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Israel File – Haaretz legt nach

Weitere Israel Files kommen ans Licht. Vor wenigen Tagen erst machte die israelische Tageszeitung Haaretz mit den ersten Exklusiv-Depeschen Schlagzeilen. WikiLeaks hatte Haaretz exklusiv zahlreiche Cable zur Verfügung gestellt, in denen sich US-Diplomaten zur Lage im Nahen Osten allgemein und zum israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt im Speziellen äußern. In einigen Depeschen ging es um die Zigarren des umstrittenen israelischen Außenministers Liebermann, aber auch um seine Einschätzung des Palästinenserführers Abbas, den er als korrupt und schwach bezeichnete. In anderen Depeschen ging es um die Schlagkraft der Hisbollah. Botschaftsdepeschen aus dem November 2009 zufolge, erwartete der israelische Geheimdienst Mossad, dass die Hisbollah bei der nächsten kriegerischen Auseinandersetzung mehrere hundert Raketen am Tag auf Israel richten könnte.

Heute zitierte Haaretz aus Depeschen, die belegen sollen, dass israelische Militärs trotz bestehender Friedensvereinbarung seit Jahren davon ausgingen, dass das ägyptische Militär Israel weiterhin als Feind betrachte. In einem Artikel von heute wird aus Depeschen zitiert, die Amos Gilad mit den Worten „Der 21. Januar 2006 wird ein schicksalhafter Tag in der israelischen Geschichte sein“ wiedergeben. Gemeint sind die palästinensischen Parlamentswahlen 2006, aus denen die Hamas als Sieger hervorging. Amos Gilad zählt zu den hochrangigsten Sicherheitspolitikern auf israelischer Seite. Gilad beklagt sich bitter darüber, wie sehr die israelische Regierung die Bedeutung der palästinensischen Parlamentswahl unterschätzt habe.

Wer die Haaretz-Artikel liest und die Depeschen durchgeht, ahnt wie Komplex beladen die Geschichte ist, wie neurotisch die Akteure sind und wie ausweglos die Situation scheint. Hoffnung sucht der Leser vergebens.

 

Uni-Leaks dringend gesucht! Warum der Fall Guttenberg die Notwendigkeit eines Transparenzgebots demonstriert

Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war und ist ein Mann der klaren Worte. Die ersten Vorwürfe gegen die Individualität seiner Doktorarbeit nannte er abstrus. Das war unmissverständlich. Dann räumte er ein paar wenige handwerkliche Fehler ein, die ihm unter dem Druck der Herkulesaufgaben des Politkerdaseins bei gleichzeitiger Familiengründung unterlaufen sein könnten. Kein Vorsatz, nirgends. Der Glaube an die eigene Integrität war felsenfest. Auch das war unzweideutig. Dann kassierte er seinen Titel freimütig ein (die Kanzlerin hatte ja einen Minister bestellt, keinen Wissenschaftler). Schließlich räumte er mit großer Geste endgültig das Feld (die zuvor gefallenen Soldaten sollten ja noch mit Würde unter die Erde; nur das der Grund für sein langes Zögern). Lückenlose Aufklärung hieß jetzt die Parole. Die Universität Bayreuth sollte sie betrieben. Mitleidlos natürlich. Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch er selbst hätten das dringende und berechtigte Interesse, den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Auch hier gab es also keine zwei Meinungen.

Jede Etappe isoliert betrachtet, zeigt einen Politiker, der nicht lange fackelt, der nicht zu den Zauderern gehört. Ein Mann, ein Wort. Nur der Wirklichkeit war das alles gleichgültig. Was an sich schon ein Frechheit war. Sie mischte sich ein, funkte dazwischen, griff dem größten Inszenator der letzten Jahre unerhörterweise ins Ruder. Und dann widerlegte sie ihn auch noch regelmäßig. Diese Wirklichkeit kompromittierte die klaren Worte und zeigte sie als das, was sie waren: Überwältigungs- und Einschüchterungsversuche.

Jetzt gipfelt das Ganze in den schon abenteuerlich anmutenden Versuchen der Veröffentlichung des Abschlussberichtes der Bayreuther Universität juristisch zuvorzukommen. Nicht nur, dass auch diese Volte von einem erschütternden strategischen Unvermögen und einer grandiosen Überschätzung der eigenen Machtmittel zeugt. Viel mehr verkennt Guttenberg Gegenwart und Gesellschaft mit einer Naivität, die erschaudern lässt. Denn diese Gegenwart ist längst nicht mehr bereit, sich abbügeln zu lassen. Diese Gegenwart fordert von politischen Mandatsträgern echte Klarheit, sie fordert Transparenz im besten Sinne. Sollten Politik und Politiker nicht bereit sein, in angemessener Transparenz zu handeln, dann wird sich die Gesellschaft der Gegenwart Einblicke, die ihr verwehrt werden, selbst verschaffen. Das GuttenPlag-Wiki hat das eindrucksvoll bewiesen. Sollte Guttenberg jetzt tatsächlich juristischen Erfolg haben und die Veröffentlichung des Abschlussberichts der Prüfung „seiner“ Doktorarbeit mit Hinweis auf seine Persönlichkeitsrechte verbieten lassen können, wäre das nicht nur ein herrlich ironischer Kreisschluss, sondern auch von juristischer Tragik, die nur noch eine Forderung zulässt. Es braucht dringend ein Uni-Leaks-Projekt – und zwar schnell.

 

Missing Link – Was verbindet WikiLeaks und die Open Data Bewegung?

Wieder ein Buch. Gefühlt ist es in etwa das 1267 Buch zum Thema WikiLeaks, das innerhalb der letzten drei Monate erschien. Und es ist vermutlich nicht das letzte. Im Gegensatz jedoch zu den persönlichen Innenansichten der Leakingplattform, die WikiLeaks-Dissident Daniel Domscheit-Berg lieferte oder den Making-Of Texten der Spiegel-Autoren Marcel Rosenbach und Holger Stark, wählt WikiLeaks and the Age of Transparency von Micah L. Sifry einen anderen Ansatz. Es erzählt die Geschichte der digitalen Transparenzbewegung und sucht nach dem Missing Link zwischen Open-Data und WikiLeaks. In der Berliner Gazette veröffentlichte der Politikwissenschaftler Christoph Bieber gerade eine lesenswerte Rezension des Bandes. Im Gespräch mit dem Leaks-Blog erläutert er die Qualitäten des Buchs und seine Unzulänglichkeiten.

Die Eingangsfrage, ob nicht längst alle WikiLeaks-Bücher geschrieben sind, verneint Bieber, der bisher an der Universität Giessen arbeitete und in Kürze an die Universität Duisburg-Essen wechseln wird. Anders als die Berichte der diversen Mitwirkenden, gelinge es Micah L. Sifry aus größerer Distanz das Phänomen WikiLeaks zu analysieren, so Bieber weiter. Es handele sich bei WikiLeaks and the Age of Transparency eben nicht um die Erlebnisberichte derer, die auf der Seite der Akteure standen, ganz gleich ob als Mitarbeiter von WikiLeaks wie bei Domscheit-Berg oder als Journalisten, wie bei den Autoren des Spiegel.

Eher profitiere Sifrys Buch davon, sich nicht zu sehr mit den Details der WikiLeaks-Story und dessen umstrittenen Führungspersönlichkeit Julian Assange zu beschäftigen, sondern nach dem größeren Rahmen zu suchen. Und dieser größere Rahmen sei, folge man den Ausführungen Sifrys, die globale Open Data Bewegung.

Und das Buch wage eben, so Bieber, die Suche dem Missing Link zwischen Open-Data-Bewegung und WikiLeaks. Zwar gelinge diese Suche nicht immer, aber das Einrücken von WikiLeaks in diesen größeren Betrachtungsrahmen, sei der entscheidende Pluspunkt des Buchs. Es werde klar, das Leakingkultur und Transparenzbewegung, zwei Seiten einer Medaille sein könnten.

Was die Zukunft von Assange aber auch die Weiterentwicklung der Leakingkultur angeht, ist aus Sicht Biebers das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Assange sei für das Gelingen von WikiLeaks von enormer Bedeutung gewesen. Laut Bieber ist Assange geradezu die Idealausprägung eines Bewegungsintellektuellen. Hartnäckig, von großer Präsenz, streitbar, polarisierend, aber auch mobilisierend. Ob Leakingplattform zukünftig aber weiterhin auf herausragende Bewegungsintellektuelle angewiesen sein, ist laut Bieber nicht entschieden. Plattformen wie das Guttenplag-Wiki hätten bewiesen, dass Communitys auch ohne exponierte Führungspersönlichkeiten effektiv sein können. Auch sei es durchaus naheliegend, dass Leakingplattformen nicht nur global operieren, sondern regional oder themenspezifisch arbeiten. Und dann brauche es weder Führungsfigur, noch ein Netz weltweiter Medienpartner, sondern einfach nur relevante Materialien.

 

Die WarLeaks – Im Jahr eins nach Collateral Murder

In dieser Woche jährte sich die Publikation des Videos Collateral Murder. Vor einem Jahr ging WikiLeaks mit dem bis dahin brisantesten Leak an die Weltöffentlichkeit. Das Video warf einen Blick in die Abgründe des Krieges. Es zeigt, wie Soldaten zu Mördern werden.

Für das WikiLeaks-Nachrichtenportal WL Central war der Jahrestag Anlass eine Übersicht unter dem Titel WarLeaks zusammenzustellen. Die Übersicht bietet zwar keine Neuigkeiten, aggregiert aber alle wichtigen Quellen rund um das Video Collateral Murder und die Afghanistan Dokumente beziehungsweise die Iraq-Logs. Was auf der Übersichtsseite fehlt, ist das Thema Bradley Manning. Der ehemalige Obergefreite der US-Army und mutmaßliche Quelle des Videos sitzt seit Monaten in strengster Isolationshaft, während die Hubschrauberpiloten aus dem Video auf freiem Fuß sind. An anderer Stelle jedoch biete WL Central ersatzweise eine separate Übersicht mit allen wichtigen News zum Fall Manning. Auch Greg Mitchell vom Netzmagazin The Nation liefert einen in seinem aktuellen Artikel  Dan Ellsberg and ‚Saving Private Manning‘ eine umfangreiche Einschätzung des Falls Manning. Greg Mitchell ist übrigens auch Autor des sehr empfehlenswerten Blogs Media Fix auf The Nation.

 

Kurz und klein (8): Nebenkläger, Nebeneinkünfte, Nebenberufe

+++Nebenkläger+++

In der Wunde wird weiter gewühlt. Die USA kommen nicht zur Ruhe. Vor wenigen Tagen erst hatte ein früherer Sprecher des US-Außenministeriums im britischen Guardian kopfschüttelnd kommentiert, der Umgang der USA mit dem vermutlichen Whistleblower Bradley Manning schade dem Ansehen Amerikas massiv.

Jetzt veröffentlichte die New York Book Review einen offenen Brief an die US-Regierung, den über 250 Intellektuelle in kürzester Zeit unterzeichneten. Ihr Plädoyer ist eindeutig. Die Haftbedingungen Mannings, der in strengster Isolationshaft auf seinen Prozess wartet, sind unmenschlich und schaden den USA (Siehe auch Asymmetrische Rache über die schweren Irrtümer der USA im Fall Manning).

+++Nebeneinkünfte+++

Der Weltgeist ist gerade in Nordafrika unterwegs. Ägypten und Tunesien dominierten zu Beginn des Jahres den Nachrichtenfluss (siehe auch Das Drehbuch der Revolution über die Bedeutung der Depeschen für die arabischen Revolutionen). Vor Wochen folgten dann der öffentliche Irrsinn Gadhafis, gepaart mit seiner brutalen Rücksichtslosigkeit beim Versuch der Niederschlagung der Revolution im eigenen Land. Jetzt ist es der Krieg westlicher Flugzeuge und libyscher Freiheitskämpfer gegen den Despoten.

Für Länder südlich des Maghrebs ist es da alles andere als leicht, das Interesse des Weltgeists zu wecken. Dabei sind die Vorgänge skandalös. In Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstem Land, wurden die am Wochenende geplanten Wahlen kurzfristig um wenige Tage verschoben. Als Grund wurden Lieferschwierigkeiten der Druckerei für Wahlerfassungsbögen benannt. Das WikiLeaks-News-Portal WL Central und die nigerianische Infoseite NEXT gehen auf Grundlage zahlreicher US-Depeschen, die WikiLeaks veröffentlicht hatte, jedoch eher davon aus, dass Verzögerungen bei den Manipulationsvorbereitungen Grund der Verschiebung waren. Denn aus den Depeschen geht eines hervor, anstelle des Wohles ihres Landes sehen zahlreiche nigerianische Politiker vor allem ihre eigenen Nebeneinkünfte an erster Stelle. Und die stammen in großen Umfängen aus der grassierenden Korruption.

+++Nebenberufe+++

Es gibt etliche Nebenberufe. Manche sind Teilzeitlandwirte, andere gehen abends putzen oder kellnern bis drei Uhr früh in einer schäbigen Bar, um die Familie durchzubringen. Bei Julian Assange wird man das Gefühl nicht los, dass er im Nebenberuf Interviewter ist. Die Zahl der Interviews jedenfalls ist mittlerweile astronomisch. Ein Exklusivinterview jagt das nächste. Der indische TV-Sender NDTV, das norwegische Aftonbladet, die italienische L’Espresso und jetzt auch noch das ZDF-Magazin aspekte. Assange würde wohl argumentieren, dass er sich nur in den Dienst der Sache stellt. Bleibt nur zu hoffen, dass es die Sache noch gibt. Und es nicht mehr ausschließlich um die Vermarktung der Person Julian Assange geht.

Im Aspekte-Interview jedenfalls äußerte sich Assange vor einigen Tagen vor allem zu einem wiederaufgelegten Buch, an dessen Entstehung er mitwirkte: Underground – Die Geschichte der frühen Hackerelite. Es geht um die Hackerszene der 1980er und frühen 1990er Jahre. Spannend ist es allemal. In der Süddeutschen Zeitung gibt es dazu noch ein Interview mit der Autorin Suelette Dreyfuss.

 

Leakingportale und Tennischläger

Der britische Historiker Timothy Garton Ash ist ein Mann der klaren Worte. Jetzt hat er sich in einem lesenwerten Kommentar im Guardian zum Thema Leakingportale geäußert. Der Titel verspricht nicht zu viel:

WikiLeaks has altered the leaking game for good. Secrets must be fewer, but better kept – For whistleblowers, government and press, the age of digileaks cries out for new rules on what to hide – and reveal

Da geht es um die richtige Hardware für Leakingportale, den Start von OpenLeaks und vieles mehr. Vor allem aber analysiert Garton Ash die Gegenwart mit dem Blick des Zeitgeschichtlers. Er nimmt die langfristigen Wirkungen, kurzfristiger Veränderungen in den Blick, identifiziert die Schlüsselprobleme und zieht die nahe liegenden Konsequenzen. Die sind zwar schon länger offensichtlich, lesen sich als kompakter Überblick jedoch äußerst unterhaltsam und sind vor allem allen dringend zu empfehlen, die mit Systemen wie WikiLeaks oder OpenLeaks in Beziehung stehen – ob freiwillig oder unfreiwillig.

Oder um es noch unmissverständlicher zu formulieren: Regierungen, Zeitungen und NGOs! Timothy Garton Ash liefert Euch hier die Guidelines für das Leben im Leakingzeitalter. Und diese Guidelines sind glasklar: Regierungen, schützt weniger Daten, schützt nur noch die wirklich schützenwerten Daten, aber schützt sie besser und Leakingportale beziehungsweise Zeitungen und NGOs, seid transparent, was Eure Strategien und Kriterien angeht, die ihr anlegt, wenn ihr Leaks benutzt, aber erklärt vor allem besser, warum ihr an manchen Punkten intransparent sein müsst, um beispielsweise Eure Quellen zu schützen.

Am Ende des Kommentars folgt dann noch eine Generalbewertung des Leakingzeitalters und da kommen auch endlich die versprochenen Tennisschläger ins Spiel:

Digileaks change democracy as graphite rackets changed tennis. Whether they make it better or worse will depend on the rules, the umpires and the players.

 

Thronfolger, Kronprinzen und Selbstversorger

Die Spekulationen reißen nicht ab. Das Verhältnis zu WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist ruiniert und seit Wochen kursieren Gerüchte, der britische Guardian und die New York Times könnten zukünftig mit der neuen Leakingplattform OpenLeaks.org zusammenarbeiten. Guardian Chefredakteur Alan Rusbridger bestätigte nun in einem längeren Interview mit der amerikanischen Nachrichtenseite The Cultline aus dem Yahoo News-Universum, dass man eine Kooperation mit dem Portal des WikiLeaks-Dissidenten Daniel Domscheid-Berg prüfe:

But Rusbridger did confirm that The Guardian has been in talks about a possible collaboration with OpenLeaks, a newer document-leaking platform launched in December by high-ranking WikiLeaks defector Daniel Domscheit-Berg.

Aber ebenso wie die New York Times scheint auch der Guardian ein eigenes Onlineangebot für Whistleblower zu erwägen. In den letzten Monaten sind bereits mehrere Leakingportale größerer Medienhäuser im Netz gestartet. In Deutschland bietet die WAZ-Gruppe mit derwesten-recherche.org ein eigenes Portal, in Schweden startete sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit RadioLeaks.se ein im Hörfunk einmaliges Angebot, auch der amerikanische Fernsehsender MSNBC ist mit Open Channel seit einigen Wochen online und Al Jazeeras Transparency Unit sorgte erst Ende Januar mit der Veröffentlichung der geheimen Palestine Papers für Furore.

Einen Überblick über zahlreiche neue Leakingplattformen gibt es hier. Das Ganze ist übrigens ein Work-in-Progress. Ergänzungen sind natürlich willkommen.

 

Asymmetrische Rache

Gewaltige Wut. Tief sitzende Frustration. Anders ist die Heftigkeit nicht zu erklären. Nachdem WikiLeaks-Gründer Julian Assange juristisch nicht zu fassen war, richtete sich das Bedürfnis nach Vergeltung offenbar ausschließlich auf den mutmaßlichen WikiLeaks-Informanten. Anders sind die Eskalationen der US-Justiz und die wiederholten Verschärfungen der Haftbedingungen des ehemaligen Army-Gefreiten Bradley Manning nicht zu erklären.

Fast schon verzweifelt richtete Amnesty International gestern einen offenen Brief an US-Präsident Obama, um auf die untragbaren Zustände hinzuweisen. Die britische BBC stellt in einem langen Feature hartnäckig die Frage, ob Manning nicht schon längst vor Beginn des Prozesses vielfach bestraft ist.

Es scheint ganz so, als hätte sich die Weltmacht USA in Afghanistan und im Irak in asymmertrischen Kriegen verfangen und übertrage jetzt das Prinzip des Asymmetrie auf die eigene Strafverfolgung. In Guantanamo sitzen entrechtete Kombattanten und im Hochsicherheitstrakt eines Militärgefängnisses in Virginia sitzt der vermeintliche Whistleblower Manning. Er ist es, der als menschlicher Blitzableiter die aufgestauten Energien jetzt absorbieren muss. Etwas viel Asymmetrie für einen Rechtsstaat.

 

WikiLeaks sorgt weiterhin weltweit für Wirbel – das Beispiel Indien

Es sind noch lange keine zehn Prozent. Es sind mittlerweile vielleicht drei oder vier Prozent. Mehr nicht. Aber die Wirkung ist immer noch enorm. Weltweit. Auch wenn bisher erst ein Bruchteil der WikiLeaks vorliegenden US-Botschaftsdepeschen veröffentlicht worden ist. Die Ausläufer der politischen Beben sind mittlerweile jedoch auf allen Kontinenten spürbar. Über die arabischen Erschütterungen berichteten wir hier bereits mehrfach. Auch Lateinamerika war schon im Fokus. Europa sowieso.  Aber auch in Indien sorgen neue Depeschen momentan für heftige politische Debatten.

Unter anderem geht es um schwere Korrruptionsvorwürfe gegen die regierende Kongresspartei von Ministerpräsident Singh. Im Raum steht der Vorwurf, dass Stimmen für eine Parlamentsabstimmung gekauft wurden, um einen Ausbau der Technologiepartnerschaft zwischen Indien und den USA voranzutreiben. Im Zentrum der Partnerschaft steht die Atomenergie, die Singh als eine der zentralen Komponenten der zukünftigen indischen Stromversorgung sieht. Mit Blick auf die Ereignisse in Japan muss man natürlich von einem idealen Zeitpunkt der Veröffentlichung sprechen. Gerade für Singh.

In einem Interview mit der indische Zeitung „The Hindu“ nahm auch WikiLeaks-Gründer Assange umfangreich zu den India-Cables Stellung und stellte klar, dass die Depeschen echt sind. Die indische Regierung hatte zwischenzeitlich versucht, die Glaubwürdigkeit der Depeschen in Abrede zu stellen. In einem Interview mit dem indischen TV-Sender NDTV äußerte sich Assange ebenfalls ausführlich und kritisierte unter anderem die aggressive Vermarktungsstrategie des State Department für US-Firmen weltweit.

 

Kurz und klein (7): Umstrittene Zahlungen und neues WikiLeaks-Forum

+++Umstrittene Zahlungen+++

Es wurde immer wieder betont. Die fünf großen Medienpartner New York Times, Guardian, Spiegel, Le Monde und El Pais haben nicht einen Cent für die WikiLeaks-Depeschen bezahlt. So jedenfalls die Selbstauskunft der Beteiligten. Jetzt aber hat der französische Nouvelle Observateur ein Chat-Interview mit einem anonymen WikiLeaks-Mitarbeiter veröffentlicht. Daraus geht klar hervor: Es ist Geld geflossen. Ein interessanter Leak aus dem Innern des Leaking-Imperiums WikiLeaks, sollte sich der Verdacht erhärten. Mit der Glaubwürdigkeit des WikiLeaks-Whistleblowers dürfte auch die Glaubwürdigkeit von WikiLeaks auf dem Spiel stehen. Das jedenfalls ist die Einschätzung von Florian Rötzer, Telepolis.

+++Neues WikiLeaks-Forum+++

Unter WikiLeaks-Forum.com gibt es neuerdings ein Forum zu diversen WikiLeaks-Themen. Nach einem Telefonat mit dem Admin des Forums ist zwar nicht ganz klar, wer der eigentliche Urheber des Forums ist, klar dagegen ist, dass aktuell noch Moderatoren für die verschiedenen Sprachen gesucht werden, denn das Forum ist eindeutig international ausgerichtet. Es bietet ein üppiges Angebot an Diskussionsthemen. Angefangen von den Irak- und Afghanistan-Protokollen über Politik und Medien bis hin zu Verschwörungstheorien. Dazu gibt es Eventkalender und Debatten zu anderen Leakingplattformen. Das WikiLeaks-Forum reiht sich ein in die lange Reihe zahlreicher Netzangebote und -werkzeuge, die wir hier überblicksweise zusammemngestellt haben.