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Sind Menschen wie Bären?

 

Dieser Bär tut nur so, als ob er ein Bär ist und schläft/ © Silke Weinsheimer

Viele Tiere ziehen sich in der kalten Jahreszeit zurück. Können Menschen auch Winterschlaf halten? Und kann man eigentlich vorschlafen? Für die KinderZEIT hat Hauke Friederichs einen Schlafforscher gefragt

KinderZEIT: Der Winter kommt, es wird abends früher dunkel und morgens später hell. Viele Menschen klagen nun über Müdigkeit. Woher kommt das?

Jürgen Zulley: Im Winter brauchen wir tatsächlich mehr Schlaf als im Sommer. Das hängt damit zusammen, dass es weniger Tageslicht gibt. Im Winter früher ins Bett zu gehen hat eine lange Tradition: Als die Menschen ohne elektrisches Licht lebten, gingen sie in der dunklen Jahreszeit einige Stunden früher schlafen als im Sommer und schliefen länger. Was soll man ohne Licht schon machen?

Jürgen Zulley erforscht seit mehr als 35 Jahren den Schlaf. Er war Professor an der Universität Regensburg und hat dort unter anderem das Schlaflabor geleitet

KinderZEIT: Tiere legen ja manchmal einen echten Schlafmarathon hin. Warum halten sie Winterschlaf?

Zulley: Tiere passen sich mit dem Winterschlaf an die Kälte an. Wenn es friert, finden viele kaum noch Nahrung, deswegen ist es für sie besser, in einer Höhle oder einem Bau zu schlafen und auf wärmere Zeiten zu warten.

KinderZEIT: Schlafen die Tiere denn wirklich wochenlang durch?

Zulley: Die meisten Winterschläfer schlafen nicht richtig: Sie senken ihre Körpertemperatur, ruhen und sparen dadurch Energie. Vorher fressen sie sich eine Speckschicht an und brauchen dann kaum Futter. Der Winterschlaf fällt aber bei jeder Art unterschiedlich aus. Der Siebenschläfer macht seinem Namen alle Ehre und scheint richtig zu schlafen. Der Bär hingegen ruht und steht zwischendurch auch mal auf, um zu fressen und zu trinken. Andere Tiere fallen manchmal vom Winterschlaf in einen richtigen Tiefschlaf.

KinderZEIT: Können wir Mensch auch Winterschlaf halten?

Zulley: Nein! Wir können unsere Körpertemperatur nicht einfach so deutlich absinken lassen. Und wir können uns auch keinen Winterspeck zulegen, der für Monate reicht: Wir müssen täglich essen. Winterschlaf ist etwas anderes als der Schlaf, den wir jede Nacht brauchen. Der Winterschlaf ist passiv, beim normalen Schlaf hingegen ist das Gehirn genauso aktiv wie am Tag. Wie der Bär braucht der Mensch aber im Winter längere Ruhephasen als im Sommer, ist nicht so fit, und auch wir senken unsere Körpertemperatur etwas. Also, ein wenig Winterruhe halten wir auch.

KinderZEIT: Warum schlafen Menschen?

Zulley: Wir benötigen den Schlaf, um die Dinge, die wir am Tag erlebt und gelernt haben, richtig im Gedächtnis abspeichern zu können. Während wir schlafen, arbeitet das Gehirn, legt wichtige Informationen ab und löscht die Erinnerungen, die wir nicht brauchen. Das kann man sich wie in einer Fabrik vorstellen: Nachts stehen die Maschinen still, aber dann kommt das Putzteam, räumt auf und schmeißt unnützes Zeug weg. Außerdem erholt sich der Körper im Schlaf. Wunden heilen dann besser. Kinder wachsen, während sie schlafen. Schlaf ist überlebenswichtig.

KinderZEIT: Kinder müssen meistens früher ins Bett gehen als Erwachsene. Brauchen sie mehr Schlaf?

Zulley: Kinder schlafen viel mehr als Erwachsene. Ein Säugling braucht ungefähr 17 Stunden Schlaf, ein Vierjähriger rund zwölf Stunden, ein Zehnjähriger etwa zehn Stunden. In der Pubertät nimmt der Schlafbedarf dann wieder zu, auf bis zu 14 Stunden. Das kommt, weil die meisten Jugendlichen noch mal ordentlich wachsen. Erwachsene kommen mit sieben Stunden Schlaf gut aus.

KinderZEIT: Wie lange kann ein Mensch denn wach bleiben?

Zulley: Der Weltrekord im Wachbleiben soll bei mehr als elf Tagen liegen. Der Versuch fand allerdings in einer Kneipe statt und wird von Wissenschaftlern nicht anerkannt. Ich war einmal bei einem Experiment für das Fernsehen dabei, als vier Moderatoren vier Tage und Nächte lang ohne Schlaf auskommen wollten. Drei haben das geschafft, einer ist eingeschlafen. Da es für Menschen ungesund ist, so lange nicht zu schlafen, machen Forscher keine Aufbleib-Versuche im Schlaflabor.

KinderZEIT: Was passiert, wenn man nicht schläft?

Zulley: Wenn man mal ein paar Tage wenig schläft, kann der Körper das wegstecken. Man ist am nächsten Tag dann aber nicht so fit, kann sich schlechter konzentrieren, und man hat schlechtere Laune. Auf Dauer ist es gefährlich, zu wenig zu schlafen: Das kann dick, dumm und krank machen.


KinderZEIT: Kann ich vorschlafen, also Donnerstag ganz lange schlafen, wenn ich Freitag länger aufbleiben will?

Zulley: Vorschlafen geht für eine Nacht. Wenn man lange aufbleiben will, dann sollte man aber am Nachmittag vorschlafen – nicht am Tag vorher. Mit einem langen Mittagsschlaf wird man am Abend später müde, weil der Körper schon eine ordentliche Portion Schlaf bekommen hat.