Vorwärts in die Ära der Unvernunft

Pastor Jones hat seine Bücherverbrennung abgesagt. Er hatte seinen Spass: Wochenlang war er das Zentrum des Universums (jedenfalls wenn man Internet und Kabelfernsehen zu Rate zieht). Ein paar Menschen in Afghanistan sind tot, ein paar mehr verwundet wegen Pastor Jones. Er wird sich dadurch bestätigt fühlen. Wir haben noch nicht einmal einen Koran verbrannt – und die drehen trotzdem durch! Und hat er nicht Recht: Es gibt, wie wir seit den Karikaturen wissen, in der islamischen Welt sehr willige Kooperationspartner beim Kulturkampf. Großartig. Jemand anderes wird das Konzept wahrscheinlich aufnehmen. Jedermann kann heute einen Krieg starten, Internetzugang vorausgesetzt.

Herr Wilders aus Den Haag war in New York. Er hat Bürgermeister Bloomberg für seine „selbstmörderische“ Toleranz gegenüber den Muslimen mal so richtig vorgeführt, Lincoln-Zitat inklusive. Er hat davor gewarnt, die Moschee der Cordoba-Initiative bauen zu lassen, weil das ein Triumph derjenigen wäre, die nach dem 11. September „in Europas Strassen getanzt haben“ – muslim youths. (Das muss ich verpasst haben. Ich war am 11. September 2001 in der Türkei. Und dort waren die Menschen gelähmt und erstarrt angesichts dieser Barbarei im Namen ihrer Religion.)

If a mosque were built here on Ground Zero such people would feel triumphant. But we, we will not betray those who died on 9/11.

For their sakes we cannot tolerate a mosque on or near Ground Zero. For their sakes loud and clear we say: No mosque here! For their sakes, we must draw the line. So that New York, rooted in Dutch tolerance, will never become New Mecca.

(…)

Mayor Bloomberg forgets, however, that openness cannot be open-ended. A tolerant society is not a suicidal society.

It must defend itself against the powers of darkness, the force of hatred and the blight of ignorance. It cannot tolerate the intolerant – and survive.

This means that we must not give a free hand to those who want to subjugate us.

Die Kräfte der Finsternis, die Macht des Hasses, und der Fluch des Unwissens. Die wollen uns unterwerfen in Form der Corodoba Moschee des Imam Rauf und seiner Frau, Daisy Khan.

Wilders steht wie die iranischen Ajatollahs im apokalyptischen Endkampf. Natürlich will er die Freiheit nicht steinigen, sondern bewahren vor ihren Feinden. Wer es nicht so sieht, muss ein verblendeter Mulitkulti-Idiot, Dhimmi, Burkaversteher, Apeasenik sein. Er verweist immer wieder auf die Unfreiheit in der islamischen Welt und die Unmöglichkeit, dort überall frei Kirchen zu errichten. Damit New York kein neues Mekka wird, keine Moscheen mehr. Aber würde New York nicht gerade dadurch ein bisschen mehr Mekka? Oder ist das jetzt schon wieder ein „selbstmörderisch toleranter“ Gedanke?

Allerdings war – was Wilders natürlich verschweigt – der Islam schon Teil des Lebens in den Zwillingstürmen. Es gab einen „prayer room“ auf der siebzehnten Etage des Südturms. In der New York Times beschreibt einer der damaligen Besucher ihn so: “It was so freeing and so calm,” Mr. Sareshwala, 47, said in a phone conversation from Mumbai, where he is now based. “It had the feel of a real mosque. And the best part is that you are in the epicenter of capitalism — New York City, the World Trade Center — and you had this island of spiritualism. I don’t think you could have that combination anywhere in the world.” Das ist New York.

Der Westen wurde getroffen an 9/11. Es gab aber keine Hassreaktionen gegen Muslime im Westen, wie man sie vielleicht hätte erwarten können. Nirgendwo jagte der Mob Muslime durch die Strassen. Es brannten keine Botschaften islamischer Staaten. Bush ging in eine Moschee, und alle westlichen Regierungen beschworen Religionsfreiheit und Toleranz für loyale muslimische Bürger. Eine endlose Reihe von Dialogveranstaltungen und Islamkonferenzen war die Folge. Eine bemerkenswerte Reaktion: eine Absage an den „Krieg der Kulturen“. Zugleich führten wir da draussen  zwei Kriege gegen den Terror und zur Verbreitung der Demokratie und der Menschenrechte. Die waren nicht so erfolgreich wie gehofft. (Woher eigentlich kam diese Hoffnung?)

Jetzt sind wir erschöpft, ausgepowert, frustriert. Wir wissen nicht, wie wir den Rückzug so hinkriegen sollen, dass wir nicht schlechter dastehen als vor dem ganzen Horror, der so viele Menschenleben gekostet hat. Aber es wird einen Rückzug geben müssen. Wir müssen (irgendwann) raus aus Afghanistan. Im Irak hat der Rückzug schon begonnen.

Zugleich macht sich Ernüchterung breit, seit wir anerkennen, dass das Zusammenleben mit Muslimen in unseren Gesellschaften ein Dauerzustand und keine Episode sein wird. Was nicht gut läuft, kann man nicht mehr ignorieren. Der Nachbar, der bleibt, wird anders gemustert als ein Gast, der übermorgen weg ist.

Hier wird es allerdings keinen Rückzug geben können. „Disengagement“ gibt es nicht in der Einwanderungsgesellschaft.  Reden vielleicht gerade darum heute so viele über „die“, als gäbe es eine Möglichkeit, sie wieder wegzubekommen? Wilders „neues Mekka“ und Sarrazins Selbstabschaffung Deutschlands sind maßlose Übertreibungen realer Ängste. Wie konnten wir nur – neun Jahre nach dem 11. September – bei diesem abgrundtiefen Pessimismus, bei dieser Botschaft des Mißtrauens, der Misanthropie, der Wut und des westlichen Selbsthasses landen?

 

Die Frau hinter der „Cordoba Initiative“ spricht

Daisy Khan ist die Ehefrau des Imam Rauf, der den Community Center leiten soll, der als „Ground Zero Mosque“ durch die Presse geht. Sie spricht hier über ihre Erfahrung als muslimische Frau aus Kaschmir, die mit 15 Jahren nach Amerika kam. Sie erklärt, was die Cordoba Initiative will. Sie sagt unter anderem auch, sie wolle „die Sicherheit Israels“ und dass „Muslime nicht bei der Zunahme des Antisemitismus mitmachen“ (ab 20 Min).
Und nun ist diese Frau, die demonstrativ nie Kopftuch trägt und mit ihrem Mann schon diverse Reisen im Auftrag des Staates gemacht hat, um in der islamischen Welt für muslimisches Leben in Amerika zu werben, ins Zentrum einer immer hysterischeren Debatte gerückt. Sieht so der Feind aus, spricht so der Feind?

Zu ihrem Mann übrigens ein hilfreicher Artikel hier.

 

Der Moscheeplaner von Manhattan spricht

Das ist also der Feind! Der Entwickler des „Community Centers“ in Nähe von Ground Zero, der mittlerweile als „Moschee am Ground Zero“ so viel Hass entgegenschlägt, spricht. Ist Sharif El-Gamal der Botschafter Obama, pardon Osama bin Ladens? (Haha!) Machen Sie sich selbst ein Bild. (Vollständiges Interview hier.)
Und falls meine bescheidene Meinung gefragt ist: Das Ganze stinkt bis über den Atlantik nach Xenophobie, Rassismus und (na gut, meinetwegen, ich schreibe das Wort jetzt hin) Islamophobie:

 

Barack Hussein Obama II, Muslim

Die Washington Post berichtet heute mit Bezug auf Zahlen des seriösen Pew Research Instituts, dass immer mehr Amerikaner der Meinung sind, Obama sei nicht Christ, sondern Muslim. Die Zahlen wurden – wohlweislich! – vor den Bemerkungen des Präsidenten zu dem islamischen Kulturcenter am Ground Zero erhoben. Sie reflektieren also noch nicht die Reaktion auf die präsidentielle Unterstützung des Rechts von Muslimen auf den Bau von Gebetshäusern.Das macht die Sache noch schlimmer.

Es sind jetzt fast 20 Prozent der Bevölkerung, die den im Internet verbreiteten Gerüchten folgen, Obama sei „heimlich“, „eigentlich“ Muslim. Entsprechend ist seit der Amtseinführung die Zahl derer zurückgegangen, die Obama korrekt als Christen einordnen. Damals waren es etwa die Hälfte der Befragten, heute sind es nur noch 34 Prozent.

Unter konservativen Republikanern hängt ein Drittel der Meinung an, der Präsident bete heimlich zu Allah. Das zeigt deutlich, wie sehr die Bezeichnung Muslim politisiert worden ist. Muslim ist (für diese Menschen) offenbar ein Codewort für „unamerikanisch“, „illoyal“, „verräterisch“. Schlicht: Nicht wie wir. Ich vermute auch, dass die Entpolitisierung des Rassethemas durch den sichtbar schwarzen Präsidenten zu einer zusätzlichen rassistischen Aufladung des Religiösen geführt hat: Manchem fällt es offenbar schwer zu akzeptieren, dass dieser schwarze, (relativ) linke Präsident Christ ist. Er kann nicht „einer von uns“ sein. Er muss anders sein, das Andere sein. An der Hautfarbe läßt sich das nicht mehr festmachen (-> Condi). Er muss also ein Agent der islamischen Verschwörung gegen Amerika sein.

„Among those who say Obama is a Muslim, 60 percent say they learned about his religion from the media, suggesting that their opinions are fueled by misinformation.

But the shifting attitudes about the president’s religious beliefs could also be the result of a public growing less enamored of him and increasingly attracted to labels they perceive as negative. In the Pew poll, 41 percent disapprove of Obama’s job performance, compared with 26 percent disapproval in its March 2009 poll.“

Etwas Neues ist das nicht. Man denke an den antijapanischen Rassismus im WKII. Katholiken ist es bis zu Kennedy nicht besser ergangen, immer stand ihre Loyalität zur WASP-Gesellschaft zur Debatte, mit teilweise wütenden antipapistischen Ausfällen. Juden wurden bis tief in die dreißiger Jahre hinein an den Universitäten (-> Columbia, Lionel Trilling) diskriminiert.

Und dass Franklin Delano Roosevelt in Wahrheit Jude und Teil der Weltverschörung gegen Amerika war, wurde immer wieder von seinen Gegnern verbreitet. (-> Hoftsadter, The paranoid Style in American Politics)

Ich fürchte, meine Bedenken gegen den Begriff der Islamophobie werden gerade von der Wirklichkeit überholt.

 

Warum Obama in der Moschee-Frage schiefliegt

Mitblogger NKB ist ganz und gar nicht einverstanden mit meiner Position im Streit um die Ground Zero Moschee und begründet dies ausführlich:

Ich kann in diesem Fall nicht einmal im Ansatz nachvollziehen, was Sie an Obamas Schwurbelei „bemerkenswert“ fanden. Für gänzlich absurd halte ich Ihre Schlussfolgerung, Obama sei ein „Präsident für Erwachsene“. Das Gegenteil dürfte wahr sein: Obama ist seit jeher von jenen, die ihn toll fanden, in geradezu kindisch anmutender Manie zum einem modernen „Erlöser“ stilisiert worden, der ganz, ganz bestimmt Frieden und Gerechtigkeit für alle bringen werde. Seit Obama an der Macht ist, hat er von seinen einstigen Versprechen aber kaum auch nur eine einziges eingelöst (man denke etwa an Guantanamo). Welch ein Wunder. Stattdessen sind seine Umfragewerte in den Keller gerauscht und stehen die Chancen für eine Wiederwahl außerordentlich schlecht.

Seit Obama sich zu der geplanten Moschee in der Nähe von Ground Zero geäußert hat, stehen seine Chancen auf eine zweite Amtszeit sogar noch viel schlechter: Das hat er sich redlich verdient. Übrigens kann dabei keine Rede davon sein, Obama sei nicht „zurückgerudert“. In seiner ursprünglichen Rede zeigte er – über unvermeidbare Plattitüden hinaus –schließlich nicht einmal im Ansatz Verständnis für die Empörung und Bedenken vieler Amerikaner, die nicht wollen, dass dort, wo islamistische Verbrecher einst 3000 Menschen umbrachten, geradezu demonstrativ ein riesiges „Haus des Islam“ entsteht. Stattdessen spricht Obama in der besagten Rede über „Religionsfreiheit“ und das Recht, mit dem eigenen Eigentum zu verfahren, wie man will. Als ginge es um Fragen der Verfassungsmäßigkeit!

Unter einem solchen formal-juristischen Gesichtspunkt hat Obama natürlich recht, und das weiß er auch, schließlich hat er selbst schon amerikanisches Recht gelehrt. Viel interessanter ist jedoch, worüber Obama lieber nicht sprechen mag: über die moralische Dimension dieses Projektes und darüber, wie es von anderen gedeutet werden mag, nicht nur in den USA.

Man merkt der Rede an, dass diese wesentlichen Fragen bewusst ausgeklammert wurden. Was hätte Obama denn auch sagen sollen? Gibt es wirklich auch nur einen vernünftig denkenden Menschen, der die Entscheidung, an dieser Stelle ein protziges „Haus des Islam“ zu errichten, nicht für geschmacklos, taktlos und respektlos, kurz: widerwärtig hält? Gibt es irgendwem, dem sich nicht der Gedanke aufdrängt, dass Islamisten in aller Welt dies als großen Triumph betrachten und für sich instrumentalisieren werden?

Meiner Meinung nach stellt sich hier lediglich die Frage, ob die Initiatoren des Projektes a) unfassbar naiv waren oder ob sie b) von Anfang an das Ziel hatten, eine Provokation zu inszenieren. Ich halte Letzeres angesichts der Evidenz der Taktlosigkeit des Projektes und seiner möglichen Symbolkraft für wesentlich wahrscheinlicher. Statt dass Obama aber versuchte – egal wie diese Frage zu entscheiden sein mag – zu vermitteln und einen Propagandasieg der Islamisten zu vermeiden, zieht er sich auf ein wohlfeiles juristisches Argument zurück. Daneben erschöpft sich die Rede, wie so oft, in wohlfeiler Schwurbelei, namentlich soweit es um den Islam geht:

Was Atta und die anderen Terroristen im Namen des Islam taten, das soll mit dem wahren Islam – mal wieder – nichts zu tun haben. Einerseits wird zwar kein vernünftiger Mensch glauben, dass alle Muslime auf der Welt an den Morden vom 11. September eine Kollektivschulde treffe oder sie allesamt nur wegen ihrer Religionszugehörigkeit potentielle Mörder seien. Solche Ansichten pflegt man nur in den einschlägigen Kreisen. Unter umgekehrten Vorzeichen ist es jedoch genauso dämlich – und übrigens auch mindestens genauso menschenverachtend –, so zu tun, als bestehe zwischen Islam und Islamismus kein Zusammenhang, als taugte namentlich der Koran nicht dazu, Gewalt im Namen Allahs zu rechtfertigen, als seien diejenigen, die am 11. September getötet worden, nicht Opfer religiöser Gewalt geworden, begangenen im Namen des Islam.

Wenn Obama also behauptet, al-Kaida kämpfe nicht „für den Islam – sondern für eine grobe Verzerrung des Islam“, so ist das, mindestens in dieser Undifferenziertheit vorgetragen, nichts weiter Augenwischerei. Mehr noch: Es ist gerade dieses dumme Gerede, das notwendigerweise weitere Ressentiments im Westen bedingen wird, weil es so hemmungslos und offenkundig verlogen und heuchlerisch ist. Ein Islam orthodoxer Prägung ist stets und von Haus aus islamistisch, und selbstverständlich ist der Koran mehr als nur geeignet, Gewalt gegen Ungläubige zu rechtfertigen. Die Gewalttätigkeit dieser Religion ist, wie bei anderen Religionen in weniger starkem Maße auch, eine immanente Anlage, die beständiger Relativierung bedarf, um nicht zur Entfaltung zu kommen. Es wäre daher an der Zeit und außerdem im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens einzig geboten, das endlich anzuerkennen – anstatt es beschämt zu verschweigen und zu verleugnen, um die Gefühle und Eitelkeiten anderer zu schonen. Nur wenn man diese Anlage anerkennt, ist es nämlich möglich, ihr – und damit einhergehend dem Fundamentalismus – wirkungsvoll zu begegenen: Man muss anerkennen, dass der mörderische Wahnsinn von al-Kaida nicht von ungefähr kommt.

Doch um aufrichte Worte oder einen Dialog, der diesen Namen verdiente, geht es Obama nicht. Es geht ihm hier einzig darum, sich bei Muslimen und muslimischen Verbänden anzubiedern. Darum schwurbelt er, und am Ende sieht es gar so aus, als sei al-Kaida nicht einmal mehr „islamistisch“. Für mich kommt das einem Verrat den Opfern von 9/11 schon sehr nahe, egal welchen Glauben diese nun hatten.

Angesichts des Anlasses dieser Rede mag man Obama seine Schwurbelei – abgesehen von dieser Umdeutung – noch nachsehen, er ist schließlich Politiker und wird im Übrigen selbst nicht recht an den Unsinn glauben, den er da von sich gibt. Völlig absurd ist es jedoch, in diesem Zusammenhang behaupten zu wollen, Obama sei ein Beispiel für „moral clarity“. Wiederum trifft das exakte Gegenteil zu: Wäre Obama aufrichtig, müsste er darlegen, dass die Muslime in der Pflicht stehen, sich von den Verbrechen etwa der al-Kaida und der Agenda anderer islamistischer Kräfte mit aller Vehemenz zu distanzieren. Das aber tut man bestimmt nicht dadurch, dass man dort, wo die Islamisten einen ihren größten Triumphe feierten, ein riesiges „Haus des Islam“ errichtet, dem man dann auch noch den – entweder bewusst provokativen, mindestens jedoch missverständlichen – Namen „Cordoba Haus“ gibt.

Feisal Abdul Rauf als Verantwortlicher dieses Projektes rundet das Bild schließlich ab: Zwar möchte der Mann nicht so recht sagen, dass die USA die Anschläge vom 11. September verdient gehabt hätten, aber so ganz unschuldig sind sie daran dann doch irgendwie auch nicht. Natürlich weigert sich derselbe Rauf auch standhaft, die Hamas, die noch immer die Auslöschung Israels propagiert (und am liebsten betriebe), als die Terrororganisation anzuerkennen, die sie ist. Schon das genügt, um aufzuzeigen, dass die rigide Trennung zwischen vermeintlich jenem friedlichen, um Dialog bemühten Islam und dem von Hass geprägten Islamismus, die Obama in dieser Rede vorzutäuschen sucht, mit der Realität häufig wenig zu tun hat. Passenderweise hat man sich bei der Hamas inzwischen auch zu der New Yorker Kontroverse geäußert: Bei den Islamisten von der Hamas findet man die Idee, in der Nähe von Ground Zero eine Moschee zu bauen, ganz toll, ja sogar für unbedingt nötig – mit einer eigenwilligen Begründung:

A leader of the Hamas terror group yesterday jumped into the emotional debate on the plan to construct a mosque near Ground Zero — insisting Muslims “have to build” it there.

“We have to build everywhere,” said Mahmoud al-Zahar, a co-founder of Hamas and the organization’s chief on the Gaza Strip.

“In every area we have, [as] Muslim[s], we have to pray, and this mosque is the only site of prayer,” he said on “Aaron Klein Investigative Radio” on WABC.

“We have to build the mosque, as you are allowed to build the church and Israelis are building their holy places.”

Hamas, he added, “is representing the vast majority of the Arabic and Islamic world — especially the Islamic side.”

http://www.nypost.com/p/news/local/manhattan/hamas_nod_for_gz_mosque_cSohH9eha8sNZMTDz0VVPI

Zum Schluss sei auf die Worte von Neda Bolourchi hingewiesen, einer jungen Muslimin, deren Mutter bei den Anschlägen vom 11. September ermordet wurde. Im Gegensatz zu Obama schafft sie es, mit aller „moral clarity“ auf den Punkt zu bringe, worum es hierbei geht:

Yet, I worry that the construction of the Cordoba House Islamic cultural center near the World Trade Center site would not promote tolerance or understanding; I fear it would become a symbol of victory for militant Muslims around the world.

Inzwischen darf man wohl davon sprechen, dass sich ihre Befürchtungen –auch zum Schaden vieler friedfertiger Muslime in dieser Welt – bewahrheitet haben. Von einer bloßen Posse ist diese Kontroverse nämlich weit entfernt. Vielmehr spiegelt sie auf sehr eindrückliche Weise die gängigen Absurditäten der Islam-Debatte wider und zeigt dabei auf, wie schädlich das harmonieheuchelnde illusorische Geschwurbel etwa eines Barack Obama in Wahrheit ist.

 

Wer Achmadinedschad dämonisiert, macht ihn stärker

Wir starren in der diplomatischen Krise mit Iran zu viel auf Machmud Achmadinedschad. Der iranische Präsident, der gerade zur UN-Vollversammlung nach New York gereist ist, wurde daran gehindert, Ground Zero zu besuchen, und seine geplante Rede an der Columbia University hat schon vorab eine Protestwelle inspiriert.

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Der Lauteste im Nahen Osten
In der NYT fühlt sich Michael Slackman gedrängt, die Überschätzung des iranischen Präsidenten mit einem Zwischenruf zu korrigieren. Die Fokussierung auf Achmadinedschad beruhe auf einem Missverständnis des iranischen Systems und seiner Machtstruktur, schreibt Slackman:

In demonizing Mr. Ahmadinejad, the West has served him well, elevating his status at home and in the region at a time when he is increasingly isolated politically because of his go-it-alone style and ineffective economic policies, according to Iranian politicians, officials and political experts.

Political analysts here say they are surprised at the degree to which the West focuses on their president, saying that it reflects a general misunderstanding of their system.

Unlike in the United States, in Iran the president is not the head of state nor the commander in chief. That status is held by Ayatollah Ali Khamenei, the supreme leader, whose role combines civil and religious authority. At the moment, this president’s power comes from two sources, they say: the unqualified support of the supreme leader, and the international condemnation he manages to generate when he speaks up.

“The United States pays too much attention to Ahmadinejad,” said an Iranian political scientist who spoke on the condition of anonymity for fear of reprisal. “He is not that consequential.”

That is not to say that Mr. Ahmadinejad is insignificant. He controls the mechanics of civil government, much the way a prime minister does in a state like Egypt, where the real power rests with the president. He manages the budget and has put like-minded people in positions around the country, from provincial governors to prosecutors. His base of support is the Basiji militia and elements of the Revolutionary Guards.

But Mr. Ahmadinejad has not shown the same political acumen at home as he has in riling the West. Two of his ministers have quit, criticizing his stewardship of the state. The head of the central bank resigned. The chief judge criticized him for his management of the government. His promise to root out corruption and redistribute oil wealth has run up against entrenched interests…

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Warum Henryk Broder Persilscheine ausstellt

Ich lese die „Achse des Guten“ nicht mehr oft, obwohl sie hier weiter in der Linkleiste vertreten ist. Der Dogmatismus, das ewige Eiferertum (das der ironischen Selbstetikettierung widerspricht) und die teilweise hässlichen Töne, vor allem in der Integrationsdebatte, haben mir die Sache lange schon vergällt. (Sorry, Hannes, Du bist die rare Ausnahme).

So habe ich auch nicht rechtzeitig mitbekommen, dass Henryk Broder meinen Post über Martin Peretz nun schon zum zweiten Mal eines eigenen Posts gewürdigt hat. Auch das könnte man übergehen, wenn nicht eine merkwürdige Faktenverdreherei dabei zu beobachten wäre. Dass Broder nicht in bester Form ist, zeigt sich allerdings schon an dem müden Namenwitzchen auf meine Kosten („Lau und Lauer“ – you can do better than this…).  Geschenkt.

Ärgerlich ist etwas anderes. Martin Peretz hat sich dafür entschuldigt, dass er sich von der hassvollen Debatte über die „Ground-Zero-Moschee“ so weit hat anstecken lassen, dass er Muslimen verfassungsmässige Freiheiten absprach, weil diese ohnehin dazu neigen würden, diese zu mißbrauchen.

Peretz ist also, wie ich geschrieben habe, über sich selbst erschrocken und hat das öffentlich gemacht. Das nenne ich Mut. Und die Sache ist eben darum bemerkenswert, weil er in der New Republic einen ultraloyalen Kurs gegenüber Israel fährt. Falkenhafter als Peretz geht’s einfach nicht. Allerdings auch schon früher oft in einem verachtungsvollen Ton, wenn es um Muslime und Araber geht. Darum hat zum Beispiel Paul Berman lange nicht für die New Republic schreiben wollen. Er sagte mir 2003 in New York, er finde Peretz‘ Ton unerträglich. Der schreibe über Araber nämlich oft, „als seien das keine Menschen wie wir“.

Das ist in der amerikanischen Linken – auch und gerade unter den Israelfreunden – seit langem ein Thema, und in dem von Broder  zitierten (aber offenbar nicht ganz gelesenen) Wikipedia-Artikel sind denn auch mehrere Dokumentationen der ziemlich fiesen Peretz’schen Äußerungen verlinkt.

Mich in die Nähe von Stephen Walt zu rücken, weil ich Peretz‘ Erschrecken über sich selbst in der aktuellen Debatte bemerkenswert finde, ist dann schon, lieber Henryk Broder, ein ziemlich durchsichtiges Manöver: Ich soll damit in eine antiisraelische, ach was, antisemitische Ecke befördert werden. Das Stichwort der „Protokolle von Zion“ fehlt natürlich nicht. Und es wird unterstellt, ich wolle, dass „Juden sich bei Deutschen“ entschuldigen. Dazu sage ich mal nix. Zu blöd. Nachdem letztens Merkel gar mit der Reichsschriftumskammer in Verbindung gebracht wurde…

Warum nun überhaupt diese Würde eines doppelten Posts: Kann es sein, dass da ein ganz kleines Erschrecken unseres – früher jedenfalls – besten Polemikers und Satirikers über seinen eigenen Werdegang in den letzten Jahren als „Islamkritiker“ zugrundeliegt? Jedenfalls würde ich es verstehen, wenn Henryk Broder sich manchmal über die Fans aus der selbstgerechten (angemaßten) Mitte der Gesellschaft erschreckte, die ihn als Moslembasher bejubeln, der er eigentlich gar nicht ist. Er ist eigentlich zu klug um nicht zu fühlen, dass einige von denen sich die Moslems nicht zuletzt deshalb vornehmen, weil das nun mal heute die legitime Wut-Zielgruppe ist, an der sich der deutsche Bürger abarbeiten darf. Mit den Juden geht das aus verständlichen historischen Gründen nicht mehr so einfach hierzulande. Und natürlich: Was ist schöner, als wenn den Deutschen ein Jude erlaubt, auf die Moslems herabzuschauen. Bingo, das ist der totale Persilschein.

Seit Jahren gibt Henryk Broder, der früher einmal zu Recht berühmt dafür war, dem deutschen Mainstream seine Verlogenheiten vorzuhalten, nur noch dem Affen Zucker. Es ist sicher schön, zur Abwechslung endlich einmal mit der gefühlten Mehrheit gegen eine Minderheit zu stehen. Aber Broder müsste das irgendwann verdächtig werden – so wie Martin Peretz, der sich öffentlich vor der Enthemmung des amerikanischen Diskurses gruselt.

Deutsche, kapituliert nicht vor dem Islam – Broders Botschaft trifft heute auf einen Wunsch nach nationaler Enthemmung, den er früher gnadenlos kritisiert und entlarvt hätte – so wie die früheren Appelle, die Deutschen sollten nicht vor jenen kapitulieren, die sie immer noch unters Joch der Schuld zwängen wollen.

Es ist mir absolut unerfindlich, warum Henryk Broder heute dabei mitmacht.

Immerhin, so lese ich seine beiden Kommentare zu Martin Peretz: Etwas arbeitet in ihm. Anders gesagt: Etwas brodert in ihm.

(Das musste dann doch sein. Tit for tat.)

 

Wird Amerika islamfeindlich?

Ich habe zusammen mit unserem Washington-Korrespundenten Martin Klingst eine Seite 3 über den New Yorker Moscheenstreit zu 9/11 geschrieben. Der Text aus der aktuellen Ausgabe der Zeit ist jetzt auch online zu lesen:

Kulturkampf um Moscheebauten – das war bisher eine europäische Eigenheit, auf die Amerikaner irritiert schauten. Doch jetzt, beinahe ein Jahrzehnt nach den Anschlägen, scheint plötzlich nichts mehr gewiss in Amerikas Beziehung zu den Muslimen im eigenen Land.

Im Verhältnis des Westens zum Islam gibt es ein transatlantisches Paradox: Europa mag in der islamischen Welt beliebter sein als Amerika. Doch bei der Integration seiner Muslime hat es viel größere Probleme als die USA. Amerika hingegen, durch zwei blutige Kriege in der islamischen Welt außenpolitisch diskreditiert, reüssierte dennoch bei der Integration islamischer Einwanderer. Man kämpfte zwar gegen militante Islamisten in Übersee, doch zu Hause schaute man streng auf die Trennung zwischen Islam und Islamismus. George W. Bush hatte nach dem 11. September 2001 nichts Eiligeres zu tun, als eine Moschee aufzusuchen und zu erklären, der Islam sei »eine Religion des Friedens«. Die Republikanische Partei achtete, solange sie regierte, auf die Differenz von Religion und terroristischer Ideologie. Vorbei. Im Moscheestreit von Manhattan werden die Grenzen verwischt. Mit voller Absicht…

Mehr hier.

 

Wie sagt man Nein zu Obama?

Im folgenden das Manuskript eines Vortrags, den ich so in St. Louis, Denver und Dallas gehalten habe:

One major achievement of George W. Bush that cannot be disputed: He has certainly created a renewed interest in the transatlantic relationship.

How did he do it? By bringing it down to the lowest levels since the end of the Cold War.

Just think of the crowds at Obama’s rallye in Berlin this July! 200.000 people turned up for a campaign event around the Siegessäule in the Tiergarten.

200.000 people, that is, 99 % of which would not have a voice in the election that the speaker was running in! That’s an astounding number.

Now Obama is a gifted speaker, for sure. But without George Bush, he could have never drawn such a crowd.

Why were Germans going crazy about the American election? The Bush government hat taught them the hard way that the transatlantic relations mattered.

The Bush era has left the Europeans with the feeling that they are affected by american policy making in an ever deeper way, while they have never felt so disregarded by an American president ever before.

To quote a famous Bostonian saying: It is a case of „taxation without representation“.

Let me quote a recent survey by the German Marshall Fund of the United States, conducted in the US and 12 European countries. Conducted, I should add, before the financial mess was full blown! So you may add some to the already astonishing numbers! Weiter„Wie sagt man Nein zu Obama?“

 

Meine Wette: Mit diesen Sätzen steht der nächste US-Präsident fest

Hiermit behaupte ich, dass der kommende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Obama heissen wird. Und der Grund dafür liegt in den folgenden Sätzen seiner fabelhaften Rede über die Rassenbeziehungen in den USA:

But the anger (die Wut der Schwarzen, JL) is real; it is powerful; and to simply wish it away, to condemn it without understanding its roots, only serves to widen the chasm of misunderstanding that exists between the races.

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In fact, a similar anger exists within segments of the white community. Most working- and middle-class white Americans don’t feel that they have been particularly privileged by their race. Their experience is the immigrant experience – as far as they’re concerned, no one’s handed them anything, they’ve built it from scratch. They’ve worked hard all their lives, many times only to see their jobs shipped overseas or their pension dumped after a lifetime of labor. They are anxious about their futures, and feel their dreams slipping away; in an era of stagnant wages and global competition, opportunity comes to be seen as a zero sum game, in which your dreams come at my expense. So when they are told to bus their children to a school across town; when they hear that an African American is getting an advantage in landing a good job or a spot in a good college because of an injustice that they themselves never committed; when they’re told that their fears about crime in urban neighborhoods are somehow prejudiced, resentment builds over time.

Like the anger within the black community, these resentments aren’t always expressed in polite company. But they have helped shape the political landscape for at least a generation. Anger over welfare and affirmative action helped forge the Reagan Coalition. Politicians routinely exploited fears of crime for their own electoral ends. Talk show hosts and conservative commentators built entire careers unmasking bogus claims of racism while dismissing legitimate discussions of racial injustice and inequality as mere political correctness or reverse racism.

Just as black anger often proved counterproductive, so have these white resentments distracted attention from the real culprits of the middle class squeeze – a corporate culture rife with inside dealing, questionable accounting practices, and short-term greed; a Washington dominated by lobbyists and special interests; economic policies that favor the few over the many. And yet, to wish away the resentments of white Americans, to label them as misguided or even racist, without recognizing they are grounded in legitimate concerns – this too widens the racial divide, and blocks the path to understanding.
This is where we are right now. It’s a racial stalemate we’ve been stuck in for years. Contrary to the claims of some of my critics, black and white, I have never been so naïve as to believe that we can get beyond our racial divisions in a single election cycle, or with a single candidacy – particularly a candidacy as imperfect as my own.

But I have asserted a firm conviction – a conviction rooted in my faith in God and my faith in the American people – that working together we can move beyond some of our old racial wounds…

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