Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Syrische Flüchtlinge: Unser neues Leben

 

Aya, 11 Jahre, und Aiwan, 12 Jahre, in ihrer neuen Schule/ © Isadora Tast
Aya, 11 Jahre, und Aiwan, 12 Jahre, in ihrer neuen Schule/ © Isadora Tast

Aya und Aiwan sind mit ihren Eltern vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen. Hier sind sie sicher, gehen wieder zur Schule und haben große Pläne. Für die KinderZEIT sprach Frauke König mit den Geschwistern

KinderZEIT: Vor fünf Monaten seid Ihr aus Syrien nach Deutschland gekommen. Wie habt Ihr davor in Syrien gelebt?

Aya: Vor dem Krieg sind wir jeden Morgen mit dem Bus zur Schule gefahren. Nachdem der Krieg vor zwei Jahren begonnen hat, mussten wir uns in unserem Haus verstecken. Alle hatten seitdem Angst rauszugehen, weil überall gekämpft wurde.

Aiwan: Syrien ist sehr schön, aber der Krieg macht alles kaputt.


KinderZEIT: Konntet Ihr noch zur Schule gehen?

Aya: Erst sind wir auf eine Schule gewechselt, die näher an unserem Haus liegt. Aber dann wurde auch das zu gefährlich, und wir konnten gar nicht mehr zur Schule gehen. Wir waren monatelang nur zu Hause und konnten unsere Nachbarn oder Freunde nicht mehr besuchen. Keiner hat sich getraut, auf die Straße zu gehen, weil uns draußen Männer mit Gewehren bedroht haben.

KinderZEIT: Wovon habt Ihr gelebt?

Aiwan: Wenn die Männer mit den Gewehren nicht aufgepasst haben, ist unser Vater rausgeschlichen und hat Essen für uns geholt.

KinderZEIT: Was habt Ihr von den Kämpfen mitbekommen?

Aya: Direkt nach dem Freitagsgebet war es schlimm. In Syrien sind die meisten Menschen Muslime, ihnen ist das Gebet am Freitag sehr wichtig, dazu gehen sie in die Moschee. Die Kämpfer haben die Menschen in der Moschee beten lassen, aber danach ging die Schießerei wieder los.

Aiwan: Wir haben anderthalb Jahre lang immer wieder Bombenexplosionen und Schüsse gehört. Deswegen hat mein Vater irgendwann gesagt, dass wir aus Syrien fliehen müssen.

Aya: Als es einmal ruhiger wurde, haben wir unsere Sachen gepackt und sind so schnell wie möglich weg.

KinderZEIT: Was konntet Ihr mitnehmen?

Aya: Aya: Nur Kleidung. Alles andere musste dableiben, auch unsere Handys und Spielsachen.

KinderZEIT: Konntet Ihr Euch von Euren Freunden verabschieden?

Aiwan: Nein, es durfte keiner wissen, dass wir aus Syrien fliehen wollten.

KinderZEIT: Wie ist Eure Flucht abgelaufen?

Aya: Wir sind mit dem Bus gefahren, aber auch zu Fuß gegangen und mit dem Flugzeug geflogen. Die Tage sind so schnell rumgegangen, dass ich nicht weiß, wie lange es gedauert hat. Bestimmt ein paar Wochen. Zwischendrin haben wir manchmal ein paar Tage Pause gemacht, um uns zu erholen.

Aiwan: In Deutschland wurden wir von unserem Onkel abgeholt. Er lebt schon länger hier und spricht richtig gut Deutsch.

Aya: Wir haben uns gefreut, als wir da waren. Deutschland ist schön. Hier gibt es tolle Parks und Gärten. Und hier gibt es keinen Krieg wie in Syrien.

KinderZEIT: Wo wohnt Ihr jetzt?

Aiwan: In einem Heim. In Syrien hatte jeder ein eigenes Zimmer, und wir hatten einen Garten. Hier teilen wir uns mit fünf Personen ein Zimmer, ein Wohnzimmer und ein Badezimmer.

KinderZEIT: Wie gefällt es Euch in Deutschland?

Aya: Aya: Es ist toll. Wir gehen in die Schule und lernen Deutsch. Der Unterricht ist viel besser als in Syrien. Dort schlagen die Lehrer die Kinder manchmal, und man hat mehr Hausaufgaben auf. Hier gehen wir mit der Klasse oft schwimmen oder ins Museum.

KinderZEIT: Gibt es auch etwas, was Ihr vermisst?

Aiwan: Ich vermisse unsere Großeltern. Und mir fehlen mein bester Freund Ali und seine Schildkröte Lulu.

Aya: Ich vermisse Syrien überhaupt nicht. Hier ist es viel besser.

KinderZEIT: Wie haltet Ihr Kontakt?

Aiwan: Zu Ali habe ich keinen Kontakt. Ich habe keine Telefonnummer von ihm und weiß nicht, wo er ist und wie ich ihn erreichen kann. Ich würde aber sehr gern wissen, wie es ihm und Lulu geht. Mit meiner Oma telefonieren wir manchmal. Aber das funktioniert nicht immer, weil die Leitungen nicht so gut sind.

KinderZEIT: Was erzählt sie über den Krieg in Syrien?

Aiwan: Es gibt viele Schwierigkeiten. Abends gibt es zum Beispiel nur eine Stunde lang Strom. Dann kochen alle ganz schnell, damit sie am nächsten Tag auch etwas zum Essen haben. Wenn Oma etwas kaufen möchte, ist das viel teurer als früher. Aber immerhin ist sie gesund!

Aya: Aya: Wir schauen auch Nachrichten. Und wenn wir sehen, dass unser Dorf darin vorkommt, denke ich manchmal, dass unser Haus wahrscheinlich gar nicht mehr steht, sondern schon kaputt ist.

KinderZEIT: Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft?

Aya: Dass wir hier ein Haus und ein Auto bekommen und dass unsere Eltern arbeiten können. Wir helfen meiner Mutter deshalb schon beim Vokabellernen und gehen ziemlich oft aufs Amt. Ich möchte gern weiter hier zur Schule gehen und später arbeiten. Ich will Lehrerin werden.

Aiwan: Ich möchte später Computer reparieren und Chef von ein paar Mitarbeitern sein.

syrien

Der Krieg in Syrien

Der syrische Präsident Baschar al-Assad regiert seit 13 Jahren wie ein Diktator. Er fragt nicht, was die Bevölkerung möchte. Seit gut zwei Jahren kämpfen darum syrische Rebellengruppen in einem Bürgerkrieg gegen Assad und seine Soldaten.

Mehr als eine Million Syrer sind vor dem Krieg in Nachbarländer wie Jordanien und die Türkei geflohen. Etwa 8000 Menschen sind bislang nach Deutschland gekommen. Ob und wie lange sie bleiben dürfen, wissen die meisten nicht.