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Indiefilm-Modell der Zukunft

Der Film heißt Ink, er handelt von den Alpträumen eines achtjährigen Mädchens, und er ist ein großer Erfolg – jedenfalls in den Tauschbörsen des Netzes. Innerhalb weniger Tage wurde er allein über BitTorrent 400.000 Mal heruntergeladen und landete neben Hollywood-Filmen und anderen Kassenschlagern auf der Liste der „Top 10 Most Pirated Movies on BitTorrent„. Grund genug also für die Filmemacher, sich die Haare zu raufen angesichts der Umsätze, die ihnen dadurch an der Kinokasse schon verloren gegangen sein müssen.

Anders Jamin und Kiowa Winans. In ihrem aktuellen Newsletter an Fans und Freunde drücken die Filmemacher ihre Freude aus über die unvorhergesehene Aufmerksamkeit, die der Film dadurch erhalten habe. Dank der Raubkopien hätte Ink den Sprung auf den 16. Platz der Internet Movie Database (IMDb) geschafft, und die wachsende Popularität hätte auch den Verkauf von DVDs und Blu-rays angekurbelt.

250.000 Dollar hat der Film gekostet. Auf ihrer Homepage haben die Jamin und Kiowa inzwischen auf Anraten anderer einen Button eingerichtet, mit dem zufriedene Tauschbörsianer den beiden etwas spenden können. „Es ist das Indiefilm-Modell der Zukunft“, sagt Kiowa Winans. Die beiden hoffen, zumindest die Kosten der Produktion wieder hereinzuspielen. Reich werden wollen die beiden aber nicht. Nur weiter „absolut unabhängige Filme“ machen.

 

Petition für freies Wissen

Wissenschaftler setzen sich in Deutschland seit Jahren für den freien Zugang zu wissenschaftlichen Materialien ein. Die Initiativen werden unter dem Schlagwort „Open Access“ (Der offene Zugang) zusammen gefasst. Mit der „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ wurde im Jahre 2003 ein großer Meilenstein der Open-Access-Bewegung geschaffen: Zahlreiche Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler forderten gemeinsam eine Stärkung der Open Access – Idee. Passiert ist seitdem wenig.

Eine Petition möchte dies jetzt ändern. Der Blogger Lars Fischer hatte am 20. Oktober beim Petitionssystem des Deutschen Bundestages die Petition „Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“ eingereicht. In seinem Blog beschreibt Lars Fischer seine Motivation für die Einreichung der Petition. Anfang dieser Woche wurde diese freigeschaltet und seitdem wurden rund 8500 Mitzeichner gefunden. Bis zum 22. Dezember besteht die Möglichkeit einer Mitzeichnung. Wenn bis dahin die kritische Masse von 50.000 Mitzeichnern erreicht wird, muss sich der Petitionsausschuss im Deutschen Bundestag mit dem Thema auseinandersetzen und Lars Fischer anhören.

Ein positiver Nebeneffekt wäre, dass dem Thema Open Access in Deutschland endlich mehr (mediale) Aufmerksamkeit gewidmet würde.

Hier ist der Text der Petition:

„Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein müssen. Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, soll der Bundestag auffordern, entsprechende Vorschriften zu erlassen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen.“

Und dies ist die Begründung:

Die öffentliche Hand fördert Forschung und Entwicklung nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung jährlich mit etwa 12 Milliarden Euro. Die Ergebnisse dieser Forschung jedoch werden überwiegend in kostenpflichtigen Zeitschriften publiziert. Es ist nicht angemessen, dass der Steuerzahler für die von ihm finanzierten Forschungsergebnisse erneut bezahlen muss. Wegen der hohen Kosten und der Vielzahl wissenschaftlicher Zeitschriften sind Forschungsergebnisse nur in wenigen Bibliotheken einsehbar. Den meisten Bürgern ist der Zugang zu der von ihnen finanzierten Wissenschaft dadurch nicht nur erschwert, sondern de facto ganz verschlossen. Den Bürger von der Wissenschaft auszusperren ist nicht nur schädlich, sondern auch unnötig. Andere Länder haben vergleichbare Vorhaben bereits umgesetzt. Die US-Amerikanische Behörde National Institutes of Health (NIH) verlangt, dass alle von ihr finanzierten Publikationen binnen 12 Monaten an einem zentralen Ort öffentlich zugänglich sind. Die grundsätzliche Struktur des wissenschaftlichen Publikationswesen verändert sich hierdurch nicht.

 

Der Mob regiert!

„User Generated Content“ wird ja gern verstanden als Möglichkeit, Geld zu sparen und Stellen zu streichen. Irgendwer füllt den Platz dann schon mit irgendwas, das Netz ist groß.

Dabei ist UGC eigentlich die Chance, großartige Ideen zu finden und so Bestehendes noch viel besser zu machen oder ganz Neues zu entdecken. Zumindest, wenn man es versteht wie Twitter und die Menschen einen Dienst nutzen lässt, wie sie es wollen. „Retweets“, Zitierung mittels @-Zeichen und die neuen Listen sind bei dem Mikrobloggingnetzwerk so entstanden, obwohl man darauf eigentlich gar nicht scharf war. Wired und die New York Times haben das vor kurzem aufgeschrieben.

Wired zitiert beispielsweise Twittergründer Biz Stone mit den Worten: „Twitter teaching us what it wants to be“. Was man auch übersetzen könnte als: wir lernen von unseren Nutzern.

 

Blinkenlights

Zoomer ist tot und nun auch die Netzeitung. Je wichtiger das Internet in Deutschland wird, so scheint es, desto deutlicher zeigt sich, dass es nicht in der Lage ist, Journalismus zu finanzieren. Doch ist das so?

Ist das Scheitern der beiden Projekte nicht viel mehr Beleg dafür, wie schwer sich klassische Verlage mit der neuen Technik tun? Wie ungern sie darüber nachdenken, sie zu nutzen, statt sie zu verteufeln oder bestenfalls zu ignorieren?

„Es macht keinen Sinn, das 137. News-Portal zu sein, das dieselbe Nachricht leicht modifiziert ebenfalls veröffentlicht“, heißt es in einer auf den Mainzer Medientagen präsentierten Studie . Die Manpower wäre in eigene, selbst recherchierte Geschichten besser investiert.

Demnach dürfte es eigentlich keine solchen „Nachrichtenportale“ geben, die Leben und Journalismus nur mit Blinkenlights simulieren. Haufenweise Reportagen müssten im Netz sprießen, kritische Analysen, fundierte Hintergründe. Ist aber nicht so. Die paar Großen, die sich so etwas leisten, bejammern ständig die Kosten. Es brauche endlich erfolgreiche Finanzierungsmodelle für alle Mediengattungen, schreibt jemand bei Carta.

Dabei gibt es die längst, sie heißen „solider Journalismus“, „Haltung zeigen“, „Leserliebe“.

Warum soll das im Netz anders sein? Auch dort braucht es Profil und Haltung und das Wissen, für wen man das eigentlich schreiben will. Nur dass die Technik noch viel mehr Chancen bietet, das zu zeigen. Hätte nie gedacht, dass ich dem Mann hier mal Recht geben würde, aber was er sagt, stimmt: Mit seichten Inhalten überhöhte Renditeerwartungen erfüllen zu wollen, ist Quatsch. „Das Internet ist kein Grund zu sagen: Wir brauchen keinen Qualitätsjournalismus mehr.“

 

Facebook für den Weltfrieden

Für kulturkritisch gestimmte Menschen ist Facebook bestenfalls ein Weg, frühere Liebschaften zu stalken. Oder eine Seite voller Profilneurotiker, die meinen, sie müssten die Welt an ihrem Leben teilhaben lassen. Deutlich positiver scheint die Stanford Universität die Möglichkeiten Facebooks zu sehen. Dort nimmt man soziale Netzwerke ernst und begreift sie als Chance.

Unter dem Titel „Machines Designed to Change Humans“ – Maschinen, die Menschen ändern können, befasst sich das Stanford Persuasive Technology Lab damit, wie Technik uns in den nächsten 30 Jahren zum Weltfrieden führen kann. Denn daran glaubt man dort ganz fest.

Eines der vielen Forschungsprojekte ist die Facebook-Seite „peace.facebook.com„. Sie versucht, unterschiedliche Gruppen zusammenzubringen, die sonst tief verfeindet sind: Juden und Muslime, Liberale und Konservative, Albaner und Serben oder Griechen und Türken. So gibt die Seite aktuell Auskunft darüber, dass in den vergangenen Stunden 5.788 jüdisch-palästinäsische Online-Freundschaften geschmiedet wurden. Und Griechen und Türken haben im gleichen Zeitraum gleich über 16.000 Mal zusammengefunden. Außerdem fragt die Seite jeden Tag seine Besucher, ob sie daran glauben, dass es möglich sein wird, in den nächsten 50 Jahren Weltfrieden herzustellen. Gut sieben Prozent der Befragten in den USA glauben daran, elf Prozent sind es in Deutschland und immerhin fast jeder Vierte (24,66 %) in Israel.

„Menschen sind sehr überzeugend“, sagt BJ Fogg, Leiter des Technik-Labors der Stanford Universität. Manche Individuen wie Barack Obama seien besonders charismatisch. Aber auch die effizientesten Friedensstifter wie der Dalai Lama hätten ihre Grnezen und könnten leider auch nicht geklont werden. „Menschen können Maschinen benutzen, um ihren Einfluss zu erhöhen.“ Und dieser Ansatz könne tatsächlich zu mehr Frieden führen: „Die effizientesten Friedenstifter werden ihren Einfluss dank der Weiterentwicklung von Technologien über die eigene Kommunity hinaus erhöhen.“

Allerdings, wenn charismatische Friedenssstifter soziale Netzwerke nutzen können, um ihre Ideen zu verbreiten, wie sieht es denn aus mit der Verbreitung von Hassreden und rechtsradikalen Gedanken? Rechte Parteien sind nicht so schlecht darin, moderne Techniken für ihre Zwecke einzusetzen. Die Projekte der Uni Stanford immerhin zeigen, dass man ihnen das Feld nicht kampflos überlassen muss.

 

Die neue Dimension

Und hier noch das Wordle des gesamten Koalitionsvertrages.

"Stärken müssen", der Koalitionsvertrag

Die Dimensionen sind interessant. „Zukunft“ ist noch vergleichsweise groß, „Daten“ schon sehr viel kleiner, und „Internet“ kaum noch zu erkennen. Doch, es ist drauf, rechts oben. Aber von einem Umdenken kann nicht die Rede sein, wenn das Wort in dem Text so selten vorkommt.

 

Wo bleibt die versprochene Internetrepublik?

Union und FDP haben ihren Koalitionsvertrag verhandelt und dieser steht schon im Netz. Auf 124 Seiten Text kommt das Wort Internet sogar 32x vor. Das ist mehr als in früheren Koalitionsverträgen. Und doch enttäuscht das Ergebnis. Der Koalitionsvertrag liest sich rund um das Thema Netzpolitik wie die Fortführung der Politik der letzten Jahre mit ein paar Justierungen.

koalitionsvertrag_internet
(Tagcloud via Metaroll)

Einzige Überraschung: Das Zugangserschwerungsgesetz soll ein Jahr ausgesetzt werden, in dem Zeitraum soll die dazu errichtete Netzzensur-Infrastruktur auch nicht genutzt werden. Unklar bleibt bisher, ob die Bundesregierung die Netzzensur-Pläne auf internationaler Ebene weiter vorantreibt, oder ihr Engagement für den Zeitraum ebenfalls auf Eis legt. Beim Urheberrecht sieht es gar nach einer Radikalisierung aus. Die Rechteindustrie freut sich bereits, dass nahezu ihr gesamter Forderungskatalog von der neuen Regierung umgesetzt werden wird.

Viele Forderungen im Koalitionsvertrag sind austauschbar: Etwas mehr eGovernment, offene Standards in der Verwaltung und mehr Breitbandinternet auf dem Land. Das wollte schon jede Regierung in diesem Jahrzehnt.

Das Lesen des Koalitionsvertrages löst keine Begeisterungsstürme aus. Man sieht an ihm, wie unwichtig das Thema Netzpolitik immer noch in der deutschen Politik ist. Wo ist die Vision? Was sind die neuen Ideen dieser Koalition? Was sind die konkreten Netzpolitik-Projekte, die begeistern? Während in Finnland ein „Recht auf Breitband“ eingeführt wird und in den USA sich die Regierung durch OpenGovernment offener und transparenter macht, freuen wir uns auf die DE-Mail und hoffen, dass die elektronische Krankenakte kaputt evaluiert wird. Und müssen fürchten, dass der neue Innenminister ziemlich schnell seine Forderung nach Verkehrsregeln im Internet umsetzen wird.

So wird das nichts mit der versprochenen Internetrepublik, die von der FDP im Wahlkampf ausgerufen wurde.

Ansonsten gilt, was Kai Biermann schon auf Zeit.de geschrieben hat: Angst vor dem Netz bleibt der Tenor.

 

Die Zukunft des Buches ist digital

Auf der Frankfurter Buchmesse wird gerade die Zukunft des Buches diskutiert. Vor allem geht es um eine Frage: „Was kann die Verlagsbranche von der Musikindustrie lernen?“ Lernen kann sie viel, aber schaut man sich die Strategien verschiedener eBook-Hersteller und die Online-Strategien der Verlage an, kommen Zweifel, ob sie die richtigen Fragen stellt.

Die Musikindustrie wurde als erste von der Digitalisierung erwischt. In den ersten Jahren nach Napster galt Kopierschutz mit Digital Rights Management als die Erlösung. Doch scheiterte man damit grandios und seit dem sind Kopierschutztechnologien auf dem Rückzug.

Hauptgrund war die fehlende Akzeptanz. DRM entmündigte die Nutzer. Sie konnten nicht mehr selbst entscheiden, auf welchen Geräten sie ihre erworbene Musik hörten. Weiterverkaufen oder verleihen ließen sich die digitalen Musikstücke auch nicht. Krönung waren DRM-Standards wie „Plays for Sure“ von Microsoft, die dank Marktmacht suggerierten, dass die erworbenen Inhalte selbstverständlich überall nutzbar seien. „Überall“ meinte dabei aber „nur auf Microsoft-Plattformen“. Mit der Nachhaltigkeit und dem „Plays for sure“ war es irgendwann auch vorbei: Bald kündigte man an, die Kopierschutzserver abzuschalten.

Und die Buchbranche im Jahre 2009? Die träumt dieselben Träume wie die Musikindustrie vor einigen Jahren. Anbieter wie Amazon schmeißen eBook-Reader wie den Kindle auf den Markt, die nur mit dem eigenen, natürlich geschützten Format funktionieren. Die Verlage hoffen, künftig nur noch Nutzungslizenzen zu verkaufen, nicht mehr richtige Bücher. Und die Nutzer werden bald feststellen, dass irgendetwas nicht stimmt: Für einen ähnlich hohen Preis wie das gedruckte Buch erwirbt man lediglich ein Nutzungsrecht. Das eBook ist weder weiter verkaufbar, noch kann man das Exemplar einem Freund leihen. Unterschiedliche Kopierschutz-Standards sorgen dafür, dass man an einzelne Anbieter gefesselt wird. Wechselt man in einem Jahr vom Amazon-Kindle zur Konkurrenz, kann man wahrscheinlich die gekauften Bücher nicht mitnehmen.

Aber wie sieht die Zukunft des Buches aus?

Ich glaube, sie wird ganz anders aussehen, als wir uns das vorstellen können. Das alte Verständnis eines linearen Aufbaus der Erzählstruktur war dem analogen Medium Buch geschuldet. In den meisten eBook-Konzepten wird derzeit das analoge System nur 1:1 auf einen digitalen Vertrieb übersetzt.

Wo bleiben die Visionen, dass Literatur auch nichtlinear und multimedial sein kann? Gerade die Verschmelzung von Text, Audio und Videoinhalten zu etwas Neuem bietet Chancen. Allerdings, auf den gerade vorgestellten eBook-Readern wird so etwas nicht möglich
Sein. Die Geräte wirken technologisch wie Urgesteine aus den achtziger Jahren.

Vielleicht wird diese Technologie ja bald von Smartphones überholt. Diese verfügen auch über einen Browser und den passenden Rückkanal: So könnte die Zukunft des Buches viel vernetzter sein… Wenn ich Special-Interest-Bücher lese, interessiert mich doch, wer das gleiche Buch noch liest. Und ich hätte gerne Kontakt zu diesen Menschen. Selbst bei Beststellern kann es interessant sein, direkt im Lesefluss mit anderen Menschen darüber
zu kommunizieren.

Dabei könnte die Verlagsbranche viel von innovativen Konzepten der Musikindustrie lernen: Wer neue Wege geht, hat eher Erfolg als die dröge Masse. Der kanadische Science Fiction Autor und Blogger Cory Doctorow beschrieb auf der vergangenen re:publica´09 (Offenlegung: Der Autor veranstaltet die re:publica-Konferenzen) seine Strategie, Bücher zusätzlich zum Verkauf zu verschenken. Alle seine Werke sind unter einer Creative Commons Lizenz kostenfrei verfügbar. Das führt nicht nur dazu, dass seine Fans die Bücher freiwillig und kostenlos in Sprachen übersetzen, die von seinem Verlag als unrentabel angesehen werden. Die Fans sind auch glücklich über den Vertrauensvorschuss, verlinken auf seine Bücher und weisen andere auf sie hin. Doctorow profitiert dabei von Netzwerkeffekten im Marketing. Sein Geld verdient er weiter mit dem Verkauf der gedruckten Bücher und der eBooks, denn auch sie gibt es für Geld. Selbstverständlich ohne Kopierschutz. Die Frage, was wäre, wenn er keine gedruckten Bücher mehr verkaufen würde, antwortet er, dass Autoren heute ständig innovativ sein und neue Wege gehen müssten. Die Zeiten seien vorbei, wo man jahrzehntelang mit derselben Idee Geld verdienen könnte. Im Zweifel müsse er eben sein Geschäftsmodell anpassen.

Einige Musiker versuchen das schon und binden ihre Fans in die Wertschöpfungskette ein. Angefangen bei der Finanzierung der Produktion. Der Vorschuss, den früher die Verlage zahlten, kommt so von denen, die die Musik dann hören wollen.

Auch die Buchbranche braucht Mut für neue Wege. Kopierschutz und geschlossene DRM-Systeme sind keine nachhaltige Lösung, die die Kunden zufrieden stellen wird.

 

Wir sind digitale Messis

Was jetzt folgt, mag zynisch klingen, aber versprochen, es ist so nicht gemeint: „Alles hat auch sein Gutes“, pflegte meine Großmutter zu sagen. Ich glaube, es stimmt sogar in Fällen wie dem Sidekick-Datenverlust. Den Betroffenen wird es schwer fallen, dem Verschwinden ihrer Emails und Telefonnummern etwas Positives abzugewinnen. Für uns alle aber kann es eine wichtige Erinnerung sein.

Die wahre Leistung unseres Gehirns ist nicht, dass es sich Dinge merken kann, es ist seine Fähigkeit zu vergessen. Ohne diese würden wir wahnsinnig werden und irgendwann unter der schieren Menge an gespeicherten Informationen zusammenbrechen. Im Alltag haben wir das begriffen und jene, die alles sammeln und nichts wegwerfen können, gelten als krank.

Doch wenn es um unsere Computer geht, ignorieren wir dieses Wissen. Wir müllen uns zu in der Informationsgesellschaft. Weil Speicherplatz billig ist und weil Suchmaschinen den Eindruck erwecken, wir hätten einen Weg gefunden, der Flut zu begegnen. Ich glaube, der Eindruck trügt.

Google, die anerkannt effektivste Suche derzeit, erfasst nur einen Bruchteil des Internet. Außerdem gaukelt die Ergebnisseite Übersichtlichkeit lediglich vor. Wer hat je die Millionen Treffer angeschaut, die eine alltägliche Abfrage hervorbringt? Zwar versucht der Algorithmus, eine Schwarm-Relevanz zu berücksichtigen, doch befriedigend ist das nicht, fehlt doch beispielsweise die Idee, dass Informationen auch veralten.

Viktor Mayer-Schönberger fordert für das Internet schon lange ein Vergessen und hat jetzt auch ein Buch darüber geschrieben. Ich fände es einen Segen. Und ja, auch wenn es mich selbst betrifft.

Wie schreibt Nik Cubrilovic von Techchrunch: „Die Kontaktliste seines Handys zu verlieren, sollte kein Problem sein – wir sollten eigentlich wissen, wer unsere Freunde sind.“ Recht hat er, und so ein Absturz kann uns daran erinnern. Die, die uns danach nicht mehr einfallen, waren vielleicht schon lange keine Freunde mehr. Oder sind es nie gewesen.

Ein Crash ist ärgerlich, ja. Aber er kann erleichtern, uns von digitalem Müll befreien und uns erinnern, dass wir öfter mal Daten wegwerfen sollten, statt immer neue Backups anzulegen, die wir uns sowieso nie wieder anschauen. Oder, um noch einmal Techchrunch zu zitieren: „Lasst die Daten einen natürlichen Tod sterben. Was wichtig ist, wird überleben.“