In der EU wird darum gerungen, das Urheberrecht zu verschärfen. Der jüngste Vorstoß hierzu war der Bericht der konservativen Abgeordneten Marielle Gallo. Er zielt unter anderem darauf ab, das Filesharing zu kriminalisieren. Vorgestern erhielt er im EU-Parlament eine klare Mehrheit mit 328 Ja-Stimmen, 245 Nein- Stimmungen und 81 Enthaltungen. Die Alternativvorschläge seitens der Sozialdemokraten und Grünen sowie der Liberalen fielen durch.
Der Bericht ist übrigens nicht rechtsverbindlich, gibt jedoch eine politische Linie für künftige Entscheidungen vor. Interessant ist daher, dass sich einige konservative und liberale Abgeordnete bei der Abstimmung nicht an die Parteilinie hielten. Vielleicht weil sie den Bericht auch als Stimmungsbarometer für Internetsperren nach französischem Muster auffassten. Diese Unterschiede im Stimmverhalten in den Parteien dokumentiert Abgeordnetenwatch auf sehr übersichtliche Weise für die deutschen Abgeordneten.
Praktisch ist dabei die Möglichkeit, das Wahlverhalten der Abgeordneten aus dem eigenen Bundesland stammenden Abgeordneten abzufragen. Die Abfrage funktioniert über Postleitzahlen. Für NRW etwa finden sich zwei CDU-Abgeordnete und ein FDP-Abgeordneter, die sich enthalten haben.
Diese durchsichtige Wahlurne, die über eine automatische Auswertung in Form von Infografiken und Abfragemöglichkeiten ermöglicht wird, ist wertvoll, da es so etwas auf der Website des Parlaments leider nicht gibt. Es wäre eine schöne Sache, wenn Abgeordnetenwatch dies regelmäßig vielleicht für das gesamte EU-Parlament organisieren könnte.
Politikvermittlung ist ein schwieriges Geschäft geworden. In einem aktuellen Interview mit der Bunten klagt Bundeskanzlerin Angela Merkel über die „Vielzahl der Informationskanäle“, insbesondere das Internet. Dadurch würde „es immer schwieriger, ein Gesamtmeinungsbild zu erkennen“. Durch den „sehr großen technischen Wandel“ sei es schwerer geworden, „alle Menschen, alle Generationen zu erreichen, denn diese nutzen die einzelnen Medien mittlerweile sehr unterschiedlich“. Und vor allem die jungen Menschen informierten sich ausschließlich über das Internet, „und das oft sehr punktuell“.
Ohne das dumpfe Unbehagen genauer benannt zu haben, wird die Kanzlerin damit all jenen aus der Seele sprechen, die das Internet insgeheim für die Übel der Welt verantwortlich machen. Aber ausgerechnet die Erreichbarkeit ist das Problem des Netzes eigentlich nicht. Und auch die Politiker versuchen in letzter Zeit ja nun permanent, sich in der Überwindung ihres Technikskeptizismus gegenseitig zu überbieten. Und junge Bürger mit Blogs, über Twitter und Video-Kolumnen anzusprechen.
Dass die Öffentlichkeit immer fragmentierter und kleinteiliger wird, ist als Diagnose indes so richtig wie banal. Spontan fielen einem da aber eher positive Attribute ein: Freiheit und Auswahl zum Beispiel. Sicher war es früher einfacher für Politiker, ihre Botschaften zu übermitteln, wenn ohnehin alle gezwungen waren, die gleichen drei Fernsehprogramme zu gucken. Natürlich gehen Gemeinsamkeiten verloren, wenn man nicht mehr davon ausgehen kann, dass der Kollege gestern die gleiche Sonntag-Abend-Unterhaltung im Fernsehen genossen hat. Aber was bringt es, über etwas zu klagen, von dem man genauso sicher weiß, dass man es keinesfalls zurückhaben möchte?
Sehnsucht schwingt mit, wenn sich die Kanzlerin an früher erinnert. „Es ging alles ruhiger zu. Die Menschen unterhielten sich morgens am Arbeitsplatz über die gleichen Themen.“ Auch das ist nicht die Schuld des Internets. Sondern liegt wohl eher daran, dass die Leute keine Zeit mehr haben, es ruhig angehen zu lassen. Weil sie sonst mit ihrer Arbeit nicht fertig würden. Aber wer weiß, vielleicht arbeitet ja ausgerechnet Merkels Koalition an einem Gesetz, dass die 30-Stunden-Woche zur Pflicht erhebt. An mangelndem Gesprächsstoff am Arbeitsplatz würde das ganz sicher nicht scheitern.
Für die Politik besteht die Beschleunigung ganz zweifellos darin, dass es die Kommentare zu ihren Taten und Worten eben nicht erst in den Abendnachrichten oder in der Presse am nächsten Morgen zu lesen gibt. Sondern dass die ersten Einschätzungen bereits kurz nach oder sogar noch während der Veranstaltung im Netz verbreitet werden. Wo sie auch noch bis in alle Ewigkeit festgehalten bleiben.
Zudem fallen die Kommentare im Netz oft noch viel unmittelbarer, auch emotionaler aus, wie Studien etwa zu den Unterschieden zwischen Blogs und traditionellen Medien belegen. Wer früher verärgert vor sich hin grummelnd die Zeitung zuschlagen musste, oder sich nur lauthals vom Fernsehsessel aus beklagen durfte, kann seinen Frust heute mit wenigen Klicks im Netz verarbeiten. Das ist nicht immer angenehm, weder für Politiker, noch für alle anderen Berufsgruppen, die im Netz bewertet und kommentiert werden können. Dadurch wird ja aber nur der Ärger offenbart, den es früher genauso gab, – nur eben nicht so transparent.
Und ein „Gesamtmeinungsbild“ gab es auch früher nicht. Was sollte das überhaupt sein? Waren früher etwa alle einer Meinung? Nein, divergierende Meinungen wurden früher höchstens weniger wahr genommen und sind jetzt eben sichtbarer.
Im Grunde muss das Internet hier also wieder dafür herhalten, dass ganz andere Dinge falsch laufen. Und dass die Welt sich weiterentwickelt und damit komplizierter wird, ist eine wiederkehrende Klage. Angeblich war früher ja sogar das Wetter besser. Und wie es heißt, viel weniger unberechenbar.
Heute ist europäischer Datenschutztag. Der Europarat hat sich den vor vier Jahren ausgedacht, um stärker auf das Problem hinzuweisen und um bei der Bevölkerung das Bewusstsein zu erhöhen für die Wichtigkeit des Datenschutzes.
Mir scheint, es braucht diesen Jahrestag nicht mehr. Das Bewusstsein bei der Bevölkerung ist da, es müsste nur noch von der Politik und der Wirtschaft beachtet werden.
Oder warum gibt es gerade heute eine Mitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, in der Leiter Thilo Weichert fordert, das Datentauschabkommen mit der USA namens Swift dürfe nicht umgesetzt werden. Zitat:
„Es ist erschreckend, welches Grundrechtsbewusstsein vom EU-Rat an den Tag gelegt wird und wie das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente bisher ausgebremst wurden. Das noch keine zwei Monate geltende ‚Grundrecht auf Datenschutz‘, das wir heute europaweit feiern, wird zum Papiertiger degradiert.“
Und hat der gleiche Thilo Weichert nicht erst gestern an die bundesdeutsche Politik appelliert, beim Abrechnungsverfahren
ELENA keine intimen Daten von Arbeitnehmern zu übermitteln? Noch ein Zitat gefällig?
„Die zentrale Speicherung der Daten aller Beschäftigten in der Bundesrepublik auf Vorrat hat eine völlig andere Qualität als das bisherige Verfahren, bei dem im Bedarfsfall eine Bescheinigung auf Papier ausgestellt wurde.“
Bei der Gelegenheit wies er darauf hin, dass für diese neue Vorratsdatenspeicherung eine Rechtsgrundlage nötig sei, die es noch nicht gebe.
Datenschutztag also. Dazu passt auch gut der Link zu einem Artikel von Christiane Schulzki-Haddouti über Facebook und die Bemühungen des Unternehmens, Datenschutz zu ignorieren.
Nein, das Bewusstsein der Bevölkerung scheint mir nicht das Problem zu sein. Vielleicht hilft ihr ja Selbstschutz mehr. Hier bei vasistas? gibt es eine lange Liste von Dingen, die dazu beitragen können.
Zuerst der Disclaimer: Falk Lüke hat hier mal gearbeitet. Wäre es möglich, Ironie auf sympathische Weise in einem Text auszudrücken, würde ich schreiben: Und ich finde seine Meinung trotzdem interessant. Geht aber nicht, daher lasse ich das und schreibe einfach, dass er, – wie ich glaube – einen Punkt hat, wenn er fordert, Internetaktivisten sollten innehalten im Schimpfen auf Politik und Politiker. Denn es habe sich etwas geändert:
Politik hört derzeit zu. Politik will zuhören.
Das heißt nicht, dass sich sofort auch etwas an der Politik zum Thema Internet ändert. Aber es heißt, dass die Chance dafür besteht. Und damit könnte er Recht haben.
Natürlich kann man über fluekes Haltung auch wieder schimpfen. Schließlich arbeitet er inzwischen selbst viel mit Politikern und der Verband, der ihn bezahlt, macht Politik. Außerdem impliziert sein Blogeintrag auch die Forderung, nun eher leise Überzeugungsarbeit einzusetzen statt lauter Demonstrationen.
Dafür könnte man ihm Naivität vorwerfen, da sich Politik nie ändern werde und nur durch Machtdemonstrationen überzeugt werden könne, nie durch Argumente und… Aber halt, genau solche Meinungen braucht es ja nun nicht mehr, denn:
…im neuen Bundestag sitzen viele auch jüngere Menschen, die längst nicht mehr so Internet-inkompetent sind wie ihre Amtsvorgänger. (…) Klar, natürlich gibt es noch viele Entscheidungsträger, deren Affinität zu den neueren Medienformen, freundlich formuliert, distanziert ist. Aber auch das wird sich erledigen – entweder werden die Borg sie schon kriegen, oder sie werden sich nicht dauerhaft halten können.
vor einiger Zeit haben wir uns bei einer Konferenz kennen gelernt, bei der ich mich zum Verhalten der Kulturindustrie im Allgemeinen und der Musikindustrie im Besonderen äußern durfte. Ich echauffierte mich darüber, wie manipulativ Lobbyisten der Verwertungsindustrie mit Zahlen hantieren, wenn es darum geht zu zeigen, wie Urheberrechtsverletzungen ihnen zu schaffen machen (gern als „Piraterie“ oder „Raubkopien“ bezeichnet, um zu suggerieren, dass es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem Menschen Gewalt angetan wird; oder auch mit organisierter Gewaltkriminalität und gar Terrorismus in Zusammenhang gebracht).
Demnach sollen den Rechteinhabern (nicht den Urhebern!) durch Verletzungen von Imaterialgüterrechten 200 bis 250 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren gehen und es würden 750.000 Jobs gefährdet. Das Problem an den Zahlen ist nicht allein, dass nicht klar ist, worauf sie sich beziehen. Gehen diese Jobs und diese Einnahmen pro Jahr verloren? Oder kumulativ? Über welchen Zeitraum?
Sondern dass bislang auch unklar blieb, wie diese Zahlen zustande kamen. Wer hat sie erhoben? Mit welcher Methode?
Zum Glück gibt es Blogs. Daher können wir beide den Machern von Ars Technica dankbar sein, die für einen wunderbaren Beitrag mit dem Titel „750,000 lost jobs? The dodgy digits behind the war on piracy“ aufwändig recherchiert haben, was dran ist an den Zahlen. Ein Hinweis bietet schon der Untertitel: „A 20-year game of Telephone“, sinngemäß „20 Jahre stille Post“.
Die Antwort: nichts ist dran an den Zahlen. Ausgedacht, weitererzählt, zitiert, dann wieder zitiert, dann nochmal zitiert, und schon hat man Quelle über Quelle, auf die man sich berufen kann – völlig unabhängig davon, dass es nie eine belastbare Aussage gab.
Sie waren bei der Konferenz mit meinen Einlassungen nicht einverstanden und haben mir in Ihrer freundlichen Art (keine Ironie, ich finde Sie sehr sympathisch!), gesagt, dass wir uns unbedingt zusammensetzen sollten um darüber zu reden, woher denn die Zahlen kommen. Daran hätte ich großes Interesse, sagte ich und schickte Ihnen den Link zum Artikel von Ars Technica, den Sie aber nie kommentiert haben.
Ebenfalls großes Interesse hatte ich kurz nach der Konferenz am Artikel eines Kollegen des GuardianIllegal downloads and dodgy figures, der die Zahlenspiele der Musikindustrie im Besonderen unter die Lupe genommen hatte. Sein Fazit: „As far as I’m concerned, everything from this industry is false, until proven otherwise.“ Er ist übrigens Wissenschafts-, nicht Musikjournalist.
Es dauerte dann noch mehr als ein halbes Jahr, bis wir uns tatsächlich trafen, nicht ganz unpassend im Einstein unter den Linden, wo sich Lobbyisten und Journalisten eben treffen. (Ich habe mein Frühstück selbst bezahlt.) Wir redeten kaum über Zahlen. Es ging vielmehr darum, wie es in Zukunft weitergehen wird mit Internet und Digitalisierung, was die Aufgabe der Verwerter sein kann und wovon Kreative leben sollen. Es war ein angenehmes Gespräch, und ich habe Sie als klugen und differenzierten Beobachter empfunden. Dass wir bei den meisten Themen nicht einer Meinung waren, hat mich nicht überrascht (und Sie bestimmt auch nicht). Wir sind ja erwachsen und können damit leben, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt in dieser Welt.
Kürzlich habe ich dann in meinem Posteingang eine Email mit folgendem Bestreff gefunden: „Bundesverband Musikindustrie veröffentlicht Positionspapier zur Kulturflatrate“. Und was lese ich da?
Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat ein Positionspapier mit zehn Argumenten gegen die Kulturflatrate veröffentlicht. „Bei Diskussionen um das Urheberrecht in der digitalen Welt fällt immer wieder das Schlagwort von der Kulturflatrate, obwohl eigentlich niemand genau weiß, was damit genau gemeint ist“, so Stefan Michalk, BVMI-Geschäftsführer. „Was von den Befürwortern als Lösung aller Probleme gesehen wird, wäre letztlich nichts anderes als die Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts in der digitalen Welt“, so Michalk weiter.
In zehn Thesen, „Argumente“ genannt, wird dann erläutert, warum die Kulturflatrate eine Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts wäre.
Der Blogger Simon Columbus Markus Beckedahl hat diese Thesen bei netzpolitik.org sofort zur Diskussion gestellt. Und auch sonst ist viel über die Flatrate geschrieben worden. Keine Angst, ich will sie nicht überzeugen, dass sie eine tolle Idee ist – darum geht es gar nicht.
Denn ich bin ohnehin nur bis zu Punkt drei ihrer „Argumente“ gekommen. Da steht:
Die Kulturflatrate führt zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung aller Konsumenten und benachteiligt sozial Schwache. Mit fortschreitender Digitalisierung und zunehmendem Ausbau der Bandbreiten sind immer mehr Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft vom unrechtmäßigen Gebrauch ihrer Produkte betroffen. Eine Kulturflatrate müsste mittelfristig nicht nur Musik, Filme oder Bücher erfassen, sondern würde alle Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft betreffen. Nach Schätzungen der Bundesjustizministerin kämen auf jeden Verbraucher mit Internetanschluss zusätzliche Kosten in Höhe von 50 Euro pro Monat zu. Gerade sozial Schwache können sich das nicht leisten.
Schätzungen der Bundesjustizministerin? Das ist interessant. Können Sie mir dafür eine Quelle nennen? Sie meinen doch hoffentlich nicht die Interviews, in denen die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sagte, dass die Kosten für jeden Einzelnen bei fünfzig Euro im Monat liegen könnten, oder? Weil, wenn Sie das meinen, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass da ein Missverständnis vorliegt.
Wie Frau Zypries darauf kam, hat sie nicht verraten, musste allerdings recht schnell ihre Aussage zurücknehmen und erwähnte anschließend gar keine Zahlen mehr. Sie waren wohl etwas vage.
Nicht zu vage allerdings, um von Ihnen acht Monate später als „Schätzungen der Bundesjustizministerin“ verkauft zu werden.
Mich machen solche Tricks misstrauisch. Als Journalist lernt man, wenn Namen und Zahlen nicht stimmen, verspielt man die Glaubwürdigkeit des gesamten Artikels. Und irgendwann auch die Glaubwürdigkeit der Institution, die sie veröffentlicht hat.
Trotzdem bin ich nicht sehr optimistisch, was die „Schätzungen der Bundesjustizministerin“ angeht. Ich fürchte, es wird weiter abgeschrieben werden. Und irgendwann werden eine Menge Menschen davon ausgehen, dass die Kulturflatrate jeden Bürger fünfzig Euro im Monat kostet und glauben, dass der Bundesverband Musikindustrie sich für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft einsetzt.
Ich hoffe, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass es dazu nicht kommt. Und schließe mich dem Kollegen des Guardian an: Ich gehe (weiterhin) davon aus, dass alles, was von dieser Industrie kommt, als falsch betrachtet werden muss, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Spielkamp
Stefan Michalk ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), Matthias Spielkamp ist Journalist, Blogger und Gründer von iRights.info, einer Seite, die sich mit Urheberrechten in der digitalen Welt beschäftigt.
Heute scheint sich alles um Apple und sein neues Gerät zu drehen. Ehrlich gesagt, ich weiß noch längst nicht, was ich davon halten soll. Hier aber sind zumindest ein paar Links dazu:
Techcrunchglaubt, der Tablet-PC sei nicht nur ein iPhone mit größerem Bildschirm, sondern könnte tatsächlich eine Revolution auslösen. Sei es doch endlich ein Gerät, was die Beschränkungen von Papier überwinden könne. Text, Bild, Video – alles könne dort vereint werden und zu völlig neuen Erzählformen führen. Das gibt es im Netz ja eigentlich jetzt schon, aber auf dem Tablet soll alles noch viel schicker und leichter sein. Ein „lebendes Buch“ gar und nicht nur eine Website mit Touchscreen.
Große Verlage immerhin setzen viele alle Hoffnungen auf das Gerät, schreibt unter anderem die Los Angeles Times. Die Kollegen von der New York Times hätten deswegen gar eine geheime Abordnung zu Apple nach Cupertino gesandt, um mehr über die Möglichkeiten zu erfahren und gemeinsam mit Apple eine große Version ihrer iPhone-Seite zu bauen.
Noch aber ist nicht einmal klar, was das Ding eigentlich kann. Allerdings hat Jason Calacanis, ein umtriebiger Internetfirmengründer, auf seinem Twitteraccount gerade diverse Einzelheiten veröffentlicht. Er habe von Apple so ein Tablet zum Testen bekommen, schreibt er und gibt sich begeistert. Zitat: „best gadget ever made and NOT overhyped“. Wenn es stimmt, was er sagt, hat das Gerät beispielsweise Solarzellen zum Aufladen an Bord, läuft mit einer Variante des iPhone-Betriebssystems, kann im Gegensatz zum iPhone auch verschiedene Programme gleichzeitig betreiben (alles andere wäre auch echt ein Witz), besitzt einen Fingerabdrucksensor, einen HDTV-Tuner und eine Kamera, die gleichzeitig filmt, was vor und was hinter dem Bildschirm passiert. Kosten soll es je nach Ausstattung 599 bis 799 Dollar.
Klingt immerhin plausibel und es sähe Apple ähnlich, kurz vor dem „Keynote“ genannten Event solche Einzelheiten „zu leaken“, also so zu tun, als wären sie ganz zufällig und ohne Absicht an die Öffentlichkeit gelangt.
Wer selbst zuschauen will, die große Enthüllung beginnt heute um 18 19 Uhr. Engadget beispielsweise ist live dabei. Hier entlang.
Digital Life Design oder kurz DLD heißt die wohl wichtigste Konferenz in Deutschland zum Thema Internet. Veranstaltet wird sie von Burda, einem klassischen Medienhaus, das große Teile seines Geldes mit Zeitschriften verdient. Kein Wunder also, dass es beim DLD in vielen Vorträgen und Debatten darum geht, wie Medien im Netz und in dem von Google geschaffenen Geschäftsmodell überleben können.
Ganz kurz – und auch aus Eigeninteresse – zu den beim DLD dazu vorgeschlagenen Lösungen. Erstens: Qualität, Qualität, Qualität plus investigative Recherche. Denn es habe keinen Sinn zu wiederholen, was andere schon wüssten (Jeff Jarvis). Und zweitens: Die vorhandene Technologie nicht ignorieren, sondern nutzen. Denn wer seine Arbeit nur durch die Technologie seiner Ära definiere, werde seine Ära nicht überleben (Tom Glocer, Thomson Reuters).
Ok, soweit ist das nicht revolutionär. Doch ist das noch nicht alles. Noch mal zum Verdeutlichen, beim DLD ging es durchaus auch um Google-Bashing und die immer wieder zitierten „Lousy Pennies„, die sich im Netz mit journalistischem Inhalt nur verdienen ließen.
Und was macht Google? Man beweist Sinn für Marketing. Verloste der Suchmaschinenkonzern doch unter den Teilnehmern der Konferenz zweihundert seiner neuen und in Europa noch nicht erhältlichen Nexus-Mobiltelefone. Die natürlich begeistert empfangen wurden und für Aufmerksamkeit im Netz sorgten.
Das war Googles Idee und nicht Burdas. Und auch wenn auf Twitter sofort gelästert wurde, Apple habe so etwas nie tun müssen, um mit dem iPhone eine Ikone zu schaffen – es war schlau. Zeigt es doch, dass man bei Google bereit ist zu kooperieren (Arroganz mag ich dieser Geste nicht unterstellen). Und dass sich eine Kooperation lohnen könnte, ist der Konzern doch offensichtlich gut für Überraschungen und Innovationen.
Vielleicht wäre es also doch eine interessante Idee, – neben der Investition in Qualität natürlich – irgendwie mit Google zu arbeiten, als gegen Google. Warum? Ganz einfach: „If you can’t beat them, join them“ (Shawn Colo, Gründer des Investors Demand Media).
P.S. Ich habe keinen Medienmanager gesehen, der sein Nexus nicht abholte oder gar zurückgab.
Der O’Reilly-Verlag verkauft immer mehr digitale Bücher. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Absatz sogar um 104 Prozent gestiegen, meldet der Verlag. Von 2007 auf 2008 hatte er lediglich um fünfzig Prozent zugelegt.
Gedruckte Bücher machen zwar immer noch den größten Teil des gesamten Verlags-Umsatzes aus, allerdings gingen hier die Verkaufszahlen im gleichen Zeitraum sogar um eine zweistellige Prozentrate zurück. Bei O’Reilly rechnet man sogar damit, dass die digitalen Bücher die Papierexemplare früher einholen könnten, als von Branchenkennern heute vorhergesagt. Das mag allerdings an dem speziellen Sortiment des Verlages liegen: O’Reilly ist nach eigenen Angaben der weltgrößte Verlag für Technik-Sachbücher.
Bemerkenswert ist daher vor allem die Maßnahme, der man nach eigenem Bekunden die starke Nachfrage verdankt: Vor 18 Monaten hatte sich der Verlag dazu durchgerungen, auf einen technischen Kopierschutz (das sogenannte Digital Rights Management) für seine digitalen Bücher komplett zu verzichten.
Meinen die das ernst? Bei der Firma SarcMark kann man für 1,99 Dollar ein Satzzeichen kaufen, das Sarkasmus in geschriebener Sprache markiert. Das sieht dann aus wie Kringel mit einem Punkt darin.
Ist ja nett, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat, wie sich den vielen Wutanfällen, Ehescheidungen und Freundschaftsabbrüchen Einhalt gebieten ließe, die vermutlich stündlich auf das Konto unbedacht getippter Emails gehen. Die Erfahrung, wie schnell ein ironisch gemeinter Satz falsch verstanden wird, hat wohl jeder schon einmal gemacht.
Aber Satzzeichen patentieren lassen? Wäre der Gesellschaft nicht mehr gedient, wenn Punkt und Komma auch weiter kostenlos blieben? Immerhin geizen schon jetzt viele Netzbenutzer damit. Und was könnte als nächstes kommen? Dass sich jemand die Benutzung des Alphabets oder das Bedienen einer Tastatur schützen lässt? Wir leben zwar in einer Wissensgesellschaft, aber wenn jetzt wirklich jede Idee, die ein Mensch hat, sogleich in Geld umgewandelt werden soll, dann haben in Zukunft nur noch Patentanwälte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Außerdem kann man im Netz gar nicht genug trainieren, permanent nach den richtigen Worten zu suchen, wachsam zu sein gegenüber Missverständnissen und unnötigen Unfreundlichkeiten. Sich mit einem Tippen auf die richtigen Taste aller Verantwortung zu entledigen – „war doch gar nicht so gemeint, stand doch das Sarkasmus-Zeichen drunter!“ – ist aber zu einfach.
Auf Facebook gibt es bereits eine Gruppe, die sich gegen „ironische Anführungszeichen“ verbündet hat. Auch dahinter mag die Vorstellung liegen, dass man es sich mit der Sprache nicht zu einfach machen darf. Sonst sieht nämlich ein letzter Satz beispielsweise künftig einfach so aus:
Φ
(Und das wäre dann vielleicht ein Zeichen für einen lässigen, geistreichen und alles erklärenden Abschlusssatz. Lizenzgebühren bitte an das Kulturkampfblog)
Wie erklärt man ein neues Gesetz, das selbst die, die es vehement fordern, nicht wirklich umreißen können? Vielleicht, indem man das Problem erklärt, das es lösen soll? Ha, schon das ist keine leichte Übung. Also:
Verlage verkaufen weniger Abos ihrer Tageszeitungen und Zeitschriften, weil die Dinge, die darin stehen, auch kostenlos im Internet zu finden sind. Na und, könnten nicht involvierte Beobachter einwenden, müssen sich die Verlage eben etwas anders zum Geldverdienen suchen. Und wenn sie das nicht schaffen, dann müssen sie halt sterben. Küfer und Seifensieder gibt es ja auch nicht mehr und niemand vermisst sie.
Das sehen die Verlage und viele, die für sie arbeiten, naturgemäß anders. Sie wollen von der Politik ein „Leistungsschutzrecht“, damit sie all die Dinge weiterverkaufen können, die von ihnen und nur von ihnen geleistet, daher produziert werden. Wie kompliziert es aber sein kann, diese Verlagsleistung an dem Gesamtwerk „Zeitung“ zu kennzeichnen, zeigte sich unter anderem bei einer Veranstaltung der Böll-Stiftung am Mittwochabend.
Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs beim Springer-Verlag, war dort angetreten, zu erklären, was das geforderte Gesetz können soll: „Es hat einen anderen Schutzgegenstand als das Urheberrecht“, sagte er. „Es schützt die organisatorische und finanzielle Vor- und Nachleistung des Werkmittlers.“ Es meine also ausdrücklich nicht die kreative Schöpfung von Buchstaben und Wörtern.
Was in der Theorie noch irgendwie logisch klingt, wird in der Praxis wirr. Denn, so Keese, weder am Text (der durch Urheberrechte geschützt ist), noch am Layout (das durch Marken- und ebenfalls Urheberrechte Schutz genießt), wolle man die Leistung der Verlage festmachen. Die Antwort, woran man es dann knüpfen wolle, blieb er schuldig und erzählte irgendwas von Ascii-Code und PDF-Dokumenten-Headern.
Etwas klarer war da schon das Wie: Man wolle von gewerblichen Nutzern, also allen Firmen und Organisationen, Lizenzen kassieren dafür, dass sie Inhalte aus Zeitungen nutzen. Festgemacht werden soll das an der „Vervielfältigungshandlung“. Früher habe jede Bank Zeitungsabos gehabt, so Keeses Beispiel, die hätten sie nun nicht mehr, weil sie die Texte nun im Netz lesen könnten. Wenn also künftig ein Bankmitarbeiter einen Zeitungstext ausdrucke, um dessen Informationen für seine Arbeit zu nutzen, solle er das nur dürfen, wenn seine Bank vorher eine entsprechende Lese- und Drucklizenz bei dem Verlag gekauft hat. Ein Abo also.
Dass die das kaum tun wird, wenn Hunderte andere Zeitungen ihre Inhalte weiter kostenlos ins Netz stellen, ist auch Keese klar. Daher möchte er ein Quasimonopol der Verlage errichten, ähnlich der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), die für alle Autoren deren Rechte wahrnimmt und Geld für die Nutzung von Urheberrechten eintreibt. Eine VG Verlag, sozusagen. Über Höhe der Vergütungen und alle anderen Modalitäten müsse noch verhandelt werden, im Zweifel vor Gericht, das dauere zwar, aber sei letztlich kein Problem.
So. Der Irrsinn an der Idee ist, dass sie versucht, ein Geschäftsmodell zu retten, das offensichtlich stirbt. Das Internet hat mit der problemlosen digitalen Vervielfältigung die bisherige Abo-Idee beseitigt und die Idee der teuren, weil durch den begrenzten Platz in einer Zeitung exklusiven Werbung gleich mit. Und zwar vor allem für jene, die sich nicht allzusehr von ihren Konkurrenten abheben und bei denen sich der Unterschied auf die Art der Präsentation der sonst gleichen Nachrichten beschränkt.
Das geschah vor allem, weil die Verlage jahrelang keinen Plan hatten, was sie im Internet wie wollen und nun feststellen, dass sich das Netz eigene Wege und eigene Wirtschaftsformen gesucht hat. Google war schlauer und schneller.
Sicher kann man versuchen, die alte Idee der Mischung Abonnement/Werbung zu retten, um redaktionelle Inhalte zu finanzieren. „Mehr desselben“, nannte der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik den Versuch, mit altem Denken neue Probleme zu lösen. Kann man machen, nutzt aber nicht viel. Wie der Hase im Märchen, der so lange immer wieder gegen die beiden Igel antritt, bis er tot ist.
Ich glaube ja, nicht die Art der Finanzierung hat sich durch das Netz erledigt, sondern die Art der Präsentation. Tot ist vor allem das General-interest-Angebot, wie es im Mediendeutsch heißt, also die Zeitung, die Politik, Wirtschaft, Sport und noch mehr auf ein Mal präsentieren will und sich dabei aus den gleichen Quellen bedient wie die Konkurrenz. Haben wir uns doch alle längst daran gewöhnt, solch strenge Verlagsauswahl zu ignorieren und uns unsere eigenen Medien zusammenzustellen, sei es über RSS-Feeds, Twittertimelines oder den Facebookfreundeskreis.
Spezialisierte Medien hingegen könnten durchaus eine Chance haben, ihre Inhalte für Geld im Netz anzubieten. Es braucht nur simple Abrechnungslösungen, die es bislang noch nicht gibt. Das aber hieße für große Verlage nicht, immer mehr Redaktionen zusammenzuschmeißen und zu einem Brei zu verquirlen, der dann nur noch aus verschiedenen Abflüssen eines einzigen Tanks quillt.
Es hieße, Redaktionen aufzuspalten in kleine, autonome und flexible Einheiten, die sich thematisch spezialisieren und in ihrem Bereich eigenständig und letztlich führend und damit interessant werden können. Und deren Arbeit einzeln anzubieten. Als Abo oder Text für Text.
Statt sich jedoch darauf zu konzentrieren, wieder exklusive Inhalte zu schaffen – also wieder eine echte Verlagsleistung zu erbringen –, geht es im Moment darum, die längst nicht mehr exklusiven Dinge, die Nachrichten, einzusperren. Im Moment wirkt das wie das Bemühen, Zahnpasta wieder in die Tube zurückzustopfen.
Der neben Keese sitzend Till Jaeger, ein Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, sagte: „Vielleicht muss man den Wandel einfach akzeptieren.“ Darum aber geht es gerade auf keinen Fall, die Zahnpasta soll wieder in die Tube. Wie gesagt, kann man versuchen.
Mehr Einschätzungen zu dem Abend gibt es beispielsweise hier und hier und natürlich bei Twitter.
Update: Ich habe den Text mit etwas Abstand noch einmal gelesen und finde inzwischen, hier muss ein kleiner emotionaler Disclaimer hin. Ich habe mich geärgert an diesem Abend. Mehrere Stunden lang war davon die Rede, wie man eine Verlagsleistung von der kreativen Leistung der Autoren abgrenzen und gesondert vergüten kann. Nun finde ich, dass es eine Verlagsleistung gibt, die vor allen anderen Lob und Vergütung verdient: die nämlich, die Qualität von Texten zu heben und zu sichern.
Ich weiß nicht genau, wie man das in der Realität monetär beziffern will. Aber ich weiß, dass in diesen drei oder vier Stunden nicht ein einziges Mal von Qualität die Rede war. Und ich habe in dieser gesamten Debatte das Gefühl, dass einige Verlage alles mögliche zu tun bereit sind – inklusive ihre Leser zu verklagen –, aber als letztes darauf kommen, die Qualität ihrer Produkte zu heben (von einigen rühmlichen Ausnahmen natürlich wie immer abgesehen). Das finde ich, ja, ärgerlich.
Noch ein Disclaimer: Christoph Keese war mal mein Chef und ich schätze ihn durchaus. Die Haltung aber, die er als Verlagsvertreter einnimmt, finde ich zweifelhaft.