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Live aus Kairo

Immer wieder ist von der so genannten Facebook-Revolution in Tunesien und Ägypten zu lesen. Über das ägyptische Staatsfernsehen wurde jetzt die Pro-Mubarak-Fanseite „Egypt First“ promoted. Offenbar versucht das Regime nun eine Gegen-Kampagne über das bislang diffamierte Soziale Netzwerk zu starten. Rund 20.000 Fans haben sich bereits eingefunden. Etwa 30-mal so viele Fans haben sich hingegen für einen virtuellen Demonstrationszug angemeldet.

Wesentlich interessanter ist jedoch, wie sich verschiedene arabische Fernsehsender positionieren, die hier über Arabsat zu sehen sind. Und vermutlich hat das Fernsehen während der Tage des Netzausfalls eine wesentlich größere Rolle gespielt als das Netz.

Das ägyptische Staatsfernsehen ist dabei eine Art Temperaturfühler der aktuellen Politik Mubaraks. Am Wochenende etwa, als Al Jazeera den überfüllten Tahrir-Platz fast pausenlos im Visier hatte, zeigt der Sender menschenleere Straßen. Nachrichtensprecher zählten derweil die ökonomischen Einbußen auf, die die Demonstrationen verursacht hatten. An öffentlichen Orten wie Cafés darf übrigens nur das Staatsfernsehen gezeigt werden, aber das wird auch wenig nützen, wenn auf der Straße vor dem Café die Transparente und Fahnen geschwungen werden und zu Hause Al Jazeera läuft.

Heute kam der Staatssender nicht mehr umhin, auch Bilder vom Tahrir-Platz zu zeigen. Das Bild war dabei derart ausgesucht, dass es eine relativ ruhige, durch Gebäude eingerahmte Menschenmenge zeigte. Ganz anders Al Jazeera: Immer wieder Zooms auf möglicherweise interessante Bewegungen in der Menschenmasse sowie auf das Militär. Dabei verzichtet der Sender anders als die BBC meist darauf, die Gesichter der Kommentatoren einzublenden.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass ARD und ZDF sich heute nach tagelanger Unterberichterstattung dazu durchgerungen haben, Teile der Berichterstattung des Senders Al Arabia zu übernehmen. Dazu sollte man wissen, dass der Sender aus Dubai in der arabischen Welt als Konkurrenz zu Al Jazeera gesehen wird. Finanziert von saudischen Investoren gilt er als relativ konservativ: Allzu unverblümte Kritik hatten Arabiens Alleinherrscher von diesem Sender bislang nicht zu befürchten. Geschätzt wird er aber wohl auch von westlichen Staaten, da er den politischen Status-Quo stützt.

In der aktuellen Berichterstattung über die Proteste in Ägypten gibt es denn auch einen interessanten Unterschied zu Al Jazeera: Wie das ägyptische Staatsfernsehen verweisen die Kommentatoren von Al Arabia immer wieder auf die Position der Mubarak-Regierung. Die Kommentare übernehmen unsere öffentlich-rechtlichen Berichterstatter übrigens nicht, nur die Bilder.

Eine interessante Alternative zu Al Dschasira und BBC ist der britische Sender ANB (Arabic News Broadcast), der ebenfalls eine stundenlange Live-Schalte nach Kairo unterhält. Vielleicht ist es auch erwähnenswert, dass die revolutionären Ereignisse in anderen arabisch-sprachigen Staatssendern ähnlich wie bei ARD und ZDF eine eher untergeordnete Rolle spielen. Nur zufällig sind einzelne Berichterstattungen zu sehen. Im marokkanischen Staatsfernsehen war aber immerhin heute Nachmittag eine rege Live-Talkshow zum Thema zu sehen.

 

Rivva ist dann mal weg …

„Sabbatical. Brauche Abstand, vl. am 3.3. zurück. –Frank“.

Der kleine Aggregationsdienst Rivva stellt vorläufig seinen Betrieb ein. Eine dürre Nachricht von Rivva-Entwickler Frank Westphal, doch jammerschade für die deutsche Blog- und Newssphäre. Zeigt Rivva doch, wer wen aktuell verlinkt und damit das Nachrichtengeschehen in der deutschen Blogosphäre.

Seit Jahren entwickelte Westphal den Dienst verlässlich weiter. Eines seiner neuere Features ist noch online: Social Rivva, das Nachrichten entsprechend dem Twitter-Account aggregiert. Es wurde schon früher von Lorenz Lorenz-Meyer angemerkt, dass Westphal mit Rivva einen „phantastischen Dienst“ aufgebaut hat. Und entsprechend „krass und unverständlich“ ist es auch, dass bislang kein Verlag oder Internetdiensteanbieter in das Projekt eingestiegen ist. Welche Möglichkeiten gäbe es hier, interessante Einbindungen für Websites zu entwickeln!

Müßig ist eigentlich der Hinweis auf die USA. Dort konnte beispielsweise der journalistische Bookmarkdienst Publish2 bereits mit einem relativ simplen Startausgabe 2,75 Mio. US-Dollar Startkapital einwerben. Dabei ist er technisch viel simpler gestrickt, da er keinen Algorithmus verwendet und damit nicht automatisch Nachrichten aggregiert, sondern lediglich einbettbare RSS-Streams einzelner Journalisten und Redaktionen erzeugt.

Im deutschsprachigen Raum hat sich im Aggregationsbereich auch nicht viel getan in den letzten Jahren. Das Schweizer Projekt Facts.ch, das Nachrichten aus Blogs und Zeitungen händisch aggregiert, ist jedoch immer noch hartnäckig am Ball. Die Macher hatten das Projekt einfach auf eigene Faust weiter betrieben, als sich der Tamedia-Verlag von ihm verabschiedete.

Das Burda-Projekt Nachrichten.de ist eine schöne Alternative zu Google News, hat jedoch in der Blogosphäre meinem Eindruck nach bis heute nicht Fuß fassen können – oder wollen.

Ein kleines, interessantes Projekt ist der vor wenigen Tagen gestartete Commentarist. Das Team aggregiert teils automatisch, teils händisch aus 16 deutschen Medien die Kommentare und Leitartikel. Das ist zumindest die Zielvorstellung. Etliche Beiträge finden sich auch darunter, die der klassischen Berichterstattung zuzuordnen sind. Schade, dass auch hier nur die klassischen Medien, nicht jedoch die meinungsstarken Blogs berücksichtigt werden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Nachtrag wenige Stunden später:

Verlage haben die Commentarist-Betreiber gezwungen, den Dienst abzuschalten, berichtet Meedia. Sie selbst schreiben auf ihrer Website: „Zwei deutsche Verlage haben mit massiven rechtlichen Schritten gedroht. So massiv, dass wir uns gezwungen sehen, Commentarist in seiner jetzigen Form vom Netz zu nehmen. Wir halten weiter an der Idee einer Meinungsplattform fest und wir werden unsere Zelte wieder aufschlagen.“ Anders als bei Nachrichten.de oder Rivva.de wurde wohl keine Genehmigung für die Feed-Auswertung eingeholt. Schade.

 

Handbuch des (Netz)-Soldaten

Soldaten brauchen klare Regeln, noch dazu in verwirrenden Situationen und komplexen Umgebungen. Das hat die amerikanische Armee beherzigt und ihr „U.S. Social Media Handbook“ überarbeitet. Version 2011 liefert ausführliche Warnungen und Hinweise für die Netz-Krieger und beginnt mit dem schönen Satz:

„Heutzutage braucht es mehr als eine Pressemitteilung, um erfolgreich zu kommunizieren.“ Wahre Worte.

Genau wie der Hinweis, sich kurz zu überlegen, was man postet. Natürlich im Army-Style: „Wenn Sie es nicht vor Ihrer Einheit sagen würden, sollten Sie es auch nicht im Internet sagen.“

Vor allem aber geht es der Armee offensichtlich darum, dass ihre Soldaten nicht den Abschusscode der Atomraketen oder ähnlich sensible Dinge verraten.

via.

 

Null bis neunzig Tage

Beim Streit um Vorratsdatenspeicherung und Quick Freeze bemängeln die Ermittler derzeit immer, die Internetanbieter würden viel zu kurz IP-Adressen ihrer Kunden speichern. Aber wie lange speichern sie eigentlich?

Die Antwort gibt es hier:

D-Takt = 7 Tage
T-Mobile D 1 = 30 Tage
Vodaphone überhaupt nicht
E-Plus = 90 Tage
Telefonica Deutschland = 21 Tage
Arcor überhaupt nicht
Hanse Net überhaupt nicht
M-Net = 3 Tage
Freenet überhaupt nicht
AOL = 5 Tage
1 & 1 = 60 Tage
Net Cologne = 4 Tage
Versatel Deutschland = 3 Tage

via AK Vorrat, wo es das Ganze noch ausführlicher gibt

 

Der verdrahtete Planet

Als das World Wide Web noch relativ jung war, veröffentlichte Neal Stephenson in Wired eine phantastische Reportage über die Geschichte der Seekabel: Wired Earth Mother Board. Sie inspirierte zahlreiche Autoren zu ähnlichen Geschichten über die Physis des Internet. Ausgedruckt könnte sie ein kleines Büchlein ergeben – und die Lektüre ist auch heute noch empfehlenswert.

Wahrscheinlich wird man auch nur nach dieser Lektüre sich wirklich fasziniert über die digitale Kabelkarte von Greg Mahlknecht beugen können. Wie wichtig diese Kabel für die weltweite Kommunikation sind, zeigte erst kürzlich eine geleakte Depesche des US-Außenministeriums über kritische Infrastrukturen: Verfügte ein Land über eine Seekabel-Anlandestelle, wurde diese gelistet. Die Anlandestellen gelten als die empfindlichsten Stellen des globalen Datenverkehrs. Doch auch an vergleichsweise flachen Stellen auf dem Meeresboden sind die Kabel nicht geschützt. Wer Stephenson gelesen hat, weiß, dass auch Anker und Schleppnetze seit über 100 Jahren regelmäßig für Ungemach sorgen. Hier die beiden Anlandepunkte in Deutschland:

 

Das Geheimnis des Trinkvogels

Eine gute Idee: Professoren der Universität Nottingham erklären 60 Symbole aus der Physik und Astronomie leicht, verständlich und manchmal auch witzig. Das Projekt „Sixty Symbols“ erklärt aber nicht nur die mehr oder weniger bekannten Symbole, sondern zeigt auch Menschen, die das, mit was sie sich beschäftigen, einfach lieben und daher einiges zu erzählen haben – mit manchmal überraschenden Vergleichen und Beispielen.

Hier das Video über den „Trinkvogel“ und darüber, wie schon Albert Einstein sein Rätsel nicht lösen konnte.

Es gibt übrigens auch Geschichten, zu denen es noch keine Symbole gibt wie etwa die über „Schrödingers Katze“ oder über „Flugzeuge und vulkanische Asche“, für die das Projekt dann aber natürlich ein neues Symbol eingeführt hat. Da sich jeder ein Video über ein Symbol wünschen kann, gibt es inzwischen auch mehr als die geplanten 60 Symbole. Und vielleicht gibt es ja auch irgendwann auch Nachahmer im deutschen Sprachraum.

 

Google durchsucht den menschlichen Körper

Google hat seine Suche auf den menschlichen Körper mit der ersten Version seines neuen „Body-Browser“ ausgeweitet. Die Idee dahinter könnte dem 80er Jahre Film „Die Reise ins Ich“ entstammen: Der Protagonist beziehungsweise der Nutzer reist mit einer Kamera durch die verschiedenen Organe und Schichten des menschlichen Körpers. Dabei lassen sich auch feine Details heranzoomen und die entsprechenden Fachtermini für die einzelnen Körperteile anzeigen. Nicht nur für Medizinstudenten, sondern auch für Patienten eine nützliche Einführung in die Anatomie.

Der Körper-Browser funktioniert allerdings nur mit den neuesten Beta-Versionen des Chrome- oder Firefox-Browsers, da nur diese die dafür notwendige 3D-Software implementiert haben.  Vorerst gibt es zudem auch nur eine Reise durch einen weiblichen Körper. Das Projekt selbst befindet sich auch noch in Weiterentwicklung.

 

Wundertüte Wikimedia

Wie aus einer Wundertüte quellen hier die Bilder, die unzählige Menschen in die Wikimedia sekündlich hochladen und die fortan von allen frei verwendet werden dürfen. Sie sind ein Abbild der Themen, die gerade in der Wikimedia aktuell sind. Am Dienstag, den 28.12. gegen 11 Uhr waren das diese:

Wikimedia-Autoupdate
Wikimedia-Autoupdate

 

Cablegame – Botschaftsdepeschen durchsuchen als Spiel

Cablegame - Verschlagwortung von Botschaftsdepeschen

Wie bekommt man Menschen dazu, langweilige und mühsame Dinge zu tun? Durch Wecken des Spieltriebs. In der Wissenschaft gibt es das schon, serious games heißt es, wenn Freiwillige Proteine falten oder Datenbestände durchforsten. Eine Abart davon, das social tagging, nutzt nun auch Wikileaks.

Denn das Projekt hat zwar 251.000 Botschaftsdokumente bekommen und einige davon bereits im Netz veröffentlicht. Doch wer sie durchsuchen will, bleibt schnell im Wirrwarr der vielen kryptischen Bezeichnungen hängen. Eine inhaltliche Suche ist derzeit kaum möglich (zwar gibt es externe, von Wikileaks selbst aber wird keine angeboten), lediglich der Ort der Veröffentlichung oder die militärischen Abkürzungen können zum Durchforsten benutzt werden.

Um einen Themenkatalog der „Cables“ zu erstellen, versucht es Wikileaks nun mit einem solchen Spiel, dem Cablegame. Wer mitmacht, liest sich eines der Schriftstücke durch und markiert in ihm möglicherweise interessante Begriffe, Ortsbezeichnungen oder Namen.

Anschließend können diese in eine von fünf vorgegebenen Schlagwortkategorien gespeichert werden und zwar: Name, Organisation, Ort, Vorkommnis oder Thema. Haben andere Leser die gewählte Kategorie für den gleichen Begriff schon einmal benutzt, gibt es Punkte.

Die Idee: Ein Name wie Brown wird dank dieses Systems sicher als Name zugeordnet, da viele verschiedene Nutzer ihn als solchen speichern. Ein Computer könnte das nicht, da er nie wüsste, ob in dem gegebenen Zusammenhang nicht doch die Farbe gemeint ist.

Damit sorgt das Cablegame nicht nur für eine inhaltliche Verschlagwortung. Es macht auch Darstellungen wie Tagclouds – Schlagwortwolken – möglich und zieht so eine ganz neue Ebene ein, um sich die Botschaftsdepeschen zu erschließen.

Update:
LeakySearch nachgetragen, mit Dank an @Karpfenpeter

 

Auge um Auge

Auseinandersetzung im Parlament Taiwans

Es gibt Demokratien, da erfolgt politische Auseinandersetzung nicht nur mit Worten. Dank des Netzes wird das auf den ersten Blick lustige, auf den zweiten aber vor allem albern wirkende Gehabe ordentlich gesammelt, archiviert und jedermann zugänglich. Und entfaltet so hoffentlich abschreckende Wirkung. Zum Beispiel dank Tagcloud, macht die doch auf den ersten Blick deutlich, wo es unzivilisierter zugeht: derzeit führt die Ukraine, auf dem zweiten Platz folgt Taiwan, den dritten teilen sich Russland und Indien.

via.