Deutsche Muslime verurteilen Massaker an Christen

Es treffen auch Tage nach dem Anschlag von Alexandria immer noch neue Bekundungen des Abscheus von muslimischer Seite ein.  Ein paar Kernaussagen seien hier zusammengestellt (nur deutsche Quellen):

Der Koordinationsrat der Muslime schrieb am Samstag auf seiner Website:

Der Koordinationsrat der Muslime verurteilt diesen feigen und schrecklichen Anschlag auf das Schärfste. Der Sprecher des KRM Erol Pürlü äußerte sich bestürzt: „Wir verurteilen diesen schrecklichen und unmenschlichen Anschlag auf das Schärfste. Wer Menschen so hinterhältig und grausam Schaden zufügt und ermordet, kann sich auf keine Religion oder eine andere Weltanschauung berufen. Der Koran fordert den Schutz des Lebens und den Schutz von Gotteshäusern.“
Sure 22, 40: „Und wenn Allah nicht die einen Menschen durch die anderen abgewehrt hätte, so wären fürwahr Mönchsklausen, Kirchen, Synagogen und Moscheen zerstört worden, in denen Allahs Name häufig genannt wird.“

Der „Liberal-Islamische Bund“ schreibt:

Der Liberal-Islamische Bund verurteilt diesen heimtückischen Angriff auf das Schärfste. Dabei sehen wir uns an der Seite vieler Musliminnen und Muslime in Deutschland und in aller Welt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Möge Gott ihnen allen die Kraft und Stärke geben, die nötig ist, um das Erlebte zu ertragen. Wir trauern in der Hoffnung, dass sich alsbald niemand mehr finden wird, dieses blutige Werk fortzuführen.

Im Internet kursieren Bekennerschreiben von al-Qaida nahen Gruppierungen. Sollten die Täter ihre mörderischen Pläne unter Berufung auf den Islam durchgeführt haben, so möchten wir hier klarstellen, dass es dafür keine theologische Rechtfertigung gibt. Der schreckliche Anschlag ist die Tat von feigen Fanatikern, die den rechten Weg längst verlassen haben.

Es liegt an uns allen, unmissverständlich klarzustellen, dass niemand im Auftrag Gottes handeln kann, wenn er andere Menschen ermordet. Es liegt an uns allen, solche Verbrechen beim Namen zu nennen und die Täter aus unserer Gemeinschaft auszuschließen. Es liegt an uns allen, den Tätern deutlich zu machen, dass sie keine Sympathie und keine Solidarität für ihr Handeln erfahren werden.

Die Antwort auf den Terror und auf das Schüren von religiösem Hass kann jetzt nur sein, dass sich Christen und Muslime gemeinsam wehren und sich nicht spalten lassen. Wir appellieren an die ägyptische Regierung, ernsthafte Schritte zu unternehmen, um die strukturelle Diskriminierung von Kopten und anderen religiösen Minderheiten in ihrem Land zu überwinden.

Das „Forum für Interkulturellen Dialog e.V.„, das dem türkischen Prediger Fethullah Gülen nahesteht,

„verurteilt den Bombenanschlag von Alexandria auf das schärfste. Es gibt keine im Islam begründete, theologische Rechtfertigung für eine solche Tat. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen.
Fethullah Gülen zu Terror im Islam:

Muslime sollten sagen: „Im wahren Islam gibt es keinen Terror.“ Niemand darf einen Menschen töten. Niemand darf einen Unschuldigen töten, selbst im Krieg ist das verboten. Niemandem steht es zu, zu diesem Thema ein Urteil zu erstellen. Niemand darf sich als Selbstmordattentäter betätigen. Niemandem ist es erlaubt, mit Bomben am Körper in eine Menschenmenge zu stürmen. Völlig unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Menschen in jener Menge verbietet dies die Religion. Selbst im Kriegsfall ist das nicht erlaubt. Der Islam ist eine gerechte Religion, die auch richtig gelebt werden sollte. Es wäre definitiv falsch, auf dem Weg zum Islam von sinnlosen Ausreden Gebrauch zu machen. Wenn das Ziel, das man verfolgt, ein gerechtes Ziel ist, dann sollten auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels gerecht sein. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann niemand dadurch ins Paradies eingehen, dass er einen anderen tötet. Kein Muslim kann sagen: „Ich werde einen Menschen töten und dann ins Paradies eingehen.“ Die Akzeptanz des Willens Gottes verdient man sich nicht dadurch, dass man andere Menschen tötet. Ein wahrer Muslim, der den Islam in all seinen Aspekten versteht, kann kein Terrorist sein. Jemand, der sich an terroristischen Aktivitäten beteiligt hat, kann kaum ein Muslim bleiben. Die Religion billigt es nicht, einen Menschen zu töten, um ein Ziel zu erreichen.

Der Penzberger Imam Benjamin Idriz schreibt zum gleichen Thema:

Als Imam und Vorsitzender des „Zentrums für Islam in Europa – München (ZIE-M)“ habe ich immer und immer wieder bekräftigt,
– dass Terror durch nichts auf der Welt zu rechtfertigen ist,
– dass diejenigen, die Anschläge verüben, Verbrechen gegen Gott und gegen die Menschheit begehen,
– dass das Ansehen unserer Religion, die den Frieden im Namen führt, durch die sinnlosen und verbrecherischen Taten verblendeter Gewalttäter geschändet und entstellt wird.
Mit den Mitgliedern des ZIE-M bin ich entsetzt und fassungslos, was unseren christlichen Brüdern und Schwestern in Alexandria angetan wurde.
Wir rufen denjenigen zu, die in Hass und Gewalt involviert sind, oder die dazu neigen, solche Verbrechen zu verharmlosen anstatt sie in aller
Schonungslosigkeit beim Namen zu nennen: Hört auf mit Eurem Tun und hört auf, Euch dabei auf Gott und auf unsere Religion zu berufen! Terror ist niemals eine Lösung, aber immer eine Sünde. Jeder Angriff auf eine Kirche – oder eine Synagoge – ist wie ein Angriff auf eine Moschee: eine Sünde und ein Verbrechen.
Im Namen Gottes und der Menschen:
denkt nach, glaubt an die wahre Botschaft des Islam und verbreitet Frieden! Wer sich bei solchem Tun auf Gott und auf unsere Religion beruft, stellt sich
in Wahrheit gegen Gott und gegen den Islam. Deshalb rufen wir auch alle Glaubensbrüder und -schwestern auf, keinesfalls aus falsch verstandener Solidarität potentielle Täter zu schützen oder ihr Tun zu verharmlosen! Der Islam gebietet uns, für die Sicherheit der Menschen in jedem Land, in dem wir leben, einzustehen. Deshalb ist für uns gemeinsame Wachsamkeit mit allen friedliebenden Menschen ebenso wie mit den zuständigen Behörden eine Selbstverständlichkeit. Gemeinsam müssen wir gegen Extremismus, gegen Gewalt wie gegen radikale Gesinnungen eintreten, egal gegen wen sie sich richten.

Der Koptisch-Orthodoxen Gemeinde in München drücken wir unsere Solidarität, unsere Betroffenheit und unser tief empfundenes Mitgefühl aus.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Brüdern und Schwestern in Ägypten, dass Sie trotz des Entsetzens und der Trauer eine friedvolle Weihnacht feiern können und mit Gottes Segen ein Jahr der Aufrichtigkeit, des Miteinanders und der Überwindung von Konflikten gelingen wird!

Und schließlich, this just in, schreibt die Religionsgemeinschaft des Islam Baden Württemberg:

Als Religionsgemeinschaft des Islam verurteilen wir die Anschläge auf Christen und andere Minderheiten in muslimischen Ländern aufs Schärfste. Es ist höchst bedauerlich und inakzeptabel, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert werden und dass ihnen sogar das Lebensrecht abgesprochen wird.
Nach islamischem Glauben stehen Menschen, die unschuldigen Menschen nach dem Leben trachten, außerhalb des Islam. Sie sind durch Gehirnwäsche manipulierte Menschen, die alle anderen als Feinde sehen, die nicht wie sie denken und glauben.
Der Islam verbietet solche intolerante, inhumane Aktionen und Auffassungen. Kein aufrichtiger gläubiger Muslim würde sich jemals zu einer solchen Untat  hinreißen lassen.
Wir kennen solche Menschen mit verzerrtem Glaubensbild zu genüge. Daher ist unser Anliegen die Aufklärung der Muslime hier wie dort.

 

Wikileaks: Erdogans „Machthunger“

Unter den Enthüllungen aus „Cablegate“, die wir bisher einsehen können – Wikileaks stellt die diplomatischen Kabelberichte nur Stück für Stück online – gehören die Einschätzungen über die Türkei sicher zu den aufregendsten. Richtig klasse geschrieben ist zum Beispiel dieser geheime Bericht des seinerzeitigen Botschafters Eric Edelman aus Ankara von Ende 2004. Darin finden sich sehr freimütige Einschätzungen des Premierministers Erdogan, des damaligen Außenminister Gül, der Chancen der Türkei auf einen EU-Beitritt, des islamistischen Einflusses auf die AKP, der Lage des Islams in der Türkei und allgemeiner Hindernisse der Türkei auf dem Weg in den Westen.

...Erdogan's hunger for power reveals
itself in a sharp authoritarian style and deep distrust of
others: as a former spiritual advisor to Erdogan and his wife
Emine put it, "Tayyip Bey believes in God...but doesn't trust
him."  In surrounding himself with an iron ring of
sycophantic (but contemptuous) advisors, Erdogan has isolated
himself from a flow of reliable information, which partially
explains his failure to understand the context -- or real
facts -- of the U.S. operations in Tel Afar, Fallujah, and
elsewhere and his susceptibility to Islamist theories.  With
regard to Islamist influences on Erdogan, DefMin Gonul, who
is a conservative but worldly Muslim, recently described Gul
associate Davutoglu to us as "exceptionally dangerous."
Erdogan's other foreign policy advisors (Cuneyd Zapsu, Egemen
Bagis, Omer Celik, along with Mucahit Arslan and chef de
cabinet Hikmet Bulduk) are despised as inadequate, out of
touch and corrupt by all our AKP contacts from ministers to
MPs and party intellectuals.
...
Two Big Questions

----------------- 

24. (C) Turkey's EU bid has brought forth reams of

pronouncements and articles -- Mustafa Akyol's

Gulenist-tinged "Thanksgiving for Turkey" in Dec. 27 Weekly

Standard is one of the latest -- attempting to portray Islam

in Turkey as distinctively moderate and tolerant with a

strong mystical (Sufi) underpinning.  Certainly, one can see

in Turkey's theology faculties some attempts to wrestle with

the problems of critical thinking, free will, and precedent

(ictihad), attempts which, compared to what goes on in

theology faculties in the Arab world, may appear relatively

progressive.

25. (C) However, the broad, rubber-meets-the-road reality is

that Islam in Turkey is caught in a vise of (1) 100 years of

"secular" pressure to hide itself from public view, (2)

pressure and competition from brotherhoods and lodges to

follow their narrow, occult "true way", and (3) the faction-

and positivism-ridden aridity of the Religious Affairs

Directorate (Diyanet).  As a result, Islam as it is lived in

Turkey is stultified, riddled with hypocrisy, ignorant and

intolerant of other religions' presence in Turkey, and unable

to eject those who would politicize it in a radical,

anti-Western way.  Imams are for the most part poorly

educated and all too ready to insinuate anti-Western,

anti-Christian or anti-Jewish sentiments into their sermons.

Exceptionally few Muslims in Turkey have the courage to

challenge conventional Sunni thinking about jihad or, e.g.,

verses in the Repentance shura of the Koran which have for so

long been used to justify violence against "infidels". 

26. (C) The problem is compounded by the willingness of

politicians such as Gul to play elusively with politicized

Islam.  Until Turkey ensures that the humanist strain in

Islam prevails here, Islam in Turkey will remain a troubled,

defensive force, hypocritical to an extreme degree and

unwilling to adapt to the challenges of open society. 

27. (C) A second question is the relation of Turkey and its

citizens to history -- the history of this land and citizens'

individual history.  Subject to rigid taboos, denial, fears,

and mandatory gross distortions, the study of history and

practice of historiography in the Republic of Turkey remind

one of an old Soviet academic joke: the faculty party chief

assembles his party cadres and, warning against various

ideological threats, proclaims, "The future is certain.  It's

only that damned past that keeps changing." 

28. (C) Until Turkey can reconcile itself to its past,

including the troubling aspects of its Ottoman past, in free

and open debate, how will Turkey reconcile itself to the

concept and practice of reconciliation in the EU?  How will

it have the self confidence to take decisions and formulate

policies responsive to U.S. interests?  Some in AKP are

joining what is still only a handful of others to take

tentative, but nonetheless inspiring, steps in this regard.

However, the road ahead will require a massive overhaul of

education, the introduction and acceptance of rule of law,

and a fundamental redefinition of the relation between

citizen and state.  In the words of the great (Alevi)

Anatolian bard Asik Veysel, this is a "long and delicate

road."

Es ist faszinierend, solche Dokumente einsehen zu können. Aber es wäre naiv, sie als Stenographie des Weltgeistes zu lesen. Sie ergeben nicht einmal das Bild der USA von der Türkei. Man sieht, wie es auch hier auf den Autor und seinen Kontext ankommt. Edelman benennt freimütig viele reale Missstände – vor allem dieser letzte Absatz ist sicher auch heute noch hoch relevant.

Aber aus dem gesamten Kabel spricht eben auch der Gesandte George W. Bushs, ein gut verdrahteter Neocon, der der Türkei niemals verzeihen kann, dass sie sich dem Irakkrieg verweigert hat. Edelman wurde der erste wirklich verhasste Botschafter in der Türkei. Er wurde als eine Art Kolonialoffizier empfunden. Die Enttäuschung des Botschafters über den selbstbewusster werdenden Alliierten spricht aus dem Kabel und färbt offensichtlich die Analyse. Erdogan, der den Irakkrieg für einen Fehler hält, versteht eben einfach die Fakten nicht! Nun ja, das sieht man heute etwas anders. All das muss man mitbedenken, wenn man Edelmans Kabel liest. Man kann hier zum Zeugen eines wachsenden Entfremdung unter Partnern werden.

 

Das islamische Google ist da

So sieht die Suchoberfläche aus: 

Man beachte die türkische und die palästinensische Fahne.

Die Suchergebnisse sind aber nicht unbedingt helal. Sie unterscheiden sich nicht vom normalen Google.

Gestaltet hat Müslüman Google Selim Akyuz in der Türkei.

(Oben finden sich interessanter Weise Links zur türkischen Religionsbehörde, zu den Aleviten und zu einer Fethullah Gülen nahestehenden Seite.)

Das katholische Google findet sich hier.

(Danke an CD.)

 

Die 20 wichtigsten Intellektuellen der Welt sind – alle Muslime

Dies jedenfalls hat eine Umfrage der renommierten amerikanischen Zeitschrift „Foreign Policy“ ergeben. FP bat in der letzten Ausgabe ihre Leser, unter 100 weltweit einflußreichen Intellektuellen die 20 wichtigsten auszuwählen. Mit der Welle von Aufmerksamkeit, die das Magazin dann jedoch geradezu überrollte, hatte man nicht gerechnet. Über 500.000 Stimmen wurden abgegeben, und das Ergebnis sieht so aus:
1 Fethullah Gülen (Gründer der Gülen-Bewegung)
2 Muhammad Yunus (Ökonom, Nobelpreisträger aus Bangladesch)
3 Jussuf Al-Karadawi (TV-Prediger, Muslimbruderschaft)
4 Orhan Pamuk (türkischer Romancier, Nobelpreisträger)
5 Aitzaz Ahsan (pakistanischer Anwalt)
6 Amr Khaled (ägyptischer Fernsehprediger)
7 Abdolkarim Sorusch (iranischer Reformtheologe)
8 Tariq Ramadan (Intellektueller und Jugendidol)
9 Mahmood Mamdani (postkolonialistischer Soziologe, Columbia University)
10 Shirin Ebadi (iranische Anwältin, Nobelpreisträgerin)

Manche der Aufgeführten sind tatsächlich erwägenswerte Kandidaten: Ebadi, Pamuk, Yunus, Sorusch.
Aber frappierend ist ja wohl vor allem, wie gut organisiert die Anhängerschaft Gülens und Al-Karadawis ist. (Man kann die beiden nicht vergleichen, aber darin haben sie etwas Gemeinsames.) Gülen hat „Zaman“ mobilisiert, Al-Karadawi „IslamOnline“.
Und so sind die beiden Erweckungsprediger nun der Welt wichtigste Intellektuelle!
(Haha!)

 

Türkische Schulen lehren einen moderaten Islam in Pakistan

Die New York Times berichtet über die Gründung türkischer Schulen in Pakistan, die eine moderate Alternative zu den radikalen Medressen darstellen könnten. Hinter den neuen Internaten steht das Netzwerk der Gülen-Bewegung.
Diese ist nun allerdings selbst keineswegs unproblematisch. Im Kontrast zu der pakistanischen Alternative – mit saudischem Geld finanzierte Koranschulen, die den Nachwuchs der Radikalen ausbilden – mag der Sufi-Islam der Gülen-Bewegung klar vorzuziehen sein. Aber die Gülen-Bewegung, darauf verweist der Artikel, hat einen politischen Impetus, der über Bildungsprogramme durchgesetzt werden soll – die post-osmanische Wiederkehr türkischer Führungsmacht in der muslimischen Welt, eine Art intellektuelles Kalifat.
Mit Vorsicht zu genießen, auch wenn die Distanzierung Gülens von Terror und Gewalt glaubhaft ist.