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Küchenplanung

Sehr geehrter Herr Klink,

leider ist die Homepage-Speisekarte der Wielandshöhe für den Dezember noch nicht online. Was gibt´s denn Gutes?

Herzliche Grüße W. XXX

Sehr geehrter Herr XXX

wir veröffentlichen erst im nachhinein was wir gekocht haben. Nicht wegen irgendwelchem Kalkül, sondern weil wir noch gar nicht wissen was wir kochen werden. Wir planen zum Beispiel kein Ochsenkotlette, weil es womöglich gar keines gibt. Wir nehmen es erst auf die Karte wenn unser Züchter anruft und sagt, jetzt habe ich genau das Vieh, wie es für die Wielandshöhe sein soll. Das nennt man marktgerechte Küche. Heute stand plötzlich unser Jäger vor der Türe und hatte zum Schrecken der gestressten Köche ein Hirschkalb und einen Frischling in seinem Passat. Beide Tiere hängen nun im Kühlhaus noch eine Woche ab und kommen dann auf die Karte. Vorgestern wussten wir davon noch gar nichts. Kurzum, null Planung, denn die beste Ware kann man nicht herbeizitieren, sie muss zu einem kommen.

P.S.

Falls Sie Hobbykoch sind, dann empfehle ich Ihnen die gleiche Strategie. Nicht ein Menü mit Freunden planen und sich beispielsweise auf Kaninchenbraten festlegen.

Es könnte dazu führen, dass man kein gutes Vieh findet und dann beginnen die Kompromisse. Greift man zur Tiefkühlware, nimmt man Ware die bereits leicht müffelt? Ich denke Sie haben verstanden?

 

Traurig

In der Stuttgarter Zeitung lese ich vom wunderbaren japanischen Wakyu-Rind. Deutsche Turbo-Genießer holen sich damit nun den letzten Kick. Es wird mit Bier massiert und gepflegt, dass ein Hartz IV-Empfänger hierzulande von solchem Dasein nur träumen kann. Ob das Tier das alles mag, wer weiß? Gewiss ist, dass sie sich nicht bewegen dürfen (deshalb die extreme Fettmarmorierung).

Was ich sagen will ist: Wenn gewisse Hochleistungsgourmets so etwas brauchen um ihr Ego zu stärken und dafür 200 Euro bezahlen, dann ist das okay. Neid ist völlig unangebracht wenn das Geld reicher Leute in den Konsum gerät und nicht auf Auslandskonten versackt. Schlimm ist nur, dass man diese Hedonisten Gourmets nennt, wo sie doch in erster Linie nur obszöne Statusesser sind. Vor solchen Leuten ekelt es mich geradezu. Mir wäre viel lieber, man würde unsere Weiderinder mehr schätzen und dafür etwas mehr bezahlen, um so die Bauern vom Subventionsbakschisch zu befreien. Ich wette, mein Rechberger-Ochsenfleisch schmeckt genauso gut. Allerdings, es zergeht nicht auf der Zunge sondern bietet etwas Widerstand. Letzter ist in unserer Softiegesellschaft gar nicht gut gelitten. Die Verweichlichung, die Infantilisierung der Gesellschaft ist voll im Gang. Wann sagt schon mal ein Gast, es hat geschmeckt.? Sie sagen immer „oh wie zart“! Kein Wunder, Risotto, Nudeln, und Ferran Adrias Geleewunder sind die globalen Renner. Wenn es so weiter geht wird irgendwann mal heiße Trüffel-Luft in Dosen der Knaller der Saison. Über die Infantilisierung des Essens demnächst mehr. Ahh, und dann bastle ich gerade an etwas sehr Erfreulichem, -Paprika-Chili-Marmelade-. Diese Feldforschungen dann auch demnächst hier an Ort und Stelle, damit es nicht heißt: „den ewigen Heuler Vincent wollen wir nicht mehr“.

 

Kalbskotelett

Kalbskotelette mit Gänselebercroustillant und Blumenkohl à la creme

Das Gericht steht heute auf unserer Karte. Das Croustillant, hauchdünne Teigfolie kross gebraten, gewürzt mit Kardamom, Piment ect. Dazwischen ein Scheibe Gänseleber. Es liegt mit gutem Grund neben dem Kalbskotelett, das ohne das Accessoire genauso gut auskäme.

Kalbfleisch schmeckt nach nichts und braucht immer ein „Tuning“. So kann nur sprechen, der nie ein an frischer Luft gereiftes Fleisch gegessen hat.

Kürzlich sagte mir der ehemalige Chef des Guide Michelin, zwei-drei Sterneküche darf nicht nur so produktbezogen daherkommen wie man es von der italienischen Küche kennt. Mit anderen Worten: es muss irgendwie verkünstelt sein. Streng genommen ist es aber so, dass das Kalbskotelett, von dem hier die Rede ist, naturell gebraten optimal schmeckt. So gut, dass es durch keine Kochkunst verbessert, sondern allenfalls verändert werden kann. Ich mache es so, auch wenn ich den Verdacht errege, nicht kreativ zu sein.

 

Weinpantschen

Es gibt junge Köche die in Labors ihren kreativen Forschungen nachgehen. Da kommt flüssiger Stickstoff zum Einsatz, das Bindemittel Alginat, Calcium-Chlorid. Ich finde das Suchen auf neuen Wegen schwer in Ordnung. Schön ist auch, dass die Avandgardeköche nicht mit ihren Arbeitsweisen hinterm Berg halten.

Ganz anders ist es beim Wein, da ist die Berufsethik schon reichlich verslumt, da wird unter dem Signet der Natur mit aromatisierenden Reinzuchthefen hantiert, mit Terroir-Gefasel und Showholzfässern der Konsument besoffen gemacht. Eichenspäne und Enzyme werden zugesetzt, mit Umkehr-Osmose und Kryoextraktion (Gefrierkonzentration) der Wein verdichtet, oder mit der Fraktioniermaschine Spinning Cone die Brühe in Farbstoff, Säure, Süße und Aroma separiert. Alles wird zerlegt und dann wieder so zusammengesetzt, dass der Weinkritiker Robert M. (marmelade) Parker vor Freude hüpft. Der Alkoholgehalt wird gesteuert, es wird gegiftelt, entsäuert, gesüßt oder entsüßt. Dies alles, um dem Geschmack des Weins zur Infantilisierung zu verhelfen. Eben so, dass es rund um den Erdenknödel allen Idioten von sieben bis siebzig gut reinläuft und genauso billig zu haben ist wie Coca Cola.

Deutsche Dumpf-Winzer haben vor diesen Entwicklungen der globalen Weinwelt Angst und folgen zunehmend der Weinersatzforscherin Monika Christmann von der Forschungsanstalt Geisenheim. Warum junge Winzerinnen und Winzer dort studieren ist mir ein Rätsel, da würde ich mich lieber gleich bei der BASF oder Boehringer-Ingelheim einschreiben. Trotzdem, die Entwicklung ist okay, denn dadurch wächst der Druck auf die ehrlichen Weinmacher sich auf dem Etikett zu outen oder sich endlich zu Qualitätsgemeinschaften zusammenzuschließen Beispiel: www.tauber-edition.de .

Langer Rede kurzer Sinn, auf unserer Weinkarte sind Überseeweine nahezu entsorgt und in Zukunft werden nur Weine zugekauft, die dem Reinheitsgebot der Tauber-Edition entsprechen.

 

Nochmal Klopse

Originalrezepten haftet oft ein Haut Goût des Mangels an. Nichts gegen Ostpreußen, auch in Süddeutschland war Creme Fraîche vor zwanzig Jahren noch eine Rarität. Bei aller Werktreue, ein bisschen davon in die Klopse-Sauce getan, das verträgt auch der eingefleischte Preuße gern. Der Hinweis, daß die Klopse in der Sauce gegart werden ist natürlich auch eine Möglichkeit, da geht dann der austretende Fleischsaft gleich in die gebundene Sauce über. Tja, er Möglichkeiten gibt es viele. Das ist wie mit den schwäbischen Maultaschen, jede Omma hat hr alleingültiges Rezept und das ist gut so.

 

Königsberger Klopse

Gerade komme ich mit einem neuen Packen Post-it von der Stadt zurück. Post-it, das sind Klebezettel für Notizen. Ich könnte nun gleich sagen, dass das Innere meines Gehirns mit Post-it tapeziert ist. Meine „Konzernzentrale“ in der Küche, das mit Computern vollgestopfte Eineinhalbquatratmeterkabuff, könnte man auch als die Innenansicht von mir bezeichnen. Hunderte von Klebezetteln lassen nur gelegentlich die weißen Küchenkacheln hervorlugen. Inmitten des Patchworks residiert eine leuchtendweiße DIN-A4 Seite, ein Fax, und darauf steht:

„Lieber Herr Klink Ihr Königsberger-Klopse-Rezept ist nicht optimal. Meine Oma stammte aus Ostpreußen, und so geht’s:

Die Klopse werden nicht in schnödem Salzwasser gegart sondern in einem Sud aus Wasser, Salz, Pfefferkörnern, Pimentkörnern und 8-10 Lorbeerblättern, wenn man mag, kann man noch Karotten und eine halbe Zwiebel dazugeben. Außerdem macht sich eine Chilischote gut im Wasser und erspart später großes Würzen.

Dann sollten die Klopse in diesem Sud ziehen und etwas stehen lassen damit sich die Gewürzaromen gut im Wasser lösen. Auch kann eine Rinderbrühe oder Gemüsebrühe dazu hergenommen werden. Als nächstes wird eine klassische Mehlschwitze bereitet und mit Zitronensaft abgelöscht. Danach wird der Sud der Klopse zur Mehlschwitze dazugerührt und die Kapern (2 EL) und etwas Zucker kommen dazu.

Nun haben wir eine süß-saure Soße, die mit etwas Pfeffer und etwas Biogemüsebrühe abgeschmeckt wird.

Viele Grüße Frank Severin“

Da zieht Vincent den Hut! Und die Klopse selber? Einfach Halb Rinder, halb Schweinehack mit etwas gehackter Sardelle, Weißbrot, Eiern, Pfeffer, Salz und Muskat gut (5 Minuten) zusammenkneten und in das gewürzte Wasser kugeln.

 

Chicken-Gulag

Heute sah ich in der Stuttgarter Zeitung die Verpackungsabbildung eines Hühnertopfs, vor dem gewarnt wird. Es seien Schlachtabfälle hineingeraten. Hunderttausende vergammelter Schweineschwarten galten zuerst als verlustig, sind dann als Hühnertopf in Billigheimer-Supermärkten wieder als Auferstehung des Fleisches ans Tageslicht geraten. Nun sind sie dort wo sie hingehören: in finsteren deutschen Gedärmen „on a recycling way“.

Nichts gegen die Wiederauferstehung des Fleisches spricht da der großzügig, katholisch geprägte Agnostiker.

Doch was wird nun aus den restlichen, kontaminierten, leider noch nicht verscherbelten Hühnertöpfen? Werden sie wieder an Hühner verfüttert? Haben die Viecher in den Chicken-Gulags gar keine Grippe sondern nur Ekel vor Kannibalismus?

Tschüß und Kuss euer VK, Gott schütze unser Land

 

Zungenkuss

Montag 17:45 Uhr. Tatort französischer Geflügelstand, Stuttgarter Markthalle

„Ich gebe dem Gockel doch keinen Zungenkuss, außerdem kommen die Skandale, die Hühnergrippe und all die Verbrechen an den Viechern, von euch Geizhälsen.“ Elisabeth geriet total in Fahrt: „Gute Frau, so wie Sie aussehen, haben Sie doch bereits so viele Quälgöckel verspeist, dass Sie vielleicht bald selbst den Abflug machen!“

Political Correctness stand heute nicht auf dem Stundenplan meiner Frau. Innerbetrieblich Queen genannt, war sie sehr in Rage und gar nicht amused. Es kam zu Tumulten.

Warum? Irgendeine Geiz-ist-geil-Schwäbin war an dem Stand vorbeigeschlichen und hatte hämisch in die Auslagen gekräht: „Jetzt isch Schluss mit dene teure Göckel!“

Als der Pulverdampf verzogen war, orderte meine Frau eine Bressepoularde und legte 26 € auf den Tresen. Wir wollten heute am freien Tag nämlich auch mal sparen und verkniffen uns den Italiener, der für Ravioli, Insalata und PinotGrigio kaum unter 80 € zu haben ist. Elisabeth kochte daheim auf ihrer mobilen Heizplatte ihr berühmtes Paprikahuhn, Gemüse mit Peperoni und irgendein Weinchen war auch im Kühlschrank. Apropos Heizplatte, das kommt daher, dass ich in meiner Freizeit nicht koche und meine Frau nur mit ihrem „Single-Action-Gerät“ zurecht kommt.

 

Kein Schnick-Schnack

Heute ist Samstag und morgen, Sonntag, habe ich frei. Mit meiner Frau fahre ich dann ziemlich weit. Wir wollen einen Koch besuchen, der auf seinem Teller nicht mehr als drei Zutaten duldet. Das ist genau auch meine Auffassung, ganz so pur kriege ich es aber noch nicht hin. Bin immerhin schon dreißig Jahre am Üben, trotzdem.

Erstaunlich, was die Gourmets an frittiertem Krempel und unzähligen Accessoires auf dem Teller hinnehmen und erst ihren Teller halb abräumen müssen, um zu dem zu kommen, was sie bestellt haben. Da ist dann oft zu wenig davon. Mir kommt das alles vor, als würde ein Porsche heute noch Fünfzigerjahre-Zierleisten dranhaben, hinten womöglich noch die Häkelklorolle und um die Fenster noch Girlanden „a la turca 1960“. In der Floristik kann man Ähnliches beobachten wie in der Gastronomie, viel Golddraht, Dritte-Welt-Schmuck und Glitzerkram, aber wenig Blumen.

Ach ja, und dann noch die Variationen. Ich aß neulich bei einem hochdekorierten Kollegen Ochsenschwanz auf fünferlei Arten, alles auf einem Teller. Terrine, frittiert, paniert, mariniert undsofort. Der in Madeirasauce geschwängerte Super-Ochsenschwanz , um den es mir eigentlich ging, das war nur eine kleine Praline. Das ist Küche für Tester, von ängstlichen Köchen, die ihrer Sache nicht sicher sind und nach dem Zufallsprinzip durch Vielfalt die Trefferquote der Anerkennung optimieren wollen.

Der Drei-Zutatenkoch – ich werde berichten.

 

Lehrerschelte

Seit meiner Kindheit ist es ein Ritual, dass ich schimpfe auf Lehrer. Zuerst fühlte ich mich als Genie verkannt, später war es der Neid wegen der Ferien.

Gestern hatte ich einen Kochkurs gegeben und war hinterher so richtig fertig. Lehren strengt unglaublich an. Ich entschuldige mich nun in aller Form beim der Lehrerschaft für all die Schmähungen der letzten Jahre. Gottseidank waren meine Kochschüler bisher immer sehr sympathisch. Nie war ein Hardcore-Kocher, ein „Feinschmecker-Wettbewerbs-Gourmet“ dabei. Diese Leute nerven ja unglaublich. Es geht ihnen eigentlich nur darum, im Bekanntenkreis den Larry raus zu hängen. Da dient das Kochen dem stolzen Ego und dem Status. Letztendlich funktioniert glückliches Kochen genau umgekehrt. Nicht um den eignen Ehrgeiz geht es, sondern darum, anderere glücklich zu machen. Wie sagt mein Busenfreund immer, wenn er sich verabschiedet: „Muss nach Hause, meine Liebste füttern!“