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Willst du ein A kaufen?

Meinen die das ernst? Bei der Firma SarcMark kann man für 1,99 Dollar ein Satzzeichen kaufen, das Sarkasmus in geschriebener Sprache markiert. Das sieht dann aus wie Kringel mit einem Punkt darin.

Ist ja nett, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat, wie sich den vielen Wutanfällen, Ehescheidungen und Freundschaftsabbrüchen Einhalt gebieten ließe, die vermutlich stündlich auf das Konto unbedacht getippter Emails gehen. Die Erfahrung, wie schnell ein ironisch gemeinter Satz falsch verstanden wird, hat wohl jeder schon einmal gemacht.

Aber Satzzeichen patentieren lassen? Wäre der Gesellschaft nicht mehr gedient, wenn Punkt und Komma auch weiter kostenlos blieben? Immerhin geizen schon jetzt viele Netzbenutzer damit. Und was könnte als nächstes kommen? Dass sich jemand die Benutzung des Alphabets oder das Bedienen einer Tastatur schützen lässt? Wir leben zwar in einer Wissensgesellschaft, aber wenn jetzt wirklich jede Idee, die ein Mensch hat, sogleich in Geld umgewandelt werden soll, dann haben in Zukunft nur noch Patentanwälte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Außerdem kann man im Netz gar nicht genug trainieren, permanent nach den richtigen Worten zu suchen, wachsam zu sein gegenüber Missverständnissen und unnötigen Unfreundlichkeiten. Sich mit einem Tippen auf die richtigen Taste aller Verantwortung zu entledigen – „war doch gar nicht so gemeint, stand doch das Sarkasmus-Zeichen drunter!“ – ist aber zu einfach.

Auf Facebook gibt es bereits eine Gruppe, die sich gegen „ironische Anführungszeichen“ verbündet hat. Auch dahinter mag die Vorstellung liegen, dass man es sich mit der Sprache nicht zu einfach machen darf. Sonst sieht nämlich ein letzter Satz beispielsweise künftig einfach so aus:

Φ

(Und das wäre dann vielleicht ein Zeichen für einen lässigen, geistreichen und alles erklärenden Abschlusssatz. Lizenzgebühren bitte an das Kulturkampfblog)

 

Die Zahnpasta soll wieder in die Tube

Wie erklärt man ein neues Gesetz, das selbst die, die es vehement fordern, nicht wirklich umreißen können? Vielleicht, indem man das Problem erklärt, das es lösen soll? Ha, schon das ist keine leichte Übung. Also:

Verlage verkaufen weniger Abos ihrer Tageszeitungen und Zeitschriften, weil die Dinge, die darin stehen, auch kostenlos im Internet zu finden sind. Na und, könnten nicht involvierte Beobachter einwenden, müssen sich die Verlage eben etwas anders zum Geldverdienen suchen. Und wenn sie das nicht schaffen, dann müssen sie halt sterben. Küfer und Seifensieder gibt es ja auch nicht mehr und niemand vermisst sie.

Das sehen die Verlage und viele, die für sie arbeiten, naturgemäß anders. Sie wollen von der Politik ein „Leistungsschutzrecht“, damit sie all die Dinge weiterverkaufen können, die von ihnen und nur von ihnen geleistet, daher produziert werden. Wie kompliziert es aber sein kann, diese Verlagsleistung an dem Gesamtwerk „Zeitung“ zu kennzeichnen, zeigte sich unter anderem bei einer Veranstaltung der Böll-Stiftung am Mittwochabend.

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs beim Springer-Verlag, war dort angetreten, zu erklären, was das geforderte Gesetz können soll: „Es hat einen anderen Schutzgegenstand als das Urheberrecht“, sagte er. „Es schützt die organisatorische und finanzielle Vor- und Nachleistung des Werkmittlers.“ Es meine also ausdrücklich nicht die kreative Schöpfung von Buchstaben und Wörtern.

Was in der Theorie noch irgendwie logisch klingt, wird in der Praxis wirr. Denn, so Keese, weder am Text (der durch Urheberrechte geschützt ist), noch am Layout (das durch Marken- und ebenfalls Urheberrechte Schutz genießt), wolle man die Leistung der Verlage festmachen. Die Antwort, woran man es dann knüpfen wolle, blieb er schuldig und erzählte irgendwas von Ascii-Code und PDF-Dokumenten-Headern.

Etwas klarer war da schon das Wie: Man wolle von gewerblichen Nutzern, also allen Firmen und Organisationen, Lizenzen kassieren dafür, dass sie Inhalte aus Zeitungen nutzen. Festgemacht werden soll das an der „Vervielfältigungshandlung“. Früher habe jede Bank Zeitungsabos gehabt, so Keeses Beispiel, die hätten sie nun nicht mehr, weil sie die Texte nun im Netz lesen könnten. Wenn also künftig ein Bankmitarbeiter einen Zeitungstext ausdrucke, um dessen Informationen für seine Arbeit zu nutzen, solle er das nur dürfen, wenn seine Bank vorher eine entsprechende Lese- und Drucklizenz bei dem Verlag gekauft hat. Ein Abo also.

Dass die das kaum tun wird, wenn Hunderte andere Zeitungen ihre Inhalte weiter kostenlos ins Netz stellen, ist auch Keese klar. Daher möchte er ein Quasimonopol der Verlage errichten, ähnlich der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), die für alle Autoren deren Rechte wahrnimmt und Geld für die Nutzung von Urheberrechten eintreibt. Eine VG Verlag, sozusagen. Über Höhe der Vergütungen und alle anderen Modalitäten müsse noch verhandelt werden, im Zweifel vor Gericht, das dauere zwar, aber sei letztlich kein Problem.

So. Der Irrsinn an der Idee ist, dass sie versucht, ein Geschäftsmodell zu retten, das offensichtlich stirbt. Das Internet hat mit der problemlosen digitalen Vervielfältigung die bisherige Abo-Idee beseitigt und die Idee der teuren, weil durch den begrenzten Platz in einer Zeitung exklusiven Werbung gleich mit. Und zwar vor allem für jene, die sich nicht allzusehr von ihren Konkurrenten abheben und bei denen sich der Unterschied auf die Art der Präsentation der sonst gleichen Nachrichten beschränkt.

Das geschah vor allem, weil die Verlage jahrelang keinen Plan hatten, was sie im Internet wie wollen und nun feststellen, dass sich das Netz eigene Wege und eigene Wirtschaftsformen gesucht hat. Google war schlauer und schneller.

Sicher kann man versuchen, die alte Idee der Mischung Abonnement/Werbung zu retten, um redaktionelle Inhalte zu finanzieren. „Mehr desselben“, nannte der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik den Versuch, mit altem Denken neue Probleme zu lösen. Kann man machen, nutzt aber nicht viel. Wie der Hase im Märchen, der so lange immer wieder gegen die beiden Igel antritt, bis er tot ist.

Ich glaube ja, nicht die Art der Finanzierung hat sich durch das Netz erledigt, sondern die Art der Präsentation. Tot ist vor allem das General-interest-Angebot, wie es im Mediendeutsch heißt, also die Zeitung, die Politik, Wirtschaft, Sport und noch mehr auf ein Mal präsentieren will und sich dabei aus den gleichen Quellen bedient wie die Konkurrenz. Haben wir uns doch alle längst daran gewöhnt, solch strenge Verlagsauswahl zu ignorieren und uns unsere eigenen Medien zusammenzustellen, sei es über RSS-Feeds, Twittertimelines oder den Facebookfreundeskreis.

Spezialisierte Medien hingegen könnten durchaus eine Chance haben, ihre Inhalte für Geld im Netz anzubieten. Es braucht nur simple Abrechnungslösungen, die es bislang noch nicht gibt. Das aber hieße für große Verlage nicht, immer mehr Redaktionen zusammenzuschmeißen und zu einem Brei zu verquirlen, der dann nur noch aus verschiedenen Abflüssen eines einzigen Tanks quillt.

Es hieße, Redaktionen aufzuspalten in kleine, autonome und flexible Einheiten, die sich thematisch spezialisieren und in ihrem Bereich eigenständig und letztlich führend und damit interessant werden können. Und deren Arbeit einzeln anzubieten. Als Abo oder Text für Text.

Statt sich jedoch darauf zu konzentrieren, wieder exklusive Inhalte zu schaffen – also wieder eine echte Verlagsleistung zu erbringen –, geht es im Moment darum, die längst nicht mehr exklusiven Dinge, die Nachrichten, einzusperren. Im Moment wirkt das wie das Bemühen, Zahnpasta wieder in die Tube zurückzustopfen.

Der neben Keese sitzend Till Jaeger, ein Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, sagte: „Vielleicht muss man den Wandel einfach akzeptieren.“ Darum aber geht es gerade auf keinen Fall, die Zahnpasta soll wieder in die Tube. Wie gesagt, kann man versuchen.

Mehr Einschätzungen zu dem Abend gibt es beispielsweise hier und hier und natürlich bei Twitter.

Update: Ich habe den Text mit etwas Abstand noch einmal gelesen und finde inzwischen, hier muss ein kleiner emotionaler Disclaimer hin. Ich habe mich geärgert an diesem Abend. Mehrere Stunden lang war davon die Rede, wie man eine Verlagsleistung von der kreativen Leistung der Autoren abgrenzen und gesondert vergüten kann. Nun finde ich, dass es eine Verlagsleistung gibt, die vor allen anderen Lob und Vergütung verdient: die nämlich, die Qualität von Texten zu heben und zu sichern.

Ich weiß nicht genau, wie man das in der Realität monetär beziffern will. Aber ich weiß, dass in diesen drei oder vier Stunden nicht ein einziges Mal von Qualität die Rede war. Und ich habe in dieser gesamten Debatte das Gefühl, dass einige Verlage alles mögliche zu tun bereit sind – inklusive ihre Leser zu verklagen –, aber als letztes darauf kommen, die Qualität ihrer Produkte zu heben (von einigen rühmlichen Ausnahmen natürlich wie immer abgesehen). Das finde ich, ja, ärgerlich.

Noch ein Disclaimer: Christoph Keese war mal mein Chef und ich schätze ihn durchaus. Die Haltung aber, die er als Verlagsvertreter einnimmt, finde ich zweifelhaft.

 

Im Protokoll verfangen

Gestern war ich zum Datenschutzdialog beim Innenminister Thomas de Maizière geladen. Und noch einige Menschen mehr: zwei Professoren, Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club, Patrick Breyer vom AK Vorrat, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und dann noch diverse Institutionen- und Verbandsvertreter.

De Maizière hatte gleich zu Beginn der Veranstaltung gesagt, man würde nun vom Netz lernen wollen und daher auch solch ein „für das BMI“ neues Format ausprobieren. Nehmen wir einmal an, der Bundesinnenminister wollte das wirklich. Und er wollte ernsthaft über Datenschutz im Internet diskutieren. Dann lief das weitgehend schief. Wenn ein Minister lädt, kommen nämlich nicht die Fachleute. Sondern die Vorstände. Das nennt man Protokoll – Minister reden in der Regel nicht auf Fachebene, und Vorstände wollen gerne mit Ministern reden.

Bitkom hatte statt seines Präsidenten (der stand ursprünglich auf der Liste), immerhin seinen Geschäftsführer geschickt, eine ganz gute Wahl aus fachlicher Sicht. Ein tolles Beispiel für dieses Problem aber war das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: dessen Präsident redete von organisierter Internetkriminalität. Die soll zwar auch noch Thema in einem der nächsten Dialoge des BMI sein. Aber dieses mal ging es um Datenschutz und Datensicherheit, über die Michael Hange kein Wort verlor.

Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband redete von Virenscannern, Autos, Datenladendiebstahlsmentalität und Nutzern, die es mit dem Urheberrecht ja auch nicht so genau nehmen. Und Michael Rotert vom Internetverband Eco sprach eigentlich auch nie von Datenschutz. Dafür von Netzneutralität – die Provider hätten kein Interesse daran, diese abzuschaffen. Abgesehen von Ausnahmen. Da kann man die Stirn gar so viel in Falten legen, wie man möchte. Sie würde eine Hexentreppe.

Thomas de Maizière kann einem leid tun. Wenn er wirklich in einen Dialog eintreten will, muss er vom Internet nämlich noch etwas lernen: formaler Status ist irrelevant. Wenn er als Minister ernsthaft in die Diskussion um Datenschutz im Internet und andere Fragen einsteigen will, muss er seinen Ministerposten vergessen. Und sich mit denen unterhalten, die Verstand statt Vorstand mitbringen.

 

Aus fünf Dollar wurden fünf Millionen

Es scheint, als beweise die digitale Welt im Angesicht der Katastrophe in Haiti gerade ihren Kritikern, dass gleich zwei Grundannahmen über sie falsch sind. Die Vorurteile nämlich, dass erstens in Netzwerken wie Facebook oder Twitter eh nur gequatscht aber nichts getan wird – bekannt unter dem Kunstwort Slacktivismus. Und dass zweitens die vielen kleinen Nischenlösungen keine große Wirkung entfalten könnten.

Small is the new big, schrieb Seth Godin 2005 erst in einem Blog und dann in einem Buch. Belege für diese These gibt es inzwischen einige, einen weiteren liefert gerade das Erdbeben in der Karibik.

In Netzwerken wurde schon kurz nach den ersten Meldungen darüber massiv zu Spenden aufgerufen, nichts Großes, lediglich kleine Beträge sollten es sein, fünf oder zehn Dollar meist. Inzwischen meldete das Rote Kreuz, dass man durch diese Kampagne mehr als fünf Millionen Dollar eingenommen habefast genauso viel also wie das, was die gesamte Europäische Union an Hilfsgeldern zur Verfügung stellt.

Offensichtlich finden sich auch im Netz viele Menschen, die etwas tun wollen – wenn die Hürden dazu nur niedrig genug sind. Klassische Spendenkampagnen, für die per Hand Überweisungsträger ausgefüllt und zur Bank getragen werden müssen, erreichen hierzulande nur noch Über-60-Jährige. Wohl vor allem, weil das Verfahren aufwändig ist.

Für die Internet-Spende dagegen genügt – wenn die Hilfsorganisation es eingerichtet hat – eine SMS mit einem bestimmten Stichwort an eine bestimmte Nummer. Abgebucht wird von der Mobiltelefonrechnung.

Ähnliche Kampagnen von Stars wie Wyclef Jean brachten bereits mehrere hunderttausend Dollar. Er wirbt unter anderem mit dem Satz: „Every1 has $5 every1 got a phn! – Jeder hat ein Mobiltelefon und jeder hat fünf Dollar übrig.“ In Deutschland sammelt beispielsweise Johnny Häusler vom Blog Spreeblick.

Nebenbei: Suchten nicht Zeitungsverlage nach simplen Möglichkeiten, damit Online für Abos und Texte bezahlt werden kann?

 

Du sollst huldigen nur mir

Nach all dem Für und Wider zu Googles Chinameldung hier nun die einzig wahre Reaktion auf das Spektakel. Satire. Zitat:

„Du sollst keine andere Suchmaschine neben mir haben, nicht Bing noch Yahoo noch Ask. Du sollst huldigen nur mir, und nur Google nach der Antwort fragen.“

 

Privatsphäre 2.0 oder die Zuckerberg-Variante

Im ursprünglichen Wortsinn meint Privatheit jenen Zustand, in dem wir uns befinden, solange wir uns nicht öffentlich betätigen. Einen bewusst gewählten Rückzugsort von der Gesellschaft somit. Demnach schließen sich die Begriffe Privatsphäre und soziales Netzwerk per Definitionem aus. Immerhin werden durch solche Angebote Informationen öffentlich – meint, von Suchmaschinen auffindbar und damit Menschen zugänglich, für die sie ursprünglich nicht gedacht waren.

Eigentlich erstaunlich also, dass es jedes Mal Aufregung gibt, wenn beispielsweise Facebook die Instrumente ändert, mit denen die Nutzer bestimmen können, was Freunde sehen und was der Rest der Welt. Oder wenn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wie gerade in einer Diskussionsrunde sagt, würde er Facebook heute gründen, wären viel mehr Informationen per Voreinstellung öffentlich als sie es nun schon sind.

Vielleicht ändert sich unsere Einstellung zum Thema Privatsphäre ja langsamer, als Menschen wie Zuckerberg – der von dieser unserer Privatsphäre lebt –, uns glauben machen. Vielleicht wollen wir sie gar nicht so gern hergeben, auch wenn wir es täglich tun? Oder der Bauch, der sagt, ist doch lustig, raus mit der Info über die Party, ist schneller als der Kopf, der noch überlegt, was das wirklich bedeutet? Oder die soziale Norm, alles zu posten, ist so neu, dass wir noch üben müssen, mit ihr umzugehen und gerade erst lernen, wie weit wir gehen müssen/können?

Keine Ahnung.

Doch eines ist sicher: Zuckerbergs Behauptung, Facebook reagiere nur und tue nichts weiter, als sich ändernde soziale Normen widerzuspiegeln, ist eine Lüge gefährliche Untertreibung.

Gäbe es das Werkzeug nicht, würden auch keine Regeln für den Umgang damit entstehen. Mit bloßer Hand, ohne einen Hammer, um eine alte psychologische Metapher zu zitieren, würde niemand auf die Idee kommen, einen metallenen Nagel in eine Wand treiben zu wollen. Ja, der Hammer wurde erfunden, um genau diese Aufgabe zu erfüllen, also ein Bedürfnis zu befriedigen. Doch es ist eine direkte Beziehung der Weiterentwicklung (größere Hämmer, dickere Nägel) und den eigenen Anteil daran zu negieren, ist nicht ehrlich.

Facebook und andere Netzwerke wie YouTube erziehen ihre hunderten Millionen Nutzer dazu, immer mehr preiszugeben. Sie belohnen solches Verhalten mit einer verlockenden Währung: Aufmerksamkeit. Sie wurden erfunden, weil es das Bedürfnis dazu gab. Doch sie werden auch größer, weil sie dieses Bedürfnis befeuern und schüren.

Dass sich Facebook dieses Mechanismus‘ und seiner Gefahren bewusst ist, zeigt ein anonymes Interview mit einem Angestellten des Netzwerks bei rumpus.net. Der darin erzählt, in welchem Umfang Daten der Nutzer gesammelt werden: „We track everything.“

Auch die Tatsache, dass Facebook vor einiger Zeit die Position eines Chief Privacy Officer geschaffen hat, zeigt, dass das Unternehmen weiß, was es tut. Inzwischen geradezu ein Standard im sogennnten Web 2.0, wie der Anonymus sagt: „Offensichtlich braucht es jemanden, der einen Schritt zurücktritt und sicherstellt, dass irgendein Datenschutz existiert, oder zumindest soviel davon, wie wir installieren können.“

Daher wäre wohl eher mehr Verantwortungsbewusstsein angebracht, nicht noch mehr Zuckerbergsche Versuche, sich dieser Verantwortung zu entziehen.

 

Grüne wollen Downloads erlauben

Die Grünen wollen den Tausch von Musikdateien legalisieren, jedenfalls bis zu einer bestimmten Grenze. Das hat jetzt der Hamburger Justizsenator und Grünen-Politiker Till Steffen bei der Konferenz der Justizminister von Bund und Ländern vorgeschlagen.

Schon früher sei der Austausch von Musik legal gewesen. Dafür sei auf den Verkauf von Leerkassetten eine Abgabe erhoben worden. „Ich halte nichts davon, mit der Staatsanwaltschaft in die Kinderzimmer einzumarschieren“, sagte Steffen. Er schlug daher vor, eine Bagatellgrenze einführen, unter der ein Dateientausch im Netz straffrei bleibe. Eine kommerzielle Nutzung von illegalen Kopien sowie ein gewerbliches Ausmaß der Aktivitäten sollen indes auch weiter juristisch verfolgt werden können.

Wenig verwunderlich: Die Musikindustrie lehnt diese Vorschläge ab. „Das ist etwa so, als ob jemand mit 3000 gestohlenen Singles aus einem Plattengeschäft gehen würde“, sagte Daniel Knöll, der Sprecher des Bundesverbands Musikindustrie.

Zwei kurze Bemerkungen dazu.

Wollen sich die Grünen da etwa mit einem Webthema profilieren? Immer zu! Die Netzgemeinde wird das freuen. Die Piratenpartei hat diese Themen nicht für sich gepachtet.

Auf der anderen Seite: Die Meinung, dass das Kopieren von Kassetten etwas qualitativ anderes ist als das massenhafte Tauschen von Musik im Netz, hat sich in den Köpfen inzwischen ziemlich festgesetzt. Wer auch immer daran rütteln will und ganz gleich aus welchen Motiven – er droht zu scheitern.

So muss jetzt eine Frau immerhin gut 2500 Euro an vier deutsche Musikkonzerne zahlen, wie ein Kölner Gericht urteilte. Und das, obwohl nicht sie selbst, sondern vermutlich ihre Kinder die fraglichen 964 Songs zum Herunterladen im Netz angeboten hatten.

Das tut weh, verglichen mit den Prozessen in anderen Ländern ist das aber immerhin noch verkraftbar. In den USA macht gerade ein Fall die Runde, in dem ein Downloader zu einer Strafe von 675.000 Dollar verurteilt wurde. Er hatte gerade einmal 30 Songs zum Download angeboten.

 

Imageproblem: Gamer als Spender unerwünscht

Ein Verein von Computerspielern wollte für einen guten Zweck spenden. Aber der Deutschen Krebshilfe war ihr Verein anscheinend zu dubios, wie predictition Gaming e.V. auf ihrer eigenen Website berichtet.

Nachdem eines ihrer Gründungsmitglieder mit 16 Jahren an Krebs gestorben war, wollte der Verein den Kampf gegen die Krankheit auch mit Spenden fördern. Die Unterstützung der Krebsforschung verankerten die Gamer sogar in ihrer Vereins-Satzung. Bei der Deutschen Krebshilfe wollte man ihr Gespartes auch gerne entgegen nehmen. Allerdings wurde den Spielern die Verwendung des Logos der Deutschen Krebshilfe untersagt. „Auf telefonische Nachfrage hin, welcher Umstand diesem Verbot zu Grunde lag, konnte man uns keine ausreichende Erklärung liefern und verwies stattdessen auf interne Regeln – auch ethischer Natur – für zu genehmigende Projekte und Vereine. Unser Verein entspreche nicht allen Regeln und demnach bleibt es bei einem Verbot der Logo-Nutzung“, schreibt prediction Gaming.

Die Videospieler fragen sich nun, ob sie dadurch diskrimiert werden sollten. Inzwischen haben sie zum Glück einen anderen Partner gefunden, der ihnen auch erlaubt, sich mit ihrem Logo und somit mit ihrem karitativen Einsatz für die Krebshilfe zu schmücken.

„Permanent werden Computerspieler als kaltherzig, unsozial und gedankenlos dargestellt“, kommentiert Annika Kremer auf der Webseite gulli:News. Wie jedoch sollen Spieler zeigen, dass diese Meinung unzutreffend ist, wenn ihnen ihre Mitmenschen keine entsprechende Chance geben?“

Vielleicht gab es einen anderen, sachlichen Grund für die Ablehnung. Zu hoffen wäre es. Denn alles andere lässt die Verantwortlichen bei der Deutschen Krebsfhilfe mehr als alt aussehen: Schließlich besteht die halbe Generation der heute 16-Jährigen aus Computerspielern. Die sind ja wohl kaum alle ethisch fragwürdig?

 

Döpfner will Öffentlich-Rechtliche abschaffen

Mathias Döpfner hat also was gegen die iPhone-App von tagesschau.de und spannt dafür seine Zeitungen und die Bundesregierung ein. Verstehen kann ich das schon, Konkurrenz ist Mist, noch dazu gute. Verlogen ist die Debatte trotzdem.

Denn was heißt es, wenn der Chef des Springer-Konzerns – der sich allein um den Shareholder Value sorgt und nicht um fundierte Informationen für eine kritische Öffentlichkeit – warnt, eine Tagesschau-App gefährde das neue Geschäftsmodell der Medien? Es heißt in der Konsequenz, dass Mathias Döpfner öffentlich-rechtliche Angebote abschaffen will. Nicht nur im Netz, auch im Radio und im Fernsehen. Es heißt, dass er wünscht, dass der Markt allein das Thema Information regeln solle und damit, zynisch gesagt, die Informationsfreiheit beschneidet.

Das kann man fordern. Aber dann sollte man es bitte auch mit diesen Worten tun. Und nicht mit der Keule „tausende Arbeitsplätze“ kommen, die dadurch in der Verlagsbranche verloren gingen. Um die geht es bei dem Thema nicht.

Europa hat sich als Erfahrung aus der Vergangenheit für einen Sonderweg entschieden und im 20. Jahrhundert durch Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Medien geschaffen. Sie gelten bis heute als der einzige Weg, Informationen so unabhängig wie möglich von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen zu verbreiten.

Gut möglich jedoch, dass es bald einen weiteren Weg geben wird – dank des Internets und seiner technischen Vorraussetzungen. In Zukunft könnten auch verteilte Netzangebote diese weitgehende Unabhängigkeit garantieren. Wikipedia ist ein Beispiel dafür. Viele Menschen, die an einer Sache arbeiten, können im Mittel ein ziemlich neutrales Ergebnis produzieren. Das ist, wie die Debatten um Wikipedia zeigen, nicht leicht, aber möglich.

In der Zukunft wäre es damit vorstellbar, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beerdigen. Die Idee, sich irgendwo neutral informieren zu können, würde aber ganz bestimmt nicht sterben. Sie würde sich nur ein neues Werkzeug suchen. Wahrscheinlich ein kooperatives, das auf der Möglichkeit basiert, dass jeder mitmachen kann.

Ob Mathias Döpfner diese Konsequenz seiner Forderung gefällt? Ich bezweifle es. Könnte ein solches Werkzeug doch noch viel mächtiger werden, als der öffentlich-rechtliche Rundfunk es jemals war. An Döpfners Stelle würde ich nicht zu sehr darauf dringen, ARD und ZDF klein zu machen. Andere Begehrlichkeiten könnten dadurch erst groß werden.

 

Island zum Datenfreihafen machen

Auf dem 26. Chaos Communication Congress des Chaos Computer Club in Berlin hat gestern das Transparenz-Projekt Wikileaks.org eine Reformidee für Island präsentiert. Der Staat ist in Folge der Finanzkrise beinahe Pleite. Auf Wikileaks wurden im Sommer detaillierte Informationen publiziert, welche Staatsbürger Islands für die Pleite mitverantwortlich sind und mit Insiderinformationen kurz vor dem Zusammenbruch von isländischen Banken rund fünf Milliarden Dollar außer Landes geschafft haben. In dem kleinen Staat mit rund 300.000 Einwohnern, wo fast jeder jeden kennt, waren das brisante Informationen, die Transparenz geschaffen haben.

Wikileaks.org erhielt daraufhin in Island eine Menge Aufmerksamkeit und die beiden Projekt-Mitarbeiter Daniel Schmidt und Julian Assange wurden vor wenigen Wochen in die bekannteste TV-Show des Landes eingeladen, um über ihr Projekt zu reden. Vorher kam ihnen eine Idee: Warum nutzt Island nicht die Krise des politischen Systems und erfindet sich neu? Die Idee eines Datenfreihafens entstand, eine Art „Schweiz für Bits“. Warum nicht die besten Gesetze aus verschiedenen Staaten zusammen mixen und eine neue gesetzliche Grundlage für ein digitales Island schaffen?

Aus Belgien könnte man Gesetze zum Schutz von Journalisten nehmen, aus Schweden die bewährten Gesetze, die Provider nicht für Inhalte verantwortlich machen und aus den USA den ersten Verfassungsgrundsatz, der die Meinungsfreiheit schützt. Diese Normen würden gute Vorlagen bieten und wären in der Praxis schon erprobt. Alles zusammen schüfe einen Rahmen, der Transparenz und Informationsfreiheit verbindet. Die reichhaltigen lokalen Energie-Ressourcen böten dazu die die Möglichkeit, einen solchen Datenfreihafen, der viele Rechenzentren braucht, auch noch ökologisch zu betreiben.

In der TV-Show präsentierten die beiden live ihre Idee, die viel mediale und politische Aufmerksamkeit nach sich zog. Mittlerweile arbeiten Juristen an einer Gesetzesvorlage, die schon Ende Januar präsentiert werden soll. Die Idee, Island zu einem weltweiten „data haven“ zu machen, ist nicht neu, auch die dortige Regierung hat entsprechende Überlegungen bereits angestellt. Das politische Klima könnte nun dafür sorgen, dass sie Realität wird, wie Wikileaks optimistisch analysiert. Zumindest aber sollte es genutzt werden, finden die Macher. Ihr Motto: „Never waste a crisis.“