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Tutti Frutti senza cervello

Frutarier

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Als Weißwurstvertilger oder Schlachtplattenaficionado hat man mit Veganern weniger Probleme als der Veganer mit den Vegetariern. Für den echten Vegi sind Vegetarier Luschen und Luschinnen. Eine kenne ich, die isst keine Kaninchen, Rehe oder sonstige Pelztiere, weil sie so süß anzuschauen sind. Einen Pelzmantel hat sie. Da ist man als Veganer schnell der bessere Mensch, völlig logisch.
Nun aber droht echte Gutmenschenkonkurrenz. Die Frutarier brechen ins Idyll und stellen die Veganer als Möhrenmörder in die Verbrecherecke. Ganz unrecht haben sie ja nicht. Wie kann man einem Apfelbaum die Äpfel rauben, den Kopfsalat aus dem Humus ziehen und ihn so brutal um die Ecke bringen?

Der Frutarier ist der wesentlich bessere Mensch. Er hat sich mit seinem Pazifismus eine Religion beschafft, die ihn fast neben Gott stellt. Er isst nur das, was vom Baum fällt, Fallobst oder Nüsse. Was, Sie kennen keinen von dieser Sorte? Kein Wunder – sie sind so dünn, dass man sie nur mit Drei-Dioptrien-Brillen ausmachen kann. Besonders ihre Köpfchen sind recht zierlich, nicht viel größer als eine Erbse.

 

Rhabarber Rhabarber

Als Buben haben wir gerne Rhabarber geklaut und roh gefressen. Das funktionierte ohne jegliche Verfolgung der Strauchbesitzer, weil Rhabarber nicht gerade zu den begehrtesten Früchten (eigentlich Gemüse) zählt. Das Zeug war affensauer und roh vertilgt eigentlich die kulinarische Höchststrafe. Nur wegen des kleinkriminellen Engagements war die Aktion wohlgelitten.

Jetzt kommt die Saison schnell auf uns zu und damit der schlimme Umstand, dass man für al dente pochierten Rhabarber in modernen Restaurants ein Haufen Geld zahlt.

Die Kochzeit für Rharbarber ist sehr kurz, vielleicht drei Minuten. Man darf nicht vom Herd weg, denn er wird ja mit nur wenig Wasser (evtl. Wein), dafür mit reichlich Zucker gedünstet. Man muss den Topfinhalt immer drehen, damit nicht das Unterste matschig und die oben liegenden Stücke hart, sauer und astringierend bleiben. Also nix al dente, oder modern knackig, lieber weich bis amorph.

Für Biofreaks noch eine Empfehlung. Den besten Rhabarber gibt es momentan aus Belgischen oder Holländischen Treibhäusern mit Kunstdünger und allem pipapo. Er hat eine so zarte, rote Schale, dass man sie nicht wegschälen sollte. Knallrot ist er, teuer, süß und wunderbar wie alles Verbotene. Dieser, Erdbeerrhabarber genannt, rechtfertigt jede Inkonsequenz. Ach ja, jetzt könnte ich noch stundenlang darüber rhabarbern. Bitte übernehmen Sie.

 

Big Smoke

Lieber Karl Josef, also dieser Schweizer Koch aus dem Entlebuch ist schon ein Supercrack, würde er nicht Schnee-räuchern hätte ich nie von ihm erfahren. Zum Thema Ruß fällt mir da eine alte Geschichte ein. Als Internatsschüler, von Patres bis auf die Knochen mit Bildungsangebot gepiesackt, hatten viele „Insassen“ eine Heidenangst vor Klassenarbeiten, dies obwohl wir drei mal am Tag in die Kirche mußten. Also fuhr die verwegenere Spezies der „Schöler“ mit einem Teelöffel in ein Ölheizungsrohr und degustierte eine Messerspitze Ruß. Drei Stunden später waren wir bei der Nonne im Krankenrevier: Verdacht auf Gelbsucht. Völlig fertig, grün im Gesicht und mit einer satten Leberirration schrammten wir an einem körperlichen Totalschaden entlang. Simulieren war völlig überflüssig. Im nachhinein, die Drückebergerei war eine lebensgefährliche Idiotie.

Das sollte man sich immer vor Augen führen wenn man zu heftig Geräuchertes oder sonstig Verschmocktes zu sich nimmt. Nichts gegen verschmockte Rezepte. Kochkunst ist nur dann Kunst, wenn alles erlaubt ist. Verschmocktes Schneewasser, na ja, ich wette ich kenne besseres „Aqua Vitae“.

 

Paul Bocuse

Paul Bocuse hat heute Geburtstag. Bravissimo und Glückwunsch! Er ist ein wirklich schriller Typ, ein Berserker der Gastronomie und in einem Punkt sensationell. Ich bewundere ihn, nicht wegen seines Andenkenladens, der den Vatikan neidisch machen würde und total in den Schatten stellt, nicht wegen seiner Kneipen-Wandfresken (immer mit seinem Konterfei) welche Michelangelos Malerei in der Sixtinische Kapelle abstinken lässt, nicht wegen des Bocuse-Schriftzugs, der mit einer Gewaltigkeit neonleuchtet, dass der Mercedesstern auf der Untertürkheimer Zentrale winzig wirkt wie die Radkappe eines Trabbi. Bocuse ist nicht nur genial, weil er meinem Kochberuf großes Ansehen verschafft hat, oder wegen der Nouvelle Cuisine u.s.w.

Alles schön und Recht, was ihn wirklich in den Olymp des Humanismus hebt, ist die Tatsache, dass er, wie ich heute erfuhr, mit Frau und zwei Freundinnen zusammen unter einem Dach turtelt. Das muss man erst mal hinkriegen, das ist wirkliche Heroik und so wünsche ich mein Alter auch zuzubringen, ja so und nicht anders. So stelle ich mir die schönste Art von Stress vor. Da fließt jede Menge Adrenalin, aber auch Glückshormon. Wetten, der famose Kerl treibt es so noch sehr lange?

 

Wozu in die Ferne schweifen…?

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So sieht ein Kotelettstück vom Rechberger Ochsen aus. Ganz normale Rotbunte Rasse, man muss nur wissen, wie man so ein Tier aufzieht. Man muss nämlich kräftig Getreideschrot dazufüttern, das kostet. Die meisten Bauern sind zu geizig dazu, oder aber die Metzger und letztlich der Verbraucher. Der Rechberg ist bei Schwäbisch Gmünd unmittelbar neben dem Hohenstaufen. Das war mal der Mittelpunkt des Abendlandes. Fleischmäßig trifft das bei mir heute immer noch zu. Was mich auch noch freut: Es gibt Leute die ihrem vegetarischen Leben mal ein Zwischenhoch gönnen und nur bei uns Fleisch essen.

 

Foodhunter

Gestern schaute ich mit auf Arte die Sendung „Foodhunter“ an. Ein Amerikaner geisterte durch asiatische Dschungel um noch unentdeckten Gaumenkitzel aufzutreiben. Ein Jahr Recherche erbrachte eine Vorgängerfrucht der Orange, steinhart aber mit eben diesen „sensationellen“ Zitrusaromen, eine seltene Nuss war im Gepäck und eine Süßwasseralge wurde aus dem Mekong gefischt. Es war ein spannender Film und man erfuhr vieles über Land und Leute. Schmunzeln musste ich jedoch über diverse Küchenchefs, die ihren Gästen unbedingt etwas Neues – den letzten Kick – bieten müssen. Das nennt sich dann kreativ. Ganz klar, das ist sehr wichtig und Abwechslung der Speisekarte ein hohes Gebot. Dies gilt auch für mich.

Vor kurzem nahm ich Brennsuppe auf die Karte und die Leute waren völlig verblüfft, angefügt sei, dass die Zutaten um einiges besser sind als zu Kriegszeiten. Ein Hasenragout mit wirklichem Hasenblut, das wir aus der Lunge des Wildhasen pressten, riss den dobermannscharfen FAZ-Gourmandise-Analytiker Jürgen Dollase vom Hocker und stimmte ihn hoffentlich für weniger Gelungenes etwas gnädig. Kurzum, die Jagd nach den letzten Gaumenkitzeln aus den asiatischen Regenwäldern war ebenso interessant wie auch ziemlich peinlich. Vor Jahren gab es in München ein Restaurant, das hatte enormen Zulauf an „last-kick-peoples“. Das besondere des Ladens war, die Kellner beleidigten die Gäste, hauten ihnen die Servietten über den Schädel, schmissen mit Eiswürfeln und bezeichneten die ihnen ausgelieferten Kunden gebetsmühlenhaft als Idioten. Die Hedo-Masochisten-Clientèle war superhappy. Irgendwann mal, nachdem Sauce über Köpfe geschüttet und zum x-ten mal den Gästen Tomaten unter den Hintern geschoben war, riss die Perlenschnur der Kreativität und der Laden war pleite. Dem Betrieb fehlte ein eloquenter Gag-Hunter. Palazzo-Zelte, bitte übernehmen.

 

Halbkonserve

Trick 17
Wieder mal zuviel eingekauft, wie wild gekocht, der Ranzen spannt und der Gulaschtopf ist immer noch halb voll. Der war sowieso bereits zum zweiten mal aufgekocht. Er soll ja dann immer besser werden. Stimmt, aber nur, wenn der Kühlschranktrödel wirklich gut erhitzt und durch und durch gekocht wurde. Ich kenne Nachbarn, die nach lauwarmem Recycling dubioser Kühlfachfunde mit Haarausfall auf der Intesivstation landeten. Das muß nicht sein.

Alle Gerichte, die durchgekocht keinen Schaden nehmen, also Gulasch, Ragouts, Bratenscheiben in Sauce, alle Arten von Suppe, Gemüse, Knödel undsoweiter, kommen in ein Einweckglas, das dicht verschlossen wird. Was man nicht aufgegessen hat kommt nicht mehr mit samt dem Topf in Kühlschrank zur Endlagerung. Eigentlich sollte im Kühlschrank sowieso alles in dicht verschließbaren Gefäßen geparkt werden. Einweckgläser gibt es in vielen Größen. Viele Gerichte, wie Sauce Bolognese werde erst richtig gut, wenn man größere Mengen kocht. Kein Problem. Für Großfamilien gibt es große Einweckgläser. Für den kleinen Haushalt portionieren wir in saubere Marmeladegläser.

Was man beachten muß ist folgendes: Die Produkte die man ins Glas füllt müssen -nocheinmal- durch und durch erhitzt sein, also rosa gebratenes Fleisch geht nicht. Ein Rehragout, oder eingemachtes Kalbfleisch, und das praktiziere ich selbst in meiner Profiküche, ist ohne weiteres zwei Monate haltbar. Den erstickten Einweckgeschmack, der von der langen Einkochzeit verursacht wird, gibt es nicht. So ist unser Gulasch beispielsweise hurtig erwärmt, wenn man spät abends noch etwas schnelles anbieten will. Drei Eßlöffel Wasser in den Topf und den Inhalt des Einweckglases obendrauf, aufkochen, und fertig. Das Gericht kommt auf den Tisch als sei es im Moment gekocht. So habe ich immer für lange Zechabende, für spät in der Nacht ein Lammragout als Vademecum der Ausnüchterung im Kühlschrank. Kürzlich, Freund Wiglaf war Logiergast, fand keinen Schlaf und hatte sich dann einsam im Morgengrauen, über ein seit Monaten gebunkertes Dachsragout hergemacht. Er überlebte prächtig. Paprikagenmüse, das mit Olivenöl mazeriert in Italien Peperonata genannt wird, ist auch immer an Bord. Diese eingeweckten Gerichte sind übrigens keine Konserven, sondern Präserven, also Halbkonserven, sie müssen deshalb immer sehr kühl gelagert werden.

 

Palermo

Es ist ja fast unheimlich, und ein schlechtes Gewissen habe ich auch. Für den Betrag einer Taxifahrt kann man mit Hapag-Loyd in der Gegend herumfliegen. Trotzdem, so gelangte ich über Weihnachten nach Palermo.

Eine ganz besondere Stadt mit jeder Menge Kultur. Mir blieb aber etwas anderes, ganz besonders haften. Die Stadt wirkt ausgeblutet, teilweise maroder als Havanna und das will was heißen.

Schnitt: Ich sitze in einem guten Restaurant in der Nähe des Eingangs. Plötzlich zieht es als wäre der Tod eingetreten. Zwei Figuren stehen in der Türe, trotz später Nacht mit Sonnenbrille und sehen sich gelangweilt um. Der Wirt stürzt zu den beiden, die wirklich aussehen wie man sich Mafiakiller vorstellt. Die Typen gehen wieder, und der Wirt, nun im Mantel, verlässt auch das Lokal, in der Hand einen Briefumschlag.

Schnitt: Zwei Palermitaner, wollten gemeinsam eine Kneipe eröffnen. Dann plötzlich stellte sich die Frage: „Sicherlich werden wir Schutzgeld (pizzo) bezahlen müssen?!“ Darauf hatten sie keine Lust, die Kneipe wurde nie eröffnet.

Aber sie gründeten eine Bewegung gegen die Schutzgelderpressung durch die Mafia. Ca. 80% aller Händler in Palermo bezahlen Schutzgeld.
Mittlerweile verteilt die Organisation eine Art Qualitätssiegel an Händler, welche kein Schutzgeld bezahlen. Die Idee ist, die Händler, welche sich erpressen lassen, zu boykottieren, um der Mafia den Geldhahn abzudrehen und die Händler dazu zu bewegen, keine Schutzgelder mehr zu bezahlen.

Wer sich weitergehend informieren möchte, kann dies unter www.addiopizzo.org tun. Man muss allerdings des Italienischen mächtig sein.

Schnitt: Auf der Fahrt zum Flughafen komme ich an einem Denkmal für Giovanni Falcone und Paolo Borsellino vorbei. Der Flughafen ist auch nach diesem Staatsanwalt und dem Richter benannt, die 1992 Mafiabomben zum Opfer fielen.

In letzter Zeit wird wenig gemordet. Die Ruhe täuscht, unter Berlusconi fühlt sich die Mafia geradezu wohl, wächst und gedeiht. Puh, da ist man froh, seine Kneipe in Deutschland betreiben zu dürfen.

 

Steak well done

Sitzt einer in London im Flughafen Heathrow und hat sich in einem Grillroom ein Steak ausgeguckt. Der Kellner kommt und es wird bestellt: „Please bring me a Steak with Mustard, äh, please iI want it bloody!“ Der Kellner, ganz englischer Gentleman verzieht keine Miene und fragt: „Would you like some fuckin‘ potatoes with it?“

 

Wakyu-Rind

Mit meiner Meinung zum dekadenten Superfleisch-Essen habe ich einen Gast beleidigt. Ich solle meine private Meinung für mich behalten.

Kurzum, ich habe nur meine Meinung, eine bereinigte für die Öffentlichkeit schon gar nicht. Auch ist heuchlerische political correctness ist nicht mein Ding. Weichgespülte Nachrichten gibt es täglich en masse, dazu braucht es dieses Portal nicht. Um auf meine Gästeschar zu sprechen zu kommen: Die Leute, die mich nicht aushalten sind schon längst geflüchtet und es sind trotzdem erfreulich viele übriggeblieben. Ich bin nicht der Ansicht der Restaurantkritiker, die immer nach allgemeingültigen Kategorien fahnden um eine Art Gorumetbundesliga besser installieren zu können. Ecken und Kanten müssen sein, vor allem die klare Haltung des Wirts. Es schließt sich dann aus, es jedem Gast Recht machen zu wollen. Man bedenke, Gasthäuser zwischen Seniorenteller, Pumuckl-Töpfchen und Panoramaplatte sind letztlich die Folge des Slogans: „Bei uns ist der Gast König!“