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Obamas Rede an Iran – ein Fehler?

„Weblog Sicherheitspolitik“ meint:
„Die Rede war vermutlich kontraproduktiv. Sie mag für westliche Zielgruppen sehr positiv erscheinen, weil sie das eigene Bedürfnis bedient, zur “guten”, toleranten, nicht-konfrontativen und verhandlungsbereiten Seite zu gehören. Politisch hat die Rede aber wohl eher Schaden angerichtet:

– Die Hardliner im Iran können der Bevölkerung nun erklären, dass sie die USA mit ihrer Strategie in die Knie gezwungen haben. Konzessionsorientierten Kräften wird man vorhalten, dass diese iranischen Interessen geschadet hätten. Obama hat die Hardliner gestärkt. Man schwächt Hardliner nur, indem man ihnen Erfolge verweigert.
– Die iranische Führung muß nun davon ausgehen, dass sie von amerikanischer Seite keine ernsthaften Maßnahmen gegen ihr Atomwaffenprogramm mehr zu befürchten hat. Warum sollte sie darauf verzichten? Weil Obama so lieb ist?
– Der Iran wird also mittelfristig über Atomwaffen verfügen. Danach wird die iranische Führung dafür sorgen, dass diese Investition sich lohnt: Eine aggressivere Politik am Persischen Golf, neue Bündnisse mit den Golfstaaten, Ende der amerikanischen Präsenz, iranische Hegemonie über den Golf, iranische Kontrolle des Ölpreises. Wieder werden die Hardliner erklären können, dass ihre Politik das beste für den Iran bewirkt hat. Und was werden die gestärkten Hardliner, ausgestattet mit Atomwaffen und Kontrolle über den Ölpreis, als nächstes unternehmen?“
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Wie Amerika sich in der Krise verändert

Ein Vortrag, gehalten in der evangelischen Friedensgemeinde Charlottenburg, gestern am 13. März 2009:

In der Nacht des 4. November fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause. Wir hatten den Wahlabend, an dem der erste schwarze Präsident Amerikas gewählt worden war, im „Center for European Studies“ der Harvard-Universität in Cambridge verbracht. Man hatte bei Wein und Käsehäppchen dem Moment der Wahrheit eitgegengefiebert – nach Monaten eines Nerven zerfetzenden Wahlkampfs. Auf einer Großbildleinwand hatte das gesamte Institut zusammen die historische Nacht verfolgt. Dann kam endlich die Erlösung: Der Sender MSNBC erklärte Obama als erster zum Sieger. Die anderen Sender folgten bald nach.

Auf dem etwa 12 Kilometer langen weg von Cambridge nach Südboston, wo ich wohnte, sah ich Szenen, die ich so noch nie in Amerika erlebt habe: Spontane Autokorsos hatten sich gebildet und fuhren laut hupend über die Brücken des Charles River. Trotz klirrender Kälte waren überall Menschen auf den Straßen um zu feiern. Auf dem Universitätscampus fand sich spontan eine Blaskapelle begeisterter Studenten zusammen, die die Nationalhymne anstimmten – das Star Spangled Banner. Immer wieder kamen mir Passanten entgegen, die mich einfach beseelt anlächelten. Es war, als wäre eine tonnenschwere Last von den Menschen abgefallen. Die ganze Stimmung erinnerte an den Fall der Berliner Mauer. Etwas Neues konnte endlich beginnen.

 

Das war das eine. Doch in den Wochen meines USA-Aufenthaltes kam auch etwas an sein Ende: Jahrzehnte einer beispiellosen ökonomischen Expansion, die von Amerika aus angetrieben wurde, von der wir aber alle profitiert haben.

Ja, der Boom, der seit den Reagan-Jahren die gesamte Welt erfaßt hat, war alles in allem eine gute Zeit – nicht nur für den Westen. In der früher so genannten Dritten Welt konnte eine Mittelklasse aufsteigen, die erstmals Zugang zu Bildung, bescheidenem Reichtum und schließlich auch zu politischer Teilnahme bekam. Vielen Millionen Menschen gelang es, aus Hunger und Subsistenzwirtschaft zu entkommen und ein menschenwürdigeres Leben zu führen. Und hier bei uns in Europa erledigte sich durch den Höhenflug des westlichen Kapitalismus die Systemfrage des Kalten Krieges. Der Kommunismus implodierte – nicht zuletzt, weil er seinen Bürgern keine Lebenschancen bieten konnte wie das Konkurrenzsystem. All das muss man im Blick behalten, wenn man jetzt auf den bösen Kapitalismus zurückschaut aus der Perspektive unserer heutigen Krise. Weiter„Wie Amerika sich in der Krise verändert“

 

Drei Faktoren für kommendes Chaos

Der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson sieht alle drei Hauptgründe für den Ausbruch politischer Gewalt in Weltkriegsdimension erfüllt: Ethnischer Zerfall, ökonomische Unsicherheit und der Zerfall eines Weltreichs. Die Ressourcen des Weltpolizisten USA für seine immer größeren Aufgaben werden rapide schwinden.

I concluded, in The War of the World, that three factors made the location and timing of lethal organized violence more or less predictable in the last century. The first factor was ethnic disintegration: Violence was worst in areas of mounting ethnic tension. The second factor was economic volatility: The greater the magnitude of economic shocks, the more likely conflict was. And the third factor was empires in decline: When structures of imperial rule crumbled, battles for political power were most bloody.


With the U.S. rate of GDP growth set to contract between 2 and 3 percentage points this year, and with the official unemployment rate likely to approach 10 percent, all attention in Washington will remain focused on a nearly $1 trillion stimulus package. Caution has been thrown to the wind by both the Federal Reserve and the Treasury. The projected deficit for 2009 is already soaring above the trillion-dollar mark, more than 8 percent of GDP. Few commentators are asking what all this means for U.S. foreign policy.

The answer is obvious: The resources available for policing the world are certain to be reduced for the foreseeable future. That will be especially true if foreign investors start demanding higher yields on the bonds they buy from the United States or simply begin dumping dollars in exchange for other currencies.

Economic volatility, plus ethnic disintegration, plus an empire in decline: That combination is about the most lethal in geopolitics. We now have all three. The age of upheaval starts now.

 

Wie die Religionen Darwin akzeptieren (oder nicht)

Dies hier sind amerikanische Zahlen, und somit ganz bestimmt nicht geradlinig übertragbar auf hiesige Verhältnisse.

Dennoch interessant: Katholiken in den USA haben eine höhere Aufgeschlossenheit für die Evolutionstheorie als die Mainstream-Protestanten.

Und Muslime sind nahezu zweimal so häufig bereit, Darwin zu akzeptieren wie die Evangelikalen.

Buddhisten, Hindus und Juden sind ganz vorneweg, was auch mit ihrem Vorankommen in den Naturwissenschaften korreliert.

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Warum die Linken den Rechten jetzt Antiamerikanismus vorwerfen

Mein Kommentar zum innenpolitischen Guantánamo-Streit aus der ZEIT (Nr. 6, 2009) von morgen:

Der Wandel, den Barack Obama versprochen hat, kommt nicht nur nach Washington, sondern auch nach Berlin. 

Kaum eine Woche ist der neue Präsident im Amt, und schon steht die deutsche Innenpolitik kopf: Jürgen Trittin von den Grünen wirft Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) »blanken Antiamerikanismus« vor. Und seine Kollegin Renate Künast sekundiert, indem sie die »Undankbarkeit« von CDU und CSU gegenüber den Amerikanern anprangert: »Ich erinnere nur an den Marshallplan, die Carepakete, die Berliner Luftbrücke. Wie kann man da heute sagen, die USA sollen das Problem selber lösen?« 

Das »Problem« ist die Unterbringung der etwa 60 Gefangenen in Guantánamo, die als unschuldig oder ungefährlich gelten und nach Schließung des Lagers dennoch nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, weil ihnen Verfolgung und Folter drohen. Führende Unionspolitiker hatten gefordert, die Amerikaner sollten die Gefangenen gefälligst selber unterbringen.

Muss, wer Carepakete genommen hat, auch entlassene Gefangene nehmen? Ist Guantánamo ein rein amerikanisches Problem, das uns nichts angeht? Weder noch. Wie Deutschland sich am Ende verhalten wird, ist denn auch ziemlich klar: Es kann weder eine prinzipielle Absage noch eine pauschale Zusage geben. Man wird auf eine eventuelle Anfrage der Amerikaner mit dem Angebot einer europäischen Lösung antworten: Nennt uns 20 oder 30 Gefangene, wir werden jeden Einzelfall prüfen und die Unbedenklichen dann auf die willigen Länder verteilen. Und das leuchtet auch ein: Nachdem wir jahrelang Bush für die Demontage des Rechtsstaates kritisiert haben, werden wir seinem Nachfolger bei dessen Wiederherstellung zur Hand gehen. Klare Sache.

Wirklich? Die Debatte der letzten Woche nährt Zweifel. Es hat sich ein bitterer Streit entzündet, der mit einem erstaunlichen Rollenwechsel einhergeht. Rot-Grün stimmt nun das alte transatlantische Tremolo von Deutschlands historischer Bringschuld gegenüber der amerikanischen Schutzmacht an. Carepakete! Luftbrücke! War man nicht unter Bush noch stolz, endlich erwachsen geworden zu sein? Und nun doch zurück in die Zukunft des Kalten Krieges? 

Die Union wird im Gegenzug – gemeinsam mit dem schwarz-gelben Schatten-Außenminister Westerwelle – derart patzig gegenüber den Amerikanern, dass fast ein Hauch von Schröders Goslarer Nein in der Luft liegt. Räumt euren Mist selber auf! Verkehrte Welt: Hat die Union Steinmeier nicht seinerzeit im Untersuchungsausschuss für seine Hartleibigkeit im Fall Murat Kurnaz kritisiert? Jetzt unterstellt Schäuble dem SPD-Kollegen, er untertreibe die Gefahr, die von den Entlassenen ausgehen könnte, weil er sich bei Obama lieb Kind machen wolle.

Dass die deutschen Parteien mit einem nervösen Rollenspiel auf die Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik reagieren, ist ein Krisensymptom. Durch den neuen Präsidenten ist ungeahnte Verunsicherung ins einst so festgezurrte transatlantische Verhältnis gekommen. Obama erzeugt ganz offenbar erheblichen Stress auch auf unserer Seite des Atlantiks. Paradoxerweise besonders dann, wenn er alte Lieblings-Forderungen der Europäer erfüllt.

Man sollte die Debatte darum nicht als bloßes Wahlkampfgetöse abtun. Sicher wollen die einen gerne im Kielwasser von Obamas change segeln, und die anderen möchten sich als knallharte Sicherheitspolitiker profilieren. Aber insgeheim ahnen beide Seiten schon, dass Obamas Weg auch von Deutschland eine Neuausrichtung jenseits von Rechts und Links verlangt. 

Die Guantánamo-Debatte ist bloß der Anfang eines Gesprächs über die neue Lastenverteilung im Westen. Das Lager zu schließen ist nämlich die Voraussetzung für eine neue Politik gegenüber dem Nahen Osten, die wir lange gefordert haben. Gerade diese wird Deutschland noch vor härtere Fragen stellen. Der neue diplomatische Ansatz gegenüber Iran: Was darf er die deutsche Industrie kosten? Denn ohne schärfere Wirtschaftssanktionen wird Obamas Bereitschaft, mit den Mullahs zu sprechen, nichts bringen. Und falls Obama uns anbietet, über eine neue Strategie in Afghanistan zu reden – was könnte von uns zusätzlich kommen? Geld? Truppen? Andere Mandate? Sollte Amerika wie angekündigt eine ausgeglichenere Politik gegenüber Israel und den Palästinensern verfolgen, würden wir unseren israelischen Freunden bittere Wahrheiten über den Siedlungsbau und die Checkpoints sagen?

Wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, wird zeigen, ob Deutschland wirklich ein freies, erwachsenes Verhältnis zu Amerika gefunden hat. Bush hat es uns sehr einfach gemacht. Er hat nicht nur in Amerika das »kindische« Wesen befördert, das Obama überwinden will. Zu Obama Nein zu sagen wird eine schwierigere Sache. Und Ja zu sagen auch.

 

Obama, der konservative Revolutionär

George Bush war eigentlich ein Radikaler mit reaktionärem Temperament, und der neue Präsident ist – wie seine ersten Schritte zeigen, ein im Kern Konservativer mit radikalem Temperament.

So sieht’s der Guardian und beklagt es.

Ich habe das hier schon vor Monaten geschrieben (einen Tag vor der Wahl!) – und finde es weiterhin einen Grund zur Freude.

Zitat:

„George Bush was not a conservative, but rather a curious hybrid of reactionary and progressive. He was a reactionary by temperament and conviction whose methods were borrowed from the most radical progressives. He besmirched the conservatismthat he had forsaken and led it from the corridors of power into the political wilderness.

Because progressive commentators depict Bush as an arch-conservative instead of the curious amalgam of reactionary and radical revolutionary that he actually was, they remain blind to Obama’s conservatism. His senior appointments, the tenor of his inaugural address and his agenda during his first days in office bear the imprimatur of conservatism. …

Such conservative themes were sounded in Obama’s inaugural address, in which he brushed aside debates about the optimal size of government and whether „the market is a force for good or ill“. Instead, he substituted a simple criterion for judging government action: „whether it works.“ Such an emphasis on utility and efficiency is almost textbook conservatism. It is the negation of ideology in politics.

The Obama presidency is not a revolution, but instead a restoration. The „values upon which our success depends“, Obama reassures America, „these things are old. These things are true. They have been the quiet force of progress throughout history“. He asks for a „return to these truths“. Nothing new is needed, neither fresh ideas about the human condition’s betterment nor utopias; merely a return to and vindication of the past.

The return to core tried-and-true values as the only reliable basis for political action, the consignment of ideology – whether concerning the virtues of unregulated markets or government’s scope – to irrelevance in developing policy, the celebration of responsibilities and duties instead of rights, and commitment to America’s unchallenged global leadership. It is hard to imagine an inaugural address more steeped in the classical conservative tradition than the one delivered by Obama last week.“

 

Obama kann im Nahen Osten nichts erreichen

Das befürchtet Abdul Rahman Al-Rashed, der Generaldirektor des TV-Senders Al-Arabiya. Diesem Sender hat Obama übrigens gestern sein erstes Interview gegeben – ein starkes Zeichen.

Aber werden solche Zeichen etwas bewirken? Al-Rashed ist skeptisch, was die Erfolgsaussichten des neuen Präsidenten angeht, und zwar wegen der Araber und ihrer inneren Zerstrittenheit, und ihres mangelnden politischen Mutes seit dem Tod von Anwar Al-Sadat:

„In my opinion, the problem lies in the [Middle East] region itself, not across the ocean. History has witnessed a number of opportunities that have been lost and there are no indications that the Arab mindset is changing. Since the 1960s, the ideology of the Arab regime itself has not changed. It is haunted by uncertainty, fear, regional conflicts and the inability to take decisive decisions. What has changed since the defeat of 1967? The answer is nothing practically, with the exception of the era of late Egyptian President Anwar Sadat who engaged in peace and war and changed history in the interest of his nation. Had it not been for Sadat, Egypt today would be like Palestine, Syria and Lebanon; its territories would be occupied by Israel and its movement suspended.

Obama will spend a year sending his envoys to wander around the Arab capitals and he will not discover the truth until his second year in power; there will be many promises but a lack of political seriousness and Obama will get bored and devote himself to another part of the world. This is what happened to the Russians during the era of Kennedy, then Johnson, Nixon, Ford, Carter, Reagan, Bush Senior, Clinton and Bush Junior. It began in the days of US President Eisenhower in the fifties when he presented a political project to deal with the issue of [Palestinian] refugees, water and territories, until Bush Junior who announced his recognition of an independent Palestinian state.

As for Israel, it has been the permanent beneficiary of the Arab situation without having to make much effort. Through their states, quarrels and lies, the Arabs are working in Israel’s favor and Israel knows this. The Arabs today are preoccupied with Iran which is a more of a source of concern for the Europeans than it is for the Americans. The Arabs are overburdened with terrorism which has caused them to lose all the sympathy that they once had and they are overburdened with internal conflict at its worst.

However, we stand before a new American president; from his demeanor, language and early action, Obama seems to be a good president, who is ready to carry out great work in our region. But he will fail as long as we, as Arabs, do not work hard. Obama deserves to be given a chance because this is our chance also.“

 

Raus aus Guantánamo – zurück zu Al-Kaida?

Um noch einmal das Dilemma zu unterstreichen, auf das ich in dem vorhergegangenen Post hingewiesen habe, hier ein Fall:

Der saudische Gefangene Said Ali al Shihri wurde Ende 2007 aus dem Lager Guantánamo entlassen. Er hat danach ein saudisches Antiterror-Umerziehungslager durchlaufen. 

Heute ist er Anführer der Al-Kaida im Jemen. Er wird für den Anschlag auf die amerikanische Botschaft in  Sanaa verantwortlich gemacht, bei dem im letzten Jahr 19 Menschen starben.

Hier ist seine Akte nachzulesen.