den Tisch fallen lassen:

In some countries, the Emergency Law turned from an exception into a permanent law, while martial courts were ready to prosecute anyone showing signs of uneasiness in this society. Intelligence services, whether they were military, public, affiliated to the air force or the President, took the place of parties, syndicates and cooperative and civil authorities. Every product, be it industrial, agricultural or intellectual, became subject to one of these services whose loyalty kept changing, while all developmental, social and educational progress inside these countries was blocked. In conclusion, the civil society’s function turned into a service for the ruler.

Rulers became totalitarian and despotic; they ruled out all possible peaceful rotation of power, and eliminated all those calling for them to be held accountable. Industrialists, farmers, scientists and intellectuals were expelled or, alternatively, neutralized to make them submit to the „wise“ leadership. This vacuum led to a political and intellectual one and deeply weakened the society’s capacity to resist. In this vacuum, the defeated regimes, which were the ones that had created it, used isolated social categories, as well, to face the residual signs of civil society.

Despotism is turning into a monster dealing with all developmental, civil and political progress as if it were a dangerous enemy completing, through new means, the objectives of the June aggression. In the meantime, while poverty is increasing, education is falling apart and unemployment is on the rise, those benefiting from the regime are no longer ashamed of considering public funds part of their personal budget.

In this context, fundamentalism grew and a series of civil wars broke out: Syria, Egypt, Algeria and, later on, the remaining countries witnessed violence and terrorism.

Not only was the 1967 war an occupation of Arab territories and an expansion of the State of Israel, but also a justification for despotism and totalitarianism and a pretext to suppress Arab society. It was not only a setback, but also a catastrophe for all Arab peoples. Forty years ago, the choice was between a military regime resulting from a coup and a plural democratic system, while today it is between a despotic ruler on the one hand, and fundamentalism and civil wars on the other.

 

Londoner Muslime: Mehr Vertrauen in Polizei, Justiz und Regierung als Nichtmuslime

Zwei interessante Ergebnisse aus einer Gallup-Umfrage, die bei 500 Londoner Muslimen zwischen November 2006 und Januar 2007 durchgeführt wurde: Wenn man Symbolthemen wie das Kopftuch und Moscheebaustreitigkeiten beiseite läßt, zeigt sich eine starke Nähe der muslimischen Einstellungen zum britischen Mainstream. Das ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Muslime sich in überwältigender Zahl zunächst als Gläubige und dann erst als britische Bürger definieren. 81 % bezeichnen sich als „muslim first“ gegenüber nur 7 %, die sich in erster Linie als Briten sehen.

Nun aber zu den Übereinstimmungen.

Zum Beispiel bei der Frage, was die entscheidenden Faktoren gelungener Integration sind:
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Interessant auch für unsere hiesige Debatte: Sowohl die allgemeine Öffentlichkeit wie auch die britischen Muslime sind mehrheitlich nicht der Meinung, eine weniger starke Religiosität sei ein wichtiger Faktor für Integration! (siehe den letzten Punkt in der obigen Grafik)

Aber der eigentliche Knüller ist dies:

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Die britischen Muslime haben mehr Vertrauen in die Institutionen als die allgemeine Öffentlichkeit.

Das ist doch wohl ein anschlussfähiges Potential?

(Allerdings ist es auch enttäuschungsanfällig.)

Die gesamte Umfrage hier.

 

Muslime, kämpft selbst gegen Islamophobie!

Wer sagt, es gibt keine kritischen Stimmen aus der muslimischen Community – ja, sogar aus islamistischen Kreisen!
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Hamid Tawfik, Ex-Islamist

Hamid Tawfik, ein ehemaliges Mitglied der ägyptischen Islamistengruppe Al-Dschamaa al-Islamiya, hat im Wall Street Journal einen klugen Artikel geschrieben, in dem er erklärt, wie Muslime die Islamophobie besiegen können:

To bring an end to Islamophobia, we must employ a holistic approach that treats the core of the disease. It will not suffice to merely suppress the symptoms. It is imperative to adopt new Islamic teachings that do not allow killing apostates (Redda Law). Islamic authorities must provide mainstream Islamic books that forbid polygamy and beating women. Accepted Islamic doctrine should take a strong stand against slavery and the raping of female war prisoners, as happens in Darfur under the explicit canons of Shariah („Ma Malakat Aimanikum“). Muslims should teach, everywhere and universally, that a woman’s testimony in court counts as much as a man’s, that women should not be punished if they marry whom they please or dress as they wish.

We Muslims should publicly show our strong disapproval for the growing number of attacks by Muslims against other faiths and against other Muslims. Let us not even dwell on 9/11, Madrid, London, Bali and countless other scenes of carnage. It has been estimated that of the two million refugees fleeing Islamic terror in Iraq, 40% are Christian, and many of them seek a haven in Lebanon, where the Christian population itself has declined by 60%. Even in Turkey, Islamists recently found it necessary to slit the throats of three Christians for publishing Bibles.

Of course, Islamist attacks are not limited to Christians and Jews. Why do we hear no Muslim condemnation of the ongoing slaughter of Buddhists in Thailand by Islamic groups? Why was there silence over the Mumbai train bombings which took the lives of over 200 Hindus in 2006? We must not forget that innocent Muslims, too, are suffering. Indeed, the most common murderers of Muslims are, and have always been, other Muslims. Where is the Muslim outcry over the Sunni-Shiite violence in Iraq?

Islamophobia could end when masses of Muslims demonstrate in the streets against videos displaying innocent people being beheaded with the same vigor we employ against airlines, Israel and cartoons of Muhammad. It might cease when Muslims unambiguously and publicly insist that Shariah law should have no binding legal status in free, democratic societies.

 

Necla Kelek über Moscheebau und Religionsfreiheit

Necla Kelek hat sich zum Moscheestreit in Köln geäußert. Ihr Text steht heute in der FAZ. (Nicht online, ich zitiere hier aus einer Fassung, die Necla Kelek mir freeundlicher Weise vorab geschickt hat.)
Die gute Nachricht vorweg: Der Moscheebaustreit findet nicht, wie manche Berichte suggerieren, zwischen Mehrheit und Minderheit, Christen und Muslimen, Deutschen und Türken, Rechten und Linken, Islamophoben und Multikultis statt. Er geht mitten durch die deutsche Gesellschaft mit all ihren Segmenten und Gruppen – und mitten durch manchen Einzelnen, der sich so nicht einsortieren lassen will.

Necla Kelek gibt dafür das beste Beispiel, indem sie sich als Muslimin auf die Seite Ralph Giordanos stellt. Sie lehnt die vermeintliche islamische Verhüllungspflicht für Frauen mit folgenden Worten ab:

Als Muslimin verwahre ich mich dagegen, dass diese Frauen solch eine Verkleidung im Namen des Islam tragen. Es gibt dafür keine religiösen, sondern nur politische Begründungen.

Necla Kelek macht einen guten Punkt, wenn sie auf die Integrationsprobleme vieler Muslime in Deutschland verweist:

Es gibt eine Reihe großer sozialer Probleme mit der deutschen Sprache, in Familien, in der Erziehung, in Fragen der Gleichberechtigung der Frauen, Jungenkriminalität, der Gewalt in der Familie und der Integration. Drängende Fragen, deren Lösung die den Einsatz und das Geld der Muslime eher bräuchten, als das sie mit Repräsentativbauten Stärke zeigen sollten. Immer wenn diese Probleme angesprochen werden, wird behauptet, dass habe nichts mit dem Islam zu tun. Aber eine Religion, die den Anspruch erhebt, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens eines Gläubigen in Vorschriften, Gebote und Traditionen zu fassen, kann sich nicht bei erstbester Gelegenheit vor den Folgen dieses Anspruches drücken.

Sie verweist auch darauf, dass Moscheen keine Sakralbauten wie Kirchen seien (was hier bei uns auch schon Thema war). Die Islamvereine in Deutschland könnten, meint sie, da es im islam keine klare Trennung zwischen weltlichem und religiösem Bereich gebe, nicht den Status einer Religionsgemeinschaft beanspruchen. Sie hätten die „Funktion einer Glaubenspartei“, wenn sie sich auch nach dem deutschen Vereinsrecht organisierten.Und damit kommt sie zum Kern:

Deshalb ist die Frage des Moscheebaus auch keine Frage der Glaubensfreiheit, sondern eine politische Frage. Das Baurecht und das Vereinsrecht sind da überfordert. Ein Kriterium für die Genehmigung eines Bau eines Gebäudes eines politischen Islamvereins ist deshalb, die positive Beantwortung der Frage: werden dort die Gesetze eingehalten, z.b. wird dafür gesorgt, dass Frauen nicht diskriminiert werden. Und eine zweite Frage darf und muß gestellt werden: dienen sie der Integration. Und da sind Zweifel angebracht.

Das erste Kriterium halte ich für selbstverständlich. Die Gesetze sind einzuhalten. Frauen dürfen nicht diskriminiert werden. Heisst das, Frauen und Männer müssen zusammen beten und Frauen sollen kein Kopftuch tragen?

Ich würde das zwar auch für wünschenswert halten. Und wir können und sollten darüber eine Debatte haben. (Haben wir ja auch, nicht zuletzt dank Necla Kelek!)

Aber der Staat hat in diesen Dingen einfach nichts zu suchen. Er kann Religionsgemeinschaften nicht vorschreiben – erst recht nicht durch die Verhinderung von Moscheebauten – wie Erwachsene ihren Glauben leben, und nicht einmal, wie sie ihn an ihre Kinder weitergeben sollen, sofern sie damit nicht gegen die Verfassung verstossen.

Noch einmal der Vergleich mit dem Judentum, der anderen großen Minderheitenreligion hierzulande: Am Wochenende ist eine Rabbinerin in Berlin eingeführt worden. Aber konservative und orthodoxe Juden haben damit immer noch ihre Probleme. Und bei ihnen beten auch die Geschlechter nicht zusammen. Ultraorthodoxe Frauen tragen ihr Haar unter Perücken verdeckt. Ich mag das für einen befremdlichen, überstandenen Brauch halten, aber es würde mir nicht einfallen, nach staatlicher Regulierung dieser Praktiken zu rufen. Ich würde auch nicht gerne öffentlichen Druck auf diese Frauen sehen.

Ich halte es umgekehrt sogar für meine Pflicht, die Freiheit zu solchen Bräuchen zu verteidigen, ob Sie mir gefallen oder nicht – gegen eine mögliche „Tyrannei der Mehrheit“ (John Stuart Mill), die damit nicht einverstanden ist. Religionsfreiheit ist die politische Urfreiheit, aus der sich unsere westliche Demokratie entwickelt hat. In Amerika weiss man das noch, in Europa, das sich (irrtümlicher Weise) für säkular hält, droht es in Vergessenheit zu geraten.

Und damit komme ich zum zweiten Punkt in Necla Keleks Argumentation: Sie will, wie Ralph Giordano, die Freiheit zum Moscheebau von der Integrationsleistung der Islamvereine abhängig machen.

Das geht einfach nicht. Man muss es vielleicht so deutlich sagen: Religion ist kein Mittel zur Integration. (Dass sie ein Mittel zur Desintegration sein kann, wissen wir leider.) Die Freiheit zu einem religiösen Bekenntnis ist ein hohes Gut unserer Verfassung, das nicht der politischen Opportunität untergeordnet werden kann. Es findet seine Grenze an den anderen perönlichen und bürgerlichen Freiheiten wie der Gewissens-, der Meinungsfreiheit udn der Versammlungsfreiheit. Wir verteidigen es gegenüber Extremisten, wir halten unsere Schätzung dieses hohen Gutes für einen Vorzug unserer Gesellschaft vor den islamischen Gesellschaften – zu Recht! Eben darum dürfen wir es auch Muslimen hier zu Lande nicht verwehren, auch nicht mit dem Trick, ihre religiöse Praxis aus dem Berech der Religionsfreiheit herauszudefinieren.

Das Recht auf Religionsausübung läßt sich nicht von Integrationsfortschritten abhängig machen. Wir kommen in Teufels Küche, wenn wir damit anfangen. Wir Europäer sind zu Recht stolz auf die Zähmung der christlichen Religion nach den blutigen Religionskriegen, aus denen unsere Staatenordnung hervorgegangen ist. Wir sägen an ihren Grundlagen, wenn wir die Religionsfreiheit vom Mehrheitsgusto abhängig machen.

Dass sehr weitgehende Religionsfreiheit, verstanden als Grundlage eines säkularen Gemeinwesens, sehr wohl integrative Effekte haben kann, zeigen die USA. Dort ist die Religion – und nicht nur die private, sondern die politische, öffentliche – ein Element der bürgerlichen Integration und der gesellschaftlichen Dynamik.

Ich habe die Ehrenfelder Moschee hier als gelungenes Beispiel modernen islamischen Bauens in Deutschland beschrieben. Necla Kelek aber sieht in der Moschee einen Beton gewordenen Macht- und Eroberungsanspruch des Islams in Deutschland. Mir leuchtet das nicht ein. Warum würde man sich einen Kirchenbaumeister, und dann auch noch den modernsten von allen, ausssuchen? Einen, der Kirchen nicht als Herrschaftsarchitektur baut (auch das gibt es!), sondern als Andachtsstätten, als beton gewordene Innerlichkeit? Es liegt darin für mich ein Wunsch nach Gleichwürdigkeit. Ich sehe nicht, was daran integrationshinderlich sein soll, im Gegenteil.

In einer Hinterhofmoschee sind weder Frauenrechte besser geschützt noch wird dort mehr für die Integration getan als in einer grossen, offenen Freitagsmoschee, wie sie in Ehrenfeld geplant wird.

Necla Kelek hat Recht mit diesen Sätzen:

Der Islam ist eine Realität in Deutschland. Und er ist deshalb eine Angelegenheit der deutschen Gesellschaft. Die Muslime müssen es sich gefallen lassen, wenn andere fragen, in welcher Gesellschaft sie leben wollen und wie sie es mit den Werten dieser Gesellschaft halten.

Zu den Werten dieser Gesellschaft gehört aber, ich wiederhole mich, die Religionsfreiheit. Dazu gehört, dass unbescholtene Muslime wie die Ehrenfelder – im Rahmen des Baurechts – eine würdige Stätte zum Gebet errichten. Es ist widersinnig, eine Gruppe in der Gesellschaft zur Integration in diese Rechts- und Werteordnung aufzufordern und ihr im gleichen Zug wesentliche Rechte absprechen oder nur auf Vorbehalt zugestehen zu wollen.

 

Scheich Karadawi: Musliminnen müssen kein Kopftuch tragen – wenn sie sich in die Luft sprengen

Ist das Kopftuch obligatorisch für Musliminnen?
Zu dieser auch hier immer wieder aufflammenden Debatte ein interessantes Zitat des wohl berühmtesten sunnitischen Gelehrten unserer Tage – Jussuf El-Karadawi. Im vergangenen November hat Karadawi sich mit der Anfrage beschäftigt, ob Palästinenserinnen, die eine „Märtyreroperation“ (also ein Selbstmordattentat) verüben wollen, aus strategischen Gründen gegen die islamischen Bekleidungsregeln verstossen dürfen.

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Der Scheich (rechts) mit seinem Bewunderer, dem Londoner Bürgermeister Ken Livingstone 

Frauen, die einen solchen Akt begehen wollen, haben das Recht, das Haus ohne männlichen Beistand (Mahram) zu verlassen. Sie müssen auch nicht ihren Ehemann oder Bruder oder Vater um Erlaubnis fragen. Und sie haben auch das Recht, wenn nötig zur Täuschung des Feindes ihr Haar zu zeigen, weil sie es ja nicht tun, um „ihre Schönheit zu zeigen“, sondern um für Gott zu töten.
Diese Logik muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Das Haar zu zeigen ist für Karadawi haram, wenn es um der Schönheit willen geschieht. Wird es aber heimtückisch mit Mordabsicht getan, tut er seinen halal-Stempel drauf:

As for the point that carrying out this operation may involve woman’s travel from place to another without a Mahram, we say that a woman can travel to perform Hajj in the company of other trustworthy women and without the presence of any Mahram as long as the road is safe and secured. Travel, nowadays, is no longer done through deserts or wilderness, instead, women can travel safely in trains or by air.

Concerning the point on Hijab, a woman can put on a hat or anything else to cover her hair. Even when necessary, she may take off her Hijab in order to carry out the operation, for she is going to die in the Cause of Allah and not to show off her beauty or uncover her hair. I don’t see any problem in her taking off Hijab in this case.

To conclude, I think the committed Muslim women in Palestine have the right to participate and have their own role in Jihad and to attain martyrdom.

Niemand soll sagen, islamischer Feminismus sei ein Widerspruch in sich. Im Zeichen des Terrors kommt er mit mächtigen Schritten voran, und Scheichs, die sonst gerne schlaflose Nächte über der Frage verbringen, wie sie die Frauen im Haus und unter dem Hijab halten, werden plötzlich sehr pragmatisch.

 

Al-Kaida: Die Seifenoper

Die lange erwartete vierte Folge der Al-Kaida-Seifenoper.

Was bisher geschah:
Herr Abernaty verdächtigt seine Frau Safira, entweder im Verborgenen Bücher zu lesen oder ihn zu betrügen. (Schwer zu sagen, was schlimmer wäre.)

Feisals Vater und Mutter haben ihn im Verdacht, dass der angehende Selbstmordterrorist sich in Wahrheit gar nicht in die Luft sprengen will. Tatsächlich täuscht er eine Erkältung vor, um dem Selbstmordanschlag, den sein Vater so sehr herbeisehnt, zu entgehen.

Ein Chirurg teilt einer verzweifelten Familie mit, man habe zwar eine Niere für die nötige Transplantation gefunden – aber die sei leider – von einem JUDEN! (Daraufhin wird der Mullah beauftragt, die Niere zu konvertieren.)

Eine junge Frau beginnt an sich zu zweifeln, weil alle ihre Freunde sich fürher oder später in die Luft sprengen („Liegt es an mir?“) Schließlich setzt sie ihre Hoffnung auf Feisal, den feigen Car-Bomber.

In dieser Folge: Herr Abernaty wird von den Taliban aufgesucht, die nach Homosexuellen Ausschau halten. Er geht seinem fürchterlichen Verdacht nach, seine Frau betrüge ihn mit dem Friseur. Doch der ist …

Alle bisherigen Folgen auf Youtube unter „National Banana“.

 

Wende? Vatikan sagt ja zum EU-Beitritt der Türkei

Der konservative Figaro berichtet von einer möglichen Kehrtwende des Vatikan in der Türkeifrage.

Der Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone hat am vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz in Rom klar Ja zu einer Einbindung der Türkei in Europa gesagt – bis hin zu einer Mitgliedschaft in der EU.

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Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Foto: Wikimedia


Bertone, Chefdiplomat des Vatikans (Kardinalstaatssekretär) und rechte Hand des Papstes (seit kurzem auch Camerlengo, also Kämmerer), sagte dem Figaro:

« Il y a des évolutions, les positions sont naturellement très différentes », a-t-il reconnu, mais « avec les peuples et les gouvernements qui respectent les règles fondamentales de la cohabitation, on peut dialoguer et construire ensemble le bien commun dans la sphère européenne et aussi dans la communauté mondiale ». « Y compris jusqu’à une entrée dans l’Europe ? », lui ont demandé les journalistes. « Y compris », a répondu le secrétaire d’État.

Ein weiterer Prälat aus dem Vatikan fügt hinzu:

La Turquie n’est plus « l’ennemi héréditaire » de l’Europe chrétienne, souligne aujourd’hui un prélat, rappelant que jusqu’au XVIIe siècle l’horizon politique des papes était de fédérer l’Europe dans une croisade contre les Turcs. Entre l’Islam et la chrétienté, selon ce prélat, la Turquie est « une marche frontière » qu’il faut « intégrer plutôt que de la rejeter brutalement ».

Der Figaro weist darauf hin, dass dies eine 180-Grad-Wendung bedeutet im Vergleich zu der Position Kardinal Ratzingers von 2005, als er einen möglichen Beitritt der Türkei als einen „historischen Fehler“ bezeichnete.

Es bewegt sich etwas, seit Regensburg und der Türkeireise. Nur der Papst selbst hat noch nicht gesprochen.