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Barak sollte zurücktreten

Tobias Kaufmann ist im Kölner Stadt-Anzeiger der Meinung, der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak müsse wegen der Kommandoaktion zurücktreten – und zwar auch dann, wenn die selbst ernannten Friedensaktivisten vor allem vorhatten, Israel zu provozieren. Ich stimme zu:

„Die israelischen Vorwürfe mögen sogar stimmen. Zypern hatte den Schiffen nicht umsonst das Einlaufen in seine Gewässer untersagt. Und spätestens die Weigerung der Aktivisten, auf die symbolträchtige Überfahrt ins blockierte Gaza zu verzichten und die Ladung der Schiffe statt dessen im israelischen Hafen Ashdod begutachten, ausladen und erst von dort in den Gazastreifen fahren zu lassen zeigte, dass Hilfe für notleidende Menschen frühestens auf dem zweiten Platz der Agenda der Aktion stand. Das erste Ziel war, Israel zu provozieren.

Aber all dies sind bestenfalls Indizien dafür, dass Israel mildernde Umstände geltend machen könnte – die Schuld an der Tragödie auf See kann Israels Regierung nicht abstreifen. Mehr noch: Gerade weil man wusste, wer oder was da auf die Küste zukommt, hätte Israels Marine die Schiffe niemals erstürmen dürfen. Nicht in internationalen Gewässern und nicht mit dem hohen Risiko, dass dabei Schüsse fallen und Menschen getötet werden können. Es ist etwas anderes, wenn Israel Schiffe aufbringt, die voller Waffen sind oder Komponenten des iranischen Atomprogramms transportieren.

Solche Aktionen mögen völkerrechtlich fragwürdig sein, sie sind aber aufgrund der israelischen Sicherheitslage nachzuvollziehen. Die Kommando-Aktion vom Montagmorgen aber ist nicht nachvollziehbar. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak ist nicht mehr zu halten.“

 

Israels Friedens-Flotillen-Desaster

Ich könnte es nicht besser beschreiben als Gideon Lévy in Ha’aretz. In den letzen Tagen hat die israelische Propaganda in erfrischendem Zynismus kundgetan, was sie von den Menschen in Gaza hält. Es wurden Broschüren verteilt, in denen die exzellenten Menus von Restaurants in Gaza aufgezählt wurden – „besonders zu empfehlen: Boeuf Stroganoff“. Die vermeintlich israelfreundlichen Blogger hierzulande reproduzierten diesen fiesen Mist auch noch und suggerierten, es geben überhaupt keine humanitäre Krise in Gaza. Ein Israel, das auf dieses Niveau herabsteigt, ist eine Schande (gerade im Licht der zionistischen Ideale).

Und nun auch noch eine Schießerei mit mindestens 10 Toten in internationalen Gewässern! Israel ist dabei, sich moralisch zu diskreditieren, selbst bei denen, die für sein Recht auf Selbstverteidigung eintreten.

Gideon Lévy schreibt:

„The chorus has been singing songs of falsehood and lies. We are all in the chorus saying there is no humanitarian crisis in Gaza. We are all part of the chorus claiming the occupation of Gaza has ended, and that the flotilla is a violent attack on Israeli sovereignty – the cement is for building bunkers and the convoy is being funded by the Turkish Muslim Brotherhood. The Israeli siege of Gaza will topple Hamas and free Gilad Shalit. Foreign Ministry spokesman Yossi Levy, one of the most ridiculous of the propagandists, outdid himself when he unblinkingly proclaimed that the aid convoy headed toward Gaza was a violation of international law. Right. Exactly.

It’s not the siege that is illegal, but rather the flotilla. It wasn’t enough to distribute menus from Gaza restaurants through the Prime Minister’s Office, (including the highly recommended beef Stroganoff and cream of spinach soup ) and flaunt the quantities of fuel that the Israeli army spokesman says Israel is shipping in. The propaganda operation has tried to sell us and the world the idea that the occupation of Gaza is over, but in any case, Israel has legal authority to bar humanitarian aid. All one pack of lies.

Only one voice spoiled the illusory celebration a little: an Amnesty International report on the situation in Gaza. Four out of five Gaza residents need humanitarian assistance. Hundreds are waiting to the point of embarrassment to be allowed out for medical treatment, and 28 already have died. This is despite all the Israeli army spokesman’s briefings on the absence of a siege and the presence of assistance, but who cares?

And the preparations for the operation are also reminiscent of a particularly amusing farce: the feverish debate among the septet of ministers; the deployment of the Masada unit, the prison service’s commando unit that specializes in penetrating prison cells; naval commando fighters with backup from the special police anti-terror unit and the army’s Oketz canine unit; a special detention facility set up at the Ashdod port; and the electronic shield that was supposed to block broadcast of the ship’s capture and the detention of those on board.

And all of this in the face of what? A few hundred international activists, mostly people of conscience whose reputation Israeli propaganda has sought to besmirch. They are really mostly people who care, which is their right and obligation, even if the siege doesn’t concern us at all. Yes, this flotilla is indeed a political provocation, and what is protest action if not political provocation?

Again we will be portrayed not only as the ones that have blocked assistance, but also as fools who do everything to even further undermine our own standing. If that was one of the goals of the peace flotilla’s organizers, they won big yesterday.“


 

In der Piratengrotte – Angela Merkel am Golf

Angela Merkel steht am Montagabend dieser Woche unter einer Golddecke mit prächtigem Kandelaber in einem Saal des Emirates Palace in Abu Dhabi. Das wahrscheinlich protzigste Hotel der Welt und die manchmal bis zur Schnoddrigkeit nüchternste Regierungschefin der Welt bilden einen schönenn Kontrast. Im taubenblauen Blazer mit wüstensandfarbener Hose hebt sie sich auch dezent vom Weiß der traditionellen Dishdasha des Kronprinzen der Emirate ab, Scheich Mohammed bin Zayed al Nahyan. Die beiden scherzen im Hintergrund, während am Tisch vor den beiden ein Abkommen nach dem anderen unterzeichnet wird. Immer wieder aufs Neue treten je ein deutscher Wirtschaftsführer und ein Scheich in Dishdasha mit beduinischem Kopftuch an den Tisch, öffnen die Ledermappen mit den Verträgen und paraphieren. Chemieanlagen, Renommierbauten, Kompressortechnik – was die deutsche Wirtschaft eben zu bieten hat, geht hier über den Tisch.
Eine tolle Inszenierung, die den Hauptsinn dieser Reise unterstreichen soll: die deutsche Wirtschaft am Golf zu fördern und Deutschland mit den moderaten arabischen Ländern enger zu verknüpfen. Doch: Die Reise hat eben erst begonnen, da ist sie auch schon angeknockt.
Denn während Angela Merkel noch mit dem Scheich schäkert, wartet der Parteifreund Koch aus Hessen bereits auf einen Rückruf. Sie mag zunächst gedacht haben, er wolle ihr vielleicht neue Debattenbeiträge zur Spar-Debatte ankündigen. Als Roland Koch ihr aber noch an diesem Montagabend mitteilt, von allen politischen Ämtern zurücktreten zu wollen, wird Angela Merkel schlagartig klar geworden sein:  Sie ist als Kanzlerin in Tegel gestartet, aber als Parteivorsitzende in Abu Dhabi gelandet.
Am nächsten Tag werden es alle wissen. Merkel hatte angekündigt, es werde eine „politische Reise“ werden. Es sollte um den Nahostkonflikt und um das iranische Atomprogramm gehen. Und natürlich würden Fragen über die Stabilität des Euros aufkommen, in den viele Scheichs und Prinzen einen großen Teil ihrer Dirhams und Rials angelegt haben. Jetzt aber ist es eine innenpolitische Reise geworden.
Die Kanzlerin darf sich das aber erst einmal nicht anmerken lassen. Noch ist Koch nicht vor die Kameras getreten. Und so verbringt sie mehr als einen halben Tag damit, tapfer Renommierprojekte zu besuchen – die Ökostadt Masdar bei Abu Dhabi etwa, und dann eine hochmoderne Gastankstelle des deutschen Mittelständlers Bauer Group. Dort nimmt sie am Ende gar die Zapfpistole selbst in die Hand und betankt einen Mercedes. Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt beginnen 2800 Kilometer entfernt erste Gerüchte über Koch zu zirkulieren.
Soll sie das etwa hier, unter Palmen, kommentieren? Sie will nicht vor die Kameras. Das wäre zu viel der Ehre für Koch, und ein Affront für die Gastgeber.
Im Flugzeug zwischen Abu Dhabi und Dschidda, hoch über den Wüsten Arabiens, wirkt sie gefaßt. Sie bedauere den Rückzug von Roland Koch aus der Politik, sagt sie. Aber sie habe auch Respekt davor. Und sie spricht sogar von freundschaftlichen Ratschlägen, die sie vermissen werde. Koch war ein klarer, rationaler Wettbewerber, der irgendwann eingesehen hatte, dass er an Merkel nicht vorbeikam. Die Parteivorsitzende Merkel scheint den Konservativen, der sie oft nervte, schon ein wenig zu vermissen. Das Kräftefeld, in dem sie agiert, ist jetzt noch ein wenig unberechenbarer geworden.
Aber erst einmal muss sie jetzt glücklicherweise zu einem weiteren Prestigeprojekt – zur neuen Universität KAUST bei Dschidda am Roten Meer.
Der saudische König Abdullah wollte unbedingt, dass Angela Merkel sein Renommierprojekt besucht, die KAUST (King Abdullah University for Science and Technology), eine Autostunde nördlich von Dschidda, direkt am Ufer des Roten Meeres gelegen.
Der saudische König lässt hier internationale Koryphäen forschen, und zwar – revolutionärer Schritt – Männer und Frauen zusammen. Er wollte unbedingt, dass die Physikerin Merkel sich das ansieht und es mit ihrer Anwesenheit adelt. Die Konservativen im Land rebellieren dagegen und schäumen vor Wut. Die Königliche Univerität mit ihrem noblen Hochsicherheitscampus, sagt Merkel, steht pars pro toto für das Modernisierungsprojekt des Königs. Der König, das weiß sie, ist sehr geschickt und vorsichtig darin, die Gegner seines Kurses nicht zu unterschätzen. Er weiß, dass er mit ihnen arbeiten muss und allzu schnelle Schritte den ganzen Öffnunsgprozeß gefärden könnten. Später wird sie mit ihm zu Abend essen. Man darf wetten, dass die beiden skeptischen Modernisierer sich dieser Tage etwas zu erzählen haben.

Beim Essen fragt der König, erzählt sie später, wieviel nach ihrer Schätzung die Erschließung eines Bohrloches koste. Die Antwort: 2 Milliarden Dollar. Merkel lag, sagt sie „um eine Größenordnung daneben“. Der König wollte damit auf die steigenden Kosten des Ölreichtums hinaus – und auf dessen Endlichkeit.

Die 13 Millarden Dollar teure Neugründung ist das Lieblingskind des Herrschers. Auf dem Campus dürfen erstmals im Königreich Männer und Frauen zusammen studieren. Die Rekrutierer des Königs waren in den letzten Jahren an allen Eliteuniversitäten weltweit unterwegs, um Spitzenwissenschaftler hierher zu locken. Meeresbiologen, Geowissenschaftler, Genetiker, Chemiker und Physiker sollen hier Grundlagenforschung in bestausgestatteten Laboren betreiben.
Seit dem letzten Herbst sind nun die ersten Professoren am Werk. Die Studenten haben viele von ihnen gleich mitgebracht. Die größte Zahl von Studenten kommt aus China, an zweiter Stelle sind Südamerikaner, der Uni-Präsident Choo Fong Shih ist Chinese. Die Akademiker – es sind erst ein paar Hundert auf einem Campus, der locker Zehntausend beherbergen kann, können hier in eingespielten Teams zu optimalen Bedingungen arbeiten. Der Meeresbiologe Christian Voolstra kam aus Berkeley an die KAUST und spricht begeistert von der Möglichkeit, im Roten Meer zu forschen. Er arbeitet an der Sequenzierung von Korallengenomen. Alice Gabriel, eine junge Deutsche aus Dresden, kam über ihr Studium der Geowissenschaften an der ETH Zürich nach Saudi-Arabien. Der Erdbebenforscherin, die erst seit zwei Monaten übergesiedelt ist, merkt man noch die Verwunderung über die fremde Umgebung an. Man lebt in der abgeschlossenen Welt der KAUST fast wie daheim. Es gibt Cafés, die Frauen tragen ihr Haar offen und zeigen Haut. Auch ein Kino ist vorhanden, das einzige überhaupt in Saudiarabien. Frauen dürfen auf dem Campus Auto fahren.

Aber jenseits des wohl bewachten Geländes beginnt eine andere Welt, in der das immer noch nicht möglich ist. Alice und ihre Studienkollegen nehmen den Shuttlebus nach Dschidda, wenn sie einkaufen gehen wollen. Doch in den Malls gibt es in Bekleidungsgeschäften keine Umkleiden für Frauen. Man muss also die Kleidung zuhause anprobieren und gegebenenfalls zurückbringen.
Das sind noch die kleinsten Irritationen in der hermetischen Welt Saudiarabiens. Die meisten der Forscher und Studenten, die bisher an der KAUST tätig sind, haben sich damit abgefunden, dass ihre guten Arbeitsbedingungen um den Preis eines normalen westlichen Lebens erkauft sind.

Für den König ist das Experiment KAUST von enormer Bedeutung. Es geht hier darum, ob der Geist wissenschaftlicher Forschung auf dem widrigen Boden der arabischen Halbinsel verankert werden kann. Werden die Familien der Elite, die ihre Kinder heute noch nach Cambridge, Oxford, Harvard oder an die LSE schicken, eines Tages die KAUST wählen? Wird es einen Platz in der saudiarabischen Gesellschaft geben für die selbstbewußten jungen Männer – und vor allem für die jungen Frauen –, die hier lernen sollen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen? Das ist alles andere als gewiß, auch wenn es zarte Ansätze gibt, wie Merkel später beim Besuch der Handelskammer von Dschidda erfahren wird.

Zur KAUST sollte sie zunächst überhaupt keine Journalisten mitbringen dürfen. Nach langem Bohren der deutschen Seite wurde dann fünf (ausgelosten) Teilnehmern der Delegation doch ermöglicht, mitzukommen. Allerdings unter der Bedingung, dass keine Bilder entstehen. Der Hintergrund: Man fürchtet, dass Bilder von der Koedukation über ausländische Medien in die saudische Gesellschaft zurückfließen und zum Futter für die radikalen Feinde der Öffnungspolitik des Königs würden. Man will an der KAUST erst einmal unterhalb der Wahrnehmungsschwelle aufbauen und dann mit ersten Ergebnissen den Schritt in die Öffentlichkeit wagen.

Angela Merkel unterstützt dieses Projekt mit ihren Besuch, aber sie lässt sich nicht vereinnahmen. Sie stellt den Studierenden freundlich-skeptische Fragen über ihre Rekrutierung, über ihr Alltagsleben, über ihre Motive. Eine promovierte Physikerin präsentieren zu können, die es zur Bundeskanzlerin gebracht hat, ist für Choo Fong Shih eine tolle Motivationshilfe in diesem Teil der Welt, in dem die Ausbildung von Frauen als Forscherinnen immer noch wie ein verrücktes kulturrevolutionäres Experiment wirkt.
Und es ist ja auch verrückt: Eine schariafreie Zone, mitten in einem Land, in dem Frauen keinen Führerschein erwerben können. Ob an der KAUST die saudische Zukunft entsteht – oder ob sie am Ende die teuerste Sandburg der Welt sein wird, wenn die Feinde der Modernisierung gewinnen sollten, wird sich weisen müssen. Der König ist kein Feminist. Er hat nur verstanden, dass die Uhr läuft. Die Tage nach dem Öl werden kommen. Und ein Land, dass keinen Anteil an der weltweiten Wissensgesellschaft hat, ist dann zum Abstieg verdammt.
Am kommenden Morgen trifft Angela Merkel im Glaspalast der Handelskammer von Dschidda eine Gruppe von Unternehmerinnen. Während die mitreisenden Herren (Deutschland hat keine Managerin von bedeutung aufzubieten – ein Delegationsmitglied scherzt: „Ohne die Kanzlerin könnten unsere Delegation auch saudisch sein…“) von Siemens, EADS, Bahn und Co die Gelegenheit nutzen, Geschäftskontakte aufzufrischen, zieht sich die Kanzlerin mit 11 saudischen Business-Ladies in ein Hinterzimmer zurück. Der Handelsminister Saleh Abdulaah Kamel ist ganz hin- und hergerissen. Einerseits will er gerne zeigen, dass sein Land gar  nicht so rückständig und frauenfeindlich ist wie immer behauptet. Andererseits macht ihn offenbar die Vorstellung nervös, die Damen einfach so mit der Kanzlerin alleine zu lassen: „Glauben Sie bloss nicht alles, was die Ihnen sagen!“ ruft er Merkel nur halb im Scherz hinterher. Es sind Medzinerinnen, Bankerinnen und Medienunternehmerinnen dabei. Aus Teilnehmerkreisen kann man nachher erfahren, dass die Frauen Merkel über ihre Erfahrungen ausquetschen und sie sich gar nicht einkriegen können darüber, welchen Mut ihr Beispiel ihnen mache. Einfach schon als lebender Beweis dafür, dass  so etwas möglich ist, wird Merkel hier für die Frauen eine Sensation– eine Kanzlerin, deren innerparteiliche Gegner als politische Leichen ihren Weg säumen (nun auch Roland Koch unter ihnen), und die wehenden Haars mit einer Delegation durch Dschidda reist, in der keine einzige Frau ein Kopftuch trägt, ja nicht einmal eine der schwarzen Abbayas, die sonst Pflicht sind.
In Saudiarabien ist die Wirtschaft derzeit der wichtigste Motor für Emanzipation. Weil es keine Zivilgesellschaft mit NGOs gibt, findet der Wandel unter dem Dach der Handelskammern statt. Hier können Frauen mit Einfluß sich zusammenschließen, ohne dass die Religionspolizei sofort dazwischen geht. In vielen Familien der Elite sind die Mädchen gut ausgebildet worden. Sie haben Uniabschlüsse erworben und konnten Talente zeigen, die man ihnen nicht zugetraut hatte. Nun sehen viele Eltern es nicht ein, dass dieses Investment in ihre Kinder einfach für die Katz gewesen sein soll. Und so kommt es immer häufiger vor, dass die Mädchen die Familienfirmen weiterführen oder mindestens dabei mitmachen. Diese Form der Emanzipation, erfuhr Merkel, sei erfolgreicher als der direkte Kampf für Frauenrechte sein könnte – er führt direkt zur Partizipation an der gesellschaftlichen Macht. Merkel erzählt den Frauen von den verschiedenen Stufen der Emanzipation in Deutschland – von Alice Schwarzer und ihren notwendigen Provokationen bis zu ihrer eigenen Laufbahn, die von den erkämpften Freiheiten bereits profitieren konnte.
Angela Merkel wird von den Frauen auch auf die Minarettdebatte in Europa angesprochen. Offenbar war der Eindruck entstanden, in Europa mache sich Islamfeindlichkeit breit. Merkel konterte, in Deutschland werde es kein Minarettverbot geben. Dass man allerdings über eine neuerdings sichtbar werdende neue Religion debattiere, sei legitim. Ob es nicht auch eine Debatte geben würde, wenn in Dschidda Kirchen gebaut würden?
Zur Unterstützung der Frauen möchte Merkel gerne den Austausch mit Deutschland intensivieren, vielleicht eine Gruppe in den Bundestag einladen, Studienmöglichkeiten in Deutschland erleichtern, Wirtschaftskontakte fördern.
Im ultrareichen Emirat Katar, das gesellschaftlich schon sehr viel weiter modernisiert ist – Sitz des Senders Al-Jazeera und des World Economic Forum -, fällt Merkel eine andere Rolle zu. Hier ist sie nicht die Repräsentantin der europäischen Moderne, sondern der europäischen Misere. „Was unsere Schulden sind, ihr ihr Guthaben“, sagt sie in einer Rede unter großem Gelächter. Doch die Lage ist bitter ernst. Die Eurokrise wird in Doha mit Argusaugen beobachtet. Wegen der bereits getätigten Inverstments – und wegen weiterer Chancen, die sich vielleicht noch aus der Krise ergeben. Der Ministerpräsident des Landes, Scheich Hamad bin Jasim Al Thani, empfängt Merkel mit militärischen Ehren im Emiri Diwan, dem Staatspalast. Der Palast ist von geschmackvollem, aber dennoch erdrückendem Prunk,  eine riesige Sahnetorte mit goldenen Ornamenten.  Während er Pressekonferenz wird der Scheich gefragt, ob Katar sich weiter in Europa zu engagieren gedenkt. Er sagt: „Wie Sie wissen, haben wir soeben Harrods gekauft…“ Dabei schmunzelt er genießerisch in Gedanken an die 1,7 Milliarden Euro, die das Emirat mal eben für das Londoner Luxuskaufhaus berappt hat. Man prüfe weitere Investments.

Die Kanzlerin ist beeindruckt davon, wie Deutschland – und damit sie –  in den Emiraten, besonders aber im finanzstarken Katar, permanent gemustert und  gerated wird. Kühl kalkulieren die Scheichs alle Faktoren durch – die Demografie, die wirtschaftliche Struktur, die politische Stabiltät, die Gesundheit des Bankensystems. Das ist eine wichtige Funktion ihres Besuchs am Golf: Das Vertrauen in Deutschland und den Euro zu stärken. Und so spricht sie leider hier offensiver über die Vorteile des Euro für Deutschland, als sie das in Deutschland tut. Das ist die neue Welt: Die deutsche Bundeskanzlerin muss einen guten Eindruck machen bei den Herren Scheichs, deren Kriegskassen gut gefüllt sind. Der Scheich hat 2009 als Aufsichtsratsvorsitzender der Qatar Holding schon 10 Prozent von Porsche gekauft. Wer ihn an  hat lächeln sehen weiß, dass das erst der Anfang war.

Lange sitzt Merkel später am Abend noch in der Pirate’s Cove (Piratengrotte – irgendwie passend!) des Sheraton in Doha und plaudert mit deutschen Wirtschaftsführern über die Begegnungen am Golf. Der Abend ist mild, vom Persischen Golf  weht ein Lüftchen. Jetzt kommen Sparklausuren und Verteilungsdebatten auf die zu, so hart wie lange nicht mehr. Es könnte für lange Zeit der letzte schöne Abend gewesen sein für die Kanzlerin.

 

Warum muslimische Gebetsräume nicht in unsere Schulen gehören

Mitblogger NKB hat zu dem Berliner Urteil über Gebetsräume an Schulen folgenden Kommentar in einem anderen Thread hinterlassen. Er ist es wert, gesondert debattiert zu werden:

@ cwspeer: „Das Problem mit den radikalen Liberalen ist, dass sie blind für die eigenen Aporien sind. Die verbieten notfalls auch Schulkindern das Beten während der Pause. (Heute in Berlin beschlossen). Und zwar im Namen der Freiheit. Hallo! Im Namen der Freiheit von allem, was nicht in Ihr Schema passt, oder wie???“

Wie zu befürchten war, haben Sie nicht verstanden, worum es bei diesem Urteil ging. Es ist deshalb wenig überraschend, dass Sie die Entscheidung darauf reduzieren wollen, „Schulkindern das Beten während der Pause[n] zu verbieten“ – was natürlich ganz arg gemein ist…

Hier zu den Tatsachen: Yunus M. klagte in erster Instanz vor dem VG Berlin auf das Recht, während der Pausen ein rituelles (!) islamisches Gebet abhalten zu dürfen. Es war für den jungen Mann also nicht damit getan, während der Pausen still zu Gott zu sprechen; er musste das vielmehr in recht auffälliger und öffentlichkeitswirksamer Weise tun, mitunter auch mit anderen gemeinschaftlich. Die Schulverwaltung lehnte das ab. Also kam es zum Prozess. Das VG Berlin verkannte die Tragweite seiner Entscheidung und bejahte deshalb erstinstanzlich, dass Yunus M. das Recht zustehe, während der Pausen ein rituelles Gebet abzuhalten, soweit er das für sich nur für religiös verbindlich halte. Die Schulleitung war infolgedessen genötigt, ihm einen eigenen Raum zur Verfügung zu stellen, damit Yunus M. beim Beten erstens anderen nicht den Weg versperrte und zweitens – und wesentlich wichtiger – andere Schüler nicht mit der Zurschaustellung seiner Religion behelligte.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat diese grundlegend falsche Entscheidung des VG Berlin nun korrigiert – und zwar unter anderem deshalb, weil die bisherige Praxis u.a. erheblich gegen die (negative) Religionsfreiheit verstieß.

Yunus M. hat zunächst einmal deshalb kein Recht, in der Schule öffentlich vor Mitschülern zu beten, weil er diese dabei offensiv mit seinem eigenen Glauben konfrontiert – zudem, ohne dass die Mitschüler ausweichen können. Der Staat ist indes zu unbedingter religiöser Neutralität verpflichtet. Wenn er Kinder schon zwingt, sich für eine bestimmte Zeit jeden Tag in einem bestimmten Gebäude oder auf dem angrenzenden Gelände aufzuhalten, kann er deshalb nicht zulassen, dass sie dort mit einer bestimmten religiösen Betätigung belästigt, mithin auch zu Gunsten einer bestimmten Religion missioniert werden.

Die „Lösung“ mit dem sog. Gebetsraum war aber noch schlimmer: Sie begründete zunächst einmal Sonderrecht für Yunus M. Wären darüber hinaus andere Gläubige mit dem Wunsch an die Schule herangetreten, gleichfalls während der Pausen ein Gebet abzuhalten, hätte die Schule – wohl oder übel – auch diesen Schülern einen eigenen „Gebetsraum“ zur Verfügung stellen müssen. Die Religionsfreiheit wäre also zu einem allgemeinen „Leistungsrecht“ geworden, das den Schulbetrieb im ungünstigsten Fall lahmlegen könnte.

Eine solche Praxis, beschränkt nur auf anerkannte Religionen, wäre indes gegenüber Atheisten diskriminierend gewesen: Wenn Yunus M. und anderen (anerkannten) Theisten ein Gebetsraum zusteht, warum sollte dann ein „Atheist“ z.B. nicht das Recht haben, einen eigenen Raum für irgendeine Betätigung zu verlangen, soweit er nur behauptet, das gebiete ihm sein Glauben? Um eine Diskriminierung zu vermeiden, wäre es somit notwendig gewesen, auch auf die (mehr oder minder religiös begründeten) Forderungen dieser „Atheisten“ einzugehen – so absurd sie auch sein mögen.

Es ist im Übrigen auch eine geradezu groteske Fehlvorstellung, dass es hierbei nur ums „friedliche Beten“ gegangen wäre, das keinen anderen störe und auch nichts von anderen wolle. An einer anderen Schule hatte die Einrichtung eines solchen Gebetsraumes z.B. kurz zuvor dazu geführt, dass Schüler an den Eingängen zu dem Raum „Wachen“ aufstellten, um zu verhindern, dass „Ungläubige“ während des Gebetes eindrangen und dadurch störten. Andersgläubige Schüler waren darüber verständlicherweise entsetzt und fühlten sich eingeschüchtert.

Religionen sind – auch wenn Sie das wahrscheinlich nicht wahrhaben wollen – immanent darauf gerichtet, andere auszugrenzen und anzufeinden. Das zeigt auch dieses Beispiel. Es geht vor allem aber auch darum, Macht auszuüben und für jedermann verbindliche Normen zu setzen – häufig genug auch für diejenigen, die nicht an diese Religion glauben.

Das genannte Beispiel macht ferner deutlich, dass es geradezu utopisch ist zu glauben, dass Schüler unterschiedlicher Konfessionen einen „Raum der Stille“ oder Ähnliches ohne weiteres gemeinsam nutzen könnten. Auch die Schule von Yunus M. hat mit einem „inoffiziellen Gebetsraum“ bereits schlechte Erfahrungen gemacht, wie u.a. die Berliner Zeitung zu berichten weiß. Im entsprechenden Artikel, noch im Oktober 2009 geschrieben, heißt es u.a.:

„Hier geht der 16-jährige Yunus M. zur Schule, der vor Gericht geklagt hatte. Hier hatte ihm Schulleiterin Brigitte Burchardt zunächst das Beten verboten. Vor ein paar Jahren hat es in der Schule schon mal einen inoffiziellen Gebetsraum gegeben. Das Projekt wurde schließlich durch eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen einzelnen Schülern beendet. Mädchen alevitischen Glaubens hatten den Raum genutzt, um ihr Gebet zu verrichten. Strenggläubige sunnitische Schüler waren damit nicht einverstanden, ihrer Ansicht nach war der Raum durch die Anwesenheit von Mädchen entweiht worden. Es kam zu einer Prügelei. Das war das Ende des inoffiziellen Gebetsraumes.“

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/140914/140915.php

Das Beispiel zeigt, dass das Ausleben von Religionen grundsätzlich nur unnötigen Konfliktstoff in die Schulen trägt, der dort nichts zu suchen hat und der dort sogar weitgehend vermieden werden kann! Im Übrigen scheint es mir wahrscheinlich, dass, gestattete man das Beten in den Schulen, Schüler, die einer religiösen Minderheit angehören, sich gedrängt fühlen könnten (oder gar offensiv gedrängt werden mögen), wenigstens partiell zum Glauben der Mehrheit zu konvertieren, soweit es an jener Schule nur klare religiöse Mehrheiten gibt (vgl. zu diesem Gedanken ebenfalls den verlinkten Artikel, Stichwort: “Schokoriegel” während des Ramadan.)

Grundsätzlich ist das Recht von Yunus M. während der Pausen zu beten mithin zwar von seiner positiven Religionsfreiheit umfasst, diese positive Religionsfreiheit muss aber aus den genannten Gründen hinter der negativen Religionsfreiheit der anderen Schüler sowie dem Ziel, einen reibungslosen Schulablauf zu gewährleisten, zurücktreten.

Weil das Bundesverfassungsgericht sich indes bis heute weigert, Art. 4 GG unter einen allgemeinen Schrankenvorbehalt zu stellen, musste das OVG Güter von Verfassungsrang finden, um eine Beschränkung zu rechtfertigen. Sowohl die negative Religionsfreiheit als auch der „Schulfriede“ haben glücklicherweise Verfassungsrang – letzterer, weil der Staat seinem Erziehungsauftrag sonst wohl nicht mehr nachkommen könnte (das leuchtet ein, stellt man sich nur vor, dass es wegen der unterschiedlichen Bekentnnisse regelmäßig zu Konflikten, gar Prügeleien kommen könnte oder aber eine Schule nahezu sämtliche Klassenräume zur Verfügung stellen müsste, um alle Wünsche der unterschiedlichen „Gläubigen“ zu befriedigen).

Im Grunde ist aber auch dieses Spiel mit den Verfassungsgütern absurd: Die allgemeinen Schulgesetze geben der Schulleitung und, von dieser ermächtigt, den Lehrern schließlich ein Recht, die Schulordnung durchzusetzen und pädagogische Maßnahmen zu ergreifen (siehe dazu z.B.: § 23 Abs. 2 i.V.m. § 38 Abs. 6 SchulG BW)

Wenn sich ein Schüler nun, ohne sich auf die Religion zu berufen, auf den Fluren oder in einem Klassenzimmer breitmachte und dabei die anderen Schüler störte, könnte ihm das deshalb ohne weiteres untersagt werden. Weil aber ein Schüler, wie hier Yunus M., sich auf die Religion beruft, soll für ihn plötzlich nicht mehr gelten, was für jedermann ganz selbstverständlich gilt? Das ist absurd.

Es wäre deshalb besser, das Bundesverfassungsgericht würde von seiner Irrlehre des vermeintlich vorbehaltlos gewährleisteten Art. 4 GG lassen und den allgemeinen Schrankenvorbehalt aus Art. 136 Abs. 1 WRV endlich anerkennen, der über Art. 140 ins Grundgesetz inkorporiert wurde. Aber das nur am Rande. Wie man sieht, lässt sich das Problem mit geschickter Argumentation schließlich auch anders lösen. Richtig ist das Urteil des OVG in jedem Fall. Mit einer „Aporie“ hat all das schon gar nichts zu tun.

Ein Wort noch zu Ihrem letzten Satz:

„Im Namen der Freiheit von allem, was nicht in ihr Schema passt oder wie???“

Sie haben recht, dass es nicht ins „Schema passt“ , dass ein Schüler in einer modernen, von verschiedenen Konfessionen geprägten und deshalb notwendigerweise von bestimmten Konflikten bedrohten Gesellschaft für sich das Recht reklamiert, seine Religion unter allen Umständen in der Schule, also im öffentlichen Raum, ausleben zu dürfen – auch und gerade vor den anderen oder zumindest so, dass sie davon Kenntnis nehmen müssen.

Wenn man jedem seine persönlichen Wünsche erfüllen wollte, könnte man ohnehin darauf verzichten, Gesetze zu erlassen. Man könnte ferner das hehre Anliegen sogleich in den Papierkorb treten, nicht zu diskriminieren – schon gar nicht aufgrund der Religionszugehörigkeit. Im Namen der „Freiheit“ ist es deshalb sehr wohl – und überdies einzig (!) – geboten, Schüler bei der Betätigung ihrer Religionsfreiheit grundsätzlich auf die schulfreie Zeit zu verweisen, soweit diese irgend nach außen wirkt.

Eines ist Ihnen daneben wohl auch gänzlich entgangen, wäre jedoch wichtig gewesen, wollte man den Fall richtig einordnet: Nach allem, was man zu dem Verfahren lesen konnte, ist es nämlich nicht so sehr der 16-jährige Yunus M., der um alles in der Welt während der Pause beten will. Der ihm zur Verfügung gestellte Gebetsraum ist in den vergangenen Monaten gar nicht so häufig genutzt worden; vielmehr betete Yunus M. dort nur sehr sporadisch.

Die wahre Triebkraft hinter dem Prozess dürfte vielmehr der Vater von Yunus M. sein, ein „strenggläubiger“ deutscher Konvertit. Es scheint mir keine Unterstellung zu sein, wenn man behauptet, dass es diesem Mann offenbar sehr wohl darum ging, nicht nur Grenzen auszutesten, sondern ein Zeichen zu setzen. Dass er dabei höchstwahrscheinlich seinen eigenen Sohn instrumentalisierte, um seine eigene wirre Ideologie öffentlich durchzusetzen – auch mittels einer medienwirksamen Klage vor dem VG –, kann ich zwar nicht mit abschließender Gewissheit beweisen, aber es scheint aufgrund der Umstände des Falles mehr als wahrscheinlich.

Für mich läuft das alles darum darauf hinaus, dass Sie es sich – wieder einmal – viel zu leicht gemacht haben und sich, geradezu trunken vor Selbstzufriedenheit, vermeintliche „Aporieen“ anderer entlarvt zu haben, der Überzeugung hingeben, moralisch überlegen zu sein, obgleich Sie es gewiss nicht sind. Schließlich hat in Ihren Augen wohl das große, böse deutsche Gericht entschieden, dem armen, entrechteten „Schulkind“ nicht zu gestatten, in der Schule zu beten, weil die Richter allesamt Angst vor den Religionen haben. Diese Angst ist in Wahrheit gänzlich unbegründet, gar phobisch; denn alle Religionen sind harmlos und friedlich – obgleich sie freilich mehr Menschen umgebracht haben als alle nicht-religiösen Ideologien.

Dass es hier in Wahrheit um etwas ganz anderes gehen dürfte, nämlich um den Versuch eines erwachsenen Mannes, mithilfe seines minderjährigen Sohnes die Neutralität des deutschen Staates in Frage zu stellen und die Schule zu einem Ort der Missionierung, vielleicht gar zu einem Ort der religiösen Unterdrückung zu machen, das hat sich Ihnen bei all dem schönen Pathos leider nicht erschlossen; die Gelegenheit, sich der eigenen moralischen Überlegenheit zu versichern, war einmal mehr viel zu verlockend, als dass es lohnend erschienen wäre, einen Versuch zu unternehmen, hinter die Kulissen zu blicken. Ist das nun also Ihre „Aporie“?

 

Mit Merkel in Katar und Bahrain

Das Museum für Islamische Kunst in Doha (Katar). Merkel hält hier heute eine Grundsatzrede.

Deckendetail in der großen Halle des Museums.

Die Kanzlerin redet über den Dialog  mit der islamischen Welt.

Hinterher: Zur Entspannung erst mal die SMS checken. Neues von Koch? Oder Köhler?

Kolonnenfahrt durch Bahrains Hauptstadt Manama.

Vorbei an Manamas großer Moschee (Grand Masjid) für 7.000 Beter.

 

Mit Merkel in Dschidda

An Stelle eines regelrechten Berichts (keine Zeit, keine Zeit) ein paar Fotos vom heutigen Tag aus Dschidda am Roten Meer:

Das Gästehaus des saudischen Königs, in dem die Bundeskanzlerin gestern empfangen wurde.

Na ja, das musste dann einfach dokumentiert werden. Schließlich kann man die Residenz nicht als Pauschalurlaub buchen.

Im Empfangssaal des königlichen Gästehauses.

Da hinten sitzt die Bundeskanzlerin mit ihrem außenpolitischen Berater Christoph Heusgen beim Frühstück.

Und in der Handelskammer von Dschidda checkt ein Scheich seinen Blackberry.

Ehrenspalier am VIP-Terminal in Dschidda.

Alle Fotos: Jörg Lau

 

Kamelfleisch in Abu Dhabi

Werte Mitblogger, eine Reise mit der Bundeskanzlerin durch die Golfstaaten hält mich vom regulären Posten ab. Es folgt ein Bericht, vielleicht auch Gelegenheitsnachrichten, falls logistisch möglich.

Heute Abend konnte ich in Abu Dhabi feststellen, dass Kamelfleisch wie eine etwas trockene Haxn schmeckt.

Bis bald…

 

Der libertäre Mob

Brillanter Artikel von Mark Lilla in der New York Review über die Tea-Party-Bewegung und ihre „politics of the libertarian mob“ – ein sehr amerikanisches Phänonem mit gewissen Anknüpfungspunkten für europäische Populisten (die freilich stärker auf den Wohlfahrtstaat bezogen sind). Auszug:

„Many Americans, a vocal and varied segment of the public at large, have now convinced themselves that educated elites—politicians, bureaucrats, reporters, but also doctors, scientists, even schoolteachers—are controlling our lives. And they want them to stop. They say they are tired of being told what counts as news or what they should think about global warming; tired of being told what their children should be taught, how much of their paychecks they get to keep, whether to insure themselves, which medicines they can have, where they can build their homes, which guns they can buy, when they have to wear seatbelts and helmets, whether they can talk on the phone while driving, which foods they can eat, how much soda they can drink…the list is long. But it is not a list of political grievances in the conventional sense.

Historically, populist movements use the rhetoric of class solidarity to seize political power so that “the people” can exercise it for their common benefit. American populist rhetoric does something altogether different today. It fires up emotions by appealing to individual opinion, individual autonomy, and individual choice, all in the service of neutralizing, not using, political power. It gives voice to those who feel they are being bullied, but this voice has only one, Garbo-like thing to say: I want to be left alone.

A new strain of populism is metastasizing before our eyes, nourished by the same libertarian impulses that have unsettled American society for half a century now. Anarchistic like the Sixties, selfish like the Eighties, contradicting neither, it is estranged, aimless, and as juvenile as our new century. It appeals to petulant individuals convinced that they can do everything themselves if they are only left alone, and that others are conspiring to keep them from doing just that. This is the one threat that will bring Americans into the streets.

Welcome to the politics of the libertarian mob…“

 

Eine Rabbinerin gegen das Burkaverbot

Rabbinerin Elisa Klapheck aus Frankfurt argumentiert ähnlich, wie ich es hier bereits mehrfach getan habe, zugleich gegen die Burka und das Burkaverbot. Sie  schreibt in der Jüdischen Allgemeinen von heute:

„Allerdings ist fraglich, ob die ohnehin wenigen Frauen mit Burka radikale Islamistinnen sind. Ihnen die Verschleierung zu verbieten, spielt letztlich nur ihren Ehemännern in die Hände. Diese können die Unterdrückung ihrer Frauen – nunmehr staatlich abgesegnet – sogar noch ausweiten. Denn das Verbot nimmt den Frauen das letzte bisschen Freiheit, auf die Straße zu gehen. Sie werden sich ganz gewiss nicht strafbar machen wollen, verfügen sie in ihren Lebenszusammenhängen doch nicht über die Freiheit, den Schleier aus eigener Entscheidung abzulegen.

In diesem Fall wird die Parallelgesellschaft nicht vom Islam, sondern vom belgischen Gesetzgeber selbst gefördert. Das kann für eine Demokratie, die von der Identifizierung ihrer Bürger mit dem Rechtsstaat lebt, nicht der Schritt in die richtige Richtung sein. Statt die Gräben zu vertiefen, sollte die Politik progressive muslimische Kräfte stärken. Damit diese in ihren eigenen Reihen überzeugend für das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung werben können. Diese Ordnung schließt allerdings das Recht ein, sich so zu kleiden, wie man es für richtig hält. Darauf wollen auch wir Juden nicht verzichten.“

 

Nazis machen mobil gegen „Islamisierung“

Heute war eine Postwurfsendung der NPD in meinem Briefkasten – eine 4 Seiten starke Zeitung.
Ich wohne in Charlottenburg in einer alten Reihenhaussiedlung. Kein klassisches Neonaziterrain. Die Zeitung setzt denn auch auf ein neues Thema: „Islamisierung“.
Das Titelfoto zeigt eine Frau mit Kopftuch. Ein dazu gehöriger Text versucht mit zweifelhaften Zahlen zu erweisen, dass in wenigen Jahrzehnten Muslime die Mehrheit in Deutschland stellen werden. Falls nicht … die NPD ein Wörtchen mitreden wird.
Im Grunde hat der Flyer nur dieses eine Thema: die Verdrängung der Deutschen durch Muslime. Auf der Rückseite werden Werbematerialen angeboten. Darunter ein T-Shirt in rot-weißen Farben mit dem Aufdruck: „Danke Schweiz! Minarettverbot auch hier!“ Die Grafik: Ein fallendes Minarett.
Im Inneren ist ein Comic zu sehen, der sich wohl an jüngere Leser wendet. Da sieht man eine Schulklasse mit lauter schwarzen Haarschöpfen. Nur ein blonder Junge sitzt in der vordersten Reihe. Er meldet sich, wird aber nie drangenommen. Stattdessen die dunkelhaarigen Kinder, die grotesk falsches Deutsch sprechen und schreiben. Der Lehrer lobt sie dafür auch noch. Und der Ausländerbeauftragte „Zottel“ rügt das deutsch-blonde Kind, das sich darüber beschwert, als rassistisch.
Es wird das Bild einer korrupten Medien- und Politikelite gezeichnet, die sich heimlich dem Ziel der Islamisierung verschworen hat. Schon das Plädoyer für „Integration“ gilt hier als Indiz für die Zugehörigkeit zu dieser korrupten, vaterlandslosen Clique.
So geht es immer weiter auf diesen 4 nicht schlecht gemachten Seiten. Nach der Ächtung des Antisemitismus bis weit in die deutsche Rechte hinein (-> Homann) hat der völkische Rassismus ein neues Thema gefunden, das er für mehrheitsfähig hält. Auch in meinem kleinbürgerlich-soliden Berliner Westend. Ich glaube, wie ich hier verschiedentlich schon geschrieben habe, nicht daran, dass die Rechtsextremen das Thema der Integration des Islams werden kapern können.
Aber sie arbeiten hart daran. Und ihr Diskurs über die drohende Islamisierung ist sehr geschickt darum bemüht, sich mit einer landläufigen Islamkritik zu überlappen. Ein Grund mehr, auf genaue Begriffe und klare Argumente zu achten.