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Skype: Abhören nach jahrelanger Kontaktanbahnung?

In seinem Law Blog berichtet Rechtsanwalt Udo Vetter, dass deutsche Strafbehörden im Zeitraum 2008 bis 2009 Skype-Gespräche abhören konnten. Noch vor einiger Zeit sei dies den Behörden nicht möglich gewesen.

Die Internet-Telefoniesoftware Skype galt ähnlich wie der Blackberry lange Zeit als abhörsicher, da die Gespräche und Chats seitens des Unternehmens verschlüsselt werden. Offenbar konnten die Strafverfolger jedoch nun eine einschlägige Kooperation mit dem Luxemburger Unternehmen etablieren.

Verwunderlich ist eigentlich an der Sache nur, dass das innerhalb des Schengenraums wohl ein paar Jahre gedauert hat. Vielleicht waren die US-Kollegen hier ein wenig schneller: Schon im Februar hatte die US-Whistleblower-Plattform Cryptome einen entsprechenden Handzettel veröffentlicht, der den US-Behörden die rasche Kontaktaufnahme erleichtert.

Nachtrag:

Die Deutschen sind technisch wohl schon länger in der Lage Skype abzuhören, glaubt man der Antwort des Innenministerium auf eine Bundestagsanfrage aus dem Jahr 2007. Dabei wird ein Trojaner auf den Zielrechner geschleust, der das Gespräch vor der Verschlüsselung abfängt. Diskutiert wurde die Methode in Hinblick auf den Online-Lauschangriff. 2008 wurde bekannt, dass sie auf Bundesebene allein vom Zollkriminalamt verwendet wird. Eine BKA-Studie wertete aus den Jahren 2006 bis 2008 13 „Vorfälle“ aus. In Hessen ist der Einsatz eines VoIP-Trojaners für die Polizei seit 2009 gesetzlich geregelt. Die Verschlüsselung von Skype gilt noch als sicher – wurde sie denn bislang nur ansatzweise geknackt.

Fragt sich nur, was die Amerikaner mit dem Skype-Kontakt konkret anfangen. Welchen Wert hat er?

Danke an Jürgen Kuri für die rasche Bereitstellung einiger historisch relevanter Tatsachen! Das Ergebnis ist wohl ein Beispiel für live vorgeführten „Prozess- / Korrekturjournalismus“ 😉

 

Wenn Autoren zu Verlegern werden

Weitgehend unbemerkt hat sich in den letzten Jahren auf dem Buchmarkt der USA eine kleine Revolution ereignet: Es werden inzwischen mehr als doppelt so viele Bücher jenseits der traditionellen Verlage veröffentlicht als noch vor drei Jahren.

Zahlen zu dieser Entwicklung in den Jahren 2002 bis 2009 (prognostiziert) liefert der US-amerikanische Bibliografie-Informationsdienst Bowker, in der folgenden Grafik übersichtlich aufbereitet. Bowker unterscheidet dabei zwischen traditionellem und nicht-traditionellem Publishing, wobei letzteres vor allem Print-on-Demand-Angebote sind, also die Titel erst nach der Bestellung ausgedruckt werden. (Für eine statische Ansicht wählt man oben rechts den Button „Säulendiagramm“ und drückt dann den Play-Button):

Ähnliche Zahlen gibt es für Deutschland nicht, weil der Börsenverein des deutschen Buchhandels solche Statistiken nicht erhebt. Anzunehmen ist, dass sich der Markt hierulande ähnlich entwickelt, nur leicht zeitversetzt.

Das liegt zum einen daran, dass immer mehr Internetplattformen diese Dienste für Autoren anbieten. Der Großteil bietet Print-on-Demand, zunehmend gehören aber auch E-Books dazu. Und vor allem im E-Book-Bereich sind die Autorenprovisionen mindestens doppelt so hoch wie im Print-Bereich.

In den USA hat vor allem Amazon das Geschäft mit den E-Books aufgemischt – mit einer Autorentantieme von 70 Prozent. Sie gilt allerdings bislang nur für US-Autoren, die ihr Buch bei Amazon zu einem Höchstpreis von maximal 9,99 Dollar anbieten. Dieses 9,99-Dollar-Diktat von Amazon bestimmt den amerikanischen E-Book-Markt maßgeblich – und führt anders als in Deutschland, wo Verlage sich etwa bei Libreka noch in mühsamen Preisfindungsprozessen befinden, zu erstaunlichen Abverkäufen: Amazon verkauft inzwischen fast doppelt so viele E-Books wie Printwerke gebundene Bücher.

Für die deutschen Verlage ist die Buchpreisbindung noch eine Art Rettungsanker – verhindert sie doch, dass ein Anbieter sich einen Günstigst-Preis ausbedingen kann. Ebenfalls profitieren sie davon, dass Amazon, Apple sowie etliche E-Book-Reader ihre Kataloge noch nicht für einen automatischen Datentransfer seitens der Self-Publishing-Plattformen geöffnet haben.

Dieser momentane Stillstand ist allerdings nur eine Art Schonfrist: Immer mehr Autoren machen sich angesichts der lukrativen Tantiemen im E-Book-Markt auf die Suche nach Selbstvermarktungs-Möglichkeiten. Den Verlagen droht also Ungemach von beiden Seiten, sowohl von den Autoren als auch von den Händlern.

Chancen und Vorteile haben die Verlage, was das Marketing betrifft. Das gilt bei der drohenden Titelschwemme nur umso mehr. Autoren wird es kaum genügen, eine Website zum Buch oder einen Twitter-Account zu führen. Verlage könnten Autoren hier mit Rundum-Paketen unterstützen – von der kollaborativen Manuskripterstellung, über ein professionelle Publishing über Mediengrenzen hinweg bis hin zu neuen, innovativen Vermarktungsmodellen.

 

Das System weiß, wer wieder mordet

Die Mitglieder eines Bewährungsausschusses müssen entscheiden, ob ein Häftling vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden darf, weil er sich geändert hat. Meistens besteht so ein Bewährungsausschuss aus Psychologen, Juristen oder Kriminologen. Sie machen – menschlich – immer wieder Fehler. Manchmal kosten diese Fehler Menschenleben, wenn die Entlassenen rückfällig werden und wieder morden.

Im US-Bundesstaat Pennsylvania töteten vorzeitig entlassene Häftlinge im Jahr 2008 zwei Polizisten, auch 2009 starb ein Polizist durch einen Ex-Knacki, und in diesem Jahr gab es bereits vier Tote durch einen unvorhergesehenen Rückfall.

Richard Berk von der Universität von Pennsylvania möchte die Bewährungsentscheidungen deshalb jetzt an Computer delegieren. Sein System könne voraussagen, glaubt er, welcher Häftling rückfällig werde und welcher nicht. Vom Staat hat er dafür immerhin 228.000 Dollar bekommen. Er will das System mit den Daten der vergangenen Jahrzehnte füttern und dann verlässlichere Prognosen erstellen.

Ob und wie gut das funktioniert, ist noch nicht klar. Einen entscheidenen Vorteil aber hätte es auf jeden Fall: Der Computer bekommt kein schlechtes Gewissen, wenn er sich doch einmal irrt. Und niemand wäre Schuld.

 

Information is beautiful

Wenn es eine unbestrittene Stärke des Netzes gibt, dann wohl, Daten zu verknüpfen und so Zusammenhänge sichtbar zu machen. Und so wird das, was im trockenen Bürodeutsch Blasendiagramm heißt, dank etwas Kreativität zu einem Hort von Erkenntnis.

Der Unterschied beispielsweise zwischen 30 Milliarden Dollar (UN-Budget), 3000 Milliarden Dollar (Kosten der Kriege in Afghanistan und Irak) und 11.900 Milliarden Dollar (weltweite Kosten der Finanzkrise) klingt in Zahlen schon durchaus beeindruckend.

Als Grafik aber … wow!

Dank an.

 

Google hält Leistungsschutzrecht für gaga

Der Google-Chefjustiziar für Nord- und Osteuropa hat in zehn Punkten aufgeschrieben, warum das Leistungsschutzrecht, das Verlage fordern, gaga und gefährlich ist. Ein langer Text. Hier der Versuch, die einzelnen Abschnitte zu übersetzen zusammenzufassen.

1. Ihr Verlage übertreibt, was Eure Verluste durch das Netz angeht.

2. Ihr müsst Euren Kram ja nicht ins Netz stellen. Aber wenn Ihr es tut, „ist es geradezu abwegig, dafür andere zur Kasse zu bitten“.

3. Es gibt keine Gesetzeslücke sondern höchstens ein paar Probleme bei der Verfolgung von Kopisten.

4. Ein Leistungsschutzrecht käme alle viel zu teuer zu stehen, alles würde mehr kosten.

5. Eure schönen Texte wären weg und nicht im Netz mehr zu finden.

6. Ein Leistungsschutzrecht hilft Journalisten und Journalismus nicht, es macht nur Konzerne reicher.

7. Ein Leistungsschutzrecht braucht Reichweite, damit es Geld bringt. Mehr Reichweite kostenloser Inhalte aber verschlimmert nur Euer Problem, dass Ihr damit nichts verdient.
(Den Punkt verstehe ich nicht, denn wirkt das Recht, werden viele die Inhalte eben nicht mehr nehmen, damit sie nicht zahlen müssen. Die Reichweite sinkt. Entweder hat der Chefjustiziar hier einen Denkfehler gemacht, oder ich bin zu blöd.)

8. Ihr macht Eure Kunden zu Kriminellen.

9. Die einzigen, die wirklich etwas daran verdienen werden, sind die Anwälte, die das seltsame Recht klären und ausfechten müssen.

10. Es nutzt nur den Konzernen. (Hatten wir schon bei 6., steht aber noch mal da.) Und Ihr verbaut Euch die Chance auf neue Geschäftsmodelle – die Ihr dringend braucht.

 

Advanced Search

Alles begann mit Archie – einem Index von FTP-Seiten. Und dann dauerte es nur noch zwanzig Jahre bis aus der Idee, das Netz zu durchsuchen, einer der größten Konzerne wurde, die wir kennen: Google.

Word Stream Internet Marketing hat diese Geschichte der Suchmaschinen in einer schönen Grafik zusammengestellt.

Via.

 

Du sollst dir kein Bildnis machen (vom FBI)

Über einen bizarren Urheberrechtsstreit zwischen dem FBI und Wikipedia berichtet die New York Times: Demnach will die amerikanische Bundespolizei, dass die Enzyklopädie aus dem Artikel über das FBI das Siegel der Behörde löscht. Das dürfe nicht einfach so wiedergeben werden, beklagten sich die Beamten in einem Brief an die Wikimedia-Foundation.

Dummerweise haben sie aber das Gesetz, das dies regelt, falsch verstanden oder falsch ausgelegt, glauben die Anwälte der Foundation. Denn zwar heißt es in Abschnitt 18, Paragraph 701 des United States Code:

Whoever manufactures, sells, or possesses any badge, identification card, or other insignia, of the design prescribed by the head of any department or agency of the United States (…) except as authorized under regulations made pursuant to law, shall be fined under this title or imprisoned not more than six months, or both.

Das aber bedeute, meint der Wikimediaanwalt, dass man sich mit dem Siegel nicht ausweisen dürfe, wenn man kein FBI-Beamter sei und dass man kein Geld damit verdienen dürfe. Jedoch dürfe man es selbstverständlich benutzen, um auf einer gemeinnützigen Seite das FBI darzustellen.

Die von der NYT zitierte Antwort des FBI darauf klingt irgendwie lahm: solche Briefe würden „von Zeit zu Zeit“ verschickt. Wenn man will, kann man als Entschuldigung verstehen.

via.

 

Reisender Blogger

Reiseblogs gibt es viele – kein Wunder, sind sie doch eine großartige Möglichkeit, online und offline zu verbinden. Tipps von Lesern, Tipps für Leser, Erfahrungsaustausch, Schlafgelegenheiten, all das lässt sich inzwischen durch und mit dem Netz finden.

Hier ein Reiseblog, bei dem gar Teile der Route in die Hände der Schwarmintelligenz gelegt werden: Leser können per Twtpoll abstimmen, wohin es gehen soll. Zurückgelegt wird der Weg dann per Anhalter, ein bloggender Tramp eben.

Blogtramper Johannes Kuhn

Und was ist die größte Hürde bei dem ganzen Projekt? Klingt wie ein Witz, aber es ist der Internetzugang. Um es in den Worten des reisenden Bloggers Johannes Kuhn zu sagen:

„Roaming ist Mist. Deshalb twittere ich per SMS und suche nach Wlans und Internet-Cafés (PrePaid-Karten in einzelnen Ländern lohnen sich nur, wenn ich wirklich länger dort bin, was ich nicht absehen kann). Das schwächt den Echtzeit-Faktor zumindest was das Bloggen betrifft etwas ab und schickt mich täglich auf die Suche nach einem Verbindungspunkt, ist aber die einzige Möglichkeit, das Projekt durchzuführen.“

So viel dazu, wie leicht sich online und offline im Zweifelsfall verknüpfen lassen. Noch ein Zitat von Johannes:

„Die trampenden Blogger in fünf Jahren werden sich wahrscheinlich kaputt über Roamingprobleme innerhalb der EU lachen, so wie wir uns heute über die BTX-Abrechnungstaktungen amüsieren.“

Offenlegung: Johannes Kuhn hat bis Herbst 2009 bei ZEIT ONLINE gearbeitet.

 

Krieg ist lustig?

Panzer, Raketen, Hubschrauber, dazu rockige Musik und ein Sprecher im dramatischen Spiegel-TV-Stil: „Erleben Sie Ihre Armee hautnah. Die Bundeswehr bei YouTube.“ Mit diesem Clip startete die Bundeswehr ihren offiziellen Kanal auf dem Videoportal.

Das ist überfällig, haben andere Armeen doch längst auch solche Wege entdeckt.

Doch stellenweise kommen die Filme reichlich flapsig daher, wahrscheinlich will man die Jugend ansprechen, vulgo Nachwuchs rekrutieren. Irgendwie aber wirkt die Art und Weise seltsam, immerhin kämpfen die Soldaten in Afghanistan in einem Krieg und das Verteidigungsministerium will auch via YouTube informieren, wie und warum sie das tun.

Zu sehen sind dann beispielsweise Beiträge zum Thema „Gewöhnungssprengen“, wo die Kameraden es „so richtig krachen lassen“ und die angekündigt werden mit den Worten: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Sprengleiter.“

Oder es werden unter der Rubrik „Classix“ Wochenschau-artige Streifen aus den siebziger Jahren gezeigt, wo Gebirgsjäger mit ihren Knoten auch „gelegentlich hübsche Touristinnen abseilen oder auch einwickeln“.

Äh, was? Krieg ist lustig? Das kann nicht ernsthaft die gewünschte Aussage sein. Oder meint man, Internet ist gleich Klamauk? Was für ein Missverständnis.

 

Der amerikanische Militär-Industrie-Komplex in Infografiken

Die Washington Post hat eine Vielzahl von Geheim-Behörden unter die Lupe genommen. Sie veröffentlicht die Ergebnisse jetzt in einem umfangreichen Open-Data-Dossier namens „Top Secret America“.

Das Dossier entspricht den Anforderungen der „Open-Data-Bewegung“, das heißt, die Daten sind so aufbereitet, dass nun Leser mit ihnen umfassende, eigene Analysen anstellen können. Begleitend dazu erschien eine Reihe von Artikeln, die sich unter anderem der geheimnisumwitterten Spionagebehörde NSA widmen.

„Top Secret America“ untersucht insgesamt 45 Behörden und 1931 Unternehmen, die mit als „topsecret“ klassifizierten Aufgaben betraut sind. Diese Behörden haben seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 besonders viel Geld vom Staat erhalten. Mit ihren rund 854.000 Mitarbeitern bilden sie den Kern des amerikanischen Militär-Industrie-Komplexes.

In einer nahezu heroischen Anstrengung recherchierten die Journalisten über zwei Jahre sämtliche verfügbare Daten, analysierten Tausende von Dokumente und unterzogen sie verschiedenen Analysen. So überprüften sie zum Beispiel, welche Behörde mit welchen Unternehmen zu welchen Themen arbeitet. Die Leser können sich über eine grafische Übersichtskarte einzelne Dossiers etwa zur Waffenindustrie erschließen oder die Aktivitäten einzelner Behörden untersuchen. Alles ist miteinander verlinkt.

Auch die Ortsinformationen der Behörden und Unternehmen haben die Journalisten ausgewertet und auf GoogleMaps verortet. Man erkennt die historischen Schwerpunkte des Militär-Industrie-Komplexes in Virginia, Florida, Colorado und Kalifornien.

Das beeindruckende Projekt der Washington Post ist das Ergebnis langjähriger Arbeit. Ein Vorteil der Tageszeitung war dabei sicherlich, dass sie seit dem Watergate-Skandal bereits über ein mehrköpfiges Team für investigative Recherchen verfügt. Mit „Top Secret America“ hat sich die Post nun auch ein Referenzprojekt in Sachen investigativer Datenjournalismus geschaffen.

Man darf gespannt sein, welche weiteren Geschichten jetzt die Datenanalysen der Leser liefern.