Leserbrief zu „Lieber Herr Tuchel, auch Spaß muss sein“ von Marcel Reif
Ich wünsche dem leidenschaftlichen Guardiola-Bewunderer, er möge erkennen, dass ein großer Trainer nicht nur Wissen und Akribie benötigt, Spaßfaktor und Spielfreude sind auch essenziell. Trotzdem bleiben in Dortmund viele Fragezeichen: Wie schnell entwickelt sich eine neue Hierarchie, nachdem Kapitän Hummels beim Champion angeheuert hat? Der BVB wird nicht alle Spiele gewinnen, nach Niederlagen braucht das Team innere Stabilität, neue Führungsspieler müssen sich zeigen.Wird sich Borussia Dortmund als Rehabilitierungszentrum und Kurklinik für Gestrauchelte bewähren? Die Neuzugänge Mario Götze und André Schürrle sind durchaus diskussionswürdige Transfers. Der mittlerweile 24-jährige Mario Götze muss jetzt schleunigst erwachsen werden, und Thomas Tuchel wird ihm mit seiner feinmotorischen Antenne für sensible Schwingungen auch helfen. Aber selbst er kann ihm nicht abnehmen, unter Druck und im Brennglas der Öffentlichkeit Leistung zu bringen. In München hat es nicht funktioniert – Dortmund ist jetzt die letzte Ausfahrt für den Nationalspieler. Unstrittig ist das überbordende Talent des Weltmeisters, aber er muss liefern. Die Verantwortlichen beim BVB sind intelligent genug, sich nicht als Bayern-Jäger zu profilieren, koste es, was es wolle. Das ist ja bekanntlich schon einmal krachend schiefgegangen.Die für mich spannendste Frage bleibt jedoch das Thema Uli Hoeneß. Was bedeutet das für das Innenverhältnis in München, wenn der große Patron zurückkommt? Macht kann man nicht vermehren, Macht muss man teilen. Wie reibungslos schaffen das die Herren Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß? – Peter Prinz zu Hohenlohe
Nachtreten – Bei Wolfgang Bosbach wird immer ein fader Beigeschmack bleiben. Denn zum kritischen Geist innerhalb der CDU wurde er erst dann, als fest stand, dass er kein Minister wird und damit sein politischer Aufstieg beendet ist. Insofern wird er den Verdacht niemals ganz entkräften können, dass sein Verhalten in den letzten Jahren nicht mehr und nicht weniger war als ein Nachtreten gegenüber Angela Merkel. – Dr. Jens Brökelschen, Schwerte
Leserbrief zum Rückblick über die deutsche Flüchtlingspolitik von Bernd Ulrich
Beruflich selbst im Bereich Migration/Flüchtlinge aktiv, verfolge ich die Artikel zum Thema „Flüchtlinge“ meist besonders intensiv. Hierbei fällt es mir bereits seit ein paar Wochen auf dass die Artikel von Bernd Ulrich mittlerweile wesentlich weniger Kritik zum Beispiel auf die deutsche Regierung ausüben als noch vor einigen Monaten. Woran das liegen könnte weiß ich nicht, aber es fällt auf.
Im Artikel „Ein Jahr wie keines“ hat diese Tendenz eine neue Hochform erreicht. Ich weiß nicht ob es darum geht die deutsche Gesellschaft zu trösten (oder zu motivieren?) in dem man ihr klar macht, dass doch alles „gar nicht so schlimm“ sei mit der Million Flüchtlingen im Land oder was dahinter steckt. Eine Bilanz vom vergangenen zu ziehen und sich zu freuen dass die Zahlen der Neuankömmlinge weiter gering bleiben, nur in einem Nebensatz zu erwähnen dass der „Deal“ mit der Türkei ja schließlich auch noch bestehe (frei nach dem Motto: kein Grund zur Sorge, wir können uns weiterhin auf die Türkei verlassen); vor allem aber absolut nicht die Lage in Griechenland (von Italien beginne ich erst gar nicht) zu erwähnen. Da fehlen mir die Worte.
Seit Wochen steigen die Zahlen der Ankömmlinge auf den griechischen Ägäis Inseln wieder, wenn auch weniger stark als noch im letzten Jahr, dann dennoch mehr als stark genug um die Lage in den „Hotspots“ dort vor Ort nur noch schlimmer zu machen als sie es ohnehin schon ist. Und das zynische an der Situation ist, dass selbst Flüchtlinge die es im rechtlich/bürokratischen Wirrwarr des Türkeideals endlich aufs griechische Festland geschafft haben, teilweise versuchen wieder zurück auf die Inseln zu gelangen, weil die Lage auf dem Festland selbst noch viel chaotischer und für allem für besonders schutzbedürftige Menschen unzumutbar ist.
Dass dieser oben genannte Aspekt in der Recherche nicht vorkommt ist doch bemerkenswert, ist es doch öffentlich bekannt dass Frau Merkel höchst persönlich an der Verhandlungen mit der Türkei beteiligt war (bzw sie initiiert hat) und somit den Grundstein für die Entscheidung gelegt hat, man könne jetzt alle Neuankömmlinge auf griechischen Urlaubsinseln festhalten. Hätte dies nicht in die Bilanz des Flüchtlingsjahres aufgenommen werden können? Des Weiteren hätte man erwähnen können, dass die „entspannte Lage“ in Deutschland natürlich vor allem davon profitiert dass die Balkanroute nun gesperrt ist, was wiederum zu oben beschriebenen Lage in Griechenland geführt hat. Früher standen diese Dinge in Artikeln die von Herrn Ulrich verfasst wurden. Es wäre schön, wenn die Thematik Flüchtlinge auch in Zukunft wieder von allen Seiten, und mit gesunden Maß von Kritik beleuchtet würde. – Anna Hardy
Anmerkung zu „Jetzt wird es eng“ von Mark Schieritz
Seit Jahren hinterfrage ich die Lebensbedingungen alter Menschen in GER und habe als dringenden Veränderungs-Faktor „Alte Menschen aufs Land“ gefunden. Bitte bleiben Sie am Thema; es ist spannend wie ein Krimi.Welche anderen Aufgaben sollten unsere Dörfer demnächst eigentlich übernehmen, wenn sie nicht als äusserst angenehme Residenzen für ältere Menschen entwickelt werden???Hier bietet sich ein kollossales politisches Tätigkeitsfeld zur Entlastung unserer Ballungsräume in unseren ländlichen Regionen an. Unsere Städte platzen aus allen Nähten und die Dörfer suchen nach neuen Aufgaben, das passt doch!! Breit gestreute öffentliche Rückendeckung wäre hilfreich! Vielleicht passt das Thema zu Ihren Recherchen?? – Albrecht von Hagen
Leserbrief zu „Unterstützt die Türkei Islamisten?“
Die Entwicklungen der letzten Zeit haben eine Mitgliedschaft der Tuerkei in der EU unwahrscheinlich und wenig wuenschenswert gemacht. Der saekulare Staat Kemal Pashas scheint in Gefahr, von einer nicht ganz kosheren Radikalisierung des Islam uebernommen zu werden – wobei auch einige offensichtliche Kollaborationen mit ISIL (wie z.B. Oelhandel aus IS besetzten Gebieten, sowie Logistik ueber tuerkisches Gebiet) einiges zu denken geben. Dabei liegt auch der Verdacht einer Anti-Shia-Verbindung mit Saudi-Arabien nahe, und Herrn Erdogans Aufstieg zum Quasi-Sultan ist gleichfalls sehr bedenklich. Die besagt Kollaboration mit ISIL macht die offizielle „Erklärung“ des Einmarschs in Syrien auch sehr viel weniger glaubwürdig: Das Hauptziel war, wie auch Herr Biden bei seinem Besuch bei Erdogan klarmachte: Den kurdischen Landgewinn gegen ISIL einzudämmen. Biden sprach von einer Demarkationlinie am Euphrat. Das ist kein türkischer Einsatz gegen ISIL, sondern deren Schutz im Bereich der türkischen Grenze, woher ja auch ihre logistische Versorgung kommt – wie auch die der offiziellen „gemäßigten“ Hillary-Freunde.
Was dahinter steht, ist ein US-Vergebungseinschleichen bei Erdogan, das ihm volle Freiheit für alles gibt. Die Unterstützung der Kurden war ja nur insoweit von US Interesse, als es sie von Allianz mit Assad fernhielt – der sich auch etwas schwer täte mit einer autonomen kurdischen Region – es aber wohl annehmen müsste aufgrund eigener strategischer Notwendigkeit und russischen Drucks. Der US Partnerwechsel wird das Einverständnis sicher voranbringen. Im Zusammenhag mit den immer staerker hervorkommenden tuerkischen Regional-interessen wird selbst die NATO-Mitgliedschaft fragwuerdig: fuer Europa, seit dem Wegfall des alten Kalten-Krieg-„Feindes“ Sovietunion, ohnehin hinfaellig, wird selbst die Verlaesslichkeit fuer die ueblichen US-Manipulationen fraglich – Washington ist selbst viel zu viel in Kriege und Buergerkriege hineinmanipuliert worden, weil andere dort unten (vor allem in der Wueste) sie fuer ihre eigenen Spiuelchen benutzt haben – und das geht von Iraq bis nach Libyen und Syrien.
Was die Türkei angeht, und die angebliche „Rechtlichkeit“ ihrer invasion, so kann von der letzteren keine Rede sein: Wie auch die Gegenwart in Syrien von US-Truppen und Trainern von Untergrundtruppen (wenn auch mit kläglichen Resultaten), ist der türkische Einmarsch ein Akt des Krieges, ein Verbrechen nach Internationalem Recht. Dabei ist aber Erdogan die Unterstützung der USA wichtig, da diese sich ohnehin nie um Recht oder Gesetz kümmern.Die Frage ist natürlich: Wollen USA und Türkei wirklich ISIL schwächen? Die Antwort ist ein klares „Nein“! Denn ohne Isil auf einer Seite, könnte die syrische Armee sich auf Terroristenherde von Al Nusra (nahe Damaskus) und andere (in Aleppo) konzentrieren. Bislang hat der Zweifrontenkrieg eine Lösung verhindert, was Obama -und besonders auch Hillary Clinton- ganz bestimmt nicht sehen wollen, bestimmt nicht vor den Wahlen! – Dr. J. Boost
Leserbrief zu „Jetzt wird es eng“ von Mark Schieritz
Schlimm genug, dass ein Arbeitnehmer mit solidem Einkommen nur noch dann von seiner „Hände Arbeit“ leben kann, wenn er das Glück hat, preisgünstigen Wohnraum in günstiger Lage zum Arbeitsplatz gefunden zu haben.
Leserbrief zu „Jetzt wird es eng“ von Mark Schieritz
Leserbrief zum Artikel von Jens Spahn, „Doppelt hält schlechter“
Leserbrief zu „Ein Jahr wie keines“ von Bernd Ulrich (und „Als Deutschland die Kontrolle verlor“ in Ausgabe 35)
„Hat die Kanzlerin richtig entschieden, als sie…“ die Grenzen offen gehalten hat, die Flüchtlinge ins Land ließ und…? Auch wenn diese Frage immer wieder und gern gestellt wird, geht sie meines Erachtens völlig am Problem vorbei. Die Bundesregierung und die Kanzlerin haben völlig darin versagt, das Land und die Einsatzkräfte auf einen Flüchtlingsstrom vorzubereiten und sie haben, als es soweit war, kaum etwas getan, um Länder, Kommunen, Hilfsorganisationen und private Helfer zu unterstützen. Dass uns das Chaos erspart blieb, ist der Bundesregierung jedenfalls nicht zuzuschreiben. Dass die Kanzlerin nur die Wahl zwischen „Willkommenschaos“ und „Abschottungschaos“ hatte, ist einfach falsch. Zu Recht setzt Die Zeit noch den Halbsatz „wegen der vorhergehenden Versäumnisse“ hinzu. Warum steht das immer nur als Randnotiz? Das ist das Thema! Ein anständig geführter Staat erkennt mögliche Probleme wie eine Flüchtlingswelle (war bekannt!), entwickelt frühzeitig Lösungsszenarien und trifft Vorkehrungen, damit Grenzschutz, Kommunen usw. im Ernstfall angemessen Unterstützung erfahren, insbesondere indem sie Handlungsempfehlungen erhalten. Nichts von dem ist passiert. Das ist der Regierung anzulasten. Der Apparat sollte groß genug für diese Aufgaben sein. Als die Lage in Ungarn eskalierte, war es doch schon fast zu spät. Die Ahnungslosigkeit und Unvernunft der Regierung hat Die Zeit ja schön nachgezeichnet. Das Flickwerk und der Murks nach den Septembertagen wären eine weitere Reportage wert. Wird die Regierung lernen? Es wird ja nicht die letzte Herausforderung gewesen sein. Klima, Demografie, Abbau der Demokratie auch in der EU… gibt es einen Plan? – Dr. Eberhard von Faber
Anmerkung zum Artikel „Omran“ von Malin Schulz
Leserbrief zu „Jetzt wird es eng“ von Mark Schieritz
Leserbrief zu „Jetzt wird es eng“ von Mark Schieritz
Langsam wird wohl allen klar, dass Erhöhungen des Rentenniveaus (Ankündigung einer Kampagne durch Bsirske) oder Erhöhungen von Sozialleistungen, BAFÖG, steuerliche Verbesserungen für niedrige Einkommen usw. kaum nützlich sind, wenn jede Einkommensverbesserung sofort von den Wohnkosten wieder aufgefressen wird.
Wir brauchen eine ganze Reihe von Maßnahmen, wenn nicht noch viel mehr Haushalte von staatlichen Zuschüssen abhängig werden sollen – mit deutlich progressiver Tendenz. Die aktuelle Prognose besagt, dass bis zur Hälfte aller künftigen Rentner sofort in die Grundsicherung müssen. Das wiederum wird auf den Konsum durchschlagen mit weiteren Folgen für die gesamte Wirtschaft. Diese Keule wird die nächste Bundesregierung mit voller Wucht treffen, egal wie sie zusammengesetzt sein wird.
Die Entwicklung wurde für mich schon Anfang 2016 deutlich und veranlasste mich, 2 kleine Bücher zum Thema zu schreiben, ein Fachbuch (Juni 2016) „Meine unpfändbare Wohnung“ mit einem Vorwort von MdB Corinna Rüffer und eine Erzählung (August 2016) „Anna lebt noch einmal“. Die Erzählung schrieb ich deshalb, weil die LeserInnen sich die komplexen Sachverhalte dann zusammen mit den handelnden Personen erschließen können. – Klaus Puchstein
Anmerkung zum Artikel über Bayreuth „Überall spritzt Fett“
Herrlich Ihr Artikel über den Grünen Hügel, der auch mein Sehnsuchtsort ist! Vielleicht schaffe ich es in dreißig Jahren, wenn ich so zwischen Achtzig und Neunzig bin, auch einmal dorthin. Bis dahin halte ich mich an die Worte des fiktionalen Wagnerianers Inspector Morse aus der gleichnamigen britischen Krimiserie. Er belehrt in der letzten Folge „The Remorseful Day“ seinen Adlatus Sergeant Lewis: „You really should persevere with Wagner, Lewis. It’s about important things: life and death…and regret.“ Fogerichtig sind die letzten Sequenzen des Films, die Apotheose des ungewöhnlichen Inspektors, unterlegt mit Teilen aus dem Parsifal-Vorspiel. Auch herrlich! – Hildegard Wittersheim
Leserbrief zum Artikel über Bayreuth „Überall spritzt Fett“
ich oute mich gerne als Uralt-Abonnent …der fast nie Artikel öffentlich kommentieren will/wollte …! Aber der diesjährige Kommentar zu den Festspielen – ( bis auf Sloterdijks Glosse ist diese ‚Spezies‘ sowieso bereits unsäglich gewesen ) – schlägt dieses Jahr dem Fass den Boden vollends aus!!! Will die ZEIT nun junge ‚Talente‘ so dreist alimentieren??? Diese ausgehungerte Jungautorin muss sich in diesem Provinznest B einfach den kümmerlichen Bauch ‚vollschlagen‘ …??? Ein Füllhorn an pejorativen Attributen könnte ich über dieses pubertäre Geschreibsel schütten … aber was soll’s … das Elaborat liegt nun vor … ! Grund genug, sich weder dieses ‚Talent‘ weiter zu merken – geschweige denn zu lesen – ! Aber vielleicht sollte ich mir doch Gedanken machen … mich einfach als Ü-60ziger zum alten Eisen zu zählen, mir einzugestehen, dass die Zeit gekommen ist, mein jahrzehntelanges Abo zu kündigen …. – Helmut Karl Degen
Leserbrief zum Artikel über Bayreuth „Überall spritzt Fett“
Ebenfalls interessant, aber letztlich ärgerlich war z.B. der zweite Akt der „Götterdämmerung“, der vor einer Dönerbude an der Berliner Mauer spielt: Während Brünnhilde erkennt, wie sehr sie betrogen wurde („Schuft ihr mir Schmach, wie nie sie geschmerzt?“) zerhackt der Koch in der Dönerbude Salat, schneidet sich dabei in die Hand, viel Theaterblut fließt, um die Blutung zu stillen, steckt er die Hand in einen Eimer mit Kartoffelsalat und das Ganze wird auch noch gefilmt und in Echtzeit auf eine Großbildleinwand auf der Bühne übertragen, so dass man von Brünnhildes Klage nichts mehr mitbekommt.
Kein Dank an Frank Castorf, Dank dagegen an Marek Janowski, der entgegen dem deutschen Musiktheatergedöns Musik machen möchte, sich um das Bühnengeschehen nur soweit kümmert, dass die Sänger tatsächlich singen können. In diesem Fall haben das viele Besucher nicht mitbekommen, weil sie über diese Slapstickszene tatsächlich gelacht haben. Der Ärger stellt sich erst hinterher ein, ebenso wie der Ärger darüber, das Menschen, die dem zentralen Anliegen der Festspiele nichts abgewinnen können, knapp zwei Seiten für die Schilderung der Nebenschauplätze eingeräumt werden. – Rüdiger Mühlhausen
Anmerkung zum Bericht aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt „Wir sind dagegen“Ich zitiere aus oben genanntem Artikel:“Eine Landtagsfraktion funktioniert ja wie ein kleines Unternehmen, sie braucht Sekretärinnen, Referenten, Hilfskräfte, einen Pressesprecher.“Fällt Ihnen etwas auf? Niemand erwartet geschlechtergerechte Sprache in Form von Binnen-Is oder Asterisken in einer Zeitung, aber dieser Satz geht nicht! Es ist ein leichtes, aus den Sekretärinnen z.B. Büromitarbeiter zu machen. – Antje Krauße
Leserbrief zu „Ein Jahr wie keines“ von Bernd Ulrich
Ihr Autor hat anscheinend eine andere Wahrnehmung als die meisten Bürger in unserem Lande. Meine Wahrnehmung ist auch eine andere. Das mag auf den ersten Blick, den Ihr Autor beschreibt, so sein. Auf den zweiten Blick oder genaueren, stelle ich eine große Unzufriedenheit fest. Manche sind auch unsicher und wissen noch nicht wie sie die Politik der Bundeskanzlerin einschätzen sollen. Viele Bürger sind auf Abstand zur Bundeskanzlerin gegangen. Das Vertrauen zu ihr scheint aufgebraucht zu sein. Es wäre für eine Beurteilung auch hilfreich, mit denen zu sprechen, die sonst schweigen. Wer soll es sonst machen ? Diese Frage ist immer wieder zu hören. Eine Alternative sehen die Bürger kaum. Jedenfalls nicht unter den aktiven Politikern. Vielleicht einer von aussen, der nur unter den Insidern bekannt ist. Dem allzu beliebten Herrn Bosbach würden alle Herzen zufliegen. Da käme auch die Bundeskanzlerin unter die Räder. Bloss keiner von der linken Fraktion, denen hat man das Dilemma angehangen. Ihr Autor scheint auch nicht weit davon entfernt zu sein. Den Medien fehlt ein Grundgesetz, welches ausschließt, als vierte Kraft in der Politik mit zu wirken. Das sollte für alle gelten. Auf die Idee ist noch keiner gekommen. Das wäre aber ein wichtiger Beitrag für unsere Demokratie. Dann wäre eine Partei wie die AfD erst gar nicht geboren. – Gunter Knauer
Leserbrief zu „Ein Jahr wie keines“ von Bernd Ulrich
Danke, Bernd Ulrich, für den treffenden Kommentar zum Jahrestag des 4. September 2015! Endlich ist einmal klar und deutlich zu lesen, dass Angela Merkel nicht die Grenzen geöffnet (sondern offen gehalten) hat, dass Hundertttausende von Flüchtlingen längst unterwegs waren, bevor sie angeblich die Grenzen geöffnet hat, dass sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen hat, sondern dass eine Grenzschließung gegen deutsches und europäisches Recht verstoßen hätte, dass eine andere Entscheidung Deutschland verändert hätte, weil es kein Rechtsstaat mehr gewesen wäre, in dem die Menschenrechte gelten, dass die Entscheidung richtig war und der Preis nicht zu hoch. Wer für die Alternative plädiert, „Abertausenden hilfsbedürftigen und hilfsberechtigten Kriegsflüchtlingen“ (Bernd Ulrich) die Hilfe zu verweigern, plädiert, sollte wissen, dass er sich vom Erbe des christlichen Abendlandes verabschiedet, zu dem der Grundsatz gehört: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. – Jürgen Thiede
Leserbrief zum Artikel „Omran“ von Malin Schulz
Seit der Syrien-Krieg im März 2011 ausgebrochen ist, schreiben Ihre Redakteure immer wieder ergreifende Artikel, diese Woche z.B. über das Kind Omran, und jedes Mal geschieht in mir ein Flashback, zurück zum März 2006, als ich mit meinem Mann und unserem Pflegesohn, der zu der Zeit Arabisch in Damaskus studierte, ein kulturell begeisterndes und in seiner menschlichen, religiösen und historischen Vielfalt beeindruckendes Syrien kennnenlernte. Mit einem Privatauto durchfuhren wir knapp 2 Wochen lang einen großen Teil von Syrien, machten viele Fotos, viele auch an den archäologischen Stätten, die mich als Ex-Archäologie-Studentin besonders interessierten.
5 Jahre später brach der Krieg aus. Wieder 5 Jahre später kümmern wir uns nun in Heidelberg um syrische Flüchtlinge. Besonders um die Familie A. mit ihrer 3-jährigen Tochter aus Damaskus. Der Vater B. besaß dort ein Restaurant in der Altstadt, so erzählte er uns. Als wir vor wenigen Wochen mit einigen Nachbarn und weiteren syrischen Flüchtlingen ein deutsch-syrisches Gartenfest feierten, wollten die Syrer gern einige unserer Fotos sehen. Ich zeigte u.a. ein Bild von der Straße, in der unser damaliges Lieblingsrestaurant lag. Es schnürte mir den Hals zu: unser syrischer Vater B. rief plötzlich: „in der selben Straße hatte ich mein Restaurant. Dies ist das Restaurant meines Freundes!“ 10 Jahre später treffen sich ein Touri-Bild und die schreckliche Wirklichkeit des Krieges in einem kleinen Garten in Heidelberg. – Christiane Kehrel
„Doppelt hält schlechter“ Parlamentarischer Staatssekretär Jens Spahn (CDU) zur doppelten Staatsbürgerschaft
„Doppelt hält schlechter“ Parlamentarischer Staatssekretär Jens Spahn (CDU) zur doppelten Staatsbürgerschaft
Sehr geehrter Herr Spahn, Sie versuchen zu begründen, weshalb zwei Staatsbürgerschaften für die Kinder von Nichtdeutschen falsch seien. Dabei nehmen Sie Bezug auf jüngste Pro-Erdogan-Demonstranten, erklären den Begriff des „Staatsbürgers“ – und sprechen von hohen Sozialstandards sowie großzügiger Zuwanderungspolitik als Gegensätzen. Ferner fordern Sie eine „bewusste Entscheidung“ für eine Staatsbürgerschaft – und fragen, weshalb diese unzumutbar sein solle. Es sei Ihnen nicht nachvollziehbar. Sie schließen mit dem Blick gen USA, wo Amerikaner italienischer oder chinesischer Herkunft ein klares „Ja“ zu ihrem Ami-Sein gäben, und fragen, warum bzw wann dies bei uns ebenso der Fall sei.
Es wird dann der Fall sein, wenn Sie endlich aufhören, alle über einen Kamm zu scheren, die vergangenen sechzig Jahre deutscher Einwanderungsgeschichte zu ignorieren und all den Menschen mit dem ihnen gebührenden Respekt zu behandeln, den sie verdienen. Meine Eltern haben durch ihre Einwanderung in den siebziger Jahren wie Millionen andere für den Aufbau dieses Landes gesorgt. Sie haben all jene schwere körperliche Arbeit, ohne zu Murren übernommen, und sich auch sonst nie beschwert. Ihre Kinder aufs Gymnasium geschickt, vom Sportverein abgeholt und auf Schulausflüge gesandt, ob sie es sich leisten konnten oder nicht. Sie sind krank zur Arbeit, haben uns Disziplin, Zuverlässigkeit und Anstand gelehrt, und Respekt vor unseren Mitmenschen, gleich welcher Herkunft. Sie zahlen ihre Steuern und dennoch: kein Funke Respekt für ihre Lebensleistung. Noch heute geistert der Begriff „Gastarbeiter“ durchs Land – Dummerweise kamen aber Menschen.
Es gibt einen kleinen Anteil jener, die in einem parallelen Milieu leben, das ist sicher. Oder zwei Reisepässe für Schandtaten nutzen, mag sein. Was aber ist mit den Millionen von Menschen, die hier leben und arbeiten, seit teils Jahrzehnten Steuern zahlen – und zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen pendeln, denen wollen Sie diese Realität beider Kulturen verweigern, dem Hickhack beim Grenzübertritt aussetzen? Was fürchten Sie? Kennen Sie eigentlich die Gegebenheiten, wenn ehemalige Staatsbürger mit zB deutschem Pass oder Visum in ihr Herkunftsland einzureisen vorhaben?
Das Leben unserer aller Werte – es bedeutet gewiss nicht eine Entscheidung für dieses oder jenes Dokument. „Integration“ ist, was wir täglich leben. Ich muss mich nicht „integrieren“ – Ich bin längst da! Mittendrin! Können wir endlich einmal beginnen, das „Wir“ als Menschen jeglicher Herkunft anzuerkennen?
Ich habe meinen deutschen Personalausweis heute, mit 35 Jahren, abgeholt. Warum erst jetzt, fragen Sie sich?
Weil ich es leid war, darauf zu warten, dass die politischen Parteien dieses Landes für Menschen wie mich, eine Generation wie meine, Realitäten anerkennt, und uns beide Staatsbürgerschaften lässt. Uns das Wahlrecht zugesteht ohne die andere Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen.
Die Idee einer einzigen Staatsbürgerschaft ignoriert Realitäten unserer Zeit. Jeder kommt „irgendwoher“, jeder bringt irgendetwas „Fremdes“ mit..bis es alle kennenlernen und Teil des „Wir“ wird, eben nicht mehr „fremd“ ist – was ist daran verkehrt?
Dass Sie trotz Ihres Alters und Ihrer Lebenserfahrung sowie dem angenommenen erweiterten größeren Bekanntenkreis eines bekannten Politikers niemanden, wirklich niemanden kennen, den Sie persönlich zu dieser Situation, zu dieser von Ihnen formulierten „bewussten Entscheidung“ hätten befragen können – Das erstaunt mich zutiefst. Ist das nicht eben jene Abschottung in totaler Konsequenz, die Ihre Partei von Einwanderern eben nicht sehen will? Das Gegenteil all dessen, was Sie in Ihrem Beitrag formulieren und einfordern?
Ich bin hier geboren und auch hier aufgewachsen, habe mich während meiner Schulzeit und im Studium stets engagiert und für andere eingesetzt – mehr als mancher ihrer „deutschen“ Staatsbürger, ja, sogar sportliche Leistungen bis auf nationaler Ebene erbracht. Aber dass ich fremde Wurzeln, eine andere Kultur und andere identitätsstiftende Wesensmerkmale in all mein Tun tagtäglich einfließen lasse – Das ignoriert Ihre Politik. Sie schreiben, dies könne man auch mit deutscher Staatsbürgerschaft tun. Richtig: Fortan muß ich also als Deutsche ein Visum in Serbien beantragen, wenn ich längere Zeit einmal das Herkunftsland meiner Familie bereisen, meine Wurzeln kennenlernen, meine Großeltern länger sehen will. Könnten Sie nicht endlich anerkennen, dass ich beides in mir trage, und beides lebe, im Inneren wie im Außen, charakterlich wie formal? Zudem: Sind Politiker nicht gewählte Vertreter eben dieses ..Volkes..dieser Menschen?
Meine Eltern könnten Ihnen so einiges aus ihren vierzig Jahren in Deutschland erzählen. Sie könnten endlich ins Gespräch kommen. Sich ein auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen fundiertes Bild machen. Von jenen, für die Sie vorgeben zu arbeiten. Von deren Wünschen, Zielen und Hoffnungen. Damit man endlich nicht mehr übereinander, sondern miteinander spricht. Dann nämlich schaffen „wir“ das in Deutschland, was ja Ihre Frage war. Letztlich eine Frage der Prioritäten, des politischen Willens. Es war Ihnen wichtig genug für einen in meinen Augen unausgegorenen Zeitungsbeitrag in Wahlkampfzeiten. Jetzt wäre Ihre Chance gekommen, tatsächlich mehr zu verstehen. Zuzuhören. Ihre Politik den Bedürfnissen und Notwendigkeiten unserer Zeit anzupassen. Wenn wir das schaffen..Dann hören Sie von mir und von meiner Generation ein „Ja, wir sind Deutsche, wir sind all das!“ Und, vielleicht dann auch, werden irgendwann Begriffe nicht mehr da sein, die eher etwas über eines Geisteshaltung des Sprechers als über das avisierte Sprachobjekt aussagen, als da wären „Gastarbeiter“, „Integration“, „Wirtschaftsflüchtling“..die Reihe ist lang. Es ist an der Zeit. Legen wir los! – Slavica Markovic
Anmerkung zum Gespräch mit Halil Akkanat, Rektor der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul
Das Interview mit dem Erdogan-Claqeur Herrn Akkanat hätten Sie sich wahrlich sparen können. Die Äußerungen dieses Abnickers sind nur peinlich. Allerdings vermute ich, dass er lediglich an seinem Posten festhalten will und vielleich eine ganz andere Meinung hat. – Roland Fischer
Stadträume leergeräumt worden sind. Warum sollen die Fehlplanungen – nicht wenige dieser solitären Großbauten sind stadtplanerisch verheerend falsch plaziert worden – musealisiert werden? – Markus Erich-Delattre
„Doppelt hält schlechter“ Staatssekretär Jens Spahn (CDU) zur doppelten Staatsbürgerschaft
Ist aber nicht unzeitgemäß, wird man zunächst spontan antworten. Wenn ein junger Staatssekretär mit keinem Wort die Globalisierung in diesem Zusammenhang erwähnt, in der es vollkommen logisch ist, dass es zwangsläufig immer mehr Menschen mit zwei oder sogar mehr Staatsangehörigkeiten geben wird, so ist das wenig überzeugend. Hinzu kommt, dass seine Forderungen, die nahezu ausschließlich mit dem Selbstlob unseres Sozialstaates „begründet“ werden, den Eindruck erwecken, nur die bewusste Entscheidung zur deutschen Staatsangehörigkeit könnte eine krisenfeste Gesellschaft „garantieren“. Auch der ablenkende rhetorische Schlenker („Pars pro Toto“) für das Selbstverständnis mit dem inzwischen überall beliebten inflationären Gebrauch „unserer Werte“, sind alles andere als ein argumentativer Begründungszusammenhang! Hier versucht der Politiker, Jens Spahn, eine Homogenität im Denken zu erreichen, die gerade in seinem Job, nicht nur falsch, sondern bereits bedenklich erscheint!! – Johannes Seidel
Leserbrief zu „Stark durch Therapie“
Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sich DIE ZEIT in die endlose Reihe der Lobbyisten einreihen würde. Aber nun ist es passiert. Mehr Werbung für Psychotherapeuten geht nun wirklich nicht. Erstaunlich, wie die zitierten Herren sich dazu bekennen, dass es ihnen schlicht ums Geschäft geht: „Psychotherapie muss sichtbarer werden, als begehrenswertes Produkt inszeniert werden. Echte Psychotherapie richtig zu vermarkten, das wäre eine große Geschäftsidee.“ (Alain de Botton).
Das sieht auch Johannes Vennen so, der der Nachfrage von Männern etwas nachhelfen möchte. Wie es aussieht, hat er damit Erfolg. Alle möglichen Lächerlichkeiten – und jede einzelne ist ärgerlich – kommen zur Sprache. Schon der Süfke-Titel „Männer. Erfindet. Euch. Neu.“ Vor solchem Gestammel schreckt sogar die „LeichteSprache“ zurück. In der wird auch das Wort „Männlichkeitstechnisch“ nicht vorkommen, das Herr Süfke in die Welt gesetzt hat. Herr Vennen setzt Tools ein und empfiehlt Achtsamkeits-Apps. Wenn es ums Geschäft geht, kennt die Phantasie der Psychotherapeuten offenbar keine Grenzen. Mit dem Mann wurde ein neuer Markt entdeckt.
Schluss mit den Einzelheiten. Eine nervt mehr als die andere. Alles deutet darauf hin, dass sich die Psychotherapie-Branche an der Pharmaindustrie orientiert. Ihr wird nachgesagt, dass sie ständig neue Krankheiten erfindet und sich damit neue Märkte erschließt. So ganz abwegig dürfte diese Vermutung nicht sein.
Männerkrisen, Männerkrisen, Männerkrisen – die habe es zwar immer gegeben, und nun kommen noch aktuelle hinzu. Frauenemanzipation. Und die große Frage: Was bedeutet „männlich sein im 21. Jahrhundert?“ Das weiß niemand so genau, nur die Psychotherapeuten – wenn man ihnen glaubt.
Weil der Mann jahrhundertelang der Boss war und es heute nicht mehr ist, muss sich der Mann erklären, sagt Herr Hümer. Und weiter: „Es gibt viele Wege, das herauszufinden. Einen direkteren Weg als eine Psychtherapie, eine professionelle Lebensberatung oder ein gutes Coaching gibt es nicht.“ Doch, den gibt es: Das ehrliche Gespräch mit sich selbst. Davon muss niemand Angst haben, auch wenn manche Erkentnis vielleicht weh tut.
Zwei Anmerkungen zum Schluss:
Erstens: Die Therapie eines jungen Mannes, der fürchtet, sein Vater könne ihn für einen Schlappschwanz halten, ist wichtiger als die Therapie von misshandelten traumatisierten Kindern und von Soldaten, die ihre grausamen Kriegserlebnisse allein nicht verarbeiten können? Der Beitrag lässt diese Überlegung nicht ganz abwegig erscheinen.
Zweitens: Gespräche mit therapierten Männern haben nicht stattgefunden? Sie hätten zumindest geholfen, den Beitrag nicht so einseitig kommerziell zu schreiben. – Peter Gudelius
Leserbrief zu „Jetzt, jetziger, am jetzigsten“ Maximilian Probst über den beschleunigten Medienbetrieb
Meines Erachtens ist das Ungefühl mit den Medien – im Kern – nicht auf die Beschleunigung als solche zurückzuführen, sondern auf die immer weiter gehende „Medialisierung“ im eigentlichen Sinne des Wortes – der Einfügung von immer mehr Zwischenebenen zwischen dem, der tatsächlich etwas gehört, gesehen, erfahren, erlebt, gedichtet, gesagt, gestaltet hat, und dem Nachrichtenempfänger. Es ist zwar das Wesen von Medien, dass es Zwischenebenen gibt – das ist gerade der Sinn der Sache, dass ich etwas über Dinge erfahre, die ich NICHT selber erlebt habe, und Meinungen zur Kennntnis nehme, die andere sich über Dinge gemacht haben, oder Gefühle, die sie zum Ausdruck bringen, usw. Gleichwohl: kann es sein, dass heute weitaus mehr inner-mediale Selbstreferenzialität besteht als früher (mir fällt leider kein einfacheres Wort ein)? Es gab schon immer die „Presseschau“ – dass eine Zeitung berichtet, was andere Zeitungen berichten. Nur, die HAUPTarbeit war, SELBER etwas zu recherchieren – Leute liefen rum, stellten Fragen, machten Bilder, durchsuchten Archive, … irgendwann entstanden Artikel oder Sendungen.
Heute besteht – glaub ich – mindestens 95 % der Arbeit einer Nachrichtenagentur und vielleicht sogar einer Zeitungsredaktion darin, zu überwachen, was alle anderen Teilnehmer am Medialen Leben senden, schreiben, tweeten, re-tweeten, usf. Und dann entstehen Meldungen, die letztlich in der 4., 7. oder 13. „Zitatebene“ zu einem tatsächlichen Geschehen in der wirklichen, der physischen Welt stehen: A. zeigte sich enttäuscht über die Reaktion von B. auf den Tweet von C., mit dem dieser die Einordnung von D. kritisierte, der die xy-Politik von E. eine „mittlere Katastrophe“ genannt hatte … Sack Reis, China, Sie verstehen?
Und das passiert eben auch ganz schnell bei WICHTIGEN Themen: irgendeiner filmt wackelig ein Flugzeug im Anflug auf einen Twin Tower, oder im Überflug über Istanbul, und ZACK geht das in die Endlosschleife – das ist ja nicht „falsch“, ja, aber es ist unterkomplex – eine Riesengroße Realität wird plötzlich an irgendeinem Detail „festgetackert“ und dann dröhnt die „Deutung der Deutungen der Deutungen“-Maschine und keiner geht mehr los und stellt echten Leuten Fragen – oder denkt mal in Ruhe nach, WAS ist hier eigentlich – alle Label und alles Framing mal weggestrichen – wirklich passiert?Etc., etc. Man weiß fast nichts, und weil man das nicht zugeben will, wird das Loch mit wiederholenden Kommentaren des Kommentars zum Kommentar gefüllt … Um Sie zu bestätigen: das ist nichts Neues!
Ich hatte „schon immer“ ein Ungefühl, wenn eine Tageszeitung berichtete: „Wie der SPIEGEL in seiner morgigen Ausgabe berichtet, ist / hat …“ Die Nachricht war also nicht, was passiert ist, sondern dass der SPIEGEL etwas berichtet – und ich hab mich immer gefragt, was soll das? Wenn ich wissen will, was der Spiegel schreibt, kauf ich den Spiegel … gell? Bloß, das war „eine Ebene mehr“. Jetzt sind es gern mal drei, vier – oder noch mehr. Und das führt natürlich zu einer völligen Diffusion der Quellen und der Nachvollziehbarkeit. DAS ist – glaube ich – das größere Problem als das „Tempo an sich“. Schickt Leute in die Welt hinaus (oder in die Dörfer, es geht nicht um die Entfernung) – macht das außer der BBC ÜBERHAUPT noch irgendwer? – und starrt nicht nur auf Monitore, die berichten, was Al-Jazeera dazu meint, was CNN zu einem Tweet von xyz zum Thema abc gesagt hat … so etwa. – Christian Naundorf
Anmerkungen zu den Fotos in der Rubrik Reisen
Auf Seite 52 zeigen Sie Bilder von der mir als gebürtigen Oberösterreicher so sympathischen Donau-Flusskreuzfahrt auf. Zumindest die Beschreibung des Bildes links oben ist sehr historisch. Am 17.9. jährt es sich (laut dem bedeutenden Geschichtsschreiber Otto von Freising) zum 860. Mal, dass Aschach an der Donau an das Herzogtum Österreich (ob der Enns) ging. Wie weit geht es zurück, dass dies als bayrische Landschaft gehandelt wird, zumindest hat der Ort unter bairischer Herrschaft sicherlich ganz anders ausgesehen. Ob es sich darunter wirlich um den Passauer Dom handelt, bezweifle ich ebenfalls, ohne allerdings so handfeste Beweise bringen zu können.- Dr. Herbert Peherstorfer
Leserbrief zum Bayreuth-Artikel „Überall spritzt Fett“
Zum Kotzen. Nicht nur wegen der gefühlt 80 Croissants und Rühreier. Wieder einmal opfert die ZEIT 2 Seiten für einen Bericht von den Bayreuther Festspielen, der sich durch komplette Ignoranz gegenüber dem Gegenstand auszeichnet. Nach dem Motto – ist das ein Spaß! – wird gefrühstückt und gesoffen und allenfalls das alt-dick-rechts-Wagner-Bayreuth-Klischee ausgepackt. Dabei ließe sich über diese Festspiele trefflich streiten, in inhaltlicher und sicher erst recht in kulturkritischer Hinsicht. Aber dann bräuchte es etwas mehr als die Feststellung, einige der Besucher hingen schon „am Tropf“.
NB: Warum nur ist sie nicht auf das Bonmot gekommen: Das Gefresse hält uns über WAGNER? – Jan Knobbe
Leserbrief zu „Schöner scheitern“ über Misserfolge von Wissenschaftlern
Leserbrief zum Bayreuth-Artikel „Überall spritzt Fett“
Die Reportage der beiden österreichischen Autoren S. Sargnagel und M. Witzmann über ihre gemeinsamen Erlebnisse anläßlich des Besuchs einer Wagner-Inszenierung nebst ausladender Fress- und Sauforgien läßt den Leser schmunzeln: Wer rechnet schon damit, dass jemand den Mantel der Opern-Geschichte ausgerechnet an seinem Rektum zu spüren meint! Auch das Wiederaufleben der alten deutschen Sitte, aufgeregten Mannsbildern zur Beruhigung in aller Öffentlichkeit das Skrotum zu massieren, verblüfft den Leser. Sich den „Führer“ und Winifred Wagner bei der gleichen Praktik vorzustellen, dürfte allgemeine Belustigung erzeugt haben. Überhaupt hat man den Eindruck, dass der Geist des „GRöfaz“, der scheinbar ständig den Grünen Hügel umweht, auf die klassische selbsterfüllende Prophezeiung zurückzuführen ist. Die Verehrung für Wagner durch den Weltenzerstörer Hitler ist historisch belegt, wohingegen eine wie immer geartete Affinität des Meisters selbst zu Adolf Hitler (wie von Christoph Amend in der letzten Ausgabe der ZEIT behauptet) eindeutig in den Bereich „Üble Nachrede“ gehört. Alles in allem ein erfrischend unkonventioneller Beitrag, wie er wohl nur mit der richtigen Portion „Wiener Schmäh“ so richtig zündet! Dass das Haupthaar der Protagonistin ob der Eindrücke „über Nacht ergraut“ ist, muss wohl als Berufsrisiko in der Branche gelten. – Christian Reineck
Leserbrief zu „Ein Jahr wie keines“ von Bernd Ulrich
Bernd Ulrich verdient Sympathie, dass er in der Zeit allgemeiner Erregung über die Flüchtlingsfrage, die Dinge wieder einmal in die richtige Perspektive rückt. Seine Kritik an der Bundesregierung in diesem Zusammenhang gehört zu dem Gesamtbild dazu. Allein – sie ist zu verhalten.
Wer in seinem näheren Umfeld, im Kreise von Freunden und Bekannten erfährt, welche bürokratischen Hürden inzwischen aufgebaut wurden und welches Chaos noch immer bei der administrativen Bewältigung der Flüchtlingszustromes herrscht, der muss sagen:Die Deutschen haben nicht mit Hilfe ihrer gewählten Regierung die Situation leidlich bewältigt, sondern trotz dieser Regierung!
Man fühlt sich derzeit an die Agonie der letzten Kohl-Jahre erinnert. Hoffentlich ist Frau Merkel so klug, dass sie es in 2017 – wie ihr seinerzeitiger Ziehvater – <nicht noch einmal wissen will>. Es ist höchste Zeit, dass die jüngere Generation das Ruder übernimmt. – Klaus Grieshaber
Anmerkung zu „Schöner Scheitern“
Vor rund 30 Jahren, Wir waren fünf junge Frauen die Lust und Mut hatten eine Galerie zu führen. Als wir nach Jahren diese wieder auflösten, wurden wir bedauert. Für uns war es eine großartige Zeit und neue Experimente warteten. Eine der letzten Ausstellungen zeigte die Abgelehnten und Zurückgewiesenen der Bergischen Kunstausstellung. „Der Salon des Refusés“ wurde unser größter Erfolg. – Agnes Groschke-Faruß
Leserbrief zu „Die Feinde der Weltwirtschaft“ von Mark Schieritz
Lassen wir doch am besten Zahlen sprechen, die vor der Globalisierung in den USA geschrieben worden sind.
Die Globalisierung ist nicht Gott gegeben. Fast jeder Wirtschaftsökonom und Politiker preist es als Wunderheilmittel der Zukunft. Ich habe eher den Verdacht, daß der eine von den anderen abschreibt.
Also bleiben wir bei Zahlen: Das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Welt betrug im Jahr 2014 etwa 19,2 Prozent. In den 80er Jahren waren es noch 25 Prozent. Nun will ich nicht die ganzen wirtschaftlichen Daten aufführen, das würde in einem Leserbrief den Rahmen sprengen. Aber allen an dieser Zahl kann ich Donald Trump sehr gut verstehen, wenn sein Bestreben wieder in einer stärken USA liegt. Er wird damit auch erreichen, daß die Arbeitslosenzahlen weiter zurückgehen.
Als Exportweltmeister gilt Deutschland. Das hat aber wenig damit zu tun, daß dafür die Globalisierung verantwortlich ist. Das Ausland kommt gar nicht drumherum Produkte aus Deutschland zu importieren. Sonst müssten die heute noch alles manuell herstellen. Unser Erfindungsgeist und Ingenieurkunst sucht weltweit seines Gleichen. Das ist das Geheimnis unseres Erfolges. Und in Amerika ist es der Dienstleistungssektor und im besonderen die Elektronik. Ohne Amerika gebe es keine Handys und Computer in dieser Qualität. Ihre Redaktion sollte sich der üblichen Demagogie in Deutschland etwas mehr zurückhalten. – Gunter Knauer
Leserbrief zum Bayreuth-Artikel „Überall spritzt Fett“Als Münchnerin, die Anfang der 50er Jahre in der damals höchsten Wohnung von Bayreuth Stadt geboren ist, empfehle ich der jungen Autorin des Artikels für ihren Besuch der Bayreuther Wagner Festspiele 2017 folgendes: Sie könnte sich an den zahlreichen Straßenzügen mit den unter Markgräfin Wilhelmine gebauten Sandsteinhäusern und diversen Barock Brunnen erfreuen, ganz abgesehen vom Markgräflichen Opernhaus (UNECO Welterbe), dessen derzeitige Restaurierung nächstes Jahr möglicherweise abgeschlossen ist. Ein geruhsames Flanieren im Hofgarten mit all den barocken Figuren auf Inseln im Wasser und unter schattenspendenden Bäumen gehört ebenso zum Bayreuth Besuch. Auch eine Ruhepause in einer der Kirchen kann erfrischend sein. So hat die Spitalkirche am Marktplatz mit ihrem Kanzelaltar mich als Kind besonders fasziniert. Sollte die junge Wienerin wieder einen Gang über den Friedhof machen, dann könnte sie vielleicht der große Findling, den Jean Paul sich für sein Grab gewünscht hat, beeindrucken. Anstatt wieder in die von ihr so bezeichnete Monotonie und das exzessiv geschilderte opulente Essen zu verfallen empfehle ich Frau Sargnagel und ihrem Partner einen Ausflug in die Eremitage; dort erfreuen sich Kinder und Erwachsene an den Wasserspielen und bewundern die mächtigen uralten Perückensträucher. Sollte die Autorin dann immer noch an einer „Schwere“ leiden, die „physisch kaum mehr überwindbar“ ist, so könnte sie es mit einem Ausflug ins nahe gelegene Kulmbach versuchen; die dem Städtchen Schutz gebende Plassenburg lockt mit ihrem Renaissancebau zu einer flotten Besteigung des Burgbergs.
– Jedenfalls haben meine Münchner Verwandten und ich all dies genossen, wenn wir bis in die 80er Jahre die Bayreuther Großeltern besuchten. Es „spritzte“ kein „Fett“, sondern es waren gemütvolle Erlebnisse. – Dr. Cornelie v. Schütz
Selten habe ich einen so niveaulosen Artikel in Ihrer ansonsten von mir sehr geschätzten Zeitschrift gelesen. Ohne wirkliche Sachkenntnis, langweilig, witzlos und überheblich. Unter dem Titel „Mein Ferienerlebnis“ hätte wohl jeder Gymnasiast nur mit Mühe ein „ausreichend“ bekommen. Schade dass dafür auch noch Gelder, auch aus meinem Abo, ausgegeben werden. – Dr. Theodor Schwenk
Das war NICHTS. Nicht witzig, nicht anregend, nicht interessant, auch nicht provokant. Das war einfach nur dumm und schlecht. Qualitativ nicht einmal Oberprima. Das Spiel mit der deutschen Sprache ist hohe Kunst, die Frau Sargnagel nicht beherrscht. Wer in Ihrer Redaktion hat diesen Text freigegeben und es zugelassen, das dieses Nichts in der Zeit veröffentlicht wird? Ich möchte für diese zwei Seiten Papiermüll mein Geld zurück. – Ursula Ide
„Überall spritzt Fett“ ist ein unglaublicher dummer Artikel: der Unterhaltungswert beträgt Null, der Erkenntnisgewinn liegt erheblich darunter. Als Leser Ihrer Zeitung seit 60 Jahren frage ich mich bei Beiträgen wie diesen, ob sich ein Abonnement noch lohnt. Wenn die Autoren im letzten Satz androhen, im nächsten Jahr wieder nach Bayreuth zu fahren, dann aber bitte nicht einen weiteren „Erfahrungsbericht“. – Dr. Dieter Kastrup
Zwei Seiten für einen so uninteressanten Text: ist eigentlich schade! – Marlis Körmann
Muss es sein, dass dem dermaßen dilettantischen Autoren-Duo Sargnagel und Witzmann so viel Platz eingeräumt wird, um über Bayreuth zu berichten und man genervt über ihre Ess- und Trinkgewohnheiten lesen muss, statt ausführlicher über die Aufführungen informiert zu werden? – Wiebke Robl
Schön über die Äußerungen der Herren Meese und Sloterdijk zum Thema Festspiele Bayreuth in den Vorjahren konnte man im Grunde nur die Nase rümpfe ob deren unsäglichen Stil. Frau Sargnagel aber schießt den Vogel ab: Ein solches Sammelsurium an Widerwärtigkeiten, gepaart mit einer Arroganz und Ignoranz der Unbekümmertheit, wie sie wohl vor allem Menschen eigen ist, die sich nie mit dem Thema RW intensiver beschäftigen wollten (oder konnten?) in Sprache und Inhalt auf fast zwei Seiten ist kaum noch zu ertragen. Hat die ZEIT es wirklich nötig, ihrem ohnehin immer etwas schwächelnden Feuilleton mit derart viel Ignoranz ein paar Wunden mehr zuzufügen? – Dr. Harald Lucius
Selten habe ich etwas so Banales gelesen wie den Beitrag von Stefanie Sargnagel über Bayreuth. Da werden uns endlose Beschreibungen der von ihr und ihrem Begleiter konsumierten Mahlzeiten und deren Garderobe zugemutet- neben taktlosen und überhaupt nicht witzigen Bemerkungen über das angejahrte Publikum. Über die Aufführungen selbst erfährt man relativ wenig… Wie es möglich gewesen ist, dass diese Dame im Rahmen des Ingeborg Bachmann- Preises ausgezeichnet worden ist- wenngleich nur mit dem „Publikumspreis“- ist mir unerklärlich. Mit ihrem Beitrag über Bayreuth in der „Zeit“ hat Stefanie Sargnagel ihren Offenbarungseid geleistet. – Dr.Christa Sauer
lesen zu können. Der Redaktion gebührt der Dank, daß sie uns (der vielfach ergrauten Leserschaft) diese „respektlose“ Schilderung dieser ehrenvollen Veranstaltung gegönnt haben. Selten so herzlich gelacht und Gratulation an Frau Sargnagel: besser könnte man sich die Entdeckung des „Führers“ in diesem Umfeld kaum denken. – Dr. K.H. Wüst
Leserbrief zu „Ein großer Wurf“ über die italienische Autorin Elena Ferrante
Iris Radisch nimmt sich als Frau den Romanzyklus der Schriftstellerin Ferrante vor und informiert den Leser ausführlich über das -dem Medienecho zufolge- bedeutende Werk. Wir Männer erfahren wieder einmal, wie weit weg die Frauen von uns denken und fühlen (müssen), da von Seiten der Männer eher Geringschätzung, großzügiges Mitleid oder ein schwer auszurottender Überlegenheitswahn die zwischengeschlechtliche Wahrnehmung beherrscht. Wenn in der Zeit zu einem Thema oft zwei Redakteure gegensätzliche Meinungen vertreten, sollte dieses Prinzip bei dem Thema bedeutende Literatur aus der Feder einer Frau hier erst recht angewandt werden : Lasst auch einen männlichen Feuilleton-Redakteur zu dem Werk der Schriftstellerin Ferrante zu Wort kommen ! Der männliche Kollege von Iris Radisch müsste eigentlich etwas spezifisch männliches in seiner Wertung erkennen lassen -spannende Frage ist nur : Was ? – Klaus Reisdorf
Leserbrief zum Gespräch mit Starökonom Jagdish Bhagwati
Dafür, dass Herr Bhagwati so ein großer Ökonom ist, sind seine Aussagen aber sehr schmalspurig. Zwei Kernaussagen sind mir besonders aufgefallen: Die Leute verstehen nichts von Wirtschaft und die Globalisierung ist nicht Schuld an der Arbeitslosigkeit. Nun, das ist mir zu einfach und undifferenziert. Ich möchte voranschicken, dass ich keine Anhängerin der AfD bin, die sich ja auch globalisierungskritisch gibt. Globalisierungskritik gab es schon vor der Geburtsstunde der AfD (siehe ATTAC). Ich bin nicht generell gegen Freihandel und auch nicht gegen Globalisierung, aber ich bin gegen die Art und Weise, wie die Globalisierung gestaltet wird. In dem Interview mit Herrn Bhagwati wird die Textilindustrie genannt.
Vor einigen Wochen haben Sie in einer Ausgabe der Zeit über Arbeiter aus einer Textilfabrik in Pakistan berichtet, die nach einem Brand nun die deutscher Firma KIK verklagen, der sie eine Mitberantwortung für die verheerenden Zustände an ihrem Arbeitsplatz in Pakistan geben. Der damalige Bericht und viele weitere zu dem Thema bringen auf den Punkt, warum die Globalisierung kritisch zu sehen ist. Die Weltkonzerne verlagern ihre Produktion in Länder, in denen es billiger ist, arbeiten zu lassen. Das schadet nicht nur den Arbeitern in den westlichen Industrienationen, sondern es nützt auch den Arbeitern in den Billoglohnländern nur vermeintlich. Wie oft wurde beschrieben, zu welchen grausamen Bedingungen die Menschen dort arbeiten müssen. Keine Sicherheitsstandards, Hungerlöhne, keine Sozialversicherungen! Die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Ländern werden schlicht ausgebeutet, während die Konzerne immer mehr Gewinne einfahren. So darf Globalisierung nicht aussehen.
Auch in der Debatte über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA wurde deutlich, dass die Globalisierung einseitig die Interessen der Konzerne berücksichtigt. Wenn Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz zu „Handelshemmnissen“ deklariert werden, nur damit den Konzernen nichts von ihren Millionen entgeht, dann läuft auch hier Globalisierung falsch. Es gibt zahlreiche andere kritische Entwicklungen im Schlepptau der Globalisierung. Die Massentierhaltung, die zur Folge hat, dass deutsche Tiermäster ihre Schweine- und Hühnerreste auf afrikanischen Märkten verkaufen, mit der Folge, dass afrikanische Bauern ihre Produkte nicht mehr absetzen können, ist nur ein weiteres Beispiel. Will man diesen Bauern sagen, sie müssen halt umschulen und ins Dienstleistungsgewerbe gehen? Was für ein Quatsch!
Über die Zusammenhänge solcher Wirtschaftspraktiken mit Flucht und Migration ist dabei noch gar nicht nachgedacht worden. Über diese Kritikpunkte hat sich der Starökonom Herr Bhagwati überhaupt nicht geäußert. Zu behaupten, wer gegen Globalisierung sei, verstehe einfach nichts von Wirtschaft, ist schon sehr arrogant. Im Übrigen halte ich es für fatalistisch zu sagen:“Mann kann der Welt nicht entfliehen.“ Nein, das kann man nicht, aber man kann die Welt gestalten. Und nicht alles, was neu und modern ist, ist super, nur weil es neu und modern ist. Der Maßstab allen wirtschaftlichen Handelns muss das Wohl aller Menschen und nicht nur der Konzerne sein. Dazu gibt es mannigfache Ideen, ohne dass man sogleich in den Marxismus und die Planwirtschaft oder gar in die Nationalstaaterei a la Front National und AfD zurückverfallen muss. Es geht nicht um die Abschaffung der Globalisierung, sondern um ihren Umbau. – Erika Sigrid Becker
Leserbrief zu „Ausprobieren statt Null-Eins-Angst“ von MATHIAS TERTILT
Als ehemaliger Programmierer möchte ich vehement dagegen sprechen, dass eine schwarz-weiß-Denke durch die Codierung von was auch immer in ein Eins/Null-System nicht gefördert wird und eine solche Erfahrung als Unsinnig deklariert wird. So kann eigentlich nur jemand reden, der nicht verstanden hat, dass ein Binärsystem sich vor allen Dingen durch Alternativlosigkeit auszeichnet: Wo keine Eins zu finden ist, MUSS eine Null stehen, nichts anderes ist möglich. Hegel behandelte das wohl als „Bestimmte Negation“. Ich habe Jahrzehnte mit der Programmierung zugebracht, war ein Kind und ein Opfer des in den Achtzigern aufkommenden PC-Zeitalters. Und ich brauchte ein Jahrzehnt, bis ich wieder „analog“ denken konnte: Wo keine Eins ist, ist nicht-Eins. Was immer das ist. „Null“ ist nur ein Fall der möglichen Fälle. Die Kompetenz des sokratischen Wagen könnens verliert sich im binären Eins-Null-Schema. Menschen suchen Gewissheiten, das liegt in ihrer Natur. Das Binär-System und das binäre Denken „liefert“ eine solche Gewissheit. Auch wenn sie verdeckt, dass diese Gewissheit auf Alternativlosigkeit gründet, mithin: Einfältig ist. Ein bipolarer Absolutismus kann sich daraus so trefflich entwickeln wie der Schimmelpilz in einem warmen, feuchten Habitat. – Volker Homann
Anmerkung zum Nachruf auf Ernst Nolte
Gegen Ende Ihres berechtigterweise kritischen Textes schreiben Sie, Nolte habe nach 9/11 „hellsichtig“ den Islamismus als Gefahr für den Westen erkannt. „Hellsichtig“ – echt? Ich bin kein Freund von Samuel P. Huntingtons wilden Thesen, aber er hat das schon viel früher erkannt – und zwar vor 9/11 (siehe: Kampf der Kulturen [1996], Tb-Ausgabe, 2. Aufl. München 1998, S. 168-187, 279-288, 334-350, 415-422). – Prof. Dr. Burkhart Lauterbach
Leserbrief zu „Ist es fair, Donald Trump aus der Ferne zu analysieren?“
Warum reicht es nicht, Trumps Verhalten nüchtern zu beschreiben? Anschließend kann jede/r Amerikaner/in frei entscheiden, ob sie/er einen Mann wählen will, der so redet und sich so verhält wie Trump.
Leserbrief zu „Überall spritzt Fett“
Was für Wagners Musik gilt, das gilt erst recht für den Menschen Wagner. Seine bösartigen Bemerkungen über den Kollegen Mendelssohn kann ich ihm nie verzeihen. Meiner Meinung nach ist Mendelssohn der viel bessere Musiker. Wie er die heiteren und auch die melancholischen Stimmungen Italiens eingefangen und ausgedrückt hat, das soll ihm Wagner erst mal nachmachen. Ich würde die Bayreuther Festspiele selbst mit einer geschenkten Eintrittskarte nie besuchen, obwohl ich zu der im Artikel beschriebenen Altersgruppe gehöre. – Klaus Hettesheimer
Leserbrief zum Leitartikel „Jetzt wird es eng“
Leserbrief zu „Wir sind dagegen!“ Beobachtungen aus dem Landtag von Sachsen-Anhalt
Leserbrief zu „Kampf mit den Silben“ über Therapien für Stotterer
Leserbrief zum Selbstversuch von Viktoria Morasch, mit Burkini zu baden
Ihren Bericht über den Selbstversuch mit einem Burkini fand ich gelungen und geradezu kurzweilig, da nicht mit dem theoretischem Überbau überfrachtet zu der schwierigen Diskussion der deutschen Gesellschaft zu den in arabischen Ländern vertretenen weiblichen Kleidungsstilen.
Leider verdirbt der Schlusssatz den guten Eindruck, denn Sie scheinen auf einen Übersetzungsfehler hereingefallen zu sein. Kurva ist ein polnisches Schimpfwort für „jeden Zweck und jede Lebenslage“. Es bedeutet keineswegs „Schlampe“ und ist eher mit „Scheiße“ zu übersetzen, wobei kurva nicht der Fäkalsprache entstammt und bei Weitem nicht so ordinär ist. Aufgrund der beschriebenen Lage – Sturz eines Betrunkenen – vermute ich eher, dass sich sein kurva-Ausruf auf den Sturz selbst bezog.
Ihr Erfahrungsbericht endet nun mit der geradezu erwarteten Erfahrung einer Abwertung und Beschimpfung durch die Mitbürger – schade. –Beate Stroka
Leserbrief zu „Omran“
Wiedermal hat mich dieses Bild erschüttert und mit Interesse habe ich den Artikel dazu gelesen. Ich kann diesem weitgehend zustimmen. Was ich aber schon seit Jahren nicht verstehe, ist, warum niemand diesen Menschen wirklich hilft. Die ganzen schönen Worte der UN über die Menschenrechte sind das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben sind. In Syrien gibt es nicht so viel Öl wie im Irak. Sonst hätten die Amerikaner längst richtig eingegriffen. Aber sie taktieren auch nur so rum und verfolgen nur ihre eigenen Interessen. So gewinnen die Russen dort Einfluss. Aber das ist nicht das Thema.
Ich bin so enttäuscht von den sogenannten Demokraten, dass sie diese Gewalt gegen Menschen und Sachen einfach geschehen lassen. Die Betroffenheitsbekundungen sind nichts als Heuchelei. Und diese Argumente, man wolle einen womöglich größeren Krieg verhindern, lasse ich nicht gelten. Man kann doch nicht alle Werte, die man hat und die gut sind, einfach vergessen. Ich verstehe unsere Politiker nicht mehr. Früher habe ich SPD gwählt, aber seit Hartz IV und anderen Dingen ist die SPD für mich nicht mehr wählbar. Auch die Grünen kann ich nicht mehr wählen. So bleibt mir nur noch die Linke oder gar nicht mehr wählen.
Trotz meines ganzen Frustes werde ich niemals eine rechte Partei wählen. Was sich da tut, ist auch mehr als beängstigend. Aber zurück zum Thema. Dieses Foto von Omran war in allen Zeitungen. Konsequenzen hat dies nicht. Ich würde mich anbieten, diesen Jungen zu mir zu nehmen, falls er keine Familie mehr hat. Er wird dann sicher in einem üblen Kinderheim landen. Es ist furchtbar – kaum zu ertragen. Und Ihre Endsätze sind richtig – die schlimmsten Bilder sehen wir nicht. Es werden weiter Kinder sterben und es wird weiter fotografiert. Doch leider tut niemand was dagegen. Ich bin so enttäuscht. – Undine Mix-Falter
Leserbrief zu „Die Erde ist eine Scheibe“
Wieso versteckt sich dieser verstörende, aber wichtige Artikel über die „post-truth politics“ in „Zeit zum Entdecken“ und nicht im „politischen Buch“? Natürlich will die Zeitung von der ersten bis zur letzten Seite gelesen werden und der Blick in die „Zeit zum Entdecken“ lohnt immer. Aber die „politische Lüge“ ist doch ein anderes Thema als beispielsweise „Der unnütze Vergleich“. – Dr. Dietrich Tamm
Gedanken zu „Ein Jahr wie keines“
Erstens: Sie schreiben: Angela Merkel hat nur Zeit kaufen wollen, um eingeordnetes,rechtmäßiges Verfahren zu schaffen.Die Probleme in Syrien bestehen seit ca. 5 Jahren. Was wurde ihr in dieser Zeitvon Herrn Steinmeier & co darüber berichtet?Und sie wollte noch immer Zeit für ein geordnetes Verfahren kaufen?! Es hätte schon längst eines bestehen müssen!
Leserbrief zu „Jetzt wird es eng“
Leserbrief zu „An der Nase herumgeführt“
Ulrich Bahnsen zufolge hat der G-BA drei Kriterien dafür, ob eine medizinische Diagnostik die Kassenzulassung erhält oder nicht. Diese Kriterien möchte ich mir im Hinblick auf die vorgeburtlichen Bluttests einmal genauer ansehen:
Das erste Kriterium ist der medizinische Nutzen. Wem nützen vorgeburtliche Bluttests zur Erkennung von Chromosomenstörungen? Dem Fötus definitiv nicht. Sollten bei ihm chromosomale Abweichungen entdeckt werden, würde ihm diese Entdeckung weder zur Heilung noch zur Linderung seiner Anomalien verhelfen.Hätte unsere Gesellschaft einen medizinischen Nutzen von diesen Tests? Wenn ja,dann wäre sie anormal und nicht der Fötus.
Das zweite Kriterium ist die Notwendigkeit. Worin soll diese bestehen? Warum soll es für werdende Eltern notwendig sein, bereits in einem frühen Stadium der Schwangerschaft darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, ob bei ihrem Kind voraussichtlich eine Chromosomenstörung vorliegt oder nicht? Wessen „Not“ soll durch dieses Wissen gewendet werden? Die des Kindes jedenfalls nicht. Befinden sich etwa die werdenden Eltern in einer für sie selber existenziell bedrohlichen Notsituation?
Das dritte Kriterium ist die Wirtschaftlichkeit.Es soll Chancengleichheit bestehen insofern, als dass diese Tests allen Schwangeren mit erhöhtem Risiko offenstehen sollen und nicht nur denen, die sie bezahlen können.Die Vermutung liegt nahe, dass diese Tests bei Kassenzulassung zu Routineuntersuchungen für sämtliche Schwangeren werden. Möchte eine werdende Mutter diese Tests ablehnen, wird sie sich vermutlich zukünftig dafür rechtfertigen oder sogar gegen die Durchführung zur Wehr setzen müssen. – Annette Wiesen
„Doppelt hält schlechter“ Staatssekretär Jens Spahn (CDU) zur doppelten Staatsbürgerschaft
Als Antwort auf Özlem Topcu dient Jens Spahns Artikel kaum, da er nicht substanziell auf Fr. Topcus Argumente eingeht. Vielmehr liefert er ein gutes Beispiel für die reaktionäre Position vieler Unionspolitiker, die in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft lediglich ihre milde Borniertheit in scheinbarer Vernunft ummanteln. Von ihnen hat bisher keiner erklären können, was denn so außerordentlich besonders an Deutschland ist, dass die doppelte Staatsbürgerschaft hier nicht gut funktionieren kann, während sie es seit Jahrzehnten in vielen anderen westlichen Industriestaaten tut.
Hr. Spahns vermeintlichen Argumente gegen die doppelte Staatsbürgerschaft wirken umso weniger überzeugend, als dass sie um 180 Grad gedreht werden können und trotzdem ihre Gültigkeit behalten: Auch mit einer doppelten Staatsbürgerschaft kann man übrigens die Kultur Deutschlands weiterpflegen. Zu unterstellen, dass man sich ausschließlich mit einem deutschen Pass bewusst und positiv für Deutschland entscheiden kann, verkennt grundsätzlich, dass der Mensch in seiner Vielfalt viele Identitäten in sich trägt. Herrn Spahn und seinen Gleichgesinnten kann ich wärmstens die Lektüre von Amartya Sens „Die Identitätsfalle“ empfehlen, um ihre Vorurteile abzubauen und nicht mehr Schwierigkeiten zu haben, nachzuvollziehen, „warum eine solche Entscheidung zu viel verlangt sein soll“.
Zwei Wünsche habe ich an Herrn Spahn. Erstens: Verbringen Sie längere Zeit als nur zum Weihnachtsshoppen in den von Ihnen gelobten Chinatowns oder Little Italys und fragen Sie sich dabei, ob diese Orte vielleicht deswegen erfolgreich sind, weil deren Bürger vermittelt bekommen, dass sie gleichzeitig Chinesen oder Italiener und Amerikaner sein können. Zweitens: Fragen Sie Ihre Unionskollegen Seehofer und Söder, ob und wann sie sich zwischen der bayerischen und der deutschen Staatsbürgerschaft entscheiden werden. Danach können Sie sich hoffentlich etwas fundierter und überzeugender zu diesem Thema äußern. –
Dr. Moni Islam
Leserbrief zum Dossier „Oben Rechts“
Die ZEIT hat, besonders in den vergangenen Monaten, die Fahne der Toleranz und der Vielfalt hochgehalten. Ich stimme zu, dass Niemand unter Generalverdacht gestellt werden darf. Um so mehr erschreckt mich das Dossier zur Landtagswahl in Mecklenburg Vorpommern mit dem Titel „Oben Rechts“. Unterstellt das nicht jedem Menschen in unserem nordöstlichen Bundesland er oder sie sei rechtsextrem? Wie verträgt sich das mit der der Ablehnung des Generalverdachts? – Gabriel Jezek
Anmerkung zu „Tschack! Bumm!“
In Ihrem erfreulichen Artikel zum Thema des „Schlagzeug-Landes“ Schweiz hätte noch erwähnt werden können, dass die Schweiz selbst für internationale Top-Schlagzeuger eine gewisse Attraktivität zu haben scheint. So hat sich der Amerikaner Billy Cobham, einer der weltbesten Schlagzeuger („Spektrum“, „Crosswinds“) aus dem Jazz-Rock, seit einigen Jahren in einem Schweizer Bauerndorf im beschaulichen Seeland zwischen Bern und Biel niedergelassen. Eine grosse Ehre für die Schweiz! – Beat Rüegger
Leserbrief zu „An der Nase herumgeführt“An der Nase herumführen will uns wohl zuerst Herr Bahnsen.
Und eine Notwendigkeit kann nur erkannt werden, wenn die Selektion von Menschen mit Behinderung Vorrang vor der Menschenwürde hat. –Günter-Helmrich
Trump aus der Ferne analysieren
Eine Person als solche kann man nicht analysieren. Sie befindet sich nicht im luftleeren Raum. Also muss man einen Fall, d.h. eine Person oder ein Ereignis innerhalb relevanter sozialer Bezüge betrachten. Will man dies ernsthaft unternehmen, muss es professionell erfolgen. Dazu gehört zuerst eine Fragestellung, ein sozialer Auftrag, in forensischen Zusammenhängen etwa die Frage, ob jemand gefährlich ist. Hingegen das eigene Weltbild zu befördern, Klischees anerkennungsheischend zu reproduzieren, dem Feuilleton zu dienen, das sind alles übliche Wege, sich öffentlichkeitswirksame Dinge dienstbar für die eigene Sache zu machen. Im Ergebnis wird auf scheinbar konsensual geteilte Wissensbestände zurückgegriffen und deren Gültigkeit im vorliegenden Fall behauptet, etwa dass wer mit einer Rotlicht-affinen Frisur rumlaufe, nicht über Tiefgang verfüge. Das ist verführerisch, jedoch in methodischer Hinsicht ein gravierender Fehler. Wer zu Herrn Trump im Rahmen von dessen sozialen Interaktionen belastbares Beobachtungsmaterial gesammelt hat, dieses methodisch streng jenseits von scheinbar gesicherten Wissensbeständen zur Rekonstruktion von Geschehnisabläufen genutzt hat, könnte vielleicht etwas dazu sagen, wie sich Herr Trump in vergleichbaren Situationen tendenziell verhalten wird. Aber auch mit einem solchen differenzierten Urteil stünde man auf dünnem Eis, stellt doch ein Wahlkampf einen anderen Kontext dar als etwa eine hypothetische Regierungsverantwortung. Insofern ist die Frage der Fairness der Fernanalyse sicherlich im Zusammenhang mit deren methodischer Seriosität bzw. Machbarkeit zu sehen. –Harald Dern
Leserbrief zum Dossier, Beobachtungen im Landtag Sachsen-Anhalts
Bei aller nötigen grundlegenden Kritik an der AfD oszilliert die Debatte über diese Partei leider oft zwischen den antagonistischen Polen der fundamentalen Verdammung und der gleichgültigen Apologie. Dass Herr Machowecz mit seinem Artikel einen nüchternen, unvorgeingenommenen, und dabei keineswegs gefälligen Lagebericht abgeliefert hat, habe ich als sehr angenehm empfunden. Sehr erfreut hat mich auch, wie Ihr Autor konsequent herausgestellt hat, dass die parlamentarische Demokratie auch von einer AfD nicht allein ausgehoben werden kann. Sei es aufgrund der diversen Gegenmaßnahmen der anderen Fraktionen und des Landtagspräsidenten, der Mäßigung des politischen Temperamentes durch die Pflicht zur Ausschussarbeit, und der Tatsache, dass die AfD selbst einsieht, dass Sie das Versprechen, schnelle Lösungen zu liefern, nicht einhalten kann. Ich hoffe, dass Sie bei der weiteren Auswahl Ihrer Dossies ein gutes Händchen behalten und weiterhin den Mut haben, bei aller Hysterie in der aktuellen Medienlandschaft besonnen zu bleiben. – Max Lüggert
L e s e r b r i e f zu „Gehupft wie gesprungen“
Je heterogener eine Klasse zusammengesetzt ist, desto schwieriger wird die individuelle Förderung der Schüler. Das betrifft z.B. Klassen mit vielen Kindern aus sozialen Brennpunkten, etlichen Migranten ohne Deutschkenntnisse und auch solchen mit besonderem Förderbedarf. Selbst unter Ausnutzung verschiedener Möglichkeiten qualitativer und quantitativer Differenzierung wird man den verschiedenen Lernbedürfnissen wohl kaum gerecht. Da besteht dann in der Tat die Gefahr, dass Hochbegabte zu kurz kommen.
Warum tun sich die Verantwortlichen oft so schwer, Speziallerngruppen und -klassen einzurichten wie z.B. Vorbereitungsklassen für Kinder ohne Deutschkenntnisse oder auch Lerngruppen für sehr begabte Kinder ? Eine äußere Differenzierung nach Schwächen und Stärken bedeutet sicher auch keine Ausgrenzung, wenn man an der betreffenden Schule entsprechend damit umgeht, z.B. gemeinsame Aktivitäten und Hilfsmaßnahmen organisiert. – Gabriele Gottbrath
Leserbrief zu „Überall spritzt Fett“
Wir sollen uns doch jetzt alle Notvorräte zulegen. In den Notvorrat von Stefanie Sargnagel gehört in jedem Fall eine Pinzette. Es sollte aber eine teure sein. Nur mit wirklich guten Pinzetten lassen sich die kleinen, weißen Borsten, die in den Wechseljahren perfiderweise auf dem Kinn einer zunächst noch arglosen Frau erscheinen können, erfolgreich entfernen. Und wenn dieser Notfall eintritt, ist es gut, wenn man die Pinzette schon hat. Auch Weichplastik-Stoßdämpfer für Gehhilfen sollten bereit liegen, wenn die Hüftgelenke frühzeitig nekrotisch aussteigen sollten. Dann klappert das nicht so. Ein Hidschap ist für das Verbergen von weißen oder grauen Haarsträhnen deutlich besser geeignet als ein purpurfarbenes Käpplein und stellt sowieso eine definitiv sozialfreundlichere Verhüllungsvariante dar als eine verspiegelte Sonnenbrille, hinter der man die Trägerin derselben nicht erkennen kann. Also – ab in den Notvorrat mit dem Hidschap. Die Verschreibungswut bundesdeutscher
Mediziner hinsichtlich stimmungsaufhellender Medikamente beschränkt sich keineswegs auf alte Menschen. Es ist daher eine einfache Übung für alle, sie dem Notvorrat hinzuzufügen. Zum Schluss noch ein hölzernes Tröglein. Im Grimm’schen Märchen „Der Großvater und der Enkel“ schnitzt der Enkel so eines für seine Eltern – sozusagen als Rüstzeug für ihr voraussichtlich sabberndes, zitterndes Alter. Die Lektüre des Märchens hilft auch gegen die gedankenlose Verachtung von alten Menschen und den Irrglauben, diese könnte witzig oder kultig sein? Also ab damit in den Notvorrat von Stefanie Sargnagel. Sie kann es sich natürlich auch an den Spiegel kleben. – Angela Gülle
Leserbrief zu „Überall spritzt Fett“
Die Beauftragung des Wiener Autorenteams Stefanie Sargnagel und deren Freund Martin Witzmann, Eindrücke von den Wagner-Festspielen einzufangen, war wohl eher für die Autoren ein Glücklichs- griff als für die Leser, denn nun war Frau Sargnagel da, wo sie „schon immer sein wollte“.
Das Autorenduo kreist im Wesentlichen um sich selbst und berichtet anfangs von seinen Aufgeregtheiten. Bei der Autorin bewirken die Namen der Wagnerschen Helden in ihrer Lautmalerei Rückenschauer und einen „fröstelnden Anus“. Die Art, wie sie der Nervosität ihres Mitautors in einem Aufzug begegnet, erspare ich mir zu wiederholen. Soll diese Art der Darstellung der Erinnerung an eine weniger rosige Vergangenheit der Autorin in „abgeranzten Punklokalen“ geschuldet sein?
Einen größeren, immer wiederkehrenden Raum – der Bericht ist als Tagebuchaufzeichnung angelegt-, nehmen die Schilderungen von unmäßigen Frühstücksgelagen „bis 13 Uhr“ in ihrem Hotel ein, die derart übertrieben sind, dass dem Leser der mangelnde Ernst nicht verborgen bleibt. – Aber was soll das?
Demgegenüber erfährt man herzlich wenig über den eigentlichen Anlass und Zweck der Reise. Allein der kurze satirische Schlussbeitrag aus der Feder des Malers und Musikers Martin Witzmann gibt viel eher die Eindrücke eines kritischen Beobachters vom Hype des grünen Hügels wieder.
Die Autorin, die unter ihrem Künstlernamen auftritt und in Wirklichkeit Stefanie Sprengnagel heißt, hat mit ihrem Beitrag bei mir keinerlei Interesse an ihren bisherigen Veröffentlichungen geweckt. Daran ändert auch nichts die neuerliche Zuerkennung des Publikumspreises anlässlich der Verleihung des diesjährigen Bachmannpreises in Klagenfurt. – Karl-Heinz Schürmann
Leserbrief zum Artikel „Die Täuschung der Stromkunden“
Der gesamte Artikel geht von einer – meines Erachtens diskussionswürdigen – Grundannahme aus: Strom ist gleich Strom ist gleich Strom. Dem ist jedoch nicht so. Ich habe mich bereits 1999 von der Jagd nach dem vermeindlich stets günstigsten Tarif verabschiedet, weil Strom für mich nicht gleich Strom ist. Ganz entscheidend ist für mich die Frage, wie der Strom produziert wurde. Das wird im Artikel mit keinem Wort thematisiert. Selbstverständlich möchte ich keinen Atom- und Kohlestrom. Daher habe ich entschieden, Mitglied der Stromgenossenschaft von Greenpeace Energy zu werden. Seither ist mir das Auf und Ab der Tarife bei den sog. „Stromdiscountern“ völlig gleichgültig. Ich habe über die Jahre hinweg kaum Veränderungen beim Strompreis gehabt und zahle den Tarif gerne, da ich weiß, dass das Geld gut ausgegeben ist. Gewinne der Genossenschaft werden in neue Anlagen zur umweltverträglichen Erzeugung von Strom investiert. Als Genosse erhalte ich zudem eine Dividende und somit eine Art „Cash-back“. Außerdem unterstütze ich damit das Prinzip der dezentralen Stromerzeugung „in Bürgerhand“ und freue mich bei jeder Stromabrechnung, dass mein Geld nicht in die Hände der Atom- und Kohlekonzerne RWE, EnBW, Vattenfall und deren „Tarnmarken“ fließt. Für die Verbraucher gibt es neben Greenpeace Energy eG zahlreiche weitere Anbieter von „echtem“ Ökostrom aus Bürgergenossenschaften, wie z. B. den ElektrizitätsWerken Schönau (EWS). Die schlichte Verengung auf die Preisfrage wird dem Thema Stromeinkauf daher nicht gerecht. Beim Wein käme auch niemand auf die Idee, nur den Literpreis zu diskutieren. – Michael Schiedermeier
Leserbrief zum Interview „Man kann der Welt nicht entfliehen“ mit Jagdish Bhagwati
Man kann der Welt nicht entfliehen, ohne auf Wohlstand zu verzichten, aber man kann versuchen bzw. die gewählten Politiker(innen) der westlichen Welt, die – jedenfalls in der Theorie – dem Gemeinwohl verpflichtet sind, könnten versuchen, einheitliche oder zumindest Mindeststandards bezüglich Arbeitszeit, Arbeitslohn, Arbeitsbedingungen und Besteuerung von Unternehmen und Personen auszuhandeln, die weltweit gültig sind und deren Einhaltung international überwacht wird. Dabei sollte freilich nicht das Land mit den derzeit schlechtesten Bedingungen für Arbeitnehmer(innen) der Maßstab sein. Und es wäre meines Erachtens durchaus ethisch gerechtfertigt, Waren aus Ländern, in denen die ausgehandelten internationalen Standards nicht eingehalten werden, mit Strafzöllen zu belegen. – Ulrich Willmes
Zum Gespräch mit mit Jagdish Bhagwati
Mark Schieritz spielt wieder den Wachstums- und Freihandelsideologen und schreibt: „Dass der freie Handel den Wohlstand mehrt, ist einer der wenigen Grundsätze, auf den sich Volkswirte unterschiedlichster Prägung verständigen können.“ Und er verweist dabei auf das Interview mit dem „Starökonomen“ Jagdish Bhagwati, das Lisa Nienhaus geführt hat. Bhagwati beschwert sich, dass die Leute die Mechanismen der globalen Wirtschaft nicht verständen. Als Grund gibt er an, dass es bisher einfach nicht gut genug erklärt wurde. Das hat er aber selbst bisher auch nicht getan. Auch in dem Interview unternimmt er keinen Versuch dazu. Er verweist lediglich auf bestimmte Statistiken, „die gar nicht so schlecht beweisen, dass Handel gut ist“. Es behauptet ja aber auch niemand, dass Handel grundsätzlich schlecht sei. Dass aber immer mehr Handel insgesamt für immer mehr Wohlstand sorgt, geben die Statistiken eben nicht her. Wie viele andere Wirtschaftswissenschaftler macht Bhagwati die Rechnung ohne den Wirt: Seine Statistiken blenden die externen Kosten und die Folgekosten aus. Das Wachstum durch immer „freieren“ Handel ist letztlich teuer erkauft. Dazu unten mehr.
Bhagwati muss anerkennen, dass die industriellen Arbeitsplätze durch die zunehmende Produktivität weltweit immer weiter abnehmen werden. Er setzt auf „handelbare Dienstleistungen“. Aber immer mehr Rechtsanwälte werden die Probleme dieser Welt nicht lösen. Außerdem, wer soll sie wovon bezahlen? Das gleiche gilt für alle anderen Dienstleistungen: Arbeit ist sicherlich immer noch genug vorhanden – aber es muss auch jemand da sein, der sie bezahlen will und kann. Nicht alle geschassten Detroiter Fließbandarbeiter können als Frikadellenbrater bei McDonalds weitermachen: Davon kann man weder eine Familie ernähren noch will jemand die vielen Hamburger essen. Die Menschen müssten sich halt anpassen, meint Bhagwati. Wir müssten ihnen Anpassungshilfe „gewähren“, beispielweise durch bessere Bildung. Irgendjemand müsste also das Geld für mehr Lehrer ausgeben. Aber wer? Auch diese Frage bleibt Bhagwati schuldig.
Der Druck zur Anpassung und die Geschwindigkeit, mit der sich die Menschen neuer und immer besserer Konkurrenz anpassen müssen, werden weiter drastisch steigen. Die Menschen müssen immer mobiler werden. Gewachsene soziale Strukturen werden nur noch eine Erinnerung aus einer romantischen Vergangenheit sein. Auch das muss Bhagwati anerkennen.
Aber bringt uns das wirklich weiter? Wie lange soll das gut gehen? Ist es tatsächlich ökonomisch sinnvoll? Also nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern für die Menschheit insgesamt? Es gibt immer detailliertere Schätzungen der versteckten Kosten des Wachstumswahns: Die sozialen Kosten, die Kosten für die irreversibel verbrauchten Ressourcen, die Kosten für die Umweltschäden. Wenn man diese Kosten mit in die Bilanzen aufnimmt, müssten auch die Herren Schieritz und Bhagwati sehen, dass unser wachsender Wohlstand zum größten Teil eine Blase darstellt, die früher oder später platzen wird. Ein echter Starökonom wäre jemand, der eine tatsächlich nachhaltige Art zu Wirtschaften erfinden und uns beibringen könnte. Eine Wirtschaft, die zu echtem Wohlstand führt, jenseits von Primark und von „Mein Haus, mein Auto, …“. Dann hätten auch die Populisten keine Chance mehr. – Volkmar Heitmann
Anmerkung zu „Ein kleiner Mittelständler“
In der deutschen Journaille und in den deutschen Medien grassiert ein Virus in Bezug auf den Umgang mit Betriebsräten. Immer und immer wieder wird der Vorsitzende des Betriebsrats als Betriebsratschef tituliert. Der Vorsitzende des Kollegialsorgans ist aber nur primus inter pares und mitnichten der Chef des Mitbestimmungsorgans eines Unternehmens – auch wenn sich viele Betriebsratsvorsitzende gerne so sehen. Schade, dass sich auch Die Zeit mit diesem Virus infiziert hat! – Holger Kintscher