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Ein Vetriebener: Frau Steinbach spricht nicht für mich

Ein Leser schreibt mir in der Causa Steinbach:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es war im März dieses Jahres, da die interessierte Öffentlichkeit aufatmete, weil Frau Steinbach erklärt hatte, auf den ihr von ihrem „Bund der Vertriebenen“ zugedachten Sitz im Stifungsrat des „Zentrum gegen Vertreibung“ zu verzichten. Und alle Welt war des Lobes voll über die darin zutage getretene Weitsicht und Selbstlosigkeit. Das soll nun nicht mehr gelten – und den neuen Außenminister werden wir wohl auch noch zur Raison bringen!
Schon damals hatte beispielsweise der Abgeordnete Bosbach (CDU) in einer Fernsehsendung (bei Anne Will) behauptet, diesen Posten zu besetzen sei das satzungsgemäße Recht des „BdV“ (Bundes der Vertriebenen), um dann  fortzufahren, dass „die Vertriebenen“ in ihren Rechten nicht beschränkt werden dürften.

Ich bin „wirklicher“ Vertriebener; denn ich bin 1929 in der Grafschaft Glatz (Schlesien) geboren bin und habe dort bis zu unserer zwangsweisen „Umsiedlung“ 1946 gelebt.
Aber ich frage mich – und seit längerem auch die Öffentlichkeit -, mit welcher Legitimation der „BdV“ für „die Vertriebenen“ (also auch für mich ?) spricht.   Und ich frage weiter: Welches sind heute – sechzig Jahre nach der Vertreibung – die Interessen und „die Rechte“ der Vertriebenen (die nicht mit den allgemeinen Rechten eines jeden deutschen Staatsbürgers deckungsgleich wären, die als solche den Schutz unseres Staates genössen und denen eine Repräsentanz durch eine der politischen Parteien offensteht) ?

1.Ganz schlicht für mich gesprochen, kann ich nur sagen, dass ich niemanden ermächtigt habe, in meinem Namen irgendwelche Erklärungen abzugeben, und dass sehr viele der Äußerungen des BdV mit meinen Überzeugungen nicht übereinstimmen.
2.Von welchen Personen der BdV und seine Sprecher ihre Legitimation ableiten, lässt sich für den normalen Bürger nicht ermitteln.
Der Bund der Vertriebenen hat keine persönlichen Mitglieder. Wer mitwirken will, muss in eine der Landsmannschaften eintreten, die ihrerseits Mitglieder des „Bundes der Vertriebenen“ sind, und dort von ihren Vereinsvorständen vertreten werden.

Solche Verschachtelungen gibt es auch andernorts, u.a. bei Handelsgesellschaften. Diese lassen sich aber, im Unterschied zum. Bund der Vertriebenen, mit geringer Mühe in ihrer Struktur und auf ihre Mitgliedersubstanz durchschauen.
Sie funktionieren auch anders. In der Regel gibt es einen Mehrheitsgesellschafter, der größeren Einfluss (von unten nach oben) ausüben will. Hat man es aber im „Unterbau“ mit mehreren Mitgliedern zu tun, können Verschachtelungen leicht dazu führen, dass die Einflussmöglichkeit des Einzelnen schwindet; er wird „mediatisiert“. Auf diese Weise könnte man die größten Apparate praktisch mit den berühmten „drei Leuten“ betreiben.
Wer sind diese und wer kontrolliert sie ?
3.Und was sind heute die (speziellen) Interessen und Rechte der Vertriebenen ?
„Die Vertriebenen“ als einigermaßen sicher abgrenzbare Interessengemeinschaft gibt es nicht mehr. Spezifische Interessen von Vertriebenen, die eine gesonderte Vertretung im politischen Raum legitimierten, hat es unmittelbar nach der Vertreibung gegeben. Dass die damals gegründete politische Partei der „Heimatvertriebenen und Entrechteten“ mit dem Erstarken des Gemeinwesens „Bundesrepublik Deutschland“ dahinschwand, war die natürliche Folge der Tatsache, dass die für den einzelnen Vertriebenen lebenswichtigen Fragen, die gleichzeitig den Bereich der allgemeinen Politik berührten (wie finde ich meine Angehörigen wieder? wo finde ich Wohnung ? wie und wo finde ich Arbeit? etc.) im Laufe der Zeit weitgehend erledigt waren, bis hin zu Ausgleichzahlungen im Rahmen des so genannten Lastenausgleichs.
Ich, beispielsweise, konnte nach unserer zwangsweisen Aussiedelung bis zum Abitur ein Gymnasium besuchen und danach studieren.  Mit dem Zweiten Staatsexamen war ich beruflich in jeder Hinsicht einem „Einheimischen“ gleichgestellt. Für mich gab es von da an – und das liegt über fünzig Jahre zurück – keine spezifischen Vertriebenenprobleme.  — Und ich stehe da ja nicht allein.

Sonderbarer Weise scheint sich für die Frage der Legitimation des privatrechtlichen Vereins, der der „BdV“ nun einmal ist, niemand zu interessieren, obwohl über diese Frage nun auch Herr Westerwelle stolpern könnte.

gez. Christhard Schiller, Rechtsanwalt, Freiburg

 

Wie man mit Fundamentalisten debattiert

Zeigt hier der britische Journalist Johann Hari, der mit Sajjad Khan einem Vetreter der Hizb-ut-Tahrir auf dem „Islam Channel“ diskutiert. Hizb-ut-Tahrir will das Kalifat wieder einführen:

Debatte Hari-Hizb

(Kann wegen Erkältung nicht regelmässig posten. Ab morgen auf Reisen mit dem Verteidigungsminister, darum auch unregelmässiges Erscheinen hier.)

 

Helmut Schmidt verteidigt Sarrazin

Schmidt: „Wenn er sich ein bisschen tischfeiner ausgedrückt hätte, hätte ich ihm in weiten Teilen seines Interviews zustimmen können.

(…)

di Lorenzo: Und was soll es bringen, alle Türken pauschal anzurempeln und so hässliche Ausdrücke zu gebrauchen wie »Kopftuchmädchen produzieren«?

Schmidt: Ich hätte diese Ausdrücke sicherlich nicht gebraucht. Nach einem langen Gespräch, das umgangssprachlich geführt wurde, hätte ein Redakteur an drei oder vier Stellen Korrekturen vornehmen müssen. Das hat offenbar keiner getan.“

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Es geht immer um Gewalt

Mitbloggerin Miriam berichtet folgendes von der Integrationsfront:

Ich habe gestern einen Workshop zum Thema Respekt durchgeführt mit einer ethnisch bunt gemischten Gruppe von Hauptschülern (14 J.), darunter Albaner, Iraker, Italiener, Russen, Polen und ein paar Deutsche. Die Wortführer waren Jungs albanischer, irakischer und italienischer Herkunft – keine Schlägertypen , aber gut informiert über “die Szene”. Für drei Stunden ging die Post ab. Ehre, Ficken, Jungfräulichkeit, Schlampen, Schlagen, Schwule, Opfer, Bozkurt, Black Jackets, Knast und “mein Vater will nicht, dass ich wie mein Bruder/Cousin werde”: Alles kam zur Sprache. Ich war total beeindruckt von ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit und ihrer Fähigkeit, die normativen Erwartungen ihrer jeweiligen Kultur und die Gesetze der Straße zu artikulieren. Schwer beeindruckt hat mich ihre Bereitschaft, sich auf meinen Ansatz einzulassen, dass diese Regeln und Gesetze in Albanien, im Irak, in Anatolien oder Sizilien zwar funktional sein mögen, aber in Deutschland kontraproduktiv und GG- bzw gesetzeswidrig seien, und dass man hier andere Lösungsansätze braucht. Und auch dass die Überwindung der Tradition der Preis dafür sei, dass man in diesem Land leben darf.

Es war eine total zivilisierte und respektvolle Debatte, die den Vergleich mit anderen Workshops, die ich für Sozialpädagogen, Lehrern oder Mentoren durchgeführt habe nicht zu scheuen braucht. Im Gegenteil: Es war mit das Spannendste, was ich je erlebt habe. Aber die ganze Zeit ging es letztlich um Gewalt: Gewalt als Mittel der Konfliktlösung, Gewalt als legitimes und notwendiges Erziehungsmittel, Gewalteinsatz, um die Ehre der Familie zu verteidigen, Gewalt gegen Töchter und Schwester, die sich wie Schlampen benehmen, Gewalt gegen deutsche “Opfer” (nicht gegen Nazis, denn die können sich wehren), Gewalt auf dem Fußballplatz.
Und dann beklagte sich ein junger, sehr sympathischer Italiener, dass er und sein Kumpel von zwei deutschen Jungs angemacht worden seien und sich gekloppt hätten, und dann sei die Polizei gekommen und hätten den Ausländern die Schuld gegeben. “Klar ist das unfair. Aber wundert dich das?”, habe ich ihn gefragt? Ich holte die Lokalzeitung vom Vortag aus meiner Tasche heraus und zitierte: 1. junger Frau das Handy geraubt; Täter vermutlich Südländer; 2. 49-Jähriger auf dem Fußgängerweg zwischen zwei am Rande der Stadt liegenden Dörfer von einer mit Messer und Pistole bewaffneten Gruppe junger Männer überfallen und ausgeraubt. Täter vermutlich Osteuropäer.” Und dann fragte ich ihn: “Und wer hat letztens den deutschen Jungen auf dem Sommerfest halb tot geschlagen?” “Die XY-Gang”. Und wer gehört dazu? “Kurden, Russen, Kroaten, Bosnier.”. “Und du wunderst dich, dass man annimmt, dass ihr angefangen habt?”. “Naja, eigentlich nicht.”

Ich habe die Jungs, die die Mitglieder der XY-Gang alle gut kennen, gefragt, warum diese Jungs (13 – 17 Jährige) sich trauten in ein anderes (eher bürgerliches) Viertel zu gehen und vor den Augen vieler deutscher Erwachsener sich einen deutschen Jungen zu schnappen und ihm so übel zuzurichten, dass jeder Knochen im Gesicht gebrochen wurde. Die einmütige Antwort lautete: ” Es war ein Skater, die sind alle Opfer. Und die XY-Gang hat die Black Jackets hinter sich.“

Zum Schluss mussten sie mir recht geben, dass man sich nicht wundern kann, wenn “die Deutschen” – und nicht nur die Skater mit den blöden Opferhosen – anfangen zu zittern, wenn eine Gruppe Jungmänner mit Migrationshintergrund auf sie zukommt, und dass die Polizei automatisch annimmt, die mit Migrationshintergrund seien schuld. Und dass die Deutschen aus ihrem Viertel ausziehen und nur Ausländer zurückbleiben. Und dass es keine deutschen Spieler mehr gibt in ihrem (ehemals) deutschen Fussballverein. Die Jungs haben sogar die Polizei in Schutz genommen und gemeint nicht alle Polizisten seien ausländerfeindlich oder so. Viele seien echt in Ordnung. Die Kids sind auch in Ordnung, und mit 14 “noch zu haben”. Und wenn die deutsche Gesellschaft sie nicht “holt”, dann werden es Typen wie die Black Jackets, die angeblich fleißig am Rekrutieren seien, es womöglich tun. Und dann wird es noch schwieriger, als Deutschtürke bei Sixt ein Auto zu mieten.

 

Sixt antwortet auf Diskriminierungsvorwürfe

Soeben errreicht mich über Konstantin Sixt folgende Stellungnahme der SIXT AG zu den auf der „Achse des Guten“ erhobenen Vorwürfen, ein türkischer Kunde sei beim Versuch ein Auto zu leihen diskriminiert worden:

„Stellungnahme der Sixt AG
Sixt ist als internationaler Mobilitätsdienstleister in mehr als 100 Ländern weltweit tätig. Wir sind ein weltoffenes Unternehmen, das seinen Erfolg dem Vertrauen von Kunden auf der ganzen Welt verdankt. Auch die mehr als 3.000 Mitarbeiter von Sixt gehören vielfältigen Nationalitäten und Kulturen an. Seit vielen Jahren sind Toleranz und Respekt gelebte und prägende Bestandteile unserer Unternehmenskultur.


Selbstverständlich bieten wir unsere Dienstleistungen allen Kunden ungeachtet ihrer nationalen Herkunft an. In der Autovermietung folgen wir dabei der branchenüblichen Regelung, wonach Kunden zur Anmietung eines Fahrzeugs einen gültigen Führerschein und einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen müssen.


In aller Regel handelt es sich dabei um Dokumente aus einem Land.
An einer Vermietstation von Sixt hat ein türkischer Kunde bei der Fahrzeuganmietung nicht Dokumente eines einzigen Landes, sondern einen deutschen Führerschein und einen türkischen Personalausweis vorgelegt. Diese ungewöhnliche Kombination hat bei unseren Mitarbeitern Verwunderung ausgelöst. Dennoch hätte der Kunde auf dieser Basis selbstverständlich ein Sixt-Fahrzeug erhalten müssen. Unsere Mitarbeiter haben in dieser Situation falsch und unangemessen reagiert und dem Kunden kein Fahrzeug übergeben. Daraus sind dem Kunden erhebliche Unannehmlichkeiten entstanden. Wir bedauern diesen Vorfall sehr und haben uns bei dem Kunden in aller Form entschuldigt.


Zugleich weist Sixt mit Nachdruck den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Diese Unterstellung entbehrt nicht nur im vorliegenden Fall, sondern in allen anderen Geschäftsabläufen von Sixt jeder Grundlage.“

 

Enzensberger wird 80

Herzlichen Glückwunsch!

Hans Magnus Enzensberger wird heute 80 Jahre alt!

Wer mehr über den immer noch interessantesten Intellektuellen der Bundesrepublik wissen will, lese dieses Buch.

hme

 

Warum Guido Westerwelle Erika Steinbach stoppen muss

Mein Kommentar aus der ZEIT (Nr. 47, S. 12) von morgen:

In der deutschen Geschichtspolitik bahnt sich ein Durchbruch an. Und der unwahrscheinliche Initiator ist Guido Westerwelle, der neue Außenminister.
In seiner ersten Woche im Amt hat er nicht nur runde 20 000 Flugkilometer absolviert, ohne in einem einzigen Fettnäpfchen zu landen. Er hat auch gleich etwas richtig gemacht: Sein erster Besuch führte ihn nach Warschau  –  gemäß dem Wahlversprechen, er werde das Verhältnis zu unserem östlichen Nachbarn so vertrauensvoll gestalten wie das deutsch-französische längst schon ist. Die umstrittene Bundesstiftung zum Gedenken an die Vertreibungen sei ein Beitrag dazu, sagte der Minister in Warschau. »Wir werden alles unterlassen, was diesem Gedanken entgegensteht.»
Das heißt: Westerwelle ist dagegen, dass die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach, Mitglied im Beirat der Bundesstiftung werden kann. Wie recht der neue Außenminister damit hat, zeigte sich an Steinbachs unverschämter Reaktion. Sie warf ihm vor, »Vertrauen zu anderen Ländern durch Opfergaben zu Lasten eigener Bürger oder Organisationen erkaufen« zu wollen. Im Klartext: Frau Steinbach sieht den Außenminister ihrer eigenen Koalition als eine Art Landesverräter, weil der ihr nicht zutraut, den Posten satzungsgemäß auszufüllen.
Guido Westerwelle hat offenbar erkannt, dass es höchste Zeit ist, die deutsche Erinnerungskultur endlich aus der Geiselhaft dieser Frau zu befreien. Es sieht so aus, als würde er standhaft bleiben: Es sei verständlich, dass Steinbach in Polen auf Ablehnung stoße, weil sie 1990 gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze gestimmt habe, konterte Westerwelle Steinbachs Attacke trocken.
In Wahrheit ist Frau Steinbach längst nicht nur den Polen, sondern auch vielen hierzulande schwer als Versöhnerin vermittelbar. Beim diesjährigen Pfingsttreffen ihres Vereins hat sie wieder einmal erklärt, die Vertriebenen seien für Hitler in »Kollektivhaftung« genommen worden. Sie wüssten darum »elementarer als andere«, dass Hitler »die Büchse der Pandora« geöffnet habe. »Elementarer« als die Polen, deren Land ausgelöscht werden sollte?
Dass Frau Steinbach ihre Klientel immer wieder in eine Konkurrenz um den Opfer­status rückt, ist auch vielen Vertriebenen und deren Nachkommen unerträglich. Denn es gibt zum Glück länger schon eine große Bereitschaft, sich mit den deutschen Opfern vorbehaltlos zu beschäftigen – auch in Polen, Tschechien und Ungarn. Die Europäisierung der Erinnerung an Flucht und Vertreibung hat begonnen, nicht zuletzt durch den persönlichen Einsatz vieler Vertriebener. Doch Erika Steinbach tut immer noch so, als müsse sie eine gefühlstaube Welt darüber belehren, dass auch Deutsche gelitten haben. Dass es ein innerer Widerspruch ist, selbstherrlich und schneidend aufzutreten, wenn man als Opfer anerkannt werden will, hat sie nie verstanden.
Anfang des Jahre sah es anders aus: Als die BdV-Präsidentin im März vorerst darauf zu verzichten schien, einen Sitz in der Stiftung anzustreben, ist ihr viel Respekt zuteil geworden. Endlich schien eine Deeskalation möglich: Man dachte, sie stelle die Verwirklichung des »sichtbaren Zeichens« zum Andenken an das Leid der Vertriebenen über ihr persönliches Interesse. Jetzt zeigt sich, dass dies nur Taktik war. Steinbach wusste, dass die Sozialdemokraten im Kabinett ihre Berufung verhindern würden. Sie hoffte, der kleinere Partner in der neuen schwarz-gelben Regierung werde sich fügen und ihr ins Amt helfen.
Da war es allerdings eine Torheit, dass sie beim Pfingststreffen Verständnis dafür zeigte, dass die Ostpolitik von den Vertriebenen als »Verrat« denunziert wurde. Neben Willy Brandt waren dafür nämlich auch Walter Scheel und sein Nachfolger Hans-Dietrich Genscher verantwortlich. Nun muss Frau Steinbach zur Kenntnis nehmen, dass der neue liberale Außenminister das Bekenntnis zur Entspannungspolitik ernst meint.
Wie ernst, wird sich an seiner Standfestigkeit in der Causa Steinbach zeigen. Von der Bundeskanzlerin kann er stille Unterstützung erwarten. Angela Merkel hat in ihrer Danziger Rede zum deutschen Überfall auf Polen klargestellt: »Kein Land hat so lange unter deutscher Besatzung gelitten wie Polen.« Sie stellte deutsches Leid in den Zusammenhang der »Verantwortung Deutschlands, die am Anfang von allem stand«. Solche Worte machen es den Polen leichter, des an Deutschen begangenen Unrechts zu gedenken.
In den kommenden Tagen wird der Bund der Vertriebenen entscheiden, ob man Steinbach nominiert. Der BdV steht am Scheideweg: Was ist wichtiger – die Profilierung Erika Steinbachs oder die wachsende Empathie unserer Nachbarn auch für deutsche Opfer?

p.s.: Eine persönliche Note. Dies hier ist das Haus meiner Familie väterlicherseits. Es steht in Gorna Grupa (Obergruppe) bei Grudziaz (Graudenz) an der Weichsel. Es war einmal ein Dorfgasthof. Heute sind darin ein Kulturzentrum und ein Kaufladen untergebracht. Niemand kann sich an meine Oma oder meinen Vater und seine Geschwister erinnern. Oder niemand möchte es zugeben. Es war gut, das zu sehen bei unserem Polen-Urlaub in diesem Jahr. Erstaunlich, wie ähnlich die Gegend derjenigen ist, in der mein Vater, der Vertriebene, heimisch wurde (im äußersten Westen Westdeutschlands). Einen kleinen Stich hat’s mir schon versetzt. Aber dann war es auch gut. Ich bin auf der glücklichen Seite des Kalten Krieges aufgewachsen. Ich liebe Westpreussen und werde sicher wiederkommen. Heimat ist woanders.

gornagrupa

 

Türken werden nicht bedient

Ein Artikel auf der Achse des Guten über die Diskriminierung von Türken durch die Firma SIXT:

… einen gut gekleideten jungen Mann mit perfekten Manieren und einem akzentfreien Deutsch. Nur aufgrund des Namens war anzunehmen, dass es sich hierbei um einen jungen Mann mit türkischen Wurzeln handeln könnte.

Bestätigung sowie Mietwagenvoucher der Firma Sixt wurden dem Kunden per Mail zugestellt.

Der Kunde traf pünktlich bei der Mietwagenstation von Sixt ein, um den Wagen zu übernehmen.

Das Personal ließ sich, wie üblich, den Führerschein sowie die Personalien des Fahrers geben. Dann begann das Unglaubliche.

Der Fahrer besaß einen gültigen deutschen Führerschein, außerdem einen Personalausweis, ausgestellt vom türkischen Generalkonsulat in Deutschland.

Mit anderen Worten, wir haben es hier mit einem Deutsch-Türken zu tun, der junge Mann ist in Deutschland geboren, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat hier studiert.

Das Personal der Firma Sixt übergab den Wagen nicht an den Kunden, sondern verlangte die Aufenthaltsgenehmigung für die BRD, um dann zu prüfen, ob er berechtigt ist, hier bei uns in Deutschland einen PKW anmieten zu dürfen. Diese Aufenthaltsgenehmigung, logischerweise unbefristet, befand sich jedoch im Reisepaß des Kunden, und der Reisepaß wiederum lag am Wohnort des jungen Mannes, ca. 40 km von Frankfurt entfernt.

Sixt stellte ihn vor die Alternative: Entweder Sie fahren nach Hause und holen die Aufenthaltsbescheinigung oder es gibt kein Auto.

Vollkommen hilflos rief der Kunde in seinem Reisebüro an. Die Mitarbeiterin war völlig sprachlos und verstand die Welt nicht mehr. (…)  Welche Möglichkeit gäbe es, damit der Kunden das Auto übernehmen kann? Das Reisebüro hätte für alles gebürgt. Aber nein, erfuhr sie, es gäbe eine Anweisung aus München, verfaßt von Herrn Erich Sixt persönlich, dass türkische Staatsbürger bei Sixt keine Mietwagen anmieten dürfen!

(…)

 

Warum Ahmadinedschad gegen die Besetzung der US-Botschaft war

Interessanter Hintergrundbericht in der New York Times (online): Der heute größte Kritiker des „US-Imperialismus“ war vor 30 Jahren dagegen, die US-Botschaft in teheran zu besetzen. Machmud Ahmadinedschad hatte damals wesentlich mehr Angst davor, den Einfluss der Russen auf Iran zu stärken, als vor dem amerikanischen Einfluss, der zum Haupt-Topos der Propaganda der Islamischen Republik werden sollte.

ahmadiyoung

Bild: M. Ahmadinedschad als Studentenaktivist Ende der Siebziger
Die Einmischungen Russlands (seit der Zarenzeit) und später der Sowjetunion wurden immer weiter heruntergespielt gegenüber den Briten und den Amerikanern. Aber der junge Ahmadinedschad sorgte sich mehr um den Einfluss des nördlichen Nachbarn.

Merkwürdige Ironie der Geschichte: Heute sind es die Russen, die sich zur de facto Schutzmacht Irans entwickelt haben. Darum wurde in diesem Jahr auch von Demonstranten der „Grünen Bewegung“ der Slogan „Tod Amerika!“ in „Tod Russland!“ verwandelt – weil Russland die gefälschte „Wahl“ Ahmadinedschads anerkannt hatte, indem es den Präsidenten Irans kurz danach schon empfing.

 

Hoder: Ein Jahr in Haft

Ich kann mir die großen Worte sparen zu diesem traurigen Anlass: Der Kollege Niklas Hofmann hat in der Süddeutschen Zeitung einen gründlich recherchierten Artikel zum Fall des inhaftierten iranischen Bloggers Hossein Derakhshan geschrieben. Ich werde darin ein paar Mal mit Einschätzungen zitiert. Die maßgebliche Arbeit aber hat Niklas Hofmann alleine getan. Er hat im Gespräch mit Freunden, mit der Familie Hosseins und auch mit seinen Gegnern das bisher komplexeste Bild des traurigen Falles gezeichnet:
Wie jemand, der sich vom reformerisch gesinnten Abweichler zum loyalen Systemfreund gewandelt hatte, dennoch von eben diesem System eingebuchtet wurde. Das ist nur eines der vielen iranischen Rätsel in diesem denkwürdigen Jahr.
(Hier meine zahlreichen Beiträge zum Thema.)