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Kleine Blogschau zur Scroll-Edition der Welt

Gestern hat die Welt Kompakt ihre „Scroll-Edition“ herausgebracht, die von Bloggern gestaltete Ausgabe ihrer kompakten Tageszeitung. Die Resonanz auf das Experiment fiel gemischt aus, längst nicht alle Blogger sind stolz auf die Arbeit ihrer beteiligten Kollegen. Hier ein Blick in eine kleine Blog-Presseschau:

„Das Experiment ist denke ich gelungen. Die Text(brocken) sind gut, wenn auch mehr einer (kleinen) Wochenzeitung gerecht, als einer Tageszeitung“, findet Thomas Gigold von Medienrauschen.

„Experiment gescheitert“ vermeldet indes Meetix. „Ich frage mich schon seit langer Zeit, wo viele Blogger die Arroganz hernehmen, Journalisten anzugreifen und sie zu verbessern, obwohl diese ihren Beruf von Grund auf gelernt haben und täglich einsetzen.“ Zwei gewichtige Kritikpunkte in dem Blogeintrag lauten: „News von gestern anstatt News von morgen“ und: „Altbekannte Themen neu verpackt“.

Auch das Blog Basic Thinking hält nicht hinter dem Berg mit Kritik, wenn auch zunächst nur unter Bauchschmerzen: „Es fällt mir nicht leicht, diese Zeilen zu schreiben. Zum einen bin ich niemand, der gerne etwas verreißt, wofür sich andere viel Mühe gegeben haben. Weniger nörgeln, mehr machen, ist eigentlich meine Devise“, schreibt der Autor. Und weiter: „Zum anderen diskreditiere ich damit meinen eigenen Berufsstand. Aber Wahrheit bleibt Wahrheit, und die muss gesagt werden.“ Und die lautet: Experiment grandios gescheitert. „Die Expedition hat der deutschen Webszene eher geschadet als genutzt.“

Basic Thinking ist nicht das einzige Blog, das sich vor allem über das besondere Format der Scroll-Editon wundert – ein Querformat nämlich: „Soll ausgerechnet das darauf hinweisen, dass es diesmal eine Internet-gerechte Zeitung ist? Aber wer bitte liest Texte auf diese Weise? Welches Blog hat ein solches Format?“ Insgesamt bleibt Basic Thinking das Layout „die ganze Ausgabe über ein Rätsel. Hat man etwa die Setzer auch nach Hause geschickt und die Blogger ein bisschen mit dem Redaktionssystem spielen lassen?“ Die Texte klebten an den Fotos und würden optisch nahezu davon überlagert.

Es gibt aber auch ein paar positive Gegenmeinungen, die finden: „Lässt sich gut lesen. Würde ich gerne öfter sehen.“

Immer wieder taucht der Kritikpunkt auf, dass der Nachrichtenpart der Blogger-Ausgabe viel zu schwach dahergekommen sei, und die Edition also nicht den Ansprüchen einer tagesaktuellen Zeitung gerecht werden könne. Medienrauschen  – insgesamt zufrieden mit der Textqualität – resümiert es so: „Blogger können mit Journalisten. Nur Leser mit dem Anspruch “Tageszeitung” können noch nicht so gut mit Bloggern …“ Oder wie Gerhard Kürner es ausdrückt: „Für 23 Blogger wurde die Produktion zur Lehrstunde über die Beschränkungen, denen eine gedruckte Tageszeitung unterworfen ist.“

Viele Beteiligte, überwiegend zufrieden mit ihrem Werk, schildern die Arbeit als eine Mischung aus Chaos und Spaß: „Die iPads flogen nur so durch die Gegend, während wir inmitten pulsierender Gehirne saßen und einmal mehr merkten, wie unterschiedlich die Bewohner des Netzes doch so sind und wie vielfältig ihre Intuitionen, Wünsche und Meinungen.“

Und sie gestehen: „War gar nicht so einfach.“

Andere sehen die Schuld für die schwachen Ergebnisse des Experiments eher bei den Strukturen und der mangelnden Gestaltungsfreiheit. Der Beitrag auf Turi2 etwa heißt: „Blogger mit begrenzter Macht.“

Immerhin ringt sich ein weiterer Beteiligter, Alex Kahl alias der Probefahrer, sogar ein paar nette Worte über Journalisten ab: „Eine Sache habe ich für meinen Teil in dem Experiment mal GANZ deutlich gelernt. Eine gehörige Portion Respekt und Demut vor dem Job des Journalisten insbesondere was die nachrichten angeht. Denn ich habe mich freiwillig für das News-Team gemeldet. (…) Hölle, war das ein Stress!“

Und die Autorin von Gesellschaft ist kein Trost hatte einen so tollen Tag mit den Journalisten und Blogger-Kollegen, dass sie großzügig „Watschn“ an die kritischen „Neidblogger“ verteilt: „Ich zieh Euch die Hand so heftig über Eure kleinen, hellen Wangen (weil ihr ja nie rausgeht, ihr kleinen Nerds), dass ihr noch drei Tage rote Striemen im Gesicht haben werdet.“

Deutlich nüchterner schließlich die Zusammenfassung vom Czyslansky-Blog: „Für einige Blogger mag das alles eine nette Redaktionsbesichtigung gewesen sein. (…) Die Springer-Redakteure haben mal einige ‚echte Blogger‘ gesehen und vielleicht feststellen können, dass auch diese des Schreibens durchaus mächtig sind. Weitere Lerneffekte aus diesem ‚Experiment‘ blieben und bleiben wohl aus.“

Dafür gibt es hier einen versöhnlichen Vorschlag zum Schluss: „Eine aktuelle Ausgabe, gemacht in Kooperation von klassischen Redakteuren UND Bloggern wäre wohl eine bessere Alternative gewesen.“

 

Wahre und gefühlte Größe

Wenn man die allgemeine Berichterstattung über die drei dominierenden Technikunternehmen Microsoft, Apple und Google liest, bekommt man schnell den Eindruck, dass Apple und Google prosperierende Konzerne mit einem gigantischen Wachstum sind, während es nur noch eine Frage der Zeit sein kann, bis beim untergehenden Stern Microsoft die Förderbänder still stehen werden.

Doch während gefühlte Temparaturen tatsächlich oft mehr über das Wetter aussagen als real gemessene, ist das bei der Berichterstattung anders. Trotzdem werden in letzter Zeit im Zusammenhang mit diesen Firmen oft mehr Gefühle als handfeste Fakten berichtet.

Microsoft selbst würde das offensichtlich gern ändern und liefert im jüngsten Blogeintrag von Frank X. Shaw einige handfeste Zahlen. Ja, Shaw ist stellvertretender Kommunikations-Chef von Microsoft, somit zuständig dafür, dass das Unternehmen in Berichten gut aussieht. Und er schreibt, er habe natürlich seine Lieblingszahlen ausgesucht. Die Microsoft natürlich zufällig in besonders glänzendem Licht erscheinen lassen.

Doch relativiert seine kleine vergleichende Liste trotz allem ein wenig das Bild der computerisierten Welt.

Ein paar Beispiele:

7.1 Millionen
Voraussichtliche Zahl der verkauften iPad im Jahr 2010.

58 Millionen
Voraussichtliche Zahl der verkauften Netbooks im Jahr 2010.

355 Millionen
Voraussichtliche Zahl der verkauften PCs im Jahr 2010.

unter 10 Prozent
Anteil der Netbooks, auf denen Windows läuft, im Jahr 2008

96%
Anteil der Netbooks, auf denen Windows läuft, im Jahr 2009.

24%
Marktanteil der Linux Server im Jahr 2005

33%
Im Jahr 2005 vorhergesagter Anteil der Linux Server für 2007

21.2%
tatsächlicher Anteil der Linuxxserver im 4. Quartal 2009.

$6.5 Milliarden

Googles Gewinn für das Geschäftsjahr, das im Dezember 2009 endete

$8.2 Milliarden

Apples Gewinn für das Geschäftsjahr, das im September 2009 endete (in Shaws Blog steht 5.7 Milliarden, doch in der Quelle, die er selbst angibt, 8.2)

$14.5 Milliarden

Microsofts Gewinn für das Geschäftsjahr, das im Juni 2009 endete.

Mehr Zahlen hier.

 

Was das Surfverhalten am Morgen verrät

Und, wohin geht Ihr allererster Klick am Morgen?

Wer seinen Rechner anwirft, öffnet vielleicht zuerst sein Mailprogramm. Oder er schaut, was es Neues auf Facebook gibt. Je nachdem, welches Kommunikationsverhalten man im Netz an den Tag legt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass man von der Werbeindustrie einfach angesprochen werden kann. Das jedenfalls hat die Firma ExactTarget in einer neuen Studie herausgefunden. Die auf Soziale Medien spezialisierte Newsseite Mashable fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. In Zahlen ausgedrückt guckt etwa die Hälfte aller Amerikaner zuerst in ihre Mails, während der erste Klick von elf Prozent aller amerikanischen Konsumten Facebook gilt.

Wer zuerst seine Mails liest, ist eher der aufgabenorientierte Typ. Schlecht für die Werbeindustrie. Der aufgabenorientierte Typ wird nur mit Produkten interagieren, sobald er gezielt nach ihnen sucht.

Wer jedoch seinen Tag mit sozialen Medien, etwa auf Facebook beginnt, wird eher bereit sein, sich auch nur zum Spaß mit Marken und Produkten zu beschäftigen, Fan von bestimmten Artikeln zu werden oder beispielsweise alle Neuigkeiten über Autos und anderen Krimskrams lesen. Das behauptet zumindest die Studie.

Der Beleg: 69 Prozent derjenigen, duie täglich Facebook nutzern, mögen mindestens eine Firma oder Marke. Und 68 Prozent aller Twitternutzer folgen mindestens einer Marke. In der Summe sollen 43 Prozent aller Amerikaner mindestens einem Produkt auf Twitter oder Facebook auf diese Weise ihr Interesse ausdrücken.

Was lernt man daraus? Entweder, dass es nichts hilft, der aufgabenorientierte Typ zu sein, um vor gezielter Werbung verschont zu bleiben, oder dass die Werbeindustrie diese Studie nicht kennt. Immerhin warten im Postfach haufenweise Spam und andere Werbebotschaften.

 

Macht das Internet dümmer oder klüger?

Neue Medien wurden in der Geschichte schon immer ängstlich beäugt. Zwar antworteten sie auf offenkundige Bedürfnisse, sonst hätten sie sich ja nicht durchgesetzt. Aber ob nun die Erfindung des Buchdrucks, des Volkstheaters oder des Romans – die Gruppe der Mahner war nur unwesentlich leiser als die der Fans und Optimisten. Die Vorwürfe rangierten dabei von der Sorge vor der Massenverdummung bis hin zum Nachweis widerwärtiger und schädlicher Konsequenzen, sollte sich die Mehrheit der Menschen dem verführerischen Medium zu sehr hingeben.

Eine ähnliche Debatte wird seit Jahren auch um das Internet geführt und gipfelte 2008 in der Frage von Nicholas Carr, ob Google uns dümmer mache. Das Wall Street Journal hat diese nun noch einmal gestellt. Beziehungsweise war es erneut Nicholas Carr, der seine These in leicht abgewandelter Form dort präsentierte und fragte: „Macht das Internet Dich dümmer?“

Wie schon früher antwortete ihm darauf Clay Shirky mit einem Nein, beziehungsweise dem Text: „Macht das Internet uns schlauer?“. Letztlich hätte die Gesellschaft immer Strukturen ausgebildet, glaubt der amerikanische Netzexperte und Buchautor, die halfen, dem zunächst größer werdenen Chaos und Überangebot an Informationen wieder Herr zu werden. Und dabei Mehrwert zu ernten. Als Beispiel nennt er das Peer-Review-Verfahren, das wissenschaftliche Artikel dem kritischen Blick verschiedener Experten unterzieht, bevor ein Text als verifiziert gilt. Ähnliches passiere auch im Netz – in der Wikipedia etwa, dem Online-Lexikon, das innerhalb von nur zehn Jahren zu der wichtigsten englisch-sprachigen Referenz geworden sei.

Carr dagegen glaubt, das Netz verwandele seine Leser in oberflächliche Denker und zahlreiche Studien belegten das. Carr zählt dann allerhand auf: Verlinkter Text sei unverständlicher als linearer, Multitasking ein Ding der Unmöglichkeit und die ständige Ablenkbarkeit durch Mails und spontane Suchbegehren der Tod jeglicher, konzentrierter Auseinandersetzung mit einem ernsten Thema. Der Mensch verliert durch das Netz mehr und mehr die Fähigkeit, komplexe Systeme zu verstehen.

Die beiden Texte widersprechen sich nicht unbedingt. So könnte man Carrs Verwirrung als gegenwärtige Zustandsbeschreibung akzeptieren, selbst wenn man sie in der Schärfe nicht teilt. Und auf Shirkys Optimismus und darauf setzen, dass sich Strukturen entwickeln werden, mit diesen Ablenkungen und Zerstreuungen klar zu kommen. Carr jedoch glaubt, dass Medien Veränderungen auszulösen vermögen, die unumkehrbar sind. Dass wir so viel Zeit vor Bildschirmen verbringen etwa führe dazu, dass unter unseren kognitiven Fähigkeiten vor allem die visuelle immer stärker ausgeprägt werde.

Stellt sich nur eine Frage: Wer kann beurteilen, ob dass das eine Veränderung zum Schlechteren oder zum Besseren ist?

 

Mit Google und Pac-Man ein wenig Produktivität verdaddeln

Zum 30. Geburtstag hat Google Pac-Man, dem prominenten Old-School-Computerspiel mit dem Drops fressenden Köpfchen, ein kleines Revivial gesponsert.

Kaum eine Computerspielfigur ist so bekannt wie Pac-Man, eine ursprünglich japanische Erfindung, benannt nach dem lautmalerischen Ausdruck „Paku Paku“, was auf Deutsch in etwa heißt „wiederholt den Mund öffnen und schließen“. Von „Puck-Man“ wurde das Spiel für den amerikanischen Markt auf „Pac-Man“ umgetauft, weil man fürchtete, „Puck-Man“ würde sonst von zu vielen Spaßvögeln in „Fuck-Man“ verballhornt.

Auf der Startseite der Suchmaschine konnte man nun am vergangenen Wochenende nach Lust und Laune nach Drops und den fransigen Wischmop-Wesen jagen. Wer den Button „Insert Coin“ doppelt klickte, konnte gar „Misses Pac-Man“ aktivieren und sich zu zweit durchs Labyrinth mampfen. Googles Pac-Man war in einem solchen Maße eine getreue Nachbildung des Originals, dass auch der „Bug“ im 256. Level nicht fehlte – der letzte Level ist spielerisch nicht zu lösen, weil er aufgrund eines technischen Fehlers einen Split-Screen anzeigt: Auf der linken Seite ist das normale Labyrinth zu sehen, rechts jedoch nur Symbole.

Trotzdem hatte übrigens der damalige US-Präsident Ronald Reagan 1982 dem Achtjährigen Jeffrey R. Yee ein persönliches Glückwunschschreiben übersandt, nachdem dieser behauptet hatte, einen Punkteweltrekord von 6.131.940 erspielt zu haben. Was aber nur möglich gewesen wäre, hätte er den unlösbaren 256. Level ebenfalls bewältigt.

Ob die Präsidenten-Post nun erschlichen war oder nicht, offensichtlich motivierte Googles kleines Revival jede Menge Google-Nutzer, es dem Achtjährigen nachzutun und Stunden mit dem kleinen Spiel zu verbringen – man könnte auch sagen: zu verdaddeln. In den Medien tauchten in den Folgetagen Berichte darüber auf, wie viel Arbeitszeit und Produktivität Google mit seinem kleinen Spielchen wohl vernichtet hätte. Weil Google so groß sei, müsse es auch verantwortungsvoller mit seinen Nutzern umgehen, klagten einige. Andere rechneten gar mit Prozessen gegen den amerikanischen Konzern aufgrund entgangener Umsätze. Angeblich hätte das Spiel die Weltwirtschaft 120 Millionen Dollar gekostet, will man bei der PC-Welt berechnet haben.

Ganz schöner Quatsch. Und wenn es Google einem auch nicht immer einfach macht, uneingeschränkte Sympathie zu entwickeln, so ist das doch in diesem Fall definitiv geboten. Keine Behörde und kein Unternehmen der Welt käme auf die Idee, Geld in ein witziges, gänzlich unproduktives Revival zu stecken, und die Bevölkerung zu sinnfreiem Unsinn anzustiften. Den Nörglern und Spießern lässt sich nur entgegnen: Warum eigentlich nicht? Schließlich ist der Mensch nicht nur auf der Welt, um produktiv zu sein. Ist doch gut, gelegentlich daran zu erinnern. Und wer sich unhinterfragt die Argumentation seiner Arbeitgeber zu eigen macht, hat sowieso verloren.

Unter der Seite www.google.com/pacman ist das Spiel übrigens weiterhin erreichbar. Für diejenigen, die gerne noch ein bisschen Produktivität und Ernsthaftigkeit vernichten wollen.

 

Blogs sind emotionaler

Das „Pew Research Center’s Project for Excellence in Journalism“ hat 29 Wochen lang beobachtet, welche Nachrichten in Blogs, auf Twitter und auf YouTube als Top Story gehandelt wurden. Und kam zu dem Ergebnis, dass es auf jedem Portal andere waren. Nur ein einziges Mal interessierten sich alle drei Kanäle auf ihren ersten Plätzen für das gleiche Thema – zwischen dem 15. und dem 19. Juni 2009 belegten die Proteste gegen die Präsidentschaftswahlen im Iran nahezu alle Aufmacher. Grundsätzlich aber bescheinigen die Wissenschaftler dem Netz in ihrer aktuellen Studie stark divergierende Interessen und daher eine große Fragmentierung.

Auch der Unterschied zu den klassischen Medien ist weiter hoch. Lediglich zwischen traditionellen Nachrichtenseiten und an News orientierten Blogs gibt es eine größere Schnittmenge. Immerhin an 19 von 49 Beobachtungswochen konzentrierten sich die beiden Kanäle auf die gleichen Themen. Besonders auffällig ist etwa, das auf Twitter die Technik-Fraktion besonders stark vertreten ist. 43 Prozent der Tweets haben technologische Fragestellungen zum Inhalt. Zum Vergleich: Es sind in Blogs immerhin noch acht Prozent. Sowohl YouTube als auch traditionelle Medien räumen diesem Thema nur noch ein Prozent ihrer Berichterstattung ein.

Weiteres Ergebnis: Blogs übernehmen zwar gerne Themen aus den Nachrichtenmedien. Dabei fanden die Forscher allerdings heraus, dass sich die Blogger stärker den ideologischen und emotionalen Aspekten der Geschichten zuwenden als das traditionelle Medien zu tun pflegen. Und während Blogger gerne auch über Themen schreiben, die in der Old School-Presse bereits als verbrannt, also veraltet gelten, geschieht das umgekehrt eher selten. Die Wissenschaftler fanden genau eine solche Geschichte, den Clima-Gate-Fall. Den hatten große Medien aus Blogs übernommen, wo er schon lange diskutiert wurde.

Blogs sind dabei alles andere als unpolitisch. Mit 17 Prozent der Berichterstattung nehmen die Themen Politik/Regierung sogar mehr Platz ein als in den alten Medien (15 Prozent). In der Traditions-Presse ist allein die Berichterstattung über Wirtschaft deutlich breiter angelegt als in allen anderen Medien (zehn Prozent, im Vergleich zu sieben Prozent in den Blogs und jeweils ein Prozent auf YouTube und bei Twitter). Und auch für Gesundheit und Medizin interessiert man sich hier stärker. Woran das liegt, haben die Wissenschaftler noch nicht herausgefunden.

Was bleibt, ist eine alte Weisheit: Vielfalt belebt die Medienwelt und die Mischung macht’s.

 

Hört bloß auf, Frauen (so) ernst zu nehmen

Schon mit dem Titel stimmt irgendetwas nicht. „Die Dame im Spiel“ heißt der Vortrag von Joachim F. Meyer, Inhaber und Geschäftsführer von Caipirinha Games, den er auf den Games-Tagen in Berlin hält. Sein Unternehmen bastelt Computerspiele für Frauen und Mädchen, und dass er sie im Titel „Damen“ nennt, deutet schon darauf hin, dass er Schwierigkeiten hat, die Dinge beim Namen zu nennen.

Jedenfalls wiederholt dieser freundliche, schmale und etwas verklemmt wirkende Mann in den Vierzigern ständig, dass Frauen „auch ernst genommen werden wollen“. Als läge in diesem Satz ein Erkenntniswert. Wobei ernst nehmen für ihn vor allem bedeutet, man dürfe nicht ständig von ihnen verlangen, dass sie sich den Männerthemen anpassten, sondern müsse auf ihre eigenen Themenwünsche eingehen.

Und was sind für Meyer Frauenthemen? Er hat sie für sein Publikum auf einer Liste versammelt und jedem Gender-Theoretiker stehen ob dieser Liste die Haare zu Berge. Denn natürlich gehören dazu ausschließlich soziale und niedliche Dinge wie „Tiere“, „Helfen“, „Mode“, „Singen“ oder „Tanzen“. Da scheint selbst die Debatte in der Schwerindustrie schon weiter.

Meyers Firma hat zum Beispiel das Spiel zum Pferdecomic Wendy zu verantworten, oder Lauras Tierklinik. Und Meyer referiert darüber, dass es da um Fragen ginge wie: „was mache ich, wenn sich mein Hamster verlaufen hat?“ Und sagt, das „könnte man jetzt vielleicht als etwas albern empfinden, aber mir hat das auch Spaß gemacht, so ein Spiel zu entwickeln, weil das sehr positive Themen sind und die sich in der Öffentlichkeit auch gut darstellen lassen.“

Dabei jedoch schwingt in seinem Vortrag eindeutig eine zweite Bedeutungsebene mit und die lässt erahnen, wie das Team von Meyer redet, wenn die Öffentlichkeit nicht zuhört. Und auch, dass da schon mal der eine oder andere Witz gerissen wird, über die Mädchen und ihre Hamster.

Frauen wollen auch, sagt Meyer, dass man den Charakter der Spielfigur verändern kann. Er zeigt das an einem Spiel, das noch nicht fertig entwickelt wurde und daher noch keinen Namen trägt. In dem kann eine Latino-Frau mit der Oberweite von Pamela Anderson „verändert“ werden, „denn Frauen mögen Kreativität“. Es gibt also mehrere Buttons, die heißen dann „Nagellack“ oder „Frisur“ oder „Kajal“. Das Tolle, erzählt Meyer: „Auch während des Spiels kann die Frau jederzeit ins Bad gehen, um sich umzuziehen oder neu zu schminken.“

„Apropos Ernst genommen werden“, meldet sich eine junge Frau aus dem Publikum. „Ich fühle mich immer extrem verarscht davon, wie die Frauen im Spiel aussehen.“

In der Tat könnte man die Figur eigentlich ein bisschen mehr an die Realität anpassen, gibt Meyer zu. Aber für die üppigen Kurven hat Meyer eine Erklärung: Bei ihm arbeiten nur Männer. „Nein stimmt nicht“, korrigiert er sich, „in dem einen Studio ist die Sekretärin eine Frau.“ Außerdem müsse man als kleines Studio permanent bei den Verlagen um Aufträge buhlen und könne keine eigenen Sachen entwickeln. „Und da sitzen natürlich auch nur Männer, und die lassen sich davon im Zweifel eben mehr beeindrucken.“

Meyer sagt also: Der Markt will das so. Und übersieht das Henne-Ei-Problem. Schließlich reproduziert der Markt permanent die schlimmsten Stereotype. Das scheinheilige Reden vom „Bedürfnisse ernst nehmen“ wird daran kaum etwas ändern.

Zum Glück kann man auf die Mädchen und Frauen hoffen. Die zum einen lieber ein kluges, komplexes Spiel kaufen, als sich den Kopf über Nagellackfarben zu zerbrechen. Und die zum anderen damit leben können, wenn Frauen in Spielen wie Tomb Raider so sexy aussehen wie Lara Croft – schließlich macht sich ja auch keiner Sorgen um die armen Jungs, die von muskelbepackten Superhelden eingeschüchtert werden könnten.

 

Sozial ist nicht gleich doof

Glaubt man den Kulturpessimisten, dann ist man in sozialen Netzwerken immer nur so klug wie seine klügsten Freunde. Was bedeuten würde, dass wir bald alle ziemlich dämlich werden. Hat Facebook doch immerhin seine Verlinkungsmöglichkeiten nun auch auf andere Seiten im Netz ausgeweitet.

Wer nur noch liest, was ihm seine Freunde empfehlen, so die These, wer also nur noch auf festgetrampelten Pfaden durchs Netz stromert, und nur CDs kauft, die ihm Amazon empfiehlt, der lebt ein Leben frei von Zufällen. Und der wird auch den Zeitungsartikel auf Seite 17 nicht mehr lesen, auf den er vorher nur gestoßen ist, weil er zufällig neben der Plattenrezension stand, die ihn ursprünglich interessierte. Diese Fokussierung könnte weitreichende Folgen für das Leseverhalten aller eifrigen Netzwerk-Nutzer haben, glauben die Pessimisten. Jeder Fernseh-Zapper wäre demnach weltoffener als ein Mensch, der seinen morgendlichen Medienkonsum im Netz, genauer gesagt, bei Facebook startet.

Doch kann man dieser These auch getrost widersprechen. Zum Beispiel mit einer Studie des amerikanischen Marktforschsunternehmens Edelmann, derzufolge Menschen im Netz ihren Freunden immer weniger vertrauen. In seinem jüngsten „Trust Barometer“ hat Edelmann nur noch magere Zustimmungsraten zu der Aussage gefunden: „Ich vertraue meinen Freunden als glaubwürdige Quelle für Informationen über ein Unternehmen“. Die Zustimmung sank von 45 Prozent im Jahr 2008 auf nurmehr 25 Prozent. Zwar ging es in der Frage um Unternehmen. Aber wenn ich nicht glaube, dass meine Freunde die richtige Biermarke mögen, wie sollte ich dann erst ihren Urteilen über guten Journalismus vertrauen?

 

Auf der Suche nach den dümmsten Followern

Zwar glauben Wissenschaftler inzwischen belegen zu können, dass politisch rechts stehende Menschen durchschnittlich etwas unintelligenter sind als Linke. Die Frage aber, ob zum Beispiel die konservative Politikerin Sarah Palin oder der kanadische R&B-Sänger Justin Bieber die dümmeren Follower auf Twitter hat, blieb bis heute unbeantwortet.

Nun ist auch diese Wissenslücke endlich geschlossen. Der Dienst „Stupid Fight“ gibt nämlich vor, genau das beurteilen zu können: die Intelligenz oder Dummheit von Menschen, die bekannten Persönlichkeiten auf Twitter folgen (das Programm trifft diese Aussage nur im Vergleich, nicht generell). Das Resultat: Die Tweets der prominenten, amerikanischen Konservativen Sarah Palin werden  von den klügeren Lesern verfolgt als die des kanadischen R&B-Sängers. Ein bisschen geringer, aber immer noch vernichtend sieht ihr Vorsprung gegenüber  Lady Gaga aus. Und im Kampf der Technikgiganten müssen sich die Bill Gates Follower leider bescheinigen lassen, etwas dümmer zu sein als die von Google-Mann Eric Schmidt.

Aber woran bemisst das Programm die Dummheit überhaupt? Indem es die Nachrichten auswertet, die diese den Promis schicken, schreibt  Tom Scott, der Erfinder von Stupid Fight auf seiner Seite. Rechtschreibfehler, fehlende Groß- und Kleinschreibung und ein Übermaß an Ausrufezeichen und Netzkürzeln schlagen sich dabei besonders negativ auf die Beurteilung des Twitter-IQs nieder.

Der Linguist Tom Scott glaubt zumindest, es gebe starke Indizien dafür, dass die Masse der Menschen mit einem solchen Schreibverhalten dümmer sein muss als der Teil der Menschen, der seine Worte etwas sorgsamer wählt, bevor er auf „Senden“ drückt.

Für ein grobes, massenhaftes Urteil mag das sogar richtig sein. Aber ein bisschen plump kommt der Ansatz schon daher. So ist nicht jeder, der auf großschreibung verzichtet, gleich ein idiot. Oder???!

 

Kopieren wird belohnt

Das Nieman Journalism Lab, ein Journalismus-Forschungsprojekt der Havard Universität, hat Online-Berichterstattung unter die Lupe genommen. Anhand der Nachrichten über den Hackerangriff auf Google in China haben die Wissenschaftler überprüft, wie viele eigene Artikel zu diesem Thema erschienen sind und wie oft Journalisten voneinander abgeschrieben hatten. Als „eigene Recherche“ galt dabei schon, wenn ein zusätzlicher Fakt etwa in Form eines Original-Zitats im Text enthalten war. Insgesamt analysierten die Forscher 121 Artikel von der New York Times über AFP bis zur Gadget-Seite Gizmodo.

Obwohl das Kriterium nicht besonders anspruchsvoll definiert war, enthielten nur elf Prozent der Nachrichten auf Google News „eigene Recherche“. Von den insgesamt dreizehn zumindest anrecherchierten Versionen kamen acht von der klassischen Presse, vier von Agenturen und eines von einem Online-Medium. Die anderen Kollegen hatten mehr oder weniger voneinander abgeschrieben.

Nur sechs Prozent gar hatten eine eigene, originale Fassung zu den Geschehnissen verfasst. Das waren die New York Times, die Washington Post, the das Wall Street Journal, der britische Guardian, die Tech News World, die Agentur Bloomberg, die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua und die chinesische Global Times.

Und auch Google News bewies bei der Nachrichtenauswahl einen nur bedingt funktionierenden Such-Algorithmus: Zwar wurden Duplikate aussortiert und die wirklich eigenen Geschichten mit höheren Plätzen auf der News-Seite belohnt. Dabei aber fiel eine laut den Havard-Forschern gute und selbst recherchierte Geschichte durch die Raster. Die der Financial Times. Möglicherweise eine Strafe dafür, dass die Seite inzwischen hinter einer Paywall versteckt wurde, also kostenpflichtig ist.

Was für eine Verschwendung. Von 121 Reportern investierten 100 ihre Energie einzig, um die gleiche Geschichte noch einmal zu erzählen, obwohl es ein Link zu der Urpsrungs-Story auch getan hätte.

Ein Link allein jedoch widerspricht der Logik der Medienbranche. Ihre Währung ist Aufmerksamkeit. Durch das Abschreiben profitieren andere Medien von der Aufmerksamkeit, die eine ursprünglich beispielsweise von der New York Times ausgegrabene Geschichte bringt. Das funktioniert, solange es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Problematisch dagegen wird es, wenn Recherche nicht mehr ausreichend belohnt wird und vor allem der profitiert, der seine wenigen Redakteure nur noch zum Abschreiben kommandiert. Und wenn diejenigen, die von der Aufmerksamkeit für andere partizipieren, nicht einmal ihren Anteil zurückgeben wollen: Immerhin war ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, dass sieben Prozent der Redaktionen darauf verzichteten, die Quelle zu nennen, an der sie sich bedienten. Das ist ziemlich undankbar.