Lesezeichen
 

Das vermeidbare Unglück der türkischen Jungs

Ich habe schon vor einiger Zeit ein Interview mit dem Pädagogen und Männlichkeitsforscher Ahmet Toprak geführt. Es sollte im Rahmen eines Schwerpunkts über den „türkischen Mann“ in der ZEIT erscheinen, der leider aus sekundären Gründen nicht zustande kam. Damit es nun nicht in den Abgründen meiner Festplatte verschimmelt, veröffentliche ich das Gespräch nun hier exklusiv:

DIE ZEIT: Herr Toprak, wer hat es schwerer bei der Integration in Deutschland? Jungen oder Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund?

Ahmet Toprak: Alle Zahlen sprechen dafür, dass Jungs sich schwerer tun – Schulabschluss, Berufserfolg, Sprachniveau. Da liegen Jungs eindeutig hinter den Mädchen.

ZEIT: Aber die Jungen sollen doch die Starken sein, die Vorbilder, die Hüter der Mädchen?

Toprak: Das ist ja auch der Kern des Problems, dass an die Jungs so hohe Erwartungen gestellt werden, dass viele dabei nur auf der Strecke bleiben können. Sie sollen dominant sein, sie sollen die Familie führen und ernähren. Von Mädchen wird viel weniger erwartet. Man freut sich, wenn sie Erfolg haben, aber sie können immer noch die Rolle der Hausfrau und Mutter übernehmen.

Ahmet Toprak Foto: FH Dortmund

ZEIT: Diese traditionellen Rollenvorstellungen geraten in Konflikt mit den Erwartungen, die die deutsche Gesellschaft an beide Geschlechter stellt?

Toprak: Türkische Jungs haben in ihren Familien sehr viel mehr Freiheiten als Mädchen. Ihnen wird eingeräumt, dass sie auch mal Fehler machen dürfen. Das Ansehen der Familie in der Öffentlichkeit hängt sehr viel mehr an den Mädchen. Die Brüder dürfen über die Stränge schlagen. Durch diese Einstellung wachsen die jungen Männer ohne Grenzen auf. Mädchen werden viel mehr reglementiert. Sie dürfen weniger in der Öffentlichkeit präsent sein, sie müssen pünktlich zuhauise sein. Das ist zwar kein angenehmes Leben, aber anders als die Jungen haben die Mädchen Grenzen. Jungen entwickeln so kein Problembewußtsein für ihr eigenes Verhalten. Es würde ihnen gut tun, wenn auch ihnen Grenzen gesetzt würden.

ZEIT: Aber die Jungen werden doch in der Regel ziemlich autoritär erzogen. Der Vater ist unantastbar als Bestimmer in der Familie. Warum gibt das keine Orientierung, keine Grenzsetzung?

Toprak: Es wird viel zu wenig erklärt. Man geht davon aus, dass der Junge durch Imitation des Vaters in seine Rolle hineinwächst. Manche schaffen das, aber diejenigen, die es nicht schaffen, werden dann verhaltensauffällig. Wenn die Eltern merken, dass etwas schiefläuft, wissen sie sich nicht anders zu helfen, als die Söhne zum Militärdienst zu schicken, damit dort ein richtiger Mann aus ihnen gemacht wird und sie Disziplin lernen. Wenn auch das nichts fruchtet, verheiratet man den Jungen, damit er lernt Verantwortung zu übernehmen. Und wenn auch das nicht funktioniert, hofft man dass er durchs Kinderkriegen zur Vernunft kommt und anständig wird. Aber man spricht mit dem Jungen nicht darüber, man geht davon aus, dass das ein naturwüchsiger Prozess ist.

ZEIT: Warum sprechen die Eltern nicht mehr mit den Jungen?

Toprak: Manche haben nicht die verbalen Fähigkeiten das zu tun, die meisten haben es selber so gelernt, und dann gibt es viele Tabus. Über manche intime Dinge mit seinen Eltern zu reden wäre eine Verletzung des Respekts, den man ihnen schuldet.

ZEIT: Wie wird einem türkischen Jungen Männlichkeit vermittelt?

Toprak: In den ersten Jahren sind die Söhne voll auf die Mutter orientiert. Sie begleitet ihn sehr innig, bis er im Grundschulalter von der Mutter abgelöst wird und sich auf sein eigenes Geschlecht, also auf den Vater orientieren soll. Mit der Beschneidung wird das symbolisch unterstrichen. Vorher konnte der Junge problemlos mit der Mutter ein Hamam besuchen. Nach der Beschneidung ist das nicht mehr gerne gesehen, der Sohn hat in dieser Frauenwelt nichts mehr zu suchen. Der Militärdienst ist für die Türken eine wichtige Stude der Mannwerdung. Es gibt keinen Ersatzdienst in der Türkei. Jeder muß da durch, der ein Mann sein will. Wenn ich in Kreisen traditioneller Einwanderer sage, dass ich weder den türkischen noch den deutschen Wehrdienst absolviert habe, gelte ich als schwacher Mann. Drittens und viertens gehört Heirat und Kinderkriegen zum Mannwerden. Erst dann wird das Wort eines Mannes in der Öffentlichkeit für voll genommen. Wer das nicht durchlaufen hat und etwa mit dreißig noch nicht verheiratet ist, gilt als Kind.

ZEIT: Welche Rolle spielt der Islam dabei?

Toprak: Sie wissen ja, dass Türken meist Sunniten oder Aleviten sind. Aleviten halten sich nicht an die Gebote des Islams, sie fasten nicht, pilgern nicht, gehen nicht in die Moschee, und die Frauen tragen in der Regel kein Kopftuch. Aber auch die alevitischen Männer sind beschnitten. Bei den Männlichkeitsvorstellungen ist Tradition und Religion schwer zu trennen. Es gibt religiöse Begründungen für die Beschneidung, aber in der Praxis ist das ein Männlichkeitsritual – weshalb es zum Beispiel auch wichtig ist, dass es ohne Narkose geschieht, denn der Schmerz gehört nach dieser Vorstellung zum Mannwerden dazu. Aleviten lehnen zwar die Geschlechtertrennung in den Moscheen ab, aber in den Männlichkeitsvorstellungen unterscheiden sie sich nicht sehr von den Sunniten.

ZEIT: Warum ist die türkische Männlichkeitsvorstellung eigentlich problematisch? Man könnte ja auch sagen: Da gibt es wenigstens noch klare Unterscheidungen.

Toprak: Aber sehen Sie: Dieses Konzept wird gelebt in einem Land, in dem es nicht zeitgemäß ist. Es kann nicht funktionieren, weil der soziale Rahmen fehlt, der es hält, auch durch soziale Kontrolle. Übrigens kollidiert es nicht nur hier mit der Wirklichkeit, sondern auch in türkischen Großstädten, wo ebenfalls die Kontrolle durch die peer group wegfällt.

ZEIT: Stützen die Frauen dieses Männlichkeitsbild? Ohne Mütter und Frauen kann es ja nicht aufrechterhalten werden.

Toprak: Die Mütter machen mit, sie haben ja auch einen enormen Einfluss auf die Söhne bis zu einem bestimmten Alter. Aber bei den jungen Frauen sieht es anders aus. Viele von denen finden die in Deutschland aufgewachsenen Jungs einfach nur blöd. Die mögen deren Macho-Art nicht. Umgekehrt können viele von den Männern mit den selbstbewußten Frauen nicht umgehen und suchen sich darum eine einfachere Braut in der Türkei. Man hat Schwierigkeiten, sich wechselseitig attraktiv zu finden und weicht auf das Herkunftsland aus.

ZEIT: Können diese Männer eine partnerschaftliche Ehe führen?

Toprak: Sie dürfen das nach außen projizierte Bild nicht mit der Realität zuhause verwechseln. Viele Frauen haben zuhause erheblich Anteil an Entscheidungen. Die Männer geben sehr viel mehr nach und schließen mehr Kompromisse, als sie nach außen zugeben können. Oft wird, was auf die Frau zurückgeht, dann vom Mann nach außen als seine Entscheidung dargestellt.

ZEIT: Wie sollen deutsche Lehrer mit der türkischen Männlichkeitskultur umgehen, die sie im Klassenraum vorfinden?

Toprak: Ich mache oft Fortbildungen mit Lehrerinnen, die sagen, ich tue mich schwer mit diesen Jungs. Diese Jungen brauchen klare Ansagen, klare Regeln, die auch durchgesetzt werden. Die basisdemokratische Pädagogik des Aushandelns und der Diskussion empfinden sie als Schwäche. Die sehen das als Unsicherheit des Lehrers, wenn er oder sie zuviel fragt. Wenn man klar und deutlich sagt, was man möchte und wo die Grenzen sind, machen die auch mit. Ich habe das Konzept der konfrontativen Pädagogik mit gewalttätigen und straffälligen Jugendlichen erprobt. Es kommt darauf an, sich von Machosprüchen nicht verunsichern zu lassen. Diese Jungs probieren, ob man angesichts ihres dominanten Auftretens Schwäche zeigt. Die zeigen gerne ihr Testosteron, aber wenn man Regeln durchsetzt, werden sie auch schnell handzahm.

ZEIT: Wenn man Schüler zur Selbständigkeit erziehen will, kann man aber nicht immer Frontalunterricht machen?

Toprak: Das ist auch nicht gemeint mit konfrontativer Pädagogik. Es geht darum, einen fairen und transparenten Rahmen für das gemeinsame Handeln zu errichten. Die Jugendlichen sehen, wenn ich mich an die Regeln halte, bin ich angenommen und kann mich einbringen. Dann fällt auch das Totschlagsargument der Ausländerfeindlichkeit weg, dass diese Jugendlichen gerne bringen. Person und Fehlverhalten müssen klar getrennt werden.Wenn klar ist, du bist als Ali oder Mustafa willkommen, wenn du dich an die Regeln hältst, aber wenn nicht, hat es auch Konsequenzen, dann kommen die Jungs damit gut klar.

ZEIT: Woher kommt die höhere Gewaltakzeptanz bei türkischen Jungen?

Toprak: Ich habe jahrelang Anti-Aggressivitätstraining mit auffälligen Jugendlichen gemacht. Das waren junge Männer, die dazu verurteilt worden waren, weil sie selbst gewalttätig geworden waren. Diese Jungs haben uns berichtet, sie haben in der Erziehung Gewalt erfahren – entweder in der Familie oder durch ihre Peergroup. Die sehen es als normalen Teil des Aufwachsens als Mann, dass man irgendwann Schläge bekommt. Vor allem untereinander in der Gruppe ist Gewalt etwas Alltägliches. Tragischerweise.

ZEIT: In der deutschen Gesellschaft ist Gewalt in den letzten Jahrzehnten zunehmend tabuisiert worden. Früher übliche Rüdenkämpfe auf Schulhöfen sind heute verpönt. Da passt die Gewalkultur türkischer Jungs nicht hinein.

Toprak: Ja, aber es wird teilweise überdramatisiert. Auch ganz normale Raufereien, die man früher als ‚typisch Jungs‘ abgetan hat, werden heute sofort therapiert. Das führt zu einer Überpädagogisierung, in der Jungs per se zum Problem werden. Das geht dann zu weit, nicht nur für türkische Jungs.

ZEIT: Warum ist „schwul“ das schlimmste Schimpfwort unter türkischen Jungs? Auch das steht ja im Gegensatz zu der gesamtgesellschaftlichen Enttabuisierung der Homosexualität?

Toprak: Vielleicht ist ja die Präsenz des schwulen Lebens in der Öffentlichkeit ein Mitgrund für diese Gegenreaktion. Im Antigewalttraining haben mir die Jungs klargemacht, es gibt zwei Tabus – man darf die Mama nicht angreifen und die Männlichhkeit, also jemanden schwul nennen. Aber es gab eine interessante Ambivalenz: Ein Junge, der mir gesagt hatte, er hasst Schwule, Homosexualität sei eine Sünde und Homosexuelle seien keine Menschen. Aber dann sah ich, er packte einen anderen an den Hintern. Als ich ihn zur Rede stellte, sagte er: Ich bin nicht schwul, er ist schwul. Ich habe dann erfahren, dass der aktive Partner als der unproblematisch Männliche gilt. Der Schwule ist der – verzeihen Sie das Wort – ‚der sich ficken lässt‘. Das war mir neu. Es gab da Jungen, die sehr homosexuellenfeindlich auftraten und doch zu irgendwelchen einschlägigen Treffs gingen, um ‚Schwule zu ficken‘. Nach dem Motto, wir zeigen denen mal was ein richtiger Mann ist. Homosexuelle werden als Opfer gesehen, und so gab es auch Fälle, bei denen mit den Männern geschlafen wurde, um diese dann anschließend zu verprügeln. Das zeigt die Ambivalenz. Der Mann darf sich auf keinen Fall in die Rolle der Frau begeben, darum sind die Jungs so gegen Schwule.

ZEIT: Das ist eine sehr anstrengende, stressige From von Männlichkeit, bei der es dauernd um die Ehre geht.

Toprak: In einem meiner Kurse habe ich es den Jungs verboten, über Ehre zu reden, weil sie diesen Begriff immer nur als Vorwand benutzt haben und nie mit Inhalt füllen konnten. Die mussten dann in die Bibliothek gehen und recherchieren, was Ehre sein kann. Sie haben angefangen, den Ehrbegriff zu problematisieren, den man ihnen aufgedrückt hat: Du musst deine Frau, deine Schwester beschützen. Die hatten noch nie über diesen zentralen Begriff nachgedacht. Aber dann haben sie angefangen, über ihre Gefühle zu reden, über die Angst zu versagen und dem Ehrbegriff nicht gerecht zu werden.

ZEIT: Ist der deutsche Mann in deren Wahnehmung unehrenhaft und unmännlich?

Toprak: So wird das gesehen. Aber ich muss ihnen sagen, das ist auch nur ein Schein. Viele würden gerne manche Verhaltensweisen vom deutschen Mann übernehmen, aber sie trauen sich nicht, weil sie dann als schwach gelten würden. Einige sehnen sich danach, aber der Druck ist zu groß.

ZEIT: Woher kann Veränderung kommen?

Toprak: Wir haben eine Entwicklung in zwei Richtungen: Die einen sagen, das tue ich mir nicht an und steigen aus. Aber die müssen dann auch in einem anderen Umfeld leben, in einem anderen Stadtteil. Aber diejenigen, die in Quartieren wohnen, wo der soziale Druck groß ist, tun sich schwer da rauszukommen. Bevor man an die Jungs rankommt, muss man zuerst an die Eltern ran. Die wissen oft gar nicht, dass es alternative Erziehungsstile gibt. Sie haben es selber so erfahren, und tragen es weiter.

ZEIT: Stärkt die islamische Religion eigentlich immer nur die konservative Seite? Oder hat sie eine Rolle bei der Reform der Männlichkeit?

Toprak: Das ist nicht so eindeutig. Wir kennen sehr viele selbstbewusste religiöse Frauen mit Kopftuch, auch hier an der Hochschule. Die sind hoch modern und passen nicht zu schlichten Macho-Männern.

Die Fragen stellte Jörg Lau

 

Was von 9/11 bleibt

Wir haben noch keinen Namen für die Epoche nach dem 9/11. Ich dachte vor 10 Jahren, hier begänne etwas, das uns für die nächsten Jahrzehnte beschäftigen würde – vielleicht ähnlich dem Kalten Krieg.

Aber es war wohl nur ein Intermezzo – zwischen Amerikas „unipolarem Moment“ nach dem Fall des Kommunismus und dem „Aufstieg des Rests“ (der neuen Mächte China, Brasilien, Indien, Südafrika etc.).

Die Vorstellung eines „globalen Krieges gegen den Terror“ (schon damals ein merkwürdiger Begriff) ist zu Recht stillschweigend fallen gelassen worden. Heute ist der Kampf gegen den Terrorismus wieder in den Händen der Geheimdienste, der Polizei, der Spezialkräfte – wo er hingehört. Die Wahnidee, ihn mit den Mitteln des Militärs zu führen, war eine teure Verirrung. Der britische Reporter Jason Burke beziffert die Opfer der 9/11-wars auf mindestens 250.000.

Osama bin Laden ist tot, Al Kaida bleibt uns erhalten, aber als ein lästiges Epiphänomen, das man in Schach halten muss, nicht als Signatur einer Epoche. Mohammed Bouazizi war vielleicht die wichtigere Figur im Licht der kommenden Geschichte: eine Selbstverbrennung hat mehr bewirkt als alle die Selbstmordattentate der Al-Kaida. Der Sturz der Tyrannen geschieht nicht durch Terror, sondern durch einen Volksaufstand.

Wir haben die Massenvernichtungswaffen gefunden. Sie waren nicht in einem Bunker in Bagdad, sondern in unseren eigenen Depots. Credit Default Swaps sind gefährlicher für den Westen als IED’s. Schulden sind für die westlichen Staaten eine größere Überlebensbedrohung als die schmutzige Bombe. Die größte geopolitische Herausforderung der USA sind die Schulden bei den Chinesen und die Konkurrenz mit China um  knapper werdende Ressourcen.

Die Vorstellung eines Kampfes der Kulturen hat getrogen, wie die arabische Rebellion beweist. Der Kampf um Freiheit und Würde geht mitten durch die Kulturen und Religionen. Anders Breivik und Arid Uka sind Brüder im Geiste.

Europa wird viele Jahre damit zubringen, die aufgetaute arabische Welt ans Weltsystem heranzuführen. Das wird ein konfliktreicher und schwieriger Prozess, genauso bedeutend wie die Wiedervereinigung Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Er wird viel Energie binden, vielleicht aber auch zu einem neuen Kraftzentrum ums Mittelmeer herum führen.

Die maßlosen Kriege nach 9/11 haben den Blick auf die wahren geopolitischen Herausforderungen verstellt – den relativen Abstieg des Westens bei gleichzeitigem Aufstieg des Rests (der keineswegs in apokalyptischen Termini beschrieben werden muss, weil er Wohlstand und Freiheit für Milliarden Menschen auf der anderen Seite der Welt bedeutet).

Der Westen hat durch die Politik der Angst nach 9/11 seine eigenen Grundwerte kompromittiert. Die Freigabe der Folter bleibt eine Schande, ebenso die Lügen über die Kriegsgründe, die Aushebelung verfassungsmäßiger Rechte.

Amerika ist erschöpft nach zwei Kriegen, die (laut Financial Times) 1.000 Milliarden Dollar verschlungen haben – für ein recht zweifelhaftes Ergebnis. Die Vision von einer Hypermacht, die präventiv allein handeln kann, wann immer es ihr passt, ist passé. Afghanistan wird den Afghanen zurückgegeben werden. Die Taliban werden ein Teil der neuen Ordnung sein. Das Experiment des neuen Irak bleibt einstweilen offen. Es muß nicht scheitern, aber der Preis war zu hoch. In beiden Ländern genießt der Iran großen Einfluß, der auch durch die 9/11-wars zur regionalen Großmacht aufgestiegen ist und – wirklich – an Massenvernichtungsmitteln arbeitet. Was man tun kann, um das zu verhindern, weiß in Wahrheit kein Mensch.

Die arabischen Völker nehmen die Zukunft in ihre eigenen Hände – und sie scheren sich dabei weder um die Demokratievisionen der Neocons, noch um die Theokratie nach dem Geschmack der Kaida.

Die libysche Intervention der Nato führt den Westen zurück vor 9/11. Sie hat sehr viel mehr mit dem Engagement in Bosnien und Kosovo zu tun als mit den 9/11-wars. Hier wurde einer bedrängten Gruppe von Aufständischen gegen einen Autokraten geholfen. Die Nato mag ihr Mandat sehr weit ausgelegt haben  – die responsibility to protect blieb der Maßstab. Es gab regionale Unterstützung und ein Mandat der UNO. Nun wird die Nato sich zurückziehen. Das Zeitalter der Intervention ist also nicht vorbei – aber wir knüpfen an notwendige, begrenzte und legitimierte Interventionen wie vor 9/11 an. Wie dem auch sei: Schon die begrenzte Aktion in Libyen hat die Nato an den Rand der Erschöpfung gebracht. Sehr viel länger hätte es nicht dauern dürfen. Auch darum werden Kriege vielleicht künftig vorsichtiger angegangen werden, selbst wenn sie unvermeidlich sind.

Und das ist ja mal keine schlechte Sache.

 

Welches Europa will Deutschland?

Mein Leitartikel aus der ZEIT von morgen beschäftigt sich mit der außenpolitischen Orientierungs- und Sprachlosigkeit Berlins:

Wie lange kann eine Regierung so weitermachen? Deutschland ist in Europa heute so wichtig wie selten zuvor, seine Außenpolitik so schwach wie nie. Die außenpolitische Krise zehrt mit jedem Tag mehr von dem auf, was einmal Innenpolitik war. Das Schicksal dieser Regierung entscheidet sich an einer einzigen Frage: ob sie es schafft, Deutschlands Position in Europa neu zu bestimmen. Pathetisch gesagt: die Deutschen in Europa neu heimisch zu machen.
Die Kanzlerin aber muss um ihre Mehrheit für die Euro-Rettung zittern. Die Kabinettskollegin von der Leyen nutzt Merkels strategisches Vakuum, um sich als mögliche Nachfolgerin in Stellung zu bringen: Sie strebe die »Vereinigten Staaten von Europa« an – eine Formel, die leider für FDP und CSU den Gottseibeiuns beschreibt.
Und ausgerechnet in Zeiten der Veraußenpolitisierung des Politischen hat Deutschland einen Außenminister, den niemand mehr ernst nimmt. Guido Westerwelle musste erleben, wie ihn die zaudernden Vatermörder Rösler und Lindner erst demontierten, um ihn dann noch einmal – auf Bewährung – im Amt zu lassen.
Weil es ein weiteres Schwächesignal der Koalition wäre, ihn jetzt zu schassen, wird ihm die Krise der Außenpolitik, die er mitverschuldet hat, paradoxerweise zur vorläufigen Rettung. Westerwelle hat den Nato-Alliierten Respekt für ihren Libyen-Einsatz bekundet – spät und unter Druck. Seine vergeblichen Versuche, den Sturz Gadhafis den deutschen Sanktionen zuzuschreiben, haben die Orientierungslosigkeit der deutschen Politik noch einmal vor aller Augen geführt.
Auf Bewährung ist nicht nur er, sondern die deutsche Außenpolitik im Ganzen. Da es auf Westerwelle nicht mehr ankommt, läuft nun alles auf die Kanzlerin zu. Sie hat die Libyen-Entscheidung einst gemeinsam mit Westerwelle getroffen. Jetzt muss sie den Schaden begrenzen – und das ist noch eine der kleineren Herausforderungen.
Weder gegen die Deutschen noch ohne sie ist Europa zu retten
Deutschland steht vor einer Frage, so groß wie Wiederbewaffnung, Westbindung oder Ostpolitik: Wie weiter mit den Deutschen in Europa? Europapolitik, einst die Domäne der Technokraten, ist zur Bühne der deutschen Identitätskrise geworden. Die alte Lehre, das Land sei zu klein für die Hegemonie in Europa und zu groß für das Gleichgewicht, scheint überholt.
Der bewährte Deal funktioniert nicht mehr, in dem Deutschland die Wirtschaftsmacht, Frankreich aber das politische Schwergewicht stellte. Früher konnte Deutschland Macht kaufen. Heute ist es auch politisch in Europa eine unverzichtbare Kraft. Weder gegen die Deutschen noch ohne sie kann Europa gerettet werden.
Dabei hatte man den Euro auf französischen Druck eingeführt, um eine deutsche Hegemonie in Europa zu verhindern. Doch er wurde ironischerweise zur Grundlage einer deutschen Vorherrschaft. Die Deutschen sind Europas Gewinner, und doch fühlen sich viele hierzulande von Europa betrogen. Der Euro hat die Deutschen zum ängstlichen Hegemon Europas gemacht. Deutschland fürchtet sich vor Europa, und die Europäer fürchten Deutschlands Macht.
Die Deutschen müssen nun die EU just in dem Moment umbauen, da sie beginnen, sich nicht länger als Mustereuropäer, sondern als Opfer zu sehen. Europa war einmal ein Wert an sich. Nun aber glauben viele, »mehr Europa« bedrohe Werte und Wohlstand.
Getrieben von den Märkten, baut die Kanzlerin darum das neue Europa im Tarnkappen-Modus. Sie kämpft offiziell für die Verbreitung deutscher Stabilitätskultur, aber Begriffe wie Wirtschaftsregierung, europäischer Finanzminister, Euro-Bonds und – nun sogar – Vereinigte Staaten von Europa sind durch ihre Politik allmählich in die Zone des Denkbaren gerückt.
Deutschland hat unter dem Radar fliegend begonnen, Europa nach seinem Bilde zu verändern: Nicolas Sarkozy, einst Wortführer der Schuldnerländer, ist heute Verfechter der Stabilität.
Die Regierung muss die strategische Verstocktheit aufgeben und darüber Rechenschaft ablegen, dass sich auch die deutsche Haltung mehr verändert hat, als die Berliner Sprachlosigkeit ahnen lässt. Neben Europa bleibt die zweite Schicksalsfrage die nach Krieg und Frieden. Was ist die Lehre aus den Interventionen der letzten beiden Jahrzehnte – von Bosnien über Afghanistan bis Libyen? So schnell wie möglich raus – und nie wieder mitmachen? Der Libyen-Krieg gibt zu Zweifeln Anlass, auch wenn er kein Modell ist. »Kultur der Zurückhaltung« darf nicht zum Synonym des moralisch überhöhten Raushaltens um jeden Preis werden.
Drittens, auch eine deutsche Kernfrage: Israel. Wie verhält sich Deutschland im September, wenn die Palästinenser vor den Vereinten Nationen Anerkennung verlangen? Kann man diesen Wunsch nach dem Arabischen Frühling noch schnöde abweisen? Wir müssen raus aus den öden Ritualen der Nahostdiplomatie, ohne uns dabei gegen Israel oder die USA zu positionieren.
Die Libyen-Entscheidung hat Deutschland an die Seite Russlands, Chinas und Indiens geführt. Deutschland braucht neue strategische Partner. Aber wir können darum nicht blockfreie Politik machen. Wir brauchen ganz Europa, um es mit China aufzunehmen – und Europa braucht umgekehrt uns, damit es in der Welt zählt.
Welches Europa will Deutschland? Welches Deutschland braucht Europa? Nur wenn sie darauf eine Antwort findet, hat diese Regierung noch eine Chance.

 

Deutschlands außenpolitische Schande

Deutschland hat den libyschen Rebellen in der Not nicht geholfen. Jetzt will die Regierung dennoch einen Anteil an deren Sieg reklamieren. Sie hat noch nicht begriffen, dass sie einen historischen Moment verpasst hat. Von Jörg Lau und Bernd Ulrich (aus der ZEIT Nr. 35, S. 4)

Bevor man sich auf die verdrucksten Stellungnahmen der deutschen Politik zum Sieg der Rebellen und des Westens (außer Deutschland) einlässt, sollte hier ein kurzer Blick auf die historische Realität geworfen werden: Keine Befürchtung der Bundesregierung ist eingetreten, die Mission war nicht unmöglich, sie blieb nicht im Wüstensand stecken, es mussten keine Bodentruppen geschickt werden, die militärische Intervention hat die arabische Rebellion belebt, statt sie zu verderben, die Kollateralschäden hielten sich in Grenzen. Selbst wenn jetzt noch vieles schiefgehen sollte, hilft das der Argumentation von Kanzlerin und Außenminister nicht weiter. Denn den Sturz von Gadhafi mit allen Risiken und Nebenwirkungen wollten sie ja auch, sie wollten nur nichts Massives dafür tun.

Umgekehrt: Wenn der Westen den Deutschen gefolgt wäre, dann hätte Gadhafi ungestört sein angekündigtes Massaker in der Stadt Bengasi und an den Rebellen insgesamt verüben können, die Sanktionen hätten ihn ungefähr so beeindruckt, wie sie Syriens Assad beeindrucken. Gadhafi säße nach wie vor unbedroht in Tripolis, und die Diktatoren in der Region wüssten, dass sie vom Westen weitgehend in Ruhe gelassen werden, wenn sie die jeweiligen Aufstände blutig niederschlagen.

Schließlich, so lautet das Fazit aus hiesiger Sicht: Die Deutschen haben sich militärisch rausgehalten und die Verbündeten im Stich gelassen. Das alles war ein großer Fehler und ist eine Schande. So weit die Fakten und ihre Folgen, und nun die Reaktion der Bundesregierung: Man könnte in sich gehen, erst mal schweigen und jenen, die für die Libyer ihre Knochen hingehalten haben, den Moment überlassen. Doch Guido Westerwelle tritt dieser Tage immer wieder vor die Presse, um zu triumphieren, er beansprucht Miturheberschaft für den Fall Gadhafis. »Jeder hat auf seine Art und Weise einen Beitrag geleistet, dass die Zeit des Regimes von Oberst Gadhafi vorbei ist. Wir Deutsche mit unseren politischen Prioritäten, mit unserer gezielten Sanktionspolitik. Das wird auch international sehr geschätzt.« Das wird es keineswegs, doch vor allem hätten die Sanktionen allein so gut wie nichts bewirkt, wenn die Rebellen vernichtet worden wären.

Was hat in Westerwelles Augen den Ausschlag für den Sieg gegeben? Der unbändige »Freiheitswille des libyschen Volkes«, so sagt er, habe den Diktator besiegt. Keine sechs Monate ist es her, dass Deutschland mit einer Enthaltung im Sicherheitsrat zeigte, wie wenig man diesem »Freiheitswillen« zutraute. Niemand verlangt jetzt ein mea culpa, die Libyen-Intervention war hoch riskant. Aber der bevorstehende Tyrannensturz wäre eine gute Gelegenheit einzugestehen, dass die deutschen Befürchtung, in Libyen drohte ein Treibsand wie im Irak, übertrieben war. Die Deutschen haben nur die Risiken, nicht aber die Chancen dieser Intervention analysiert. Das wäre auch eine Chance zur Versöhnung mit den Verbündeten, die sich von Westerwelle – und mehr noch von Merkel – im Stich gelassen fühlten.

Stattdessen reitet Westerwelle auf der Rolle Deutschlands herum, als habe man Gadhafi mit Sanktionen den Nachschub abgeschnitten und die Nato eigentlich nicht gebraucht. Das späte Lob des Freiheitswillens der Libyer klingt blechern, weil es ein Schweigen über die 20 000 Luftwaffeneinsätze der Nato-Verbündeten einschließt, die wohl auch nicht ganz unwichtig für den Sturz des Diktators waren. Der deutsche Außenminister verliert kein Wort über die Angriffe der Amerikaner, Briten und Franzosen auf Gadhafis Truppen, ohne die es heute längst keine Rebellen und keinen Übergangsrat mehr gäbe. Das Wort in Richtung der Alliierten, das hier fehlt, ist sehr kurz, es heißt: danke.

Angela Merkel wiederum lässt jede Chance verstreichen, die Einlassungen ihres entmachteten Außenministers zu korrigieren. Ihre merkwürdig klamme Aussage vom Montag fügt sich ins Bild einer von der Geschichte ertappten Regierung, die aus dem Abseits die Weltgeschichte beobachtet: »Heute ist der Tag, an dem wir sehen, dass dem ehemaligen Machthaber Gadhafi die Macht zusehends entgleitet«, sagte Merkel am Montag auf einer Balkanreise. Gadhafi »entgleitet« die Macht? Zusehends? Die Kanzlerin hat vor einem halben Jahr gesagt, sie könne es nicht verantworten, die Bundeswehr in einen Krieg mit »äußerst ungewissem Ausgang« zu schicken. Nun ist der Ausgang gewiss, sie hat sich geirrt, und was sagt sie dazu?

Die Verbündeten, die nicht bloß zusehen wollten, vernehmen in solchen Statements der Bundesregierung eine schwer erträgliche Rechthaberei. Es lässt sich aber nicht wegreden, dass diesmal die Deutschen auf der falschen Seite der Geschichte aufgewacht sind. Das ist gerade darum ein Problem, weil die Deutschen derzeit in anderen Fragen so oft recht behalten und sich das Recht auf Führung nehmen. Ein Land, das durch seinen wirtschaftlichen Erfolg zum europäischen Hegemon aufsteigt und anderen die Regeln diktiert, täte gut daran einzugestehen, wenn die Nachbarn einmal recht behalten. Die Unfähigkeit der Bundesregierung dazu verrät, wie tief die außenpolitische Desorientierung nach der Libyen-Enthaltung ist.

Westerwelles Diktum, der Erfolg gehöre »dem libyschen Volk« mag in deutschen Ohren wie eine fromme Platitüde klingen. Für Briten, Franzosen und Amerikaner schwingt darin Unbelehrbarkeit und Trotz mit, wenn der deutsche Außenminister nachschiebt: »Ich rate auch davon ab, ihn zu okkupieren, aus irgendwelchen anderen Gründen.« Er selbst hat keine Hemmungen, den Erfolg der anderen zu »okkupieren« und fordert eine angemessene Beteiligung der Deutschen am Wiederaufbau des Landes.

Sarkozy, Cameron und Obama haben Leib und Leben ihrer Soldaten riskiert und ihr politisches Gewicht darauf gewettet, den libyschen Rebellen gegen den Tyrannen zu helfen. Angela Merkel und Guido Westerwelle hingegen haben nichts riskiert, sie haben der innenpolitischen Stimmung nachgegeben, anstatt die kriegsmüden Deutschen zu einem Kampf für die Freiheit in Arabien zu ermutigen. Und während der Endkampf dort noch läuft, melden die Deutschen aus der Etappe schon wieder Ansprüche an und geben Ratschläge.

Dabei steht jetzt für die Bundesregierung eine ganz andere Frage auf der Tagesordnung: Wie kommt sie, wie kommt Deutschland künftig wieder auf das Niveau der Geschichte, wie kann man wenigstens nachträglich die Dimension begreifen und politisch bearbeiten, um die es in Arabien geht? Die anderen westlichen Nationen haben mit ihrem Einsatz zur Versöhnung zwischen den Muslimen und dem Westen beigetragen. Denn das war das Erstaunliche an diesem Krieg: Trotz des Desasters der amerikanischen Invasion im Irak hat die arabische Öffentlichkeit die Intervention in Libyen mit überwältigender Mehrheit unterstützt. Das allein gleicht einem Wunder nach den vielen Jahren westlicher Einmischung in der Region. Doch hier ging es eben darum, in einem entscheidenden Moment der arabischen Revolte zu zeigen, dass die Gewalt der Herrschenden sich nicht mehr durchsetzt.

Das wiederum war hier leider – was die Deutschen nicht wahrhaben wollten – nur mit Gewalt möglich. Die Abwendung eines Massakers und der ersehnte Sturz des mörderischen Clowns von Tripolis wogen für die Araber schwerer als die Ängste vor einem neuen westlich-imperialen Abenteuer. Dieser Krieg fand auf al-Dschasira statt, nicht auf CNN, es gab – erstmals seit Jahrzehnten – keine Verschwörungstheorien über dunkle Absichten des Westens. Die ungeheure Chance dieses historischen Moments verpasst zu haben ist vielleicht das schwerste Versäumnis der Bundesregierung. Sie hat, wie ihre Äußerungen zeigen, noch nicht einmal begonnen, diese Dimension zu begreifen.

Was kann Deutschland nun beitragen? Welche Konsequenzen für die Zukunft ziehen Merkel und Westerwelle aus ihren historischen Fehlern? Oder wollen sie Raushalten zur Doktrin erheben? Niemand hat je vorgeschlagen, das Eingreifen in Libyen als Modell für die unvollendeten Revolutionen in Syrien oder Jemen zu nehmen. Man kann höchstens hoffen, dass der Fall dieses Tyrannen den Rebellen neuen Auftrieb gibt. Doch wie kann man in Deraa, in Homs oder Sanaa den Freiheitskämpfern noch helfen, wie kann man die Regimes unter Druck setzen?

Deutschland hat eine Rolle in dieser Geschichte zu spielen. Die Freude darüber, widerlegt worden zu sein, wäre kein schlechter Anfang.

 

Was Libyenkrieg und Irakintervention unterscheidet

Marc Lynch erklärt in seinem Blog auf Foreign Policy, warum es falsch war und ist, mit der Erfahrung des Irakkrieges gegen die Nato-Intervention in Libyen zu sein. Ich kann nur hoffen, dass in der deutschen Regierung solche Quellen gelesen werden. Denn es ist offensichtlich, dass die Deutschen bei ihrer Enthaltung voll in die Irak-Falle gelaufen sind. Merkel hatte einst in der Washington Post Schröder für seine Zurückhaltung gegenüber den amerikanischen Invasionsplänen kritisiert, nun wollte sie offenbar selber ihre Unabhängigkeit von Amerika demonstrieren.

Nie wieder Truppen für ein humanitäres Abenteuer in der arabisch-islamischen Welt, das war ihre (falsche) Schlussfolgerung aus dem Fehler, Bush gegen Schröder unterstützt zu haben:

The Arab public embraced the Libyan uprising in February, which began less than a week after Mubarak’s fall. They saw the Libyan revolution as part of their own common story of peaceful, popular challenges to entrenched authoritarian rule. They watched in horror as Qaddafi responded with brutal military force, and as his forces advanced on Benghazi they desperately called for the world to help.

I heard a lot of skepticism about this Arab demonstration effect after the NATO intervention began. Skeptics pointed out, quite correctly, that the regimes in Bahrain, Yemen, and Syria seemed undeterred by the NATO show of force. But they generally ignored, or just didn’t care about, the overwhelmingly positive response at the time in most of the Arab public. The Arab public, watching the battle unfold on al-Jazeera and online, understood that a massacre had been prevented by the intervention.

A significant portion of American and Western commentators were quick to assume that Arabs would view the Libya intervention through the lens of Iraq. I assumed that too, at first. But the debate that I saw unfold in the actual Arab public sphere was entirely different and forced me to change my mind. While there were certainly Arab voices warning of imperialism and oil seizures and Israeli conspiracies, the overwhelming majority actively demanded Western intervention to protect the Libyan people and their revolution. The urgency of preventing the coming massacre mattered more to them, and despite all the legacies of  Iraq they demanded that the United States and the international community take on that responsibility.

As for the demonstration effect on regimes, it is worth recalling that both Syria and Yemen saw significant escalations at exactly that moment which hardly seem a coincidence. The Syrian uprising really began to take root after the regime’s heavy handed response to rising protests in Deraa on March 18.  Its violence in Deraa set in motion the cycle of repression and mobilization, which has brought hundreds of thousands of Syrians into the streets and turned Assad’s regime into an international pariah. The repertoire of escalating international condemnation, targeted sanctions, and International Criminal Court referrals now being deployed against Assad’s regime debuted in Libya.

March 18 was also Yemen’s „Bloody Friday,“ when  Ali Abdullah Saleh’s forces opened fire on a large demonstration at Sanaa University. Over the following days, massive protests erupted across the country, al-Jazeera broke away from its wall to wall Libya coverage to focus on Yemen, and the defection of Major General Ali Muhsin and a host of government officials, ruling party members, and military officers made it appear that the regime’s end was near. Saleh refused to step down and Yemen descended into the grinding political stalemate it’s in today. But that shouldn’t make us forget how close Yemen was to real change in those weeks. Perhaps now there will be one final chance to push toward closure in Yemen before Saleh returns.

Libya lost its central place in the Arab public sphere as the war dragged on. Even if al-Jazeera continued to cover the war heavily, the agenda fragmented and darkened. Arab attention was consumed by new setbacks and stalemates, from the brutal repression in Bahrain to the incomprehensible stalemate in Yemen, to the escalating brutality in Syria. But over the last two days, Arab attention refocused on Libya. Arabs from Yemen, to Syria, to Morocco experienced Qaddafi’s fall as part of their own story. And they are clearly inspired, galvanized and energized.

Arab activists across the region will now likely try to jump-start protest movements which had lost momentum. Some will succeed, others won’t. (…)

 

Bekenntnis zum arabischen Selbsthass

Khaled Diab, ein bemerkenswerter arabischer Intellektueller ägyptischen Ursprungs, der lange in Brüssel gelebt hat und nun aus Jerusalem bloggt, hat ein Stück geschrieben, in dem er prophezeit, dass nur Juden und Araber, die sich selbst hassen, dem Nahen Osten Frieden bringen können.

Sein Blog ist lesenswert, ebenso die Kolumnen im Guardian (wie diese über die „arabische  Mythen über die westliche Frau“ und die „westlichen Mythen über den arabischen Mann„).

In seinem Selbsthass-Stück heißt es:

Naturally, it goes without saying that, like any self-respecting ‘self-hater’, I don’t regard myself as such. Rather, I believe that many of the people who fire off accusations of self-loathing are usually self-righteous and cannot admit their side commits any wrongs. They tend to abide by the precept that it is ‘my side, right or wrong’ and that we shouldn’t ‘hang our dirty laundry’ out in public.

So, why do some people adopt such harsh tones against members of their group who express dissenting views, no matter how rationally or honestly expressed?

In general terms, not conforming to the mainstream view of your community carries with it the risk of ostracisation. More specifically, the concept of ‘self-hate’ seems to enjoy the most currency among groups, minorities and peoples who feel under attack, threatened marginalised or demonised and so feel that it is important for all members to pull rank.

In the Jewish context, the long and painful history of anti-Semitism and discrimination, not to mention pogroms and the Holocaust, as well as popular Arab hostility towards Israel, has bred a level of hyper-defensiveness in the minds of many.

This explains why the ‘self-hate’ label – which gained popular currency following Theodor Lessing’s 1930 book Der Jüdische Selbsthass (Jewish Self-hatred) – probably has a longer history among Jews than among other groups. It can also be particularly virulent, as illustrated by the toxic Jewish SHIT list of over 7,000 allegedly “Self-Hating and Israel-Threatening” Jews.

This sense of embattlement engenders the misguided belief in the mainstream of the Jewish psyche that Israel should be defended at any cost and regardless of its actions.

Similarly, though Arabs have not experienced anything as apocalyptic as the Holocaust, most of the Middle East lived through centuries of foreign domination (Greek and Hellenic, Roman and Byzantine, Persian, Arabian, Turkic and Ottoman, British and French, etc.) in which the locals more often than not lived as effective second-class citizens in their own countries, over-taxed, oppressed and largely excluded from the corridors of power.

So, when the promise of independence came around after the collapse of the Ottoman Empire, the fact that the Palestinians were the first Arabs to be denied their freedom has transformed the Palestinian question into one of the most emotive issues in the collective Arab conscience, leading many to view it with greater irrationality than most other issues. (…)

 

Die Top Ten der Mythen über den Libyen-Krieg

Während die Welt sich darüber freut, dass die Deutschen (Russen und Chinesen) Unrecht zu behalten scheinen mit ihren Annahmen über Libyen, ist es an der Zeit, die Irrtümer über den Konflikt in Nordafrika aufzuarbeiten.

Der linke Nahostexperte Juan Cole hat viel Gegenwind aus dem eigenen Lager zu spüren bekommen, weil er den Krieg der NATO gegen Gadhafi unterstützt hat. Cole sieht sich durch den bevorstehenden Fall des Diktators bestätigt.

Gadhafis rapiden Sturz erklärt Cole sich damit, dass der Oberst nur noch auf Gewalt setzen konnte, weil seine Herrschaft bei weiten Teilen der libyschen Bevölkerung den  Rückhalt verloren hatte.

Seine Liste der 10 schlimmsten Irrtümer über die libysche Revolution ist lesenswert:

Given the controversies about the revolution, it is worthwhile reviewing the myths about the Libyan Revolution that led so many observers to make so many fantastic or just mistaken assertions about it.

1. Qaddafi was a progressive in his domestic policies. (…)

2. Qaddafi was a progressive in his foreign policy.

3. It was only natural that Qaddafi sent his military against the protesters and revolutionaries; any country would have done the same. No, it wouldn’t, and this is the argument of a moral cretin. In fact, the Tunisian officer corps refused to fire on Tunisian crowds for dictator Zine El Abidine Ben Ali, and the Egyptian officer corps refused to fire on Egyptian crowds for Hosni Mubarak. (…)

4. There was a long stalemate in the fighting between the revolutionaries and the Qaddafi military. There was not. This idea was fostered by the vantage point of many Western observers, in Benghazi.

5. The Libyan Revolution was a civil war. It was not, if by that is meant a fight between two big groups within the body politic. There was nothing like the vicious sectarian civilian-on-civilian fighting in Baghdad in 2006. The revolution began as peaceful public protests, and only when the urban crowds were subjected to artillery, tank, mortar and cluster bomb barrages did the revolutionaries begin arming themselves. (…)

6. Libya is not a real country and could have been partitioned between east and west. (…) I don’t understand the propensity of Western analysts to keep pronouncing nations in the global south “artificial” and on the verge of splitting up. It is a kind of Orientalism. All nations are artificial. (…)

7. There had to be NATO infantry brigades on the ground for the revolution to succeed. (…) But there are not any foreign infantry brigades in Libya, and there are unlikely to be any. Libyans are very nationalistic and they made this clear from the beginning. Likewise the Arab League. NATO had some intelligence assets on the ground, but they were small in number, were requested behind the scenes for liaison and spotting by the revolutionaries, and did not amount to an invasion force. The Libyan people never needed foreign ground brigades to succeed in their revolution.

8. The United States led the charge to war. There is no evidence for this allegation whatsoever. (…)  Secretary of Defense Robert Gates, the Pentagon, and Obama himself were extremely reluctant to become involved in yet another war in the Muslim world. It is obvious that the French and the British led the charge on this intervention, likely because they believed that a protracted struggle over years between the opposition and Qaddafi in Libya would radicalize it and give an opening to al-Qaeda and so pose various threats to Europe. French President Nicolas Sarkozy had been politically mauled, as well, by the offer of his defense minister, Michèle Alliot-Marie, to send French troops to assist Ben Ali in Tunisia (Alliot-Marie had been Ben Ali’s guest on fancy vacations), and may have wanted to restore traditional French cachet in the Arab world as well as to look decisive to his electorate. Whatever Western Europe’s motivations, they were the decisive ones, and the Obama administration clearly came along as a junior partner (something Sen. John McCain is complaining bitterly about).

9. Qaddafi would not have killed or imprisoned large numbers of dissidents in Benghazi, Derna, al-Bayda and Tobruk if he had been allowed to pursue his March Blitzkrieg toward the eastern cities that had defied him. But we have real-world examples of how he would have behaved, in Zawiya, Tawargha, Misrata and elsewhere. His indiscriminate shelling of Misrata had already killed between 1000 and 2000 by last April,, and it continued all summer. (…)

10. This was a war for Libya’s oil. That is daft. Libya was already integrated into the international oil markets, and had done billions of deals with BP, ENI, etc., etc. None of those companies would have wanted to endanger their contracts by getting rid of the ruler who had signed them. (…)

 

Gadhafis Endkampf ums eigene Bild

Wir haben kein Bild von Osama bin Ladens Ende. Kathryn Bigelow arbeitet zwar an einem Film, für den sie offenbar vom Weißen Haus mit Informationen über den Hergang der Nacht von Abottabad versorgt wird. Aber wir werden in absehbarer Zeit wahrscheinlich kein Bild des toten Führers der Kaida sehen. Für den größten Bilderproduzenten des neuen Jahrhunderts (die Zerstörung der Twin Towers wird uns bald wieder – zum nahen 10. Jahrestag – heimsuchen) ist das ein bitteres Ende – diese Bilderlosigkeit seines Todes. Die amerikanische Regierung hat gut daran getan, den Bilderkrieg mit den Terroristen so weiterzuführen. Osamas Anhänger versuchen nun, mit 100 Attentaten zu Ehren ihres Chefs wieder in die Vorhand zu kommen. Das ist eine Strategie, die sich selbst besiegt.

Ich warte unterdessen gespannt auf das Schlußbild zu der wahrlich auch bilderreichen Karriere Muammar Gadhafis. Wie wird der Mann, der Zeit Lebens die Bildwelt des verrückten, mörderischen Clowns variierte, sich in die Ikonografie des Tyrannensturzes einfügen? Wenn man seiner Rhetorik und seiner Selbstinszenierung in den letzten Monaten folgt, schwebt ihm ein Endkampf im Führerbunker vor, allerdings wahrscheinlich ohne Zyankali-Kapseln.

Zwei Bilder, die er sicher zu vermeiden suchen wird, haben in den letzten Jahren zwei andere einst starke Männer der arabischen Welt geliefert.

Saddam Husseins Zahnuntersuchung markierte den Nullpunkt seiner Macht. Es hätte der späteren Bilder von seiner Hinrichtung nicht mehr bedurft, um seine Entmachtung darzustellen.

Hosni Mubaraks Auftritt vor Gericht vor wenigen Tagen markiert ein anderes mögliches Ende, in meinen Augen noch viel schlimmer für den Tyrannen (obwohl dieser Tyrann in keiner Weise mit einem Massenmörder wie Saddam Hussein oder einem Terrorfürsten wie Gadhafi gleichgesetzt werden kann): Der Machthaber als kranker alter Mann, dem der Prozess gemacht wird.

 

Die englischen Krawalle als Nachtseite des Liberalismus

Ein außergwöhnlich scharfsinniger Artikel von David Goodhart, dem ehemaligen Herausgeber des linksliberalen „Prospect Magazine“ (bitte ganz lesen):

„These riots happened for one overwhelming reason. The police lost control of the streets on Sunday and suddenly lots of bored kids saw an opportunity to create mayhem with a very low likelihood of being caught.

Law and order, like paper money, is a sort of confidence trick. For a short period its mask (or helmet?) slipped and all those inclined to resent authority, who feel the official world is against them in some way and enjoy the thrill of small scale violence, saw their chance.

(…)

British politics has been dominated in recent years by a combination of economic and social/cultural liberalism. The teeny-bopper looter represents the dark side of that liberalism—the damaged off-spring of a decent and tolerant but also fluid and unstructured society.

This is not to say that “society is to blame” in any silly, leftist way. We may be economically liberal but that has not prevented billions of pounds being spent in recent years on improving schools and infrastructure in the inner city, and billions more on benefits for those unable or unwilling to find decent employment. The recession and spending cuts will not yet have undone all of that.

And the social and cultural liberalism has also brought huge improvements to the inner city over recent decades. The minority communities, which often dominate numerically in the inner city, face far less overt racism, policing has improved and much money and public policy effort goes into trying to increase the upward mobility of the inner city child.

And yet many of the inner city kids have barricaded themselves into an un-political counter-culture of contempt for the mainstream world.  Liberal Britain has had no response.

(…)

The shooting of a young black man, Mark Duggan, in Tottenham gives the original rioting a link to the race politics disturbances of the 80s, and there clearly is still a problem between young blacks and the police with stop-and-search laws.

But by all accounts, relations between the black community and police have vastly improved.  Operation Trident, the police operation to combat the hugely disproportionate gun crime in the black community, was requested by the black community itself.  It is generally regarded as a success.

The London rioters I saw and heard interviewed did complain about the killing of Mark Duggan but their real complaint seemed to be the police’s power to stop them from committing crime! It’s as if they think it’s unfair that they are not as powerful as the police.

(…) It may also signify a garbled account of modern multiculturalism in which all are meant to be have equal power and any departure from that, or indeed any personal setback, is racialized.

People on the left will say that the culture of disaffection is also fanned by the surrounding consumer culture and the „get rich quick“ casino economy. Perhaps they have half a point. But a rapper called JaJa, who said if he was younger he would have been out with the kids, felt closer to the truth when he pronounced that most of them were doing it for fun and to feel powerful – „for fifteen minutes of fame.“

We should neither stigmatize nor sentimentalize black inner city communities We should instead ask clear questions about what can be done about family breakdown and the crisis of authority both in those communities where the problems are particularly acute and in the rest of Britain.

Many black leaders of both left and right have been uncompromising in their denunciation of the rioters. They have not reached for excuses.

David Lammy, the Labour MP for Tottenham, pointed to the fact that more than half of the children in his area are being raised by one parent – but as a part explanation, not as a justification.

Shaun Bailey, the black Tory, says that too many black kids have been raised hearing a lot about their rights but not much about duties and responsibilities. Bailey says it is down to „the community“ to sort itself out.  He is probably right, but it will need the intelligent help of the local and national state and the surrounding society.

(…)

Public policy cannot stop young girls getting pregnant or young men joining gangs. But politics can help to change and challenge attitudes. And it can challenge the culture of disaffection by providing more structure to people’s often chaotic lives.

Liberalism works well for people with the cultural resources and family support to enjoy freedom. But freedom in the inner city can mean purposelessness and unpunished transgression.

So what would more structure mean? Economics still does matter. In retrospect, opening the door to nearly 1 million east Europeans before we had sorted out the training and employment of the inner city hardcore kids was a mistake.

(…)

In the 1980s there were genuine grievances to riot about.  Today there is just a sullen disaffection. These were truly post-political riots, style riots, boredom riots, feel-good riots, look-at-me riots, riots at the end of history.“

 

Wie Muslime halfen, die Belagerung Wiens zu beenden

Der Historiker Timothy Snyder setzt sich mit dem Kernstück der Geschichtsphilosophie von Anders Breivik auseinander, dem Bruch der Belagerung Wiens durch die polnische Kavallerie am Kahlenberg 1683. Er spricht von einem muslimischen (und übrigens auch jüdischen) Einfluß auf die die Schlagkraft der „Retter der Christenheit“. Die tatarischen Reiterheere waren die Vorbilder der polnische Truppen, die damals die besten der Welt waren. (Eine Analogie zu diesem Einfluß könnte man in den Kanonen des Urban sehen, mit denen Mehmed 1496 die Eroberung Konsatntinopels gelang – hier war ein chrislicher Ingenieur in Diensten der muslimischen Truppen der kriegsentscheidende Vorteil.) Erfolgreiche Imperien, kann man sagen, können niemals auf völlige Abschottung setzen. Sie dürfen ihre eigene Rhetorik des Kulturkampfes nicht allzu ernst nehmen.

The Polish charge down the Kahlenberg to the besieged walls of Vienna on September 12, 1683 was indeed dramatic. A Turkish chronicler recalled “a flood of black pitch consuming everything it touched.” Who were these Polish cavalrymen, and why were they so fearsome? The Polish state had been in contact with Islam for all seven centuries of its existence. Wars with the Ottomans and their Tatar vassals in Ukraine were commonplace. It was in the setting of Polish and Ottoman battles for Ukraine that Hasidism took shape and gained popularity among Polish Jews. At various points Tatars also switched sides from the Ottomans to the Poles, sometimes having been taken prisoner first, sometimes not. In the Polish-Lithuanian Commonwealth, Tatars printed their holy books (kitab) in a Polish-Belarusian language, using Arabic script. Tatars fought in Polish armies in the defining battles of the age, for example helping to defeat the crusading Teutonic Knights at Grünwald in 1410. They came to form an elite part of the officer class. Muslims were thus among the Polish horsemen who drove the Ottomans from the gates of Vienna.

The Muslim influence upon the rescuers of Christendom went far deeper than this. The very tactics of the Polish cavalry, regarded at the time as the best in Europe, were developed in contact with, and indeed copied from, the Tatars. Polish nobles bore curved swords. The shaved their skulls and grew their mustaches long. Just before the fateful charge down the Kahlenberg, each Polish soldier took a piece of straw, and placed it in his helm. This was an agreed-upon signal, allowing the Austrians to tell the difference between the allied Polish soldiers and the common Ottoman enemy.

Like the Polish-Lithuanian Commonwealth, the Ottoman Empire was anything but a monoreligious state. Both states were based upon a political logic that is no longer possible to follow. Monarchs made durable arrangements with leaders of the various religions practiced in their realms: the Ottoman sultan left Christian matters largely in the hands of the Orthodox Church, whose patriarchs were more powerful under the Ottomans than they had been under Byzantium. Greeks were the traders and the financiers of the Ottoman Empire, and the Ottoman armies, like the Polish ones, were multiconfessional. Although we might think of the Ottoman Empire as Asian in origin, in fact its history begins with Balkan conquests, and most of its Balkan subjects never converted to Islam. These kinds of early modern arrangements, where a weak central state in effect confers authority to local elites in exchange for the ability to tax and wage war, are often regarded as models of toleration.

It is quite wrong, it should go without saying, to imagine some sort of premodern Christian purity in Europe. (…)